Freistellung (AEG)

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Die Freistellung ist ein Verfahren nach § 23 AEG , mit dem eine (ehemalige) Betriebsanlage einer Eisenbahn diese Eigenschaft auch rechtlich verliert.

Rechtsgrundlage

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Im Rahmen der Bahnreform in Deutschland wurde das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) vom 27. Dezember 1993 geschaffen ( BGBl. I S. 2378) und seitdem mehrfach geandert. Mit der dritten Anderung (Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Anderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften v. 27. April 2005 ? BGBl I 2005 Nr. 24 v. 29. April 2005, S. 1138) wurde ein neuer § 23 AEG eingefugt, der die Freistellung regelt. Er gilt seit dem 1. Mai 2005. Fur ?Altfalle“ gilt die Ubergangsregelung von § 38 Abs. 6 AEG: Sie sind nach dem zuvor geubten Verfahren abzuschließen.

Der Gesetzgeber hat mit der ?Freistellung“ einen auch in der Rechtsprechung bestehenden Begriff ubernommen. Zugleich hat er die bis dahin bestehende Begriffsvielfalt mit dem neu geschaffenen Begriff ?Freistellung“ zu fassen versucht, ohne inhaltlich etwas uber die bis dahin in der Praxis durchgefuhrte ?Entwidmung“ zu sagen. Bei anderen linearen Infrastrukturen (Straßen, Wege, Wasserstraßen, Pipelines etc.) gibt es ?Freistellung“ als Rechtsinstrument nicht.

Das Stilllegen oder Aufgeben einer Strecke fuhrt nicht dazu, dass sie auch rechtlich ihre Eigenschaft als Betriebsanlage einer Eisenbahn verliert. Die Stilllegung ist nur Voraussetzung dafur. Die Eigenschaft als Betriebsanlage einer Eisenbahn kann vielmehr nur aufgegeben werden, wenn zusatzlich noch festgestellt wird, dass das offentliche Verkehrsbedurfnis an ihr derzeit und auf absehbare Zeit entfallen ist.

Betriebsanlagen einer Eisenbahn unterliegen dem Fachplanungsrecht nach § 18 AEG und sind der allgemeinen Planungshoheit der Kommunen nach § 38 BauGB entzogen. Durch die Freistellung wird dieser Sonderstatus wieder aufgehoben und die entsprechenden Flachen in die Planungshoheit der Kommunen zuruckgegeben.

Ist die Eigenschaft als Betriebsanlage einer Eisenbahn auf Dauer entfallen und wird das Grundstuck fur Bahnbetriebszwecke daher nicht mehr benotigt, besteht sogar eine rechtliche Verpflichtung, diese planungsrechtliche Ausnahme aufzuheben und den ?Normalzustand“ wiederherzustellen. Dieser Grundsatz wurde zunachst durch die Rechtsprechung entwickelt.

Das vorgeschriebene, formliche Verfahren stellt sicher, dass zu einem bestimmten, genau festliegenden Zeitpunkt die kommunale Planungshoheit wiederhergestellt wird. Damit wird Rechtsklarheit fur die Gemeinden geschaffen, ob und wann ursprunglich zu Bahnbetriebszwecken genutzte, in ihrer Gemarkung gelegene Flachen durch sie wieder beplant werden konnen. Zum anderen stellt das formelle Verfahren sicher, dass eine bahnfremde Nutzung erst dann rechtlich wieder moglich wird, wenn die offentlichen Belange, die fur eine Nutzung durch die Eisenbahn sprechen, nicht mehr gegeben sind.

Dieses Wiederherstellen des planungsrechtlichen ?Normalzustandes“ hat seinen Vorlaufer in der ? Entwidmung “ (ehemaliger) Betriebsanlagen einer Eisenbahn. Dieser aus dem Recht der offentlichen Sachen entlehnte Begriff setzt aber voraus, dass es sich bei Eisenbahnen des offentlichen Verkehrs um offentliche Sachen im Sinne des Rechts der offentlichen Sachen handelt. Schon das ist umstritten. In der Praxis aber wurde gleichwohl eine Entwidmung ausgesprochen.

Diese beruhte im Grunde auf einer sprachlichen Ungenauigkeit in der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 81, 111ff). Hier wurde erstmals hochstrichterlich festgeschrieben, dass eine rechtliche Verpflichtung besteht, bei nicht mehr als Betriebsanlagen einer Eisenbahn dienenden Flachen den planungsrechtlichen ?Normalzustand“ fur die Kommunen wiederherzustellen. Diese grundlegende Entscheidung spricht von ?Entwidmung“ (in Anfuhrungszeichen!). Aus dem Kontext der Entscheidung ergibt sich aber klar, dass nicht der Begriff aus dem Recht der offentlichen Sachen gemeint ist, sondern die Wiederherstellung des planungsrechtlichen ?Normalzustands“. Die nachfolgende Literatur hat aber zum Teil den Begriff der Entwidmung (nun ohne Anfuhrungszeichen) unreflektiert im Sinne des Rechts der offentlichen Sachen verwendet. Dies hat zu erheblicher ? auch inhaltlicher ? Verwirrung gefuhrt.

Vor dieser Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1988 wurde das Problem weitgehend ignoriert. Dass es gerade zu diesem Zeitpunkt auftrat, liegt zum einen an der vermehrten Streckenstilllegung seit den 1970er Jahren und zum anderen an dem Freiwerden großer ehemaliger Betriebsflachen der Bahn aufgrund betrieblicher und technischer Umstellungen. So wurden etwa durch die Aufgabe des Betriebs mit Dampflokomotiven zahlreiche Bahnbetriebswerke uberflussig.

Antragsberechtigung

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Antragsberechtigt sind nach § 23 Abs. 1 AEG das betroffene Eisenbahninfrastrukturunternehmen , Eigentumer oder Eigentumerin des betroffenen Grundstucks oder die Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstuck befindet.

Das Eisenbahn-Bundesamt ist fur die Entscheidung uber Freistellungen gemaß § 23 Abs. 1 AEG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 2 des Gesetzes uber die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes ( Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz ? BEVVG vom 27. Dezember 1993, BGBl. I, S. 2394, zuletzt geandert durch das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005, BGBl I S. 1970, 2017) in Verbindung mit § 18 AEG als Planfeststellungsbehorde fur Eisenbahnen des Bundes zustandig. Bei nicht dem Bund gehorenden Eisenbahnen ( NE-Bahnen ) ist die Planfeststellungsbehorde des jeweiligen Bundeslandes zustandig.

Folgen der Freistellung

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Mit dem Verfahren nach § 23 AEG endet auch rechtlich die Eigenschaft der betroffenen Flache als Betriebsanlage einer Eisenbahn mit der Folge, dass sie aus dem eisenbahnrechtlichen Fachplanungsprivileg (§ 38 BauGB in Verbindung mit § 18 AEG) entlassen wird. Die Planungshoheit des Fachplanungstragers, des Eisenbahn-Bundesamtes, endet und die eisenbahnspezifische Zweckbindung der betreffenden Flache entfallt. Ab der Freistellung unterliegen alle Flachen wieder ausschließlich dem allgemeinen kommunalen Planungsrecht. Das Eisenbahn-Bundesamt verliert seine Aufsichtsbefugnisse. Entsprechendes gilt fur die Zustandigkeit der Bundespolizei nach § 3 Abs. 1 BPolG .

Ein Mangel dieses Verfahrens ist, dass die Beteiligungsmoglichkeiten vom Gesetzgeber sehr formal gestaltet wurden. So erfolgt die Bekanntmachung uber ein beantragtes Freistellungsverfahren ausschließlich uber eine Veroffentlichung im Bundesanzeiger , seit Januar 2008 im Elektronischen Bundesanzeiger. In diesem uberregionalen und offentlichkeitsfernen Medium kann sie unter der Vielzahl der Veroffentlichungen leicht ubersehen werden. Zudem bewegen sich die Fristen, innerhalb derer Stellungnahmen moglich sind, im Bereich von wenigen Wochen (meist vier bis sechs, mancherorts nur zwei Wochen), so dass eine fristgerechte Stellungnahme durch die zu beteiligenden Stellen praktisch nur bei standiger Recherche im Bundesanzeiger moglich ist. Mehrfach wurden dadurch Veroffentlichungen bereits von angesprochenen Stellen ubersehen. Daruber hinaus spricht die Bekanntmachung im Bundesanzeiger nur

  • die Eisenbahnverkehrsunternehmen,
  • die nach § 1 Abs. 2 des Regionalisierungsgesetzes bestimmten Stellen, d. h. die Trager des offentlichen Personennahverkehrs (OPNV) in den Landern,
  • die zustandigen Trager der Landesplanung und Regionalplanung,
  • die betroffenen Gemeinden, sowie
  • Eisenbahninfrastrukturunternehmen, soweit deren Eisenbahninfrastruktur an die vom Antrag betroffene Eisenbahninfrastruktur anschließt

an. Anderweitig an dem Verfahren Interessierten (z. B. Burger, Interessenverbande ) steht kein Anspruch auf Zugang zu dem Verfahren und dessen Unterlagen zu. Der Bescheid uber den Abschluss des Verfahrens wird gar nicht veroffentlicht, sondern nur den Betroffenen zugestellt. Verglichen mit dem Planfeststellungsverfahren und dessen Abschluss ist die Freistellungspraxis damit sehr offentlichkeitsfern.

  • Reinhard Dietrich: Anfang und Ende von Eisenbahninfrastruktur . In: Deutsches Verwaltungsblatt . 2007, S. 657?664.
  • Georg Hennes u. a.: Beck’scher AEG-Kommentar . Munchen 2006.