Francois Darlan (1940)
Jean Louis Xavier Francois Darlan
(*
7. August
1881
in
Nerac
,
Departement Lot-et-Garonne
; †
24. Dezember
1942
in
Algier
,
Franzosisch-Nordafrika
) war ein
franzosischer
Admiral
und
Politiker
. Er bekleidete in der Zeit des
Vichy-Regimes
wichtige politische und militarische Amter.
Francois Darlan entstammte einer angesehenen Familie aus
Nerac
, die eine lange Verbindung zur
franzosischen Marine
hatte. Sein Vater
Jean-Baptiste Darlan
war Abgeordneter der
Nationalversammlung
fur das
Departement Lot-et-Garonne
und bekleidete 1896/97 das Amt des
Justizministers
.
Zwischen 1899 und 1902 wurde Darlan an der
Marineschule
(
Ecole Navale
) in
Lanveoc
ausgebildet und diente zeitweilig im
Fernen Osten
. Wahrend des
Ersten Weltkriegs
kommandierte er eine landgestutzte
Marinebatterie
und kampfte 1916 in der
Schlacht um Verdun
.
[1]
Nach Kriegsende befehligte Darlan das
Schulschiff
Jeanne d’Arc
und ab 1926 den
Panzerkreuzer
Edgar Quinet
im Rang eines
Kapitans zur See
.
Durch seinen Patenonkel
Georges Leygues
, langjahriger Marineminister, erfuhr Darlans Karriere einen raschen Aufstieg.
[2]
1929 wurde er zu Leygues'
Kabinettschef
ernannt sowie zum
Konteradmiral
befordert und vertrat Frankreich 1930 wahrend des
Londoner Flottenvertrages
. 1932 erhielt Darlan die Ernennung zum
Vizeadmiral
und zwei Jahre spater das Kommando uber das franzosische Atlantikgeschwader in
Brest
. Am 1. Januar 1937 wurde Darlan
Generalstabschef
der Marine und zum
Admiral
befordert. Er nutzte seine politischen Kontakte, um erfolgreich fur eine Aufrustung der Marine zu werben und der wachsenden Bedrohung durch die deutsche
Kriegsmarine
sowie der italienischen
Marina Militare
zu begegnen.
Um seine Ebenburtigkeit mit dem
Ersten Seelord
der
Royal Navy
zu betonen, erhielt Darlan am 6. Juni 1939 die Ernennung zum
Flottenadmiral
(
Amiral de la Flotte
), der eigens fur ihn geschaffen worden war.
[3]
Reichsmarschall Hermann Goring (rechts) mit Marschall Philippe Petain (Mitte) und Francois Darlan (links) bei Gesprachen in St. Florentin-Vergigny (1941)
Im Juni 1940 gehorte Darlan zu den Offizieren, die den Kampf Frankreichs gegen das
nationalsozialistische Deutschland
nicht fortsetzen wollten. Mit deutschen Militars handelte er den
Waffenstillstand von Compiegne
vom 22. Juni 1940 aus. Demzufolge hatte Frankreich
Deutschland
drei
Militarbasen
zu ubergeben: jeweils eine in
Syrien
,
Bizerta
(im heutigen
Tunesien
) und
Dakar
in
Franzosisch-Westafrika
. Die franzosische Armee ging uberwiegend in deutsche
Kriegsgefangenschaft
, lediglich eine 100.000 Mann starke ?Waffenstillstandsarmee“ hatte an der Seite Deutschlands zu kampfen, um die freien
franzosischen Kolonien
zu besetzen. Des Weiteren hatte der unter Darlans personlichem Kommando stehende Marinegeheimdienst
?Service de Renseignement Marine“
der deutschen Kriegsmarine Informationen uber alliierte Schiffsbewegungen zu liefern.
Im
Vichy-Regime
von Staatschef
Petain
wurde Darlan Minister der Handels- und Kriegsmarine sowie Vizeprasident des Staatsrats mit dem Haushalt fur Innen- und Außenministerium. Er befahl die Masse der
franzosischen Mittelmeerflotte
nach
Nordafrika
. Ein Teil dieser Flotte, mit ca. 1300 Marineangehorigen an Bord, wurde jedoch von der
Royal Navy
in der
Operation Catapult
am 3. Juli in
Mers-el-Kebir
versenkt, damit sie den Deutschen nicht in die Hande fiele.
Im Dezember 1940 ersetzte Darlan
Pierre Laval
als Regierungschef und ubernahm gleichzeitig
Außen-
,
Innen-
und
Kriegsministerium
. Darlan schuf das Generalkommissariat fur die ?Judenfrage“ und verkundete im Juni 1941 das zweite ?Judenstatut“. Bis zum April 1942 leitete er die Regierung und musste dann auf Druck
Adolf Hitlers
zurucktreten. Er blieb aber designierter Nachfolger des Staatschefs Petain und Oberkommandierender aller franzosischen Streitkrafte des Vichy-Regimes.
Am 7. November 1942 wurde Darlan nach Algier gerufen, um seinem in Lebensgefahr schwebenden Sohn beizustehen, der im Hospital Maillot in der
Eisernen Lunge
lag. Nach der Landung der Alliierten in Nordafrika am 8. November (
Operation Torch
) wurde er zusammen mit General
Alphonse Juin
, dem befehlshabenden vichy-franzosischen Kommandanten fur
Franzosisch-Nordafrika
durch Schuler des Lycee Ben Aknoun festgenommen. Darlan gelang allerdings ? befreit durch die
Garde mobile
? die Ruckkehr zur Admiralitat, der er Widerstand gegen die Alliierten befahl. Er sandte am folgenden Morgen ein Telegramm nach Vichy, in dem er ein
Bombardement
der alliierten Truppentransporte im Raum Algier durch die deutsche Luftwaffe forderte. Am Abend kapitulierte er allerdings fur Algier. Am 10. November 1942 befahlen Darlan und Juin unter dem Druck der US-Generale
Mark W. Clark
und
Dwight D. Eisenhower
die Feuereinstellung in Oran und am 11. November in Marokko. Daraufhin wurde er von Petain fur abgesetzt erklart. An diesem Tag besetzten zwei Armeen der Wehrmacht große Teile der ?Freien Zone“ Vichy-Frankreichs (
Unternehmen Anton
), die italienische
4. Armee
besetzte die
Cote d’Azur
und eine italienische Division landete auf der Insel
Korsika
. Darlan unterschrieb am 13. November die Bedingungen des ?Abkommens Clark-Darlan“.
Nach einer Debatte mit General
Charles Nogues
proklamierte sich Darlan am 14. November zum ?Hochkommissar“ in Franzosisch-Afrika, im Namen des ?verhinderten Marschalls“ und unter Berufung auf den vierten Teil der konstitutionellen Akte, der ihn zum designierten Nachfolger von Marschall Petain erklarte (siehe auch:
Vichy-Regime im befreiten Afrika 1942 bis 1943
). Im Einverstandnis mit General Eisenhower setzte er das im Mutterland faktisch entmachtete Vichy-Regime fort, unterstutzt von einem
Conseil Imperial
(= Reichsrat), dem er die franzosischen Territorien und Streitkrafte in Nordafrika und im franzosischen Westafrika unterstellte. Dies erbitterte General
Charles de Gaulle
, seit 1940 von London aus Kommandant der Streitkrafte des
France libre
, des ?Freien Frankreich“ an der Seite der Alliierten, und bestatigte dessen Abneigung gegen die USA.
Nach einem erneuten Zusammentreffen seines Hochkommissariats mit dem Alliierten Kommando entschied sich Darlan am 14. November, mit den ihm unterstehenden Streitkraften in den Krieg gegen Hitler-Deutschland einzutreten. Die Mehrzahl franzosischer Truppen in Afrika folgte seinem Befehl, aber einige Einheiten schlossen sich den deutschen Truppen im heutigen Tunesien an. Die Admiralitat des Vichy-Regimes ordnete am 27. November 1942 die
Selbstversenkung
der verbliebenen Flotte im
Hafen von Toulon
an, um den Deutschen deren Ubernahme zu verwehren. Andererseits hielt Darlan die Diskriminierungsgesetze Petains gegen die Juden aufrecht und die Opfer des Vichy-Regimes in den Konzentrationslagern in Algeriens Suden weiter gefangen. Forderungen nach Demokratisierung oder Emanzipation der muslimischen Bevolkerung Algeriens erteilte er eine Absage.
Am 24. Dezember 1942 fiel Darlan in seinem Hauptquartier in Algier einem Attentat des Studenten
Fernand Bonnier de La Chapelle
zum Opfer. Er wurde von zwei Kugeln getroffen und erlag einige Stunden spater seinen Verletzungen. Der Attentater gehorte
monarchistischen
Kreisen an und arbeitete mit
gaullistischen
Widerstandsgruppen zusammen.
[4]
Die naheren Hintergrunde des Attentats bleiben unklar. Nach Auffassung des Historikers
Johannes Willms
durfte der damals im Londoner Exil lebende Charles de Gaulle vom Attentat auf Darlan mindestens gewusst haben. Auch habe de Gaulle die Totung Darlans wohlwollend aufgenommen.
[5]
Der Attentater La Chapelle wurde am 26. Dezember 1942 hingerichtet.
Dwight D. Eisenhower
verhinderte die Hinrichtung nicht, da er den Mord als kriminelle und nicht als politisch motivierte Tat betrachtete.
[6]
Am 21. Dezember 1945 rehabilitierte die Revisionskammer des
Appellationsgerichts
in Algier postum La Chapelle und kassierte das Todesurteil. Die Tat sei, so die Begrundung, im Interesse der Befreiung Frankreichs geschehen (?dans l’interet de la liberation de la France“).
- Elmar Krautkramer
:
Admiral Darlan, de Gaulle und das royalistische Komplott in Algier 1942
. In:
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte
32, Heft 4, 1984, S. 529?581.
[1]
- dsb.:
Frankreichs Kriegswende 1942. Die Ruckwirkungen der alliierten Landung in Nordafrika. Darlan, de Gaulle, Henri Giraud und die royalistische Utopie.
Peter Lang, Bern 1989
- Rene Pierre Gosset:
Expedients provisoires
(Reportage), Fasquelle, Paris 1945
- Henri Michel
:
Vichy, annee 1940
, Robert Laffont, Paris 1967
- Henri Michel:
Darlan
, Paris, Hachette, 1993
- Yves Maxime Danan:
La vie politique a Alger de 1940 a 1944
, Paris, L.G.D.J., 1963
- Christine Levisse-Touzet:
L’Afrique du Nord dans la guerre, 1939?1945
, Paris, Albin Michel, 1998
- Jose Aboulker und Christine Levisse-Touzet:
8 novembre 1942: Les armees americaine et anglaise prennent Alger en quinze heures
, Paris, ≪ Espoir ≫, n° 133, Paris 2002
- George F. Howe:
North West Africa: Seizing the initiative in the West
, Center of Military history, US Army, Library of Congress, 1991
- Arthur L. Funck:
The politics of Torch
, University Press of Kansas, 1974
- Les Cahiers Francais,
La part de la Resistance Francaise dans les evenements d’Afrique du Nord
(Rapports des chefs des groupes de volontaires qui se sont empares d’Alger le 8 novembre 1942), Commissariat a l’Information du Comite National Francais, London 1943 (offizielle Berichte uber den Putsch vom 8. November 1942 in Algier)
- ↑
Alistair Horne
:
The Price of Glory: Verdun 1916
. Penguin, New York 1993,
ISBN 978-0-14-017041-2
, S. 248.
- ↑
Paul Auphan, Jacques Mordai:
The French Navy in World War II
. Naval Institute Press, 1959,
ISBN 9781682470602
, S. 10.
- ↑
Michael Korda
:
Ike: An American Hero
. HarperCollins, New York 2007,
ISBN 978-0-06-075665-9
, S. 325.
- ↑
Fur das Attentat und die Hintergrunde vgl.
Jean-Louis Cremieux-Brilhac
:
La France Libre.
Bd. 1:
De l’appel du 18 juin a la liberation
, Paris, Gallimard, Neuausgabe 2001, S. 589 ff.
- ↑
Johannes Willms
:
Der General de Gaulle und sein Jahrhundert
. C.H. Beck, Munchen 2019,
ISBN 978-3-406-74130-2
,
S.
180
ff
.
- ↑
Rick Atkinson
:
An army at dawn. The war in North Africa, 1942?1943
. Henry Holt, New York 2002,
ISBN 0-8050-6288-2
, S. 251 f.