Sidney Bechet
Das
Festival International 1949 de Jazz
war ein Jazzfestival, das vom 8. bis 15. Mai im
Pariser
Salle Pleyel
stattfand.
Der Organisator
Charles Delaunay
organisierte ahnliche Festivals auch 1952 und 1954 in Paris (Festival International de Jazz), wobei das 1952er Festival durch
Jazz at the Philharmonic
abgeschlossen wurde.
Charles Delaunay auf der New Yorker 52nd Street, ca. Oktober 1946.
Fotografie von
William P. Gottlieb
.
Spatestens seit der Ankunft von
Dizzy Gillespie
1948 hatte der Jazz in Paris einen großen Aufschwung erlebt; so organisierten im Fruhjahr 1949
Charles Delaunay
,
Franck Bauer
,
Eddie Barclay
und seine Frau Nicole eine ?große Woche des Jazz“.
[1]
Gebucht wurden allein elf US-amerikanische Musiker wie
Kenny Clarke
,
Tadd Dameron
,
Miles Davis
,
Al Haig
,
James Moody
,
Charlie Parker
und
Max Roach
; hinzu kamen europaische Kunstler wie
Toots Thielemans
und
Hazy Osterwald
. Die franzosische Jazzszene wurde u. a. durch
Aime Barelli
,
Jack Dieval
,
Hubert Rostaing
reprasentiert. Der
traditionelle Jazz
war durch
Sidney Bechet
und
Pete Johnson
vertreten, die (damals) ?mittlere Welle des Jazz“ (Vian) durch
Oran ?Hot Lips“ Page
und
?Big Chief“ Russell Moore
und die
?neue“ Bewegung im Jazz durch Charlie Parkers Quintett und das Tadd Dameron/Miles Davis Quintett.
Den meisten Erfolg hatte aber schließlich der in Paris lebende Sidney Bechet; mit Nummern wie ?High Society“ brachte er das Publikum zum Rasen, so Charlie Parkers Biograph
Ross Russell
, wahrend Parkers eher intimer Set lediglich bei den Avantgardisten im Publikum wie
Boris Vian
und Delaunay Anerkennung fand, beim breiten Publikum aber weniger.
[2]
Parker spielte die Titel, mit denen er zuvor bei seinen
Royal Roost-Konzerten 1948/49
Erfolge gefeiert hatte, wie ?Scrapple from the Apple“, ?
Out of Nowhere
“, ?Barbados“, ?
Salt Peanuts
“ und das ?
52nd Street Theme
“.
[3]
Charlie Parker trat mit seiner Band aus Kenny Dorham,
Tommy Potter
, Al Haig und Max Roach am Eroffnungstag, dem 8. Mai sowie am Montag, den 9. Mai auf; außerdem fand beim Abschlusskonzert am 15. Mai eine Jam-Session mit Parkers Band, Miles Davis, Aime Barelli, Hubert Rostaing, Bechet,
Don Byas
, James Moody, Toots Thielemans und Hazy Osterwald als Vibraphonist statt. Genannt wurde das Ganze spater ?Farewell Blues“; hier trafen
Bebop
, Tradition und Mainstream aufeinander.
[4]
Wilson
und Ulfert Goeman zitieren in ihrer Parker-Biographie
Andre Hodeirs
Meinung, dass Birds Auftritt ?die zentrale Attraktion des Festivals war, auch wenn ein Großteil des Publikums seine Musik nicht verstand“.
[5]
Davis Mitte der 1950er Jahre
Das Tadd Dameron/Miles Davis Quintett trat am 9., 10., 14. und 15. Mai auf. Boris Vian lobte in einer zeitgenossischen Kritik ?die außerst fein entwickelte harmonische Vorstellungskraft“ Damerons, ?und sein Spiel ist wunderbar auf das Spiel von Miles Davis abgestimmt“. Vian erkannte schon damals seine Talente in den langsamen und mittelschnellen Stucken: ?er verfugt uber eine unverschnorkelte und sparsame
Phrasierung
, die echt hinreißend ist. Er beendet die unerwartetsten Phrasen mit einer verbluffenden Logik und Ungezwungenheit.“
[6]
Außerdem hob Vian in seiner Besprechung den Einsatz
James Moodys
sowie der Rhythmusgruppe aus Kenny Clarke und
Barney Spieler
hervor.
Hot Lips Page wurde von franzosischen Musikern begleitet, von
Bernard Peiffer
am Klavier,
Roger Paraboschi
am Schlagzeug und
Jean Bouchety
am Bass; hinzu kamen der Posaunist ?Big Chief“ Russell Moore, der Tenorist Don Byas und der Altist George Johnson. Vian fuhlte sich bei deren Musik an den ?Jump“-Stil der 1930er Jahre erinnert.
[7]
Sidney Bechet wurde von
Pierre Braslavskys
Orchester begleitet.
Der Erfolg der Pariser Festivals war ein Initialfunke fur die Ausbreitung des
Bebop
auf dem Kontinent. Die Beachtung, die die US-amerikanischen Musiker in Paris fanden, ?war weit von dem entfernt, was in Amerika galt,“ schrieb Ross Russell, ?die Kritiker, die fur die Pariser Zeitungen uber das Festival berichteten, waren die gleichen, die wichtige Matineen, Symphoniekonzerte und Opern rezensierten. Neue Jazzplatten wurden mit der gleichen Ernsthaftigkeit vorgestellt wie neue Bucher.“
[8]
Im Großen und Ganzen sahen sich schwarze Musiker in Europa weniger Diskriminierungen ausgesetzt als bei ihnen zu Hause, ?und ohne Frage wurde ihre Musik viel mehr verehrt und respektiert und hatte einen kulturellen Status“, schrieb
Mike Hennessey
in seiner Kenny-Clarke-Biographie. Der durchschlagende Erfolg des Pariser Festivals trug dazu bei, dass sich ein damals teilnehmender Musiker, Kenny Clarke in Paris niederließ; spater kamen auch
Bud Powell
,
Woody Shaw
,
Dizzy Reece
,
Slide Hampton
,
Jimmy Woode
,
Johnny Griffin
,
Kenny Drew
und
Nathan Davis
in die franzosische Hauptstadt. Miles Davis meinte spater zu der besonderen Atmosphare in seinen Erinnerungen:
?
Es war ein vollig neues Gefuhl. Die Freiheit, in Frankreich zu sein und als Mensch behandelt zu werden. Als wichtiger Mensch. Sogar der Sound unserer Band und die Musik waren hier besser.
“
Max Roach, 1979
- The Miles Davis/Tadd Dameron Quintet in Paris - Festival International 1949 de Jazz
(Columbia)
- Charlie Parker:
The Bird in Paris
(Spotlite, 1949)
- Sidney Bechet
- The Miles Davis/Tadd Dameron Quintet mit James Moody, Barney Spieler und Kenny Clarke
- Pete Johnson
- Big Chief Russell Moore
- Hot Lips Page
- Charlie Parker Quintett mit Kenny Dorham, Al Haig, Tommy Potter und Max Roach
- Ferner waren laut Plakat angekundigt:
Don Byas
,
Bill Coleman
,
Rex Stewart
,
Jimmy McPartland
,
Vic Lewis
Orchestra,
Carlo Krahmer
Orchestra,
Toots Thielemans
Trio &
Les Bob Shots
,
Hazy Osterwald
und sein Quintett mit
Ernst Hollerhagen
,
Aime Barelli
,
Armando Trovajoli
,
Andre Ekyan
,
Hubert Rostaing
,
Jean Claude Fohrenbach
,
Bernard Peiffer
Trio,
Jack Dieval
& son Quintette avec
Hubert Fol
,
Django Reinhardt
& son Quinette,
Claude Luter
.
[10]
Salle Pleyel, Außenansicht
- Miles Davis:
Autobiographie
: Munchen, Heyne. 2000
- Mike Hennessey:
Erinnerungen an Klook. Das Leben von Kenny Clarke
. Hannibal, Hofen, 2004
ISBN 3-85445-245-4
- Ekkehard Jost:
Le Jazz en France
. In:
That's Jazz
. Ausstellungskatalog. Darmstadt 1988
- Ross Russell:
Charlie Parker
. Munchen, Droemer Knaur, 1991
ISBN 3-426-02414-4
- Boris Vian:
Rundherum um Mitternacht ? Schriften, Glossen und Kritiken zum Jazz: Band 1
, Wien, Hannibal, 1989
- Peter Niklas Wilson/Ulfert Goeman:
Charlie Parker
. Oreos, Schaftlach, 1988
- ↑
Vgl. Vian, S. 105.
- ↑
Vgl. Vian; Russell.
- ↑
Vgl. Wilson/Goeman, S. 125 f.
- ↑
Vgl. Vian bzw. Wilson/Goeman.
- ↑
Hodier, zit. nach Wison/Goeman, S. 127.
- ↑
Zit. nach Boris Vian, S. 108.
- ↑
Vgl. Boris Vian, S. 108.
- ↑
R. Russell, zit. nach Hennessey, S. 123.
- ↑
Autobiographie; S. 166
- ↑
Das Ankundigungs-Plakat des Festivals ist abgebildet in: Ekkehard Jost:
Le Jazz en France
. In:
That's Jazz
. Ausstellungskatalog. Darmstadt 1988