Als
feindliche Ubernahme
(oder
unfreundliche Ubernahme
;
englisch
hostile takeover, unfriendly takeover
) wird im Bereich des
Mergers & Acquisitions
ein
Unternehmenskauf
bezeichnet, bei dem ein
Investor
einen
Anteilskauf
vornimmt, ohne zuvor den ? rechtlich nicht erforderlichen ?
Konsens
der
Unternehmensleitung
oder der
Gesellschafter
einzuholen. Gegensatz ist die
freundliche Ubernahme
.
Diese Thematik kann nur bei
borsennotierten Unternehmen
vorkommen, von denen ein umfangreicher
Streubesitz
an der
Wertpapierborse
gehandelt wird. Als
Rechtsformen
kommen deshalb die
Aktiengesellschaft
,
Kommanditgesellschaft auf Aktien
und
Europaische Gesellschaft
oder vergleichbare auslandische Rechtsformen in Betracht. Sprachlich ist die feindliche Ubernahme aus dem
Fachbegriff
(
englisch
hostile takeover
) entstanden.
[1]
Investor (
englisch
raider
?Raubritter“ oder
englisch
shark
?Hai“) kann eine Person oder ein anderes Unternehmen sein, das zu erwerbende Unternehmen wird ?Zielunternehmen“ (
englisch
target
) genannt. Stellen sich fremde Gesellschaften unterstutzend an die Seite des Zielunternehmens oder bieten gar ein Alternativangebot, heißen sie
?weiße Ritter“
(
englisch
white knights
).
Als
Stakeholder
, deren Konsens vom Investor eingeholt werden sollte, kommen
Vorstand
und
Aufsichtsrat
des Zielunternehmens in Frage;
[2]
die
Aktionare
zu befragen, ist im Regelfall zu aufwandig. Stimmen weder die Unternehmensleitung noch der Aufsichtsrat zu und leisten diese Widerstand, wird von einer feindlichen Ubernahme gesprochen.
[3]
Die Ubernahme erfolgt damit gegen den
Willen
des Zielunternehmens.
[4]
Der Investor kauft mit Hilfe von
Wertpapierorders
vom zu erwerbenden Zielunternehmen uber einen langeren Zeitraum hinweg
[5]
sukzessive Aktien uber die
Borse
(
englisch
open market purchase
), bis er einen Schwellenwert von 3 %
Kapitalbeteiligung
erreicht hat. Bis zu diesem Schwellenwert bleibt der Aktienkauf von der Aktiengesellschaft und der
Offentlichkeit
unbemerkt, weil erst dann gemaß
§ 33
Abs. 1
WpHG
eine Mitteilungspflicht fur
Stimmrechte
an die
Bankenaufsicht
BaFin
erforderlich wird. Weitere Mitteilungen sind bei 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 % fallig. Nach
§ 20
AktG
hat der Investor zusatzlich gegenuber dem Zielunternehmen eine schriftliche Mitteilungspflicht uber seine Kapitalbeteiligung von mehr als 25 % (
Sperrminoritat
) zu erfullen, das dessen Kaufabsicht
publik
machen kann, was
Risikoarbitrage
anderer Aktionare (
Spekulanten
) auslosen wird. Eine weitere aktienrechtliche Mitteilung ist bei mehr als 50 % Kapitalbeteiligung am Zielunternehmen nach § 20 Abs. 4 AktG fallig. Mit uber 50 % besitzt der Investor namlich die Stimmenmehrheit, so dass bereits von Unternehmensubernahme gesprochen werden kann
[6]
, zumal nach
§ 133
Abs. 1 AktG viele Beschlusse der
Hauptversammlung
der
Mehrheit
der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit) bedurfen.
[7]
Parallel muss der Investor den verbleibenden Aktionaren des Streubesitzes ein
befristetes
offentliches Angebot (
englisch
tender offer
) unterbreiten, deren Aktien zu einem bestimmten Borsenkurs durch
Barzahlung
,
Aktientausch
in Aktien des Investors oder einer Kombination beider zu erwerben.
[8]
Seit Januar 2002 regelt das
Wertpapiererwerbs- und Ubernahmegesetz
(WpUG), dass der Investor (
Bieter
) seine Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nach
§ 10
WpUG der zustandigen
Borsengeschaftsfuhrung
, dem Zielunternehmen und der Finanzaufsicht BaFin mitzuteilen hat. Der Investor muss nach
§ 11
WpUG eine Angebotsunterlage erstellen und veroffentlichen, fur deren Inhalt er gemaß
§ 12
WpUG haftet. Ubernahmeangebote sind Angebote, die auf den Erwerb der
Kontrolle
uber ein Zielunternehmen gerichtet sind (
§ 29
WpUG), wobei als Kontrolle das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft aus dem Investor gehorenden Aktien der Zielgesellschaft oder dem Bieter nach
§ 30
WpUG zugerechneten Stimmrechten an der Zielgesellschaft verstanden wird. Die angemessene
Gegenleistung
des Investors muss gemaß
§ 31
WpUG aus Bargeld oder aus
liquiden
Aktien
bestehen, die zum
Borsenhandel
an einem
organisierten Markt
zugelassen sind.
Hier einige ausgewahlte feindlichen Ubernahmen, gescheiterte Ubernahmen sind mit * gekennzeichnet:
- Deutschland
- International
Einige feindliche Ubernahmen sind am Widerstand von Vorstand, Aufsichtsrat oder feindlich gesonnenen Aktionaren des Streubesitzes gescheitert.
Eine der Aufgaben des
Managements
ist es, den
Unternehmenswert
fur die Gesellschafter zu maximieren ? daher ist eine ?Verteidigung“ eine rationale Reaktion gegen Kaufangebote, insbesondere, wenn diese einen opportunistischen Wertansatz haben. Manager konnen aber auch versuchen, die Ubernahme zu verhindern, da insbesondere das Top-Management eines Ubernahmekandidaten nach der Ubernahme regelmaßig nicht ubernommen wird. Zur Verteidigung stehen mehrere Wege offen:
- Kritik an der Bewertung
: Das Angebot des Investors wird als zu niedrig kritisiert, und der ?faire“ Wert der eigenen Aktien wird uber dem Angebot angesiedelt, um die Aktionare von einem (vorzeitigen) Verkauf abzuhalten oder um eine Nachbesserung des Angebots zu erwirken (vergl.
Mannesmann
-Ubernahme durch
Vodafone
im Jahr 2000). Insbesondere bei Angeboten, bei denen die Zahlung in Aktien des ubernehmenden Unternehmens erfolgt, kann auch die Strategie des ubernehmenden Unternehmens kritisiert und mit den Zukunftsaussichten des eigenen, unabhangig gefuhrten Unternehmens verglichen werden.
- Weißer Ritter
: Suche eines dritten Investors, der das Zielunternehmen ubernimmt. Durch die willentliche ersatzweise Ubernahme durch ein anderes als das angreifende Unternehmen wird zwar die Eigenstandigkeit ebenso aufgegeben, allerdings konnen sich Vorteile durch eine passender erscheinende Geschaftsstrategie oder weitergehenden Bestand vorhandener Produktlinien und Investitionen ergeben (vergl.
Schering
-Ubernahme durch
Bayer
anstatt durch
Merck
im Jahr 2006).
- Ubernahme dritter Unternehmen
: Das Zielunternehmen kann, quasi entgegengesetzt zum Ubernahmeangebot, den eigenen
Konzern
durch fremdfinanzierte Firmenzukaufe selbst soweit erweitern, dass der entstehende neue Konzern mit den so entstehenden Verpflichtungen die Ubernahme fur den Investor unattraktiv macht (vergl.
Preussag
-Zukauf der
Thomson Travel Group
im Jahr 2000).
- Giftpille
: Das Zielunternehmen kann zum einen durch eine
Kapitalerhohung
seine
Marktkapitalisierung
erhohen und somit eine Ubernahme stark verteuern. Des Weiteren konnen ?Giftpillen“ in Form rechtsverbindlicher Selbstverpflichtungen zugunsten der Stakeholder fur den Fall einer Ubernahme eingerichtet werden. Dies konnen Umweltauflagen fur andere Standorte oder Lizenz-Ruckerstattungen fur Kunden sein (vergl.
Peoplesoft
-Ubernahme von
Oracle
im Jahr 2005).
- Goldener Fallschirm
: Das Management des Zielunternehmens kann sich betrachtliche Zahlungen fur den Fall einer Ubernahme vertraglich festschreiben lassen.
Allen Strategien gemeinsam ist, dass sie im Ergebnis haufig zu einem hoheren
Aktienkurs
fur die Ubernahme fuhren oder die
Verschmelzung
mit anderen als dem Investor zur Folge haben. Hierdurch konnen sich Vorteile fur bestehende Standorte, die Belegschaft oder Produktlinien sowie fur die Erlose der Anteilseigner ergeben. Demgegenuber stehen haufig uberhohte
Kommunikationskosten
und die Verunsicherung der Anleger und Kunden wahrend der Ubernahmeschlacht.
Investoren wahlen den Weg der feindlichen Ubernahme, wenn sie davon ausgehen konnen, dass eine Einigung mit der
Unternehmensleitung
entweder bereits gescheitert ist oder nicht erwartet werden kann. Die Ablehnung des Vorstands oder Aufsichtsrats zur Ubernahme erfolgt auch im Eigeninteresse, denn beide werden bei erfolgreicher Ubernahme im Regelfall ersetzt.
[9]
Der Unternehmenskauf soll nach der Erwartung des Investors einen positiven
Verbund-
und/oder
Synergieeffekt
zur Folge haben.
[10]
Als Zielunternehmen kommen im Regelfall Unternehmen in Betracht, deren
Marktkapitalisierung
niedriger ist als der
innere Wert
, also
Underperformer
.
[11]
Auch andere
betriebswirtschaftliche Kennzahlen
wie
Marktanteile
,
Marktfuhrerschaft
oder das
Marktpotenzial
insbesondere auf einem
Wachstums-
oder
Zukunftsmarkt
sind fur die
Kaufentscheidung
von Bedeutung.
Gegenmaßnahmen des Zielunternehmens gegen feindliche Ubernahmen sind die Beschrankung der freien
Ubertragbarkeit
der Aktien durch
Emission
von
vinkulierten Namensaktien
oder
Satzungsanderungen
mit Einfuhrung eines
Hochststimmrechts
, Emission von stimmrechtslosen
Vorzugsaktien
oder
Kapitalerhohungen
unter Ausschluss des
Bezugsrechts
. Die wirksamste Gegenmaßnahme besteht darin, dass die Aktionare des Streubesitzes ihre Aktien nicht verkaufen, was jedoch im Hinblick auf einen attraktiven Ubernahmekurs mit aussichtsreichen ? und sicheren ?
Gewinnchancen
schwerfallt. Bildet sich eine
Minderheit
an Aktionaren, die das Angebot nicht angenommen haben, konnen diese unter bestimmten Bedingungen spater uber einen
Squeeze-out
zum Verkauf der Aktien gezwungen werden. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass das deutsche Recht samtliche Verhinderungsmaßnahmen durch den Vorstand verbietet (unabhangig von ihrem Erfolg) und mit einem
Bußgeld
belegt (
§ 33
WpUG,
§ 60
Abs. 1 Nr. 8 WpUG). Ausgenommen ist die Suche nach konkurrierenden Angeboten (?Weiße Ritter“), wie sich aus
§ 22
WpUG ergibt.
- ↑
Michael Marquardt,
Gesellschafts- und steuerrechtliche Instrumente zur Abwehr feindlicher Ubernahmen von Aktiengesellschaften
, in: Wirtschaftsrechtliche Beratung (WiB), 1994, S. 537
- ↑
Ludwig Gramlich/Peter Gluchowski/Andreas Horsch/Klaus Schafer/Gerd Waschbusch (Hrsg.),
Gabler Banklexikon: Bank ? Borse ? Finanzierung
, Band 1, 2020, S. 745
- ↑
Torsten J. Gerpott,
feindliche Ubernahme
, in: Rolf Buhner (Hrsg.),
Management-Lexikon
, 2001, S. 770
- ↑
Adam Reining,
Lexikon der Außenwirtschaft
, 2003, S. 165
- ↑
zur Schonung des hierdurch steigenden
Borsenkurses
, um das
Trittbrettfahrerproblem
zu verhindern
- ↑
Torsten J. Gerpott
,
feindliche Ubernahme
, in: Rolf Buhner (Hrsg.),
Management-Lexikon
, 2001, S. 770
- ↑
Michael Schuster,
Feindliche Ubernahmen deutscher Aktiengesellschaften
, 2003, S. 13
- ↑
Torsten J. Gerpott,
feindliche Ubernahme
, in: Rolf Buhner (Hrsg.),
Management-Lexikon
, 2001, S. 771
- ↑
Ludwig Gramlich/Peter Gluchowski/Andreas Horsch/Klaus Schafer/Gerd Waschbusch (Hrsg.),
Gabler Banklexikon: Bank ? Borse ? Finanzierung
, Band 1, 2020, S. 745
- ↑
Torsten J. Gerpott,
feindliche Ubernahme
, in: Rolf Buhner (Hrsg.),
Management-Lexikon
, 2001, S. 771
- ↑
Michael Schuster,
Feindliche Ubernahmen deutscher Aktiengesellschaften
, 2003, S. 20