Frederic de Rougemont der Altere
(*
20. Juli
1808
in
Saint-Aubin
; †
3. April
1876
in
Neuenburg
) war ein Schweizer
Geograf
,
Historiker
,
Philosoph
,
Theologe
und
Politiker
.
Frederic de Rougemont war der Sohn des Politikers
Georges de Rougemont
und dessen Ehefrau Charlotte-Louise-Albertine († 28. Februar 1833 in Saint Aubin), Tochter des Staatsrats Ferdinand Ostervald (1724?1781).
[1]
Er hatte vier Geschwister, von diesen war seine Schwester Rose Frederique (* 1. Februar 1800; † 16. Marz 1880 in
Voens
)
[2]
mit dem Staatsrat Louis-Frederic de Marval (1798?1883)
[3]
verheiratet.
Er war seit 28. Februar 1833
[4]
in erster Ehe mit der
Franzosin
Agathe Sophie Charlotte (* 1808; † 21. Juni 1866), Tochter des Kavallerie-Kapitans
[5]
Felix Quentin Gromard de Mimont, der sich als franzosischer
Emigrant
in Le Valentin bei
Yverdon
niedergelassen hatte, verheiratet. Aus dieser Ehe entstammten funf Kinder, unter anderem sein gleichnamiger Sohn
Frederic de Rougemont
, der spater
Pfarrer
und
Schmetterlingsforscher
wurde.
In zweiter Ehe war er ab dem 4. Juni 1872 mit der
Freifrau
Anne (* 27. Marz 1834 in
Gießen
; † 11. Februar 1922 in
Pasing
bei
Munchen
), Tochter von Ferdinand von Stein-Lausnitz,
Kammerer
des
Grossherzogs von Hessen
; gemeinsam hatten sie einen Sohn.
Frederic de Rougemont erhielt Unterricht durch
Hauslehrer
und besuchte zunachst das
Gymnasium
in Neuenburg. Nach dem Tod seines Vaters 1824 erhielt er die Moglichkeit, eine Laufbahn im offentlichen Dienst zu beginnen; hierzu besuchte er die Rechtsvorlesungen von
Samuel Ludwig Schnell
, der damals
Oppositionsfuhrer
im
Kanton Neuenburg
war.
Er studierte im Winter 1826/1827 an der
Universitat Gottingen
und ab Mai 1827 an der
Universitat Berlin
, aber die
Rechtswissenschaften
weckten bei ihm nicht so viel Interesse wie
Geschichte
,
Philosophie
und
Literatur
. In Gottingen besuchte er die Vorlesungen von
Gustav Hugo
,
Arnold Heeren
und
Friedrich Ludewig Bouterweck
; in
Berlin
widmete er sich ganz dem Studium der Philosophie und Geschichte. Er kam zu der Einsicht, dass das Studium der Erde dem Studium des Menschengeschlechts und das Studium eines Landes dem seiner Bewohner vorausgehen musse; dass die Geschichte eines Volkes seine Religion und seine gesamte Zivilisation umfasst: seine Wissenschaft, seine schonen Kunste, sein Recht, seinen Handel und seine Industrie; und schliesslich, dass sie in eine Reihe von Zeitaltern oder Perioden unterteilt ist, die die Entdeckung bestimmen sollten. In diesem Sinne besuchte er die Vorlesungen von
Friedrich Carl von Savigny
uber das romische Recht und von
Carl Wilhelm von Lancizolle
uber das deutsche Recht, konsultierte
Franz Bopp
uber die neuesten Forschungen in der
Sprachwissenschaft
, studierte Philosophie bei
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
und seinen Schulern
Karl Ludwig Michelet
,
Eduard Gans
und
Heinrich Gustav Hotho
, liess sich von
Friedrich Schleiermacher
inspirieren
, horte die Vorlesungen von
August Neander
uber das
Johannes-Evangelium
und wurde von
Carl Ritter
, der neben
Alexander von Humboldt
als Begrunder der
wissenschaftlichen
Geografie galt, in die entstehende Wissenschaft der vergleichenden Geografie eingeweiht, die ihm vollig neue Perspektiven eroffnete.
Von 1829 bis 1848 war er als Sekretar der Neuenburger Erziehungskommission, die von
Frederic-Alexandre de Chambrier
(1785?1856)
[6]
gegrundet worden war, tatig; in dieser Zeit war er seit 1831
Regierungskommissar
in
Cortaillod
.
Von 1835 bis 1848 war Frederic de Rougemont Mitglied des kantonalen Departements des Innern und ab 1841 ausserordentlicher Staatsrat ohne Ressort.
Nach der Revolution von 1848 zog er sich aus der Politik zuruck und lebte im
Exil
in Yverdon im
Kanton Waadt
, bis er 1857 wieder zuruckkehren konnte. Danach beschaftigte er sich intensiv mit geschichtlichen und theologischen Themen und veroffentlichte eine Vielzahl an Schriften.
1864 wurde er zum Mitglied der
Synode
des Kirchspiels Neuenburg gewahlt und engagierte sich bald darauf in der Organisation der Kirche und in leitenden Kommissionen.
Frederic de Rougemont war, gemeinsam mit Francois-Auguste Favarger (1799?1850),
[7]
Grunder,
Herausgeber
und
Redakteur
einer Zeitung mit monarchistischen Tendenzen, die in den ersten Monaten
Feuilles Neuchateloises
, ab Oktober 1831
Le Constitutionnel Neuchatelois
und seit Februar 1848
Le Neuchatelois
hiess.
1831 veroffentlichte er die Schrift
Precis de geographie comparee
, die 1846 von Christian Heinrich Hugendubel (1803?1897)
[8]
mit
Handbuch der vergleichenden Erdbeschreibung
ins Deutsche ubersetzt wurde; weitere Schriften wurden spater ebenfalls ins Deutsche ubersetzt. Er selbst ubersetzte verschiedene Bucher, insbesondere 1840
Le catholicisme d’Orient et d’Occident
von
Franz Xaver von Baader
und die Predigten von
Friedrich Wilhelm Krummacher
.
Am 1. Marz 1848 rebellierte die Neuenburger Bevolkerung unter der Fuhrung von
Republikanern
aus
Le Locle
und
La Chaux-de-Fonds
gegen den preussischen
Monarchen
Konig
Friedrich Wilhelm IV.
, worauf die Regierung unter
Ernst von Pfuel
in aller Form
abdankte
und die Amtsgeschafte einer neuen provisorischen Regierung unter
Alexis-Marie Piaget
ubergab.
Frederic de Rougemont war uberzeugt, dass die Revolution mit einem Schlag die monarchischen Institutionen und die demokratischen Freiheiten seines Landes zerstoren wurde und schrieb darauf
La Reconciliation des partis tentee par un patriote
. Die erste Auflage war innerhalb einer Woche ausverkauft. Es war ein energischer und wortgewaltiger Protest gegen die Revolution und fur die abgeschaffte Verfassung. Die neue Regierung stellte de Rougemont vor das Gericht in
Boudry
, das ihn zu neun Monaten Gefangnis und einer Geldstrafe von achthundert Pfund verurteilte. Er reiste darauf nach
Frankreich
, wo er in der Nahe von
Paris
sieben Monate im Haus seines Schwagers de Mimont lebte. In dieser Zeit schrieb er viele Artikel in der Zeitung
L’Esperance
und kam in Kontakt mit
Augustin Bonnetty
, Herausgeber der
Annales de philosophie chretienne
, der ihn der katholischen Partei als protestantischen Autor empfahl, der die Wahrheit der Offenbarung anhand der katholischen Traditionen zu beweisen suchte.
Nachdem er von der Waadtlander Regierung die Erlaubnis erhalten hatte, sich in Le Valentin bei Yverdon, dem Wohnort seiner Frau, niederzulassen, widmete er sich der Erziehung seiner funf Kinder und nahm das Studium der Geschichte und Theologie wieder auf. In Yverdon unterrichtete auch der Padagoge
Johann Heinrich Pestalozzi
, mit dem sein Vater befreundet war.
[9]
Nach dem gescheiterten Versuch der Neuenburger
Konterrevolution
1856 wurde er, gemeinsam mit Alphonse de Pury Muralt, vom preussischen Konig nach Berlin eingeladen, um die Sache ihres Landes vor dem preussischen Ministerium zu verteidigen. Die beiden Neuenburger Unterhandler erkannten die Ohnmacht Preussens zu diesem Zeitpunkt und waren von der Notwendigkeit uberzeugt, einer falschen und unertraglichen Situation ein Ende zu setzen. Sie drangten den Konig, auf seine Rechte zu verzichten, die er nicht mehr aufrechterhalten konnte.
Der preussische Konig beauftragte Frederic de Rougemont, nach Paris zu reisen und den preußischen Botschafter
Maximilian von Hatzfeldt-Trachenberg
bei den Gesprachen zu unterstutzen, die zum
Vertrag vom Mai 1857
fuhrten (siehe auch
Neuenburgerhandel
),
[10]
, mit dem die
Hohenzollern
endgultig auf ihren Anspruch auf das Schweizer
Furstentum
verzichteten. Anschliessend kehrte er in den Kanton Neuenburg zuruck, blieb jedoch weiterhin von der Politik ausgeschlossen.
Frederic de Rougemont veroffentlichte eine grosse Anzahl von Schriften zur Geografie,
Ethnologie
und Theologie und schrieb als
Kolumnist
fur mehrere Zeitschriften, insbesondere fur den
Chretien evangelique
, die
Feuilles neuchateloises
und den
Constitutionnel neuchatelois
. Er schrieb auch mehrere literarische und theologische Artikel in der
Revue Suisse
und in
l’Esperance
.
Frederic de Rougemont war Grundungsmitglied der
Societe neuchateloise pour la traduction d’ouvrages chretiens allemands
(≪Neuenburger Gesellschaft zur Ubersetzung deutscher christlicher Schriften≫).
- Precis de geographie comparee.
Neuenburg 1831.
- Premier Cours de Geographie, contenant la description de la surface de la Terre, ou la Geographie topique.
Michaud, Neuchatel 1833.
- Precis d’Ethnographie, de Statistique et de Geographie historique, ou Essai d’une geographie de l’Homme.
Michaud, Neuchatel 1835?1837.
- Handbuch der vergleichenden Erdbeschreibung.
Bern 1835.
- Description de la Terre Sainte.
Michaud, Neuchatel 1837.
- mit Christian Heinrich Hugendubel:
Geographie des Menschen: ethnographisch, statistisch und historisch.
J.-P. Michaud, Neuchatel 1838.
- Second cours de geographie, contenant la geographie politique avec les elemens de l’ethnographie et de la geographie historique.
- Band 1
. Dalp, Bern / Chur / Leipzig 1839.
- Band 2
. Dalp, Bern / Chur / Leipzig 1839.
- Franz von Baader; Frederic de Rougemont:
Le catholicisme d’Orient et d’Occident.
Neuchatel / Genf / Paris 1840.
- Poesies neuchateloises de Biaise Hoby, pasteur de Gleresie au XVIe siecle, publiee.
Michaud, Neuchatel 1841.
- Fragments d’une histoire de la terre, d’apres la Bible, les traditions paiennes et la geologie.
Michaud, Neuchatel 1841.
- Du monde dans ses rapports avec Dieu.
Michaud, Neuchatel 1841.
- Essai sur le pietisme, ou sur Le reveil religieux de l’Allemagne.
Michaud, Neuchatel 1842.
- La Societe neuchateloise pour traduction d’ouvrages chretiens allemands.
Neuchatel 1843.
- Explication du livre de l’Ecclesiaste: Publie par la Societe pour la traduction d’ouvrages chretiens allemands.
J. P. Michaud, Neuchatel 1844.
- Les individualistes, et l’Essai de M. le professeur Vinet.
Neuchatel 1844.
- mit Christian Heinrich Hugendubel:
Erster Unterricht in der Geographie: die Beschreibung der Erdoberflache oder die logische Geographie umfassend.
Dalp, Bern / Chur / Leipzig 1846.
- La Reconciliation des partis tentee par un patriote.
Neuchatel 1848.
- Geographie topique ou 3e cours de geographie contenant la description detaille de la surface de la terre.
Neuchatel 1848.
- Le peuple primitif: Sa religion, son histoire et sa civilisation.
- Band 1
. Joel Cherbuliez, Genf 1855.
- Band 2
. Joel Cherbuliez, Genf 1857.
- Frederic de Rougemont; Eduard Fabarius:
Geschichte der Erde: nach der Bibel und der Geologie.
Besser, Stuttgart 1856.
- Le prince et le peuple de Neuchatel reponse au memoire du Conseil federal sur la question de Neuchatel.
Paris 1857.
- Der Mensch und der Affe, oder Der moderne Materialismus
. Stuttgart 1863.
- mit D. Tissot:
La Russie orthodoxe et protestante.
Georg, Genf 1863.
- Gethsemane & Golgotha.
Neuchatel 1864.
- L’histoire de l’astronomie dans ses rapports avec la religion.
Paris / Versailles, 1865.
- La revelation de saint Jean expliquee par les ecritures et expliquant l’histoire, precedee d’une breve interpretation des propheties de Daniel.
Paris 1866.
- L’age du bronze ou les Semites en Occident, materiaux pour servir a l’histoire de la haute antiquite.
Paris 1866.
- Sagesse ou folie?
Paris 1869.
- Die Bronzezeit oder die Semiten im Occident: ein Beitrag zur Geschichte des hohen Alterthums.
Gutersloh: Bertelsmann, 1869.
- Les conseillers benevoles du Roi Guillaume.
Georg, Genf 1863.
- La vie humaine avec et sans la foi.
Neuchatel 1869.
- Le surnaturel demontre par les sciences naturelles.
Neuenburg / Paris 1870.
- La divinite et l’infirmite de l’Ancien Testament.
Neuenburg / Paris 1871.
- Il faut choisir.
Lausanne 1869.
- Geschichte der Astronomie in ihren Beziehungen zur Religion.
Gutersloh 1869.
- Quelques erreurs de la science incredule.
Neuchatel 1871.
- Der Fall eines Gotzen: ein Blatt aus der Geschichte der Gegenwart.
Georg, Basel 1871.
- La chute d’une idole.
Basel / Genf 1871.
- Les defenseurs de l’idole faisant suite a la ≪Chute d’une idole≫.
Basel / Genf 1871.
- Das Uebernaturliche und die naturlichen Wissenschaften.
Gutersloh 1871.
- Les nouveaux defenseurs de l’idole.
Neuchatel 1874.
- Les deux cites: la philosophie de l’histoire aux differents ages de l’humanite.
Sandoz et Fischbacher, Paris 1874.
- Band 1
. Sandoz et Fischbacher, Paris 1874.
- Band 2
. Sandoz et Fischbacher, Paris 1874.
- Un mystere de la passion, et la theorie de la redemption.
Neuchatel 1876.
- ↑
Sandra Lena, Anja Lindner:
Ferdinand Ostervald.
In:
Historisches Lexikon der Schweiz
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Samtliche Briefe an Johann Heinrich Pestalozzi
. Walter de Gruyter, 2010,
ISBN 978-3-11-022833-5
(
google.de
[abgerufen am 22. August 2021]).
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