Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg

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Forschungsstelle fur Zeitgeschichte
? FZH ?
Trager: Freie und Hansestadt Hamburg
Bestehen: seit 1969
Rechtsform des Tragers: Offentliche Stiftung des burgerlichen Rechts Seit 2000 wissenschaftliche Einrichtung der Universitat Hamburg
Sitz des Tragers: Hamburg
Standort der Einrichtung: Beim Schlump 83, 210144 Hamburg
Leitung: Thomas Großbolting
Mitarbeiter: ca. 16
Homepage: Homepage der FZH

Die Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg ( FZH ) ist seit 1997 eine Stiftung burgerlichen Rechts in Tragerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg und seit dem Jahre 2000 eine wissenschaftliche Einrichtung ( An-Institut ) der Universitat Hamburg . Ihr Forschungsgebiet umfasst das 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt der Geschichte Hamburgs und Norddeutschlands sowie der Zeit des Nationalsozialismus .

Bereits im August 1949 grundete der Senat eine Forschungsstelle fur die Geschichte Hamburgs von 1933 bis 1945 . Ihr Auftrag war es, Quellen und Archivalien aus der Zeit des Nationalsozialismus zu sichern und aufzuarbeiten. Hintergrund war der Skandal um eine Studie des Kurt Detlev Moller uber den Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann , in der ausschließlich dessen positiv zu wertende Rolle bei der kampflosen Ubergabe der Stadt herausgestellt worden war und die zu heftigen Protesten in der Burgerschaft und den Medien fuhrte.

Sitz der FZH (vormals Finanzamt Schlump in Hamburg-Eimsbuttel)

Diese personell unzureichend ausgestattete Forschungsstelle brachte keine wesentlichen Veroffentlichungen hervor und konnte der entlastenden Geschichtsdeutung, nach der es auch wahrend der Zeit des Nationalsozialismus im ?stets liberalen Hamburg hanseatisch gemaßigt“ zugegangen sei, nichts entgegensetzen. Das Institut wurde 1956 geschlossen.

Erst als es in der Bundesrepublik im Winter 1959 zu einer auch international Aufsehen erregenden Reihe von ?Hakenkreuz-Schmierereien“ gekommen war, wurde im April 1960 eine Forschungsstelle fur die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg neu eingerichtet. Die Konzeption vergroßerte den Zeitrahmen der Forschungsarbeit auf die Jahre 1918 bis 1948, um die politischen und sozialgeschichtlichen Grunde fur den Aufstieg der Nationalsozialisten herausarbeiten zu konnen. Auch die antisemitischen Stromungen nach 1945 sollten analysiert werden.

Diese Forschungsstelle, die jedoch wiederum personell und finanziell unzureichend ausgestattet war, arbeitete unter ihrem Leiter Werner Jochmann weiter, der 1986 in den Ruhestand ging. Die Forschungsstelle hatte eine Reihe fachwissenschaftlich anerkannter Publikationen geliefert. Allerdings gab es darunter kaum offentlichkeitswirksame Beitrage speziell zum Dritten Reich und zum nationalsozialistischen Terror. Scharf angegriffen wurde die Forschungsstelle 1984 daher von der Grun-Alternativen Liste (GAL). Sie monierte ?Arroganz und Untatigkeit“ der Forschungsstelle, die die ?Legende vom liberalen, weltoffenen Hamburg“ nicht widerlegt habe; erst die ?Laienforscherbewegung“ habe den ?Mustergau Hamburg“ als einen schonfarberischen Mythos entlarvt. [1] 1984 war namlich in Hamburg das von der GAL mitfinanzierte Buch Heilen und Vernichten im ?Mustergau Hamburg“ erschienen, das von seinerzeitigen Laienhistorikern verfasst worden war. In diesem Buch war nahezu erstmals in einer seriosen Publikation detailliert die Durchfuhrung und Beteiligung Hamburger Politiker und Behorden an Unrechtsaktionen der Nationalsozialisten wie u. a. den Euthanasiemorden , der Verfolgung der Juden und der Misshandlung der aus Osteuropa stammenden Zwangsarbeitern offengelegt worden. [2]

Nunmehr ruckten die Zeit des Dritten Reiches, die Verfolgung und Vertreibung als Forschungsgegenstand starker in den Vordergrund der Arbeit. Mit dem Projekt ?Hamburger Lebenslaufe ? Werkstatt der Erinnerung “ wurde die ? Oral History “ dokumentiert. Danach wechselten die Direktoren haufig. Nachfolger Jochmanns wurde 1988 Detlev Peukert , der aber schon zwei Jahre spater starb. Ihm folgte der renommierte Wissenschaftler Ulrich Herbert , der 1995 der Forschungsstelle eine Professur in Freiburg vorzog.

Erweiterung des Forschungsauftrags

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Im Jahre 1997 wurde das Institut umbenannt, zu einer Stiftung burgerlichen Rechts umgewandelt und drei Jahre spater der Universitat angegliedert. Die neue programmatische Bezeichnung Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) weist auf die Erweiterung des Forschungsauftrags uber die vorher gesetzten zeitlichen Grenzen hin. Grundungsdirektor war Arnold Sywottek , der 2000 starb. Ihm folgte der Hamburger Historiker Axel Schildt , der nach Ablauf des Sommersemesters 2017 emeritiert wurde. Seine Nachfolge tritt im August 2020 Thomas Großbolting an.

Als seine Forschungsschwerpunkte nennt die Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg:

  • Hamburg im ?Dritten Reich“
  • Hamburgische Eliten im 20. Jahrhundert
  • Herrschaft, Not und Verfolgung von 1923 bis zum Wiederaufbau nach dem Kriege
  • Offentlichkeit und populare Kulturen
Zum Beispiel ?Konsum, Medien und Politik in der Jugendkultur der 1960er Jahre“
  • Außenbezuge und globale Netzwerke
Zum Beispiel ?Kolonialwarenhandel in Hamburg im Wandel des 20. Jhdts.“

2007 erfolgte der Umzug des Instituts in ein umgenutztes Gebaude in der Bundesstraße/Beim Schlump 83, das auch das Institut fur die Geschichte der deutschen Juden aufgenommen hat.

Die Prasenzbibliothek des Instituts umfasst etwa 100.000 Werke und ist im Campus-Katalog der Universitat Hamburg verzeichnet. Die Benutzung ist kostenlos.

Das Archiv verfugt uber umfangreiche Sammlungen von Originalschriftgut, Presseausschnitten und Flugblattern von 800 laufenden Regalmetern. Zahlreiche politische, soziale und kulturelle Organisationen (z. B. DGB und SPD) haben ihre Archivbestande ubergeben. So lagert hier u. a. der Bestand der ehemaligen Beate Uhse AG aus Flensburg (bis 2005), der auch den privaten Teilnachlass von Beate Uhse umfasst. [3] Die Nachlasse von Gunter Amendt , Theodor Bergmann , Walther von Hollander und Esther Bejarano werden betreut.

Aufgrund von erschopfenden Magazinkapazitaten gab es einen Aufnahmestopp und Doppeluberlieferungen wurden aussortiert, Zeitungen und Zeitschriften anderen Bibliotheken angeboten. Eine neue Archivtektonik soll hier Abhilfe schaffen. [4]

  • Ursula Buttner : Die Forschungsstelle fur die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg. In: Zeitschrift des Vereins fur Hamburgische Geschichte. Bd. 74/75, 1989, ISSN   0083-5587 S. 81?96, Online unter den digitalisierten Zeitschriften der Staats- und Universitatsbibliothek Hamburg Hamburgensien digital hier .
  • Peter Reichel , Harald Schmid: Von der Katastrophe zum Stolperstein. Hamburg und der Nationalsozialismus nach 1945 (= Hamburger Zeitspuren. Bd. 4). Dolling und Galitz, Munchen u. a. 2005, ISBN 3-937904-27-1 .
  • Josef Schmid (Red.): Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) 1997?2007. Herausgegeben von der Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg. Forschungsstelle fur Zeitgeschichte, Hamburg 2007, ISBN 978-3-00-022795-0 .
  • Kirsten Schaper: Das Archiv der Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg . In: Arbeit ? Bewegung ? Geschichte. Zeitschrift fur historische Studien . Bd. 23 (2024), Heft 1 S. 95?99.
  1. Peter Reichel, Harald Schmidt: Von der Katastrophe zum Stolperstein. Hamburg und der Nationalsozialismus nach 1945. 2005, S. 40.
  2. vgl. Angelika Ebbinghaus , Heidrun Kaupen-Haas , Karl Heinz Roth (Hrsg.): Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg. Bevolkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1984, ISBN 3-922144-41-1 .
  3. https://www.zeitgeschichte-hamburg.de/contao/index.php/archiv.html
  4. Kirsten Schaper: Aus den Archiven in: Mitteilungen, Forderkreis Archive und Bibliotheken, Berlin 2024, S. 15?19

Koordinaten: 53° 34′ 10,7″  N , 9° 58′ 32,9″  O