Freiherr
(
abk.
Fhr., Frhr.) ist ein
Adelstitel
des
Heiligen Romischen Reiches
, der in
Osterreich
und dem
Deutschen Reich
bis 1919 fortbestand. Der Freiherr gehort damit zum titulierten
Adel
wie auch
Graf
,
Furst
und
Herzog
, im Gegensatz zum untitulierten Adel, der lediglich das
Adelspradikat
?von“ im Namen trug. Man unterschied dabei zwischen dem niedrigeren Ritterstand und dem Herrenstand, der beim Freiherrn begann.
Das Wort Freiherr geht auf den
spatmittelhochdeutschen
Ausdruck
vr?herre
zuruck und bedeutet
freier
Edelmann. Der Titel ist damit gleichbedeutend mit
Baron
, was sich vom
latinisierten
liber baro
aus dem
altfrankischen
baro
(?Mann, Kampfer“) ableitet.
[1]
In den
Adelsdiplomen
des
Heiligen Romischen Reichs
wurde der Titel des ?freien Herrn“ mit
liber baro
wiedergegeben. Hieraus entwickelte sich in den romanischsprachigen Landern sowie in Großbritannien, den Niederlanden und Russland der Titel
Baron
, wahrend in den meisten germanischsprachigen Landern der offizielle Titel
Freiherr
blieb (siehe
unten
).
Im Deutschen hat sich die mundliche Anrede
Baron
fur einen Freiherrn eingeburgert, als die franzosische Sprache zur
lingua franca
des europaischen Adels wurde. Sie galt als eleganter, ebenso wie die weiblichen Formen
Baronin
und
Baroness(e)
fur die Ehefrau und die Tochter eines Barons bzw. Freiherrn. Der Brauch, einen Freiherrn mit Baron anzusprechen, begann im 16. Jahrhundert und wurde im 18. und 19. Jahrhundert zur festen Etikette an deutschen Hofen, als Franzosisch noch Hof- und Diplomatensprache war.
Ein Sonderfall sind die Reichsfreiherren (siehe unten), die allerdings vor 1806 im
Heiligen Romischen Reich
der Normalfall waren. Die Freiherren gehoren, wie die meisten
Grafen
, dem
niederen Adel
an, wahrend vormals
reichsunmittelbare
Grafen (ebenso wie
Fursten
und
Herzoge
) zum
Hohen Adel
zahlen. Bis zum 13. Jahrhundert bestand innerhalb des
deutschen Adels
noch keine Standesschranke zwischen hohem und niederem Adel, die mittelalterlichen Grafen (damals nicht selten auch die freien Herren) waren als Territorialherren den Reichsfursten nahezu gleichgestellt, stiegen aber in spateren Jahrhunderten oft in den Furstenstand auf und behielten zumeist ihre
Reichsunmittelbarkeit
bis zum Ende des Alten Reichs 1806, als die meisten von ihnen durch
Mediatisierung
ihre relative Unabhangigkeit verloren. Auch diejenigen Freiherren, die zu den (reichsunmittelbaren)
Reichsrittern
zahlten, gehoren zum Niederen Adel.
Reichsfreiherr
ist eine inoffizielle Standesbezeichnung aus dem
Heiligen Romischen Reich deutscher Nation
. Einerseits wurden damit die Inhaber reichsunmittelbarer Territorien bezeichnet, andererseits auch solche Personen, die den Titel
Freiherr
durch den
romisch-deutschen Kaiser
verliehen bekommen hatten. Allerdings lautete der offizielle Titel immer nur
Freiherr
, das Prafix ?Reichs“- ist zwar auf Freiherrendiplomen und Bildinschriften des 17. und 18. Jahrhunderts, meist in der Version
des Heiligen Romischen Reichs Freiherr
, gelegentlich zu lesen, bildete aber nie einen offiziellen Titel; zumeist erst im 19. Jahrhundert ? mit der erneuten Propagierung der
Reichsidee
nach dem Untergang des Alten Reichs ? nannten sich manche Freiherren aus eigenem Entschluss so (?
Reichsfreiherr vom und zum Stein
“), sofern sie ihre Erhebung dem Reichsoberhaupt im Alten Reich verdankten. Nach der Auffassung des
Deutschen Adelsrechtsausschusses
und seiner Vorgangerinstitutionen sind die ?Reichstitel“ (also auch
Reichsgraf
und
Reichsfurst
) seit jeher nur historisch erklarender, nicht aber namensrelevanter Natur. Sie sind auch in Passen oder Personenstandsurkunden (auch aus der Zeit der Monarchie) nicht eingetragen und werden folglich weder im
Gothaischen Genealogischen Handbuch
noch im
Deutschen Adelsblatt
verwendet.
Reichsfreiherren dieser Gruppe waren Freiherren, die mit
Reichsgut
belehnt waren, das dem deutschen Konig bzw. Kaiser direkt unterstand und somit
Reichsunmittelbarkeit
besaß. Dabei handelte es sich meist um ? in den Freiherrenstand erhobene ?
Reichsritter
, die der freien
Reichsritterschaft
angehorten. Sie gehorten (mit einer einzigen Ausnahme
[2]
) nicht zu den
Reichsstanden
(mit Sitz und Stimme im
Reichstag
) und standen im Adelsrang auch nicht uber den anderen Freiherren, die einem
Landesherren
unterstanden.
Der
Frankische Ritterkreis
, der
Schwabische Ritterkreis
und der
Rheinische Ritterkreis
wurden aber mit dem Ende des
Heiligen Romischen Reichs
1806 aufgelost und die Reichsritter kamen durch
Mediatisierung
unter die Herrschaft von Mitgliedsstaaten des
Deutschen Bundes
. Seltenes Beispiel einer keinem Reichskreis zugeteilten Freiherrschaft war ab 1689 die Herrschaft
Schauen
, ferner die der Familie
von Boyneburg
gehorende Herrschaft
Lengsfeld
und die ab 1801 ebenfalls ihr gehorende reichsstandische
Herrschaft Gemen
.
Als Reichsfreiherren ? darin den
Reichsgrafen
entsprechend ? wurden aber auch solche Adelige bezeichnet, die ihren Freiherrentitel durch eine Urkunde des
romisch-deutschen Kaisers
oder eines
Reichsvikars
verliehen bekommen hatten, gleichgultig ob sie dem
Uradel
angehorten ? und auf diese Weise eine Rangerhohung erfuhren ? oder dem
Briefadel
.
Eine Standeserhohung durch den Kaiser (in dieser Eigenschaft, denn er konnte ebenso Titel mit Beschrankung auf seine
Erblande
verleihen) war im ganzen Reich gultig. Auslandische Titel mussten hingegen bei
Naturalisierung
im Reich anerkannt werden. Mit Reichsunmittelbarkeit oder einer Belehnung mit
Reichsgut
hatte der Titel in diesem Fall nichts zu tun, sondern war lediglich ein Hinweis darauf, dass er vor 1806 durch den
Kaiser
oder einen Reichsvikar verliehen worden war. Dies traf vor 1806 auf die meisten Erhebungen in den Freiherrenstand zu, da solche außer vom Kaiser (oder Konig seiner Erblande) nur vom
Konig von Preußen
vorgenommen werden konnten, der das in der Praxis aber vor 1806 selten tat. Die ubrigen regierenden Fursten durften Erhohungen in den Freiherren- (und Grafen-)stand erst nach dem Ende des
Heiligen Romischen Reichs
? als Souverane im
Deutschen Bund
und ab 1871 im
Deutschen Kaiserreich
? vornehmen.
Die Freiherrenkrone ist eine
Rangkrone
und gewohnlich als ein goldener Reif ausgebildet, aus dessen oberen Rand sieben perlenbesetzte silberne Zacken hervorragen
[3]
(Adelskrone: funf Zacken, Grafenkrone: neun Zacken). Bei einer flacheren Form liegen die Perlen direkt auf dem Reif auf, unter Wegfall der Zacken (diese entspricht auch der franzosischen Baronskrone). Um 1800 galt auch die funfzackige Krone als Freiherrenkrone.
[4]
Von der siebenzackigen deutschen Freiherrenkrone sind die franzosische, schwedische, spanische, portugiesische, belgische und englische Freiherren- bzw. Baronskrone zu unterscheiden
(siehe Artikel
Baron
)
.
Angehorigen freiherrlicher Familien stand im 17. und 18. Jahrhundert die
Anrede
Wohlgeboren
, spater
Hochwohlgeboren
oder
Hoch- und Wohlgeboren
zu. Da im 19. Jahrhundert auch untitulierte
Herren von
(sowie, vor allem in Bayern und Osterreich, die neu geadelten
Ritter
und
Edlen von
) und zunehmend auch burgerliche
Honoratioren
auf der Anrede ?Hochwohlgeboren“ bestanden, gingen die nichtregierenden
Grafen
(regierend:
Erlaucht
) sowie die Freiherren oder
Barone
aus dem
Uradel
zur Anrede
Hochgeboren
uber, die bis zum 17. Jahrhundert noch den
Herzogen
vorbehalten gewesen war. Verwendet wurde diese Anrede indes zumeist nur in der schriftlichen Form, wahrend mundlich
Baron
bzw.
Baronin
gebrauchlich blieben. Die alten Anredeformen haben sich aber in dem Brauch erhalten, auf Briefkopfen uber den Namen eines Freiherren (oder Grafen) die Buchstaben
S.H.
(
Seiner Hochwohlgeboren
bzw.
Seiner Hochgeboren
) oder
I.H.
(
Ihrer Hochwohlgeboren
bzw.
Ihrer Hochgeboren
) ? fur eine Freifrau oder Freiin ? oder
S.H.I.H.
fur ein Ehepaar zu setzen (auch die Pluraldopplung
I.I.H.H.
wird gelegentlich verwendet, fur
Ihren Hoch(wohl)geborenen
).
Im
Deutschen Kaiserreich
war es ublich, den Adelstitel dem Vornamen voranzustellen. Seit dem Inkrafttreten der
Weimarer Verfassung
1919 sind ehemalige Adelstitel in Deutschland namensrechtlich
Bestandteile
des
Familiennamens
. In
Osterreich
war es bereits wahrend der
Monarchie
ublich, den Adelstitel zwischen dem Vor- und dem Familiennamen einzufugen (z. B.
Alfred Freiherr von Berger
). Dies wurde nicht nur im amtlichen Schriftverkehr, sondern auch bei Hof so gehandhabt.
Die weibliche Form lautet
Freifrau
(
Baronin
) fur die Frau eines Freiherrn bzw.
Freiin
(Baronesse,
Freifraulein
war eher unublich) fur die ledige Tochter eines Freiherrn. Nach einer Entscheidung des
Reichsgerichtes
wahrend der
Weimarer Republik
, die in Deutschland bis heute Bestand hat,
[5]
durfen sich die Ehefrauen von Freiherren namensrechtlich korrekt ?Freifrau“ nennen (z. B. Ilselore Freifrau von Braun; eine gegenteilige Meinung wollte auf der Schreibweise ?Ilselore Freiherr von Braun“ bestehen).
Seit umgangssprachlich ?Fraulein“ fur eine unverheiratete Frau außer Gebrauch gekommen ist, wird die Form ?Freiin“ von einigen Tragerinnen als diskriminierend empfunden. Einer Namensanderung in ?Freifrau“ steht von behordlicher Seite diesbezuglich in der Regel nichts entgegen. Nach Auffassung des
Oberlandesgerichts Koln
, Beschluss vom 20. November 2014 ? 2 WX345/14 ? steht allerdings die Bezeichnung ?Freiin“ nicht nur fur eine unverheiratete Tochter eines Freiherrn. Somit gebe diese Bezeichnung nach einer Eheschließung bei Nichtbestimmung eines Ehenamens keinen unzutreffenden Familienstand der Ehefrau wieder. Damit sei in diesem Falle auch kein Anspruch auf Anderung des Adelszusatzes in ?Freifrau“ gegeben.
Die zuweilen irrtumlich verwendete Bezeichnung ?Freiherrin“ statt ?Freifrau“ bzw. ?Freiin“ ist falsch, weil sie als Titel nie existiert hat.
Es gibt aber auch heute in Deutschland manche Familien, die statt des
Freiherrn
den
Baron
im amtlichen Namen fuhren; dabei handelt es sich in aller Regel um Angehorige von
deutschbaltischen
Adelsfamilien, die ihre Rangerhohungen als
russische Adelstitel
erhalten hatten, da die
Baltischen Ritterschaften
dem
Zaren
untertan waren. Nach ihrer Flucht in das
Deutsche Reich
infolge der
Oktoberrevolution
und nachfolgender Enteignungen in den baltischen Staaten bzw. nach deren Annexion durch die Sowjetunion 1940 wahlten allerdings manche Angehorige solcher Familien bei ihrer
Einburgerung
den deutschen Freiherrntitel als amtlichen Namen, was ihnen durch die
Standesamter
weitgehend freigestellt wurde. Daher kommt es gelegentlich vor, dass Mitglieder derselben Gesamtfamilie voneinander abweichende Titel im Nachnamen fuhren.
[6]
Der
Osterreichische Adel
wurde 1919 durch das
Adelsaufhebungsgesetz
seiner Titel entkleidet und als Stand abgeschafft. Weil dies jedoch ein einmaliger Rechtsakt war, ist er auf heutige Eheschließungen mit entsprechenden deutschen Namenstragern nicht mehr anwendbar. Die Bildung der weiblichen Formen allerdings unterbleibt. Durch ehelichen Namenswechsel kann daher die oben genannte, etwas absurd klingende ?Ilselore Freiherr von Braun“ in osterreichischen (und vermutlich auch manch anderen auslandischen) Passen tatsachlich aufleben.
Es gibt auch freiherrliche Familien im
Schweizer Adel
, da die Schweiz bis zum
Westfalischen Frieden
1648 offiziell Teil des Heiligen Romischen Reichs war und der Kaiser nicht nur den Reichsadelsstand, sondern auch den Freiherrenstand gelegentlich an Schweizer Geschlechter verlieh, namentlich an Uradelsgeschlechter und an Offiziere in kaiserlichen Diensten. Andere Familien erfuhren Rangerhohungen durch franzosische Konige oder durch Papste. In der Schweiz ist zwar das
Adelspradikat
?von“ amtlicher Namensbestandteil, nicht jedoch die Titel Freiherr oder Graf, die daher ? wie heutzutage in Osterreich, Tschechien oder Italien ? nur inoffiziell gefuhrt werden.
Wahrend in den meisten europaischen Landern der dem Freiherren (bzw. der Freifrau) entsprechende Titel ?Baron/in“ lautet, wird der Freiherrentitel auch in Teilen des
Skandinavischen Adels
verwendet (im
schwedischen Adel
und im norwegischen Adel
friherre
, im finnischen Adel
vapaaherra
, wahrend in Danemark der Baronstitel gefuhrt bzw. verliehen wird).
Vergleichbare Adelspradikate:
- Belarus ? Baron, Baronessa
- Danemark ? Baron, Baronesse (ebenso fur die Freiin)
- Finnland ? vapaaherra (selten paroni)
- Frankreich
? baron, baronne
- Großbritannien
? Baron, Baroness
- Italien
? barone, baronessa
- Kroatien ? barun, barunica
- Estland & Lettland ? Barons, Baronesse
- Litauen
? Baron, Baronesse
- Niederlande
? Baron, Barones
- Norwegen ? friherre, friherrinne (ebenso fur die Freiin)
- Polen
? baron, baronowa, baronowna (fur die Freiin)
- Portugal ? Barao, Baronesa
- Russland
? Baron, Baronessa
- Schweden
? friherre, friherrinnan, froken (Fraulein) fur die Freiin
- Spanien
? Baron, Baronesa
- Tschechien
? baron (svobodny pan), baronka (svobodna pani)
- Ukraine ? Baron, Baronesa
- Ungarn
? baro, barone
- Wolfgang Ribbe
,
Eckart Henning
:
Taschenbuch fur Familiengeschichtsforschung.
Verlag Degener &Co., Neustadt an der Aisch 1980,
ISBN 3-7686-1024-1
- Eugen Haberkorn, Joseph Friedrich Wallach:
Hilfsworterbuch fur Historiker 2.
6. Auflage, Francke Verlag, Munchen 1964,
ISBN 3-7720-1293-0
- Christian Schulze Pellengahr:
Wirksamwerden einer Adelsverleihung nach der Wiedervereinigung?
In:
Das Standesamt
56 (2003), S. 193?198.
- ↑
Elmar Seebold (Bearb.), Friedrich Kluge:
Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache
. 22. Auflage. Berlin, De Gruyter 1989. S. 61.
- ↑
Die reichsstandische
Herrschaft Gemen
fiel 1801 von den Grafen von Limburg-Styrum an die Freiherren von
Boineburg-Bomelberg
; waren diese nicht 1826 im Mannesstamm erloschen, mussten sie folglich im
Gotha
in der Zweiten Abteilung der Furstlichen Hauser gefuhrt werden.
- ↑
Adolf Matthias Hildebrandt
(Begrunder),
Ludwig Biewer
(Bearb.):
Wappenfibel. Handbuch der Heraldik.
19. Auflage, h.g. vom
HEROLD, Verein fur Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften
, bearb. im Auftrag des
Herolds-Ausschusses fur die Deutsche Wappenrolle
. Degener, Neustadt an der Aisch 1998, S. 89.
- ↑
Adolf Matthias Hildebrandt
(Begrunder),
Ludwig Biewer
(Bearb.):
Wappenfibel. Handbuch der Heraldik.
19. Auflage, h.g. vom
HEROLD, Verein fur Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften
, bearb. im Auftrag des
Herolds-Ausschusses fur die Deutsche Wappenrolle
. Degener, Neustadt an der Aisch 1998, S. 89.
- ↑
RGZ
113, 107.
- ↑
Johannes Baron von Mirbach:
Adelsnamen, Adelstitel.
C.A.Starke Verlag, Limburg an der Lahn, 1999,
ISBN 3-7980-0540-0