Kammermusikwerke fur Flote
sind unter
Johann Sebastian Bachs
Namen insgesamt elf erhalten: Ein Werk fur Flote solo, drei Werke fur Flote mit
Continuo
, vier Werke fur Flote mit
Cembalo
sowie drei Triosonaten mit Basso continuo ? davon zwei mit Violine und eine mit einer zweiten Flote. In allen Fallen ist das erste Soloinstrument eine
Traversflote
; Blockfloten hat Bach in seiner Kammermusik (soweit diese erhalten ist) nicht eingesetzt. Da Bach seine Kammermusikkompositionen intensiv uberarbeitete, werden hier in einigen Fallen Urfassungen, teilweise auch fur andere Besetzungen, angenommen.
Bach unterhielt gute Kontakte zum Dresdner Hof, wo der Flotist
Pierre-Gabriel Buffardin
wirkte; zumindest einige der Kompositionen durften fur diesen entstanden sein. In Leipzig wird Bach einen Teil der Kompositionen im Rahmen seiner Konzerte im ?
Zimmermannischen Caffee-Hauß
“ aufgefuhrt haben.
Eine einzelne Suite fur Flote solo ist erhalten; es ist moglich, dass mehrere derartige Werke existiert haben (siehe Sonate C-Dur,
unten
).
- Allemande,
- Corrente, 3/4
- Sarabande, 3/4
- Bourree anglaise, 2/4
Alle Satze stehen in der Grundtonart a-Moll.
Das viersatzige Werk entspricht in Aufbau und Stil Bachs
Suiten fur Cello solo
und verwendet ahnliche Techniken, um virtuelle Mehrstimmigkeit zu generieren. Es ist eines der wenigen Beispiele fur eine barocke Komposition fur Flote solo ? moglicherweise stellte die C-Dur-Sonate BWV 1033 (siehe
unten
) ein Pendant dar. Die Partitur ist nur in einer Abschrift erhalten.
Der erste Satz besteht nach Art einer Tasteninstrument-Allemande aus ununterbrochenen Sechzehntelketten und stellt daher die Atemtechnik des Interpreten vor nicht geringe Aufgaben.
- Andante ? Presto,
, C-Dur
- Allegro, 3/4, C-Dur
- Adagio,
, a-Moll
- Menuetto I ? II ? I, C-Dur
Da der Basso Continuo motivisch nicht beteiligt ist und an manchen Stellen etwas ungeschickt gefuhrt wird, ist vermutet worden, dass Bach das Werk als Komposition fur Flote solo komponierte und einem Schuler die Aufgabe gab, einen Bass hierzu zu schreiben. Zwischenzeitlich war das Stuck allerdings als Ganzes als unecht angesehen; in die
Neue Bach-Ausgabe
hatte man es zunachst nicht mehr aufgenommen,
[1]
bis es 2006 nachgetragen wurde.
[2]
Alfred Durr
hatte sich bei seiner 1975er Ausgabe noch an
Hans Eppsteins
Spekulation uber die Urheberschaft zweier Bachschuler gehalten.
[2]
Uberhaupt keine Grunde hatte bereits nach 1945
Friedrich Blume
fur den Ausschluss der Sonate aus Bachs Werk angegeben.
[2]
Die Echtheitszweifel lassen sich jedoch schon beim Punkt ?Schuler“ angehen: Es fehlen in der Sonate die fur die spaten Kothener und folgenden Leipziger Jahre typischen hochgespannten expressiven Melodielinien und sie ist deswegen vom Stil her als fruh einzuordnen.
[2]
Auch kann man den zweigeteilten ersten Satz als ein Vorspiel nach der Sonatenkonvention des 17. Jahrhunderts betrachten, vergleichbar mit dem Eingangssatz der Violinsonate e-Moll BWV 1023.
[2]
Bei aller Schlichtheit verrat in den ersten drei Satzen die Ausweitung des Tonartenspektrums einen geubten Komponisten.
[2]
Was komplett fehlt, sind die von
Antonio Vivaldi
von 1711 an in Europa bekannt gemachten
Quintfallsequenzen
.
[2]
Somit bietet sich an, die Sonate in die Weimarer Jahre bis spatestens 1716 zu datieren und im deutschen Sprachraum als eine der fruhesten Kompositionen fur Traversflote zu betrachten.
[2]
- Adagio ma non tanto,
, e-Moll
- Allegro,
, e-Moll
- Andante, 3/4, G-Dur
- Allegro, 3/4, e-Moll
Diese Sonate wird im Allgemeinen in Bachs Leipziger Zeit datiert.
- Adagio ma non tanto,
, E-Dur
- Allegro, 2/4, E-Dur
- Siciliano, 6/8, cis-Moll
- Allegro assai, 3/4, E-Dur
Das Werk ist laut einer Notiz auf der Partitur
Michael Gabriel Fredersdorf
gewidmet, einem Kammerer bei Friedrich II in Berlin, wohl 1741. Ob dies bedeutet, dass es auch in seinem Auftrag entstand, ist nicht sicher.
[3]
- Andante,
, h-Moll
- Largo e dolce, 6/8, D-Dur
- Presto,
, h-Moll
- Allegro, 12/16, h-Moll
Ein kurzes Fragment einer Fassung in g-Moll ist erhalten; hier durfte eine Blockflote das Soloinstrument sein. Wahrscheinlich geht auch diese auf eine Erstfassung fur zwei Instrumente und Continuo zuruck.
Die autographe Reinschrift der Sonate, eine der schonsten aus Bachs Feder, stammt aus den spaten 1730er Jahren. Der erste Satz enthalt Rhythmen und Ornamente, die fur den sogenannten ?
galanten Stil
“ typisch sind und in Bachs Werk erst ab 1729 begegnen. Dies war auch das Jahr, in dem er die Leitung des Leipziger
Collegium musicum
ubernahm, wo nachweislich Kammermusik fur Flote gespielt wurde.
Das Kopfmotiv des ersten Satzes der h-Moll-Sonate hat Bach aus einer g-Moll-Orchestersuite seines Vetters
Johann Bernhard
entliehen; es bildet dort das
Fugenthema
der Ouverture. Der zweite Satz, ein Flotensolo mit reicher akkordischer Begleitung, imitiert ein
Siciliano
, einen
Arien
- und Melodietypus der
Opera seria
. Der dritte Satz beginnt als dreistimmige Fuge und endet mit einer hochvirtuosen, zweiteiligen
Giga
.
[4]
- Allegro moderato,
, Es-Dur
- Siciliano, 6/8, g-Moll
- Allegro, 3/8, Es-Dur
Es ist oft vermutet worden, dass diese Komposition ein Werk
Carl Philipp Emanuel Bachs
ist oder ein Gemeinschaftswerk mit seinem Vater darstellt (Carl Philipp Emanuels Nachlassverzeichnis von 1790 nennt Kompositionen, die er mit seinem Vater zusammen geschrieben hat). Inzwischen steht Johann Sebastian Bachs Autorschaft jedoch fest; die Abschrift wurde von Johann Nathanael Bammler, Bachs Privatsekretar, angefertigt und mit dem Komponistennamen versehen.
[5]
Der bekannteste Satz ist das
Siciliano
, das auch fur Klavier solo bearbeitet und haufig, etwa als Zugabe, gespielt worden ist.
- Vivace,
, A-Dur
- Largo e dolce, 6/8, a-Moll
- Allegro, 3/8, A-Dur
Der erste Satz dieser Sonate ist nur bruchstuckhaft uberliefert ? es fehlt der zweite Teil. Auch hier wird als Erstfassung eine Sonate fur zwei Instrumente und Continuo vermutet.
Das Soloinstrument ist im Original als ?Violine“ bezeichnet; nur wegen des geringen Tonumfangs und fehlender violinspezifischer Effekte wird das Werk seit
Friedrich Spitta
fur Flote in Beschlag genommen. Nach heutigem Forschungsstand ist Bachs Sohn
Carl Philipp Emanuel
der Autor.
Fur Flote, Violine und Continuo ? siehe den Artikel
Musikalisches Opfer
.
- Largo, 3/4, c-Moll
- Allegro, 2/4, c-Moll
- Andante,
, Es-Dur
- Allegro, 6/8, c-Moll
- Canone perpetuo,
, c-Moll
Von dieser Sonate liegen auch andere Fassungen fur Violine und obligates Cembalo in F-Dur, BWV 1022, sowie fur Violine und Continuo, BWV 1021, vor. Der dritte Satz (Adagio) enthalt vor allem am Anfang deutliche Ubereinstimmungen mit dem drittletzten Satz (?Gute Nacht, o Wesen“) der Motette ?Jesu, meine Freude“ BWV 227 (dort in a-Moll).
- Largo,
, G-Dur
- Vivace, 3/8, G-Dur
- Adagio,
, e-Moll
- Presto,
oder
, G-Dur
Hier handelt es sich um eine Fruhform der
ersten Gambensonate
.
- Adagio
- Allegro ma non presto
- Adagio e piano
- Presto
- ↑
vgl. Vorwort zu: Johann Sebastian Bach:
Sonate C-dur fur Flote und Basso continuo BWV 1033. Sonaten Es-Dur, g-moll fur Flote und obligates Cembalo BWV 1031, 1020. Uberliefert als Werke Johann Sebastian Bachs.
Herausgegeben von Alfred Durr. Barenreiter, Kassel usw. 1975.
- ↑
a
b
c
d
e
f
g
h
Siegbert Rampe
:
Neues und Altes zu Johann Sebastian Bachs Flotensonaten, Teil 1: Die Continuosonaten
. In: TIBIA · Magazin fur Holzblaser, Heft 1/2014, S. 21 f.
- ↑
Christoph Wolff
:
Johann Sebastian Bach.
2. Auflage 2007. S. Fischer, Frankfurt am Main,
ISBN 978-3-596-16739-5
.
- ↑
J.S. Bach, Flotensonate h-Moll, BWV 1030
in: Kammermusikfuhrer
- ↑
Peter Wollny:
Neue Bach-Funde.
In:
Bach-Jahrbuch
1997, S. 36ff.