Freiburger Kreis (NS-Zeit)

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Der Freiburger Kreis war eine Gruppe von ordoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern ? Adolf Lampe , Constantin von Dietze und Walter Eucken ? sowie Juristen und eine Reihe von evangelischen und katholischen Christen, die sich aus Anlass der Novemberpogrome 1938 seit Dezember 1938 in einem oppositionellen Gesprachskreis trafen, dem Freiburger Konzil . Dietze, Lampe und der Historiker Gerhard Ritter waren zudem Mitglieder in der Bekennenden Kirche . Zum Freiburger Kreis gehorten u. a. auch Clemens Bauer , Franz Bohm , Friedrich Delekat , Otto Dibelius , Otto Hof , Friedrich Justus Perels , Helmut Thielicke , Erik Wolf , Ernst Wolf und Leonhard Miksch .

Der Konzilkreis traf sich im monatlichen Abstand zwischen Dezember 1938 bis zu den Verhaftungen im Oktober 1944. Die Treffen bestanden jeweils aus einem Referat mit nachfolgender freier Diskussion. Man sprach uber Themen zur Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und vor allem uber die Frage, wie sie sich als Christen gegenuber dem NS-Staat verhalten sollten, der mit Inhumanitat, Allmachtsanspruch , Fuhrerkult , Rassismus und dem Missbrauch politischer Gewalt biblische Gebote missachtete und zudem eine ?christliche Lebensgestaltung“ unmoglich machte.

Teilgruppe Denkschrift

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Die Leitung der Bekennenden Kirche beauftragte den Freiburger Kreis im Oktober 1942 damit, christlich- sozialethische Grundsatze zur Neuordnung Deutschlands fur eine zukunftige okumenische Weltkirchenkonferenz zu erarbeiten. Die Denkschrift sollte aber auch, unter Vermittlung der Bekennenden Kirche, in die Hande der Kriegsgegner gelangen, um damit auf eine Nachkriegsordnung Einfluss zu nehmen. Spatestens hiermit gehorte der Kreis zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus . Ein Teil der Gruppe verfasste einen Entwurf, zu dessen Erorterung man auch Carl Friedrich Goerdeler einlud.

Daraus ging Anfang 1943 eine vor allem von Bohm, Dietze, Lampe, Erik Wolf und Ritter verfasste, umfangreiche Denkschrift mit dem Titel Politische Gemeinschaftsordnung: ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Noten unserer Zeit hervor. Sie beinhaltete die Innen- und Außenpolitik sowie Fragen der gesellschaftlichen Werteordnung. Dienst am Nachsten und Gewissensfreiheit waren Schlusselbegriffe; das Verhaltnis von Staat, Gesellschaft und Individuum wurde auf personalistische Weise gedeutet. Zudem wurde ein christliches Widerstandsrecht zum Grundbestandteil einer kunftigen rechtsstaatlichen Verfassung . Ein Schlusselsatz lautete: ?Es gibt keinen Damon, der dringender der Zahmung und Fesselung bedurfte, als den Damon der Macht.“

Teilgruppe Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath

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Eine andere Teilgruppe, darunter Bohm, Dietze, Eucken, Lampe und Erich Preiser , stellte als ? Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath “ seit 1943 Uberlegungen fur eine kunftige deutsche Wirtschaftsordnung an. Sie lehnten als Nationalokonomen, Finanz- und Staatswissenschaftler sowohl eine Zentralverwaltungswirtschaft als auch die Wirtschaftsverfassung des Laissez-faire ab. Erwin von Beckerath erstellte ein Gutachten fur den Ubergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft fur die Nachkriegszeit. Damit leistete der Freiburger Kreis wesentliche theoretische Vorarbeiten fur die spater von Ludwig Erhard eingefuhrte soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Verhaftungen und Folgen

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Wegen ihrer Verbindung zu Goerdeler und Dietrich Bonhoeffer sowie ihrer Mitarbeit an der Denkschrift wurden u. a. Bauer, Dietze, Lampe, Perels und Ritter nach dem 20. Juli 1944 von der Gestapo verhaftet. Perels wurde dabei zum Tode verurteilt , u. a. wegen Nichtanzeige ihm bekannter Umsturzplane , und in der Nacht vom 22. auf den 23. April 1945 in Berlin erschossen. Die uberlebenden Mitglieder des Freiburger Kreises ubten indes großen Einfluss auf die Nachkriegsordnung aus, besonders auf die Wirtschaftsverfassung.

  • In der Stunde Null : die Denkschrift des Freiburger "Bonhoeffer Kreises" Politische Gemeinschaftsordnung, ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Noten unserer Zeit . Eingeleitet von Helmut Thielicke ; mit einem Nachwort von Philipp von Bismarck . Tubingen: J.C.B. Mohr, 1979, ISBN 3-16-842381-5
  • Christine Blumenberg-Lampe: Das wirtschaftliche Programm der "Freiburger Kreise" [1] . Entwurf einer freiheitlich-sozialen Nachkriegswirtschaft. Nationalokonomen gegen den Nationalsozialismus. Berlin 1973, ISBN 978-3-428-03025-5 .
  • Dagmar Rubsam, Hans Schadek (Hrsg.): Der "Freiburger Kreis". Widerstand und Nachkriegsplanung 1933-1945. Katalog einer Ausstellung (= Veroffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 29). Freiburg 1990.
  • Eckhard John, Bernd Martin, Marc Muck, Hugo Ott (Hrsg.): Die Freiburger Universitat in der Zeit des Nationalsozialismus. Freiburg 1991.
  • Nils Goldschmidt : Die Entstehung der Freiburger Kreise . In: Historisch-politische Mitteilungen 4, 1997, S. 1?17 ( Digitalisat ).
  • Byong-Chol Lee: Wirtschaftspolitische Konzeption der Christlichen Demokraten in Sudbaden 1945?1952. Diss. phil. Universitat, Freiburg 2000 Online; bes. S. 18?45 (PDF; 1,1 MB).
  • Daniela Ruther: Der Widerstand des 20. Juli auf dem Weg in die "Soziale Marktwirtschaft". Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der burgerlichen Opposition gegen Hitler. Schoningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-77529-4 .
  • Helge Peukert : Der 20. Juli 1944 und die wirtschafts- und ordnungspolitischen Konzeptionen der Opposition gegen den Nationalsozialismus. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik Jg. 5, 2004, S. 455?469.
  • Hans Maier (Hrsg.): Die Freiburger Kreise. Akademischer Widerstand und Soziale Marktwirtschaft . Schoningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-76953-4
  1. Zum Plural "Kreise" im Titel und im Vergleich zu anderen Autoren siehe die Darstellung bei Goldschmidt 1997.