Ferdinand von Quast
Ferdinand von Quast
, vollstandig
Alexander Ferdinand Wilhelm Robert von Quast
, (*
23. Juni
1807
in
Radensleben
; †
11. Marz
1877
ebenda) war ein deutscher
Architekt
,
Kunsthistoriker
und ab 1843 erster
preußischer
Staatskonservator
. Er war
Erbherr
auf Gut Radensleben bei
Neuruppin
und
Domherr
des
Domstifts Brandenburg
.
[1]
Ferdinand von Quast war der Sohn des Gutsbesitzers Wilhelm
von Quast
(* 1776) und dessen Frau Charlotte Friederike Philippin Louise
von Rohr
(1786?1879). Er erhielt eine Ausbildung durch Hauslehrer und besuchte dann die
Plamannsche Erziehungsanstalt
in Berlin und schließlich das Neuruppiner Gymnasium. Letzteres zeigt, dass auch Adlige ihren Sprosslingen das burgerlich-humanistische Bildungsideal nicht mehr vorenthielten.
Ab 1825 studierte er an der
Allgemeinen Bauschule
Architektur und Feldmeßtechnik, wo er auch Schuler des Baumeisters
Karl Friedrich Schinkel
war, der sich seit 1815, also dem Ende der
Befreiungskriege
, fur
Denkmalpflege
einsetzte. 1836 legte von Quast sein
Baumeisterexamen
ab.
Herrenhaus in Radensleben
Nach dem Tod seines Vaters ubernahm er 1830 das Gut Radensleben und baute 1833 das
Herrenhaus
samt Nebengebauden aus. Er war Mitglied im
Preußischen Abgeordnetenhaus
; politisch gesehen war er konservativ und konigstreu.
Schon wahrend seines Studiums reiste er durch Deutschland und bis nach
Italien
,
Frankreich
und in die
Niederlande
. 1838/1839 hielt er sich fast ein ganzes Jahr in Italien auf und studierte die antiken Statten. Nachfolgend veroffentlichte er mehrere Bucher und hielt u. a. im
Alten Museum
Vorlesungen uber die Geschichte der Baukunst. Bei der ersten Versammlung deutscher Architekten in Leipzig forderte er die Grundung eines allgemeinen Vereins zur Erforschung deutscher Altertumer.
Konig
Friedrich Wilhelm IV.
, der bereits 1840 Kultusminister
von Eichhorn
beauftragt hatte, Vorschlage fur die Organisation der Denkmalpflege in
Preußen
zu machen, ernannte am 22. Juli 1843 Ferdinand von Quast zum ?
Konservator
der Denkmaler“ in Preußen. Der Vorschlag fur diese Personalie allerdings kam von Karl Friedrich Schinkel, dem die Erhaltung und Pflege der ?Altertumer“ seit seiner ersten Italien-Reise besonders wichtig erschienen. Zu den Aufgaben des Landeskonservators gehorte es, zwecks Begutachtung zu den Denkmalen zu reisen, Berichte und Zeichnungen zu den Objekten zu erstellen, mit den zustandigen Beamten vor Ort zu verhandeln und in historischen Gesellschaften mitzuwirken. Da er keinerlei Sachmittel oder gar Hilfskrafte erhielt, ist es uberwiegend seinem
Enthusiasmus
und den Einnahmen aus seinem Gutsbetrieb zu verdanken, dass er diesem Amt bis zu seinem Tode treu blieb.
1854 wurde der Geheime Rat Rechtsritter des fur den evangelischen Landadel so traditionsreichen Johanniterordens. Er war damals einer der langjahrigsten Mitglieder der Brandenburgischen Provinzialgenossenschaft.
[2]
Sein Gut in Radensleben sah viele bedeutende Personlichkeiten des offentlichen Lebens. Das Herrenhaus wurde ab 1870 neu errichtet (heutige Form) und ein schoner Park angelegt; heute ist es Sitz einer Senioreneinrichtung, der Park aus der Zeit Quastschen Zeit nur noch schwer nachzuvollziehen.
Ferdinand von Quast starb 1877. Er wurde auf dem von ihm ab 1854 fur seine Familie angelegten
Campo Santo
hinter dem Ostchor seiner Guts- und Patronats-Kirche gegenuber dem Gutsgelande bestattet. Sein Grab ist ? ebenso wie die Graber seiner Familienangehorigen ? erhalten.
Ferdinand von Quast setzte sich fur die weitgehende Bewahrung der originalen Bausubstanz, Zuruckhaltung bei der Rekonstruktion und eine sichtbare Unterscheidung von Alt und Neu ein. So entsandte der Konig ihn nach
Lubeck
, als er horte, dass die Lubecker daran dachten, das
Holstentor
abzureißen, um dem entgegenzuwirken.
[3]
Da sein Amtsbereich vom
Rheinland
bis nach
Ostpreußen
reichte, konnte er die einzelnen Objekte jedoch nur selten und mit großem zeitlichem Abstand besuchen und kontrollieren. Unter anderem entwickelte er einen Fragebogen zur Erfassung der Denkmale in Preußen, der in seinen Grundzugen noch heute verwendet wird.
Der umfangreiche Nachlass Ferdinands von Quast, der sich im Archiv der
TU Berlin
(zum Zeitpunkt der Ubergabe uber 7000 Zeichnungen) und im Herrenhaus in Radensleben befand, fiel 1945 zu einem großen Teil den anglo-amerikanischen Bombardements auf Berlin zum Opfer. Immerhin sind in den Archiven der ehemaligen preußischen Provinzen, aber auch in der Universitatsbibliothek der Technischen Universitat Berlin viele Archivalien und Zeichnungen (die kleinste ist 3 × 2 cm groß und enthalt eine Ansicht aus Italien) erhalten geblieben.
Er heiratete im Herbst des Jahres 1839 Marie Karoline Luise von Diest (1818?1885), die alteste Tochter des Generals
Heinrich von Diest
und dessen Ehefrau Adolfine Johanna Adelheid Henriette, geborene von Gerhardt. Das Ehepaar hatte sieben Kinder:
- Siegfried von Quast
(* 18. September 1842; † 31. Oktober 1887), Herr auf Radensleben,
Radelsdorf
und
Zechow
,
Landrat
des
Kreises Ruppin
,
Rittmeister
a. D. ? Elisabeth (Else) von Diest (* 6. November 1862; † 21. Dezember 1946)
- Marie
Adelheid Charlotte von Quast (* 10. Juli 1845; † 30. Mai 1854)
- Anna
Meta Friederike Marie Henriette von Quast (* 25. Juni 1847) ? 12. Mai 1875 Hans Otto von Zieten, Gutsbesitzer
- Wilhelm
Alexander von Quast (* 25. Juli 1849; † 27. Mai 1919), Herr auf Radensleben, Radelsdorf und Zechow, Mitglied des
Preußischen Abgeordnetenhauses
, Major a. D., Rechtsritter des
Johanniterordens
? 16. August 1890 Elisabeth (Else) von Quast, geb. von Diest, verw. von Quast (* 6. November 1862; † 21. Dezember 1946)
- Ferdinand von Quast
(* 18. Oktober 1850; † 27. Marz 1939), General der Infanterie a. D., Rechtsritter des Johanniterordens ? 21. Juni 1877 Alexandrine von Paykull (* 25. Mai 1857; † 16. Juli 1930)
- Adelheid
Charlotte Hedwig von Quast (* 24. Marz 1854) ? 2. Oktober 1875 August Carl Heinrich
Louis
von Negelein, Oberstleutnant a. D.
- Alexander Henning Konstantin
Heinrich
Ferdinand von Quast (* 16. Februar 1856; † 3. Dezember 1928), Oberst a. D., Ehrenritter des Johanniterordens ? 22. Februar 1883 Bertha Wann (* 7. Oktober 1860; † 14. Dezember 1933)
- 1836 verfasste er eine Denkschrift
In Bezug auf die Erhaltung der Altertumer in den Koniglichen Landen
mit konkreten Vorschlagen fur die staatliche Organisation des Denkmalschutzes.
- Das
Erechtheion
zu Athen nebst mehreren noch nicht bekannt gemachten Bruchstucken der Baukunst dieser Stadt und des ubrigen Griechenlands.
Berlin 1840 (Ubersetzung und umfassende Erweiterung der Publikation von Inwood),
Digitalisat MDZ: Textband
- Die alt-christlichen Bauwerke von Ravenna vom funften bis zum neunten Jahrhundert. Historisch geordnet und durch Abbildungen erlautert. Mit zehn Tabellen.
Reimer, Berlin 1842 (
Digitalisat
).
- Schloss Marienburg
, in:
Neue Preußische Provinzial-Blatter
, Band 11, Konigsberg 1851, S. 3?145 (
Online
).
- Denkmale der Baukunst in Preussen.
Hefte 1?3. Berlin 1852,
DNB
830367500
- Die romanischen Dome des Mittelrheins zu Mainz, Speier, Worms.
Berlin 1853,
Digitalisat MDZ
Dorfkirche in Radensleben
; ostlich anschließend die Sudmauer des
Campo Santo
Campo Santo hinter der Dorfkirche Radensleben (restauriert, 2007)
Die Inschrift auf dem Steinkreuz in der Mitte des Campo Santo besagt, dass Ferdinand von Quast diesen Friedhof im Jahr 1854 anlegte.
Die freistehenden Grabsteine (von links):
- Heinrich von Quast, Oberst a. D. (* 16. Februar 1856 in Radensleben; † 3. Dezember 1928 in Potsdam);
- Ferdinand von Quast (* 23. Juni 1807; † 11. Marz 1877), Erbherr auf Radensleben,
Konservator
der Kunstdenkmale, Domherr zu Brandenburg, und Marie von Quast, geb. von Diest (* 10. Juni 1818 in Berlin; † 17. August 1885 in Wiesbaden);
- Grabstein mit abgefallenen Buchstaben, auf dem eine Plakette Kurt Wilhelm von Quast (* 19. Oktober 1900; † 14. April 1932) nennt; Ehrengard von Quast (* 6. Mai 1887 in Radensleben; † 7. Dezember 1926 in
Davos
).
An der Ostwand der Kirche:
- Florenz von Quast (* 29. April 1884 in Goslar; † 25. Marz 1886 in Montreux);
- Adelheid Charlotte Hedwig von Negelein, geb. von Quast (* 24. Marz 1854 in Radensleben; † 28. April 1938 in Potsdam), und Urne ihrer Tochter Elisabeth Amalie Karoline von Negelein (* 7. Juli 1876 in
Neuruppin
; † 18. Mai 1943 in Potsdam);
- Marie Adelheid Charlotte von Quast (* 10. August 1845 in Berlin; † 30. Mai 1854 in Radensleben);
- Marie von Quast, geb. Hengstenberg (* 11. Juni 1848 in Berlin; † 3. Januar 1875 in Wiesbaden);
- Siegfried von Quast (* 18. September 1842 in Berlin; † 31. Oktober 1887 in
Eski?ehir
), Erbherr auf Radensleben, Landrat des Kreises Ruppin, Rittmeister a. D.;
- Wilhelm von Quast (* 25. Juli 1849 in Radensleben; † 28. Mai 1919 in Radensleben), Erbherr auf Radensleben, Major a. D., 1889?1918 Landtagsabgeordneter fur den Kreis Ruppin-Templin;
- Wilhelm von Diest (* 17. April 1828; † 25./26. August 1870 vor Straßburg) und Marie von Diest, geb. Schenckendorff (* 24. September 1832; † 11. April 1885).
An der ostlichen Mauer:
Außerdem verweist eine Grabtafel auf
- Ernst Wilhelm Hengstenberg
(* 20. Oktober 1802; † 28. Mai 1869), ordentlicher Professor fur Altes Testament an der
Friedrich-Wilhelms-Universitat Berlin
, Grunder der
Evangelischen Kirchenzeitung
- Theresa Hengstenberg, geb. von Quast (* 28. Dezember 1812; † 14. September 1861),
- Wilhelm Hengstenberg (* 31. Marz 1834; † 25. August 1835), Hans Hengstenberg (* 20. Februar 1837; † 20. Februar 1869),
- Elisabeth Hengstenberg (* 15. September 1842; † 24. Mai 1854) und
- Hans Hengstenberg (* 7. Juni 1868; † 11. Mai 1869).
Am Durchgang zum
Hengstenberg
-
Mausoleum
hangt eine Grabtafel fur
- Elisabeth von Quast, geb. von Diest (* 6. November 1862 in
Wetzlar
; † 21. Dezember 1946 in Radensleben).
Das
Land Berlin
verleiht seit 1987 die
Ferdinand-von-Quast-Medaille
an Personen und Institutionen, die sich in besonderem Maße fur den Denkmalschutz einsetzen.
Im Mai 1990 wurde die
Ferdinand-von-Quast-Gesellschaft e. V.
gegrundet.
.
- Rudolf Bergau
:
Quast, Alex. Ferd. von
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 27, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 26?31.
- Julius Kohte
:
Ferdinand v. Quast. Zu seinem hundertsten Geburtstage.
In:
Die Denkmalpflege
, 9. Jahrgang, Nr. 8 (19. Juni 1907), S. 57?60.
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Hauser. Deutscher Uradel. Band 1921
.
Verlag Justus Perthes, Gotha, S. 662.
- Felicitas Buch:
Studien zur preußischen Denkmalpflege am Beispiel konservatorischer Arbeiten Ferdinand von Quasts
(=
Manuskripte zur Kunstwissenschaft.
30). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1990,
ISBN 3-88462-929-8
. (Zugleich: Dissertation an der
Technischen Hochschule Darmstadt
1989)
- Nicole Wesner:
Ferdinand von Quast ? Leben und Werke.
In: Brandenburgisches Landesamt fur Denkmalpflege und Archaologisches Landesmuseum (Hrsg.):
Zum 200. Geburtstag von Ferdinand von Quast (1807?1877). Erster preußischer Konservator der Kunstdenkmaler
(=
Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes fur Denkmalpflege und Archaologischen Landesmuseums
18). Lukas Verlag fur Kunst- und Geistesgeschichte, Berlin 2008,
ISBN 978-3-86732-023-8
.
S. 23?30
- ↑
Ritter-Akademie zu Brandenburg. XXII. Zu der am 22. Marz 1878 Vormittags um 12 Uhr in der Aula der Ritter-Akademie stattfindenden Feier des Allerhochsten Geburtstages Seiner Majestat des Kaiser und Konigs ladet mit dem bericht uber das Schuljahr von Ostern 1877 bis Ostern 1878 ehrerbietigst und ergebenst ein der Director Professor Dr. Ernst Kopcke, Domherr des Evangelischen Hochstifts zu Brandenburg
. 1878. Progr. No. 55. Druck von Gustav Matthes, Brandenburg an der Havel 1878,
S.
13
(
uni-duesseldorf.de
[abgerufen am 27. Juli 2021]).
- ↑
Johanniterorden (Hrsg.):
Liste der Mitglieder der Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem 1870
. Seine Mitgliedschaft wird vor 1854 begonnen haben. Druck von F. Heinicke zu Berlin, Berlin 1870,
S.
6?132
(
kit.edu
[abgerufen am 27. Juli 2021]).
- ↑
Otto Dziobek:
Geschichte des Infanterie-Regiments Lubeck (3. Hanseatisches) Nr. 162
? erwahnt im Zusammenhang mit dessen
Sohn
, warum der Name
von Quast
im nichtpreußischen Lubeck einen so guten Klang hatte; erste Auflage 1922.