Die
Falken
(
Falco
), auch
Echte Falken
, sind eine
Gattung
aus der Familie der
Falkenartigen
(Falconidae) mit meist langem Schwanz und spitzen Flugeln.
Die Falken bilden eine verhaltnismaßig einheitliche Gruppe. Zu ihren Merkmalen zahlt der hakenformig nach unten gebogene Oberschnabel, an dessen vorderem Teil sie eine Zacke tragen, den sogenannten
Falkenzahn
. Diese Ausformung unterstutzt den Biss in den Nacken beziehungsweise in den Hinterschadel des Beutetiers, durch den dieses getotet wird.
Die Augen sind relativ groß, die Iris ist meist dunkel. Wie bei den
Habichtartigen
ist die
Befiederung
der Unterschenkel meist zu sogenannten ?Hosen“ verlangert. Eine schwache Befiederung zieht sich uber das Fersengelenk hinweg.
Buntfalke
Falken haben 15
Halswirbel
. Ein
Turmfalke
beispielsweise, der von einer Warte aus nach Beute ausspaht, kann seine
Halswirbelsaule
um 180° drehen. Schon aufgrund seiner Augenstellung betragt sein Blickfeld 220°, ohne dass er den Hals auch nur drehen muss.
Die Gattung ist fast weltweit verbreitet und umfasst 39
Arten
. In Mitteleuropa kommen mit
Turmfalke
,
Rotfußfalke
,
Baumfalke
,
Wanderfalke
und
Wurgfalke
funf Falkenarten als Brutvogel vor. Der
Rotelfalke
brutete bis vor wenigen Jahren noch in der
Steiermark
, kann aber mittlerweile nicht mehr als mitteleuropaischer Brutvogel angesehen werden. Als Wintergast aus dem Norden kann in Mitteleuropa nicht selten der
Merlin
beobachtet werden.
Unter den Falken befinden sich obligatorische
Zugvogel
, aber auch
Standvogel
. Zu den
Langstreckenziehern
zahlt der Baumfalke, der von seinem Brutareal bis in die
Kapprovinz
Sudafrikas
zieht. Der Turmfalke dagegen ist ein
Kurzstreckenzieher
. Falken sind
Breitfrontzieher
, die in breiter Front von
Gibraltar
bis
Arabien
nach Afrika ziehen. Im aktiven
Ruderflug
uberwinden sie auch großere Wasserflachen.
Falken bauen keine Nester. Die Brut findet in Nestern anderer Vogelarten oder in einfachen Mulden an Felswanden, Gebauden oder auf Baumen statt. Dies unterscheidet sie von den
Greifvogeln
.
Falken sind tagaktive Jager. Im Gegensatz zu
Adlern
oder
Bussarden
ist ihre Anatomie auf den aktiven Flug hin ausgerichtet und nicht optimal zum Nutzen von
Aufwinden
geeignet. Dies fuhrt dazu, dass die meisten Falkenarten ihre Beute im aktiven Flug suchen oder von einem Ansitz aus nach Nahrung Ausschau halten. Wird diese entdeckt, wird sie auch uber weite Strecken hin angeflogen und verfolgt. Obwohl die Jagdtechnik des ?
Ruttelns
“ als typisch fur Falken angesehen wird, jagen nur wenige Arten auf diese energieaufwendige Weise. In Mitteleuropa ist besonders der
Turmfalke
fur haufiges Rutteln bekannt (daher sein volkstumlicher Name
Ruttelfalk
). Gelegentlich konnen auch Rotfußfalken beim Ruttelflug beobachtet werden. Besonders haufig ist das Rutteln in Gelande mit wenigen oder fehlenden erhohten Sitzgelegenheiten.
Zur naturlichen Beute von Falken gehoren je nach Große und besonderer Anpassung der Art kleine
Saugetiere
,
Vogel
,
Reptilien
,
Amphibien
und großere
Insekten
. Die Fuße dienen, anders als bei
Habichten
,
Adlern
und
Weihen
, nur zum Fang und Halten der Beute. Bei
Wanderfalken
konnen nach einem Sturzflug Vogel jedoch so hart mit Fußen und Krallen getroffen werden, dass sie bereits durch die Wucht des Aufpralls getotet werden.
Neueste molekulargenetische Untersuchungen zeigen, dass Falken naher mit
Papageien
und
Sperlingsvogeln
verwandt sind als mit
Greifvogeln
.
[1]
[2]
Falke bei einer
Falknereivorfuhrung
Bei vielen Volkern spielen Falken eine Rolle in der
Mythologie
. In der
agyptischen Mythologie
existieren mehrere falkengestaltige Gottheiten wie etwa
Horus
(Himmel),
Re
(Sonne) und
Chons
(Mond). In diesem Zusammenhang kommt dem Falken auch als Symbol des
Pharaos
eine besondere Bedeutung zu.
In der
nordischen Mythologie
tragt die Gottin
Freya
ein Falkengewand, mit dem sie je nach Lesart wie ein Falke durch die Lufte gleiten kann oder sich gar in einen solchen verwandelt.
Bei den
Kelten
zahlte der Falke als Ubermittler zwischen Diesseits und Jenseits.
In der
slawischen Mythologie
ist der Falke (
Sokol
) eine Gestalt der Sonne und des Lichtes. Er ist bekannt fur seinen großen Mut, seine scharfen Augen, und er kann in kurzester Zeit große Distanzen durchmessen. Deshalb ist er besonders der Vogel der Krieger. Die Helden der russischen
Marchen
verwandeln sich gerne in Falken, um schwierige Aufgaben zu bewaltigen.
Falken werden seit alters her fur die
Beizjagd
eingesetzt, denn sie sind sehr gute Jager. Nach wie vor geschatzt wird fur diese
Jagdform
der
Gerfalke
, die großte Falkenart. In Nordamerika kommt vor allem der
Prariefalke
zum Einsatz, da er als besonders aggressiver Jager gilt.
Die ritterlich-hofische Gesellschaft des fruhen europaischen Mittelalters pflegte die Beizjagd mit dem Falken als Teil ihres gesellschaftlichen Lebens. Die mittelhochdeutsche hofische Lyrik nahm das Bild vom aufsteigenden Falken, der sich in die Lufte schwingt, als Sinnbild fur den sogenannten ?hohen muot“, das tragende Lebensgefuhl des hofischen Rittertums.
[3]
Die Beizjagd hat jedoch in fruherer Zeit auch wesentlich zur Bestandsgefahrdung der Falken beigetragen, da viele der dafur genutzten Vogel aus der Natur entnommen wurden. Besonders in arabischen Landern ist der Besitz ausgefallener Falken nach wie vor ein Statussymbol. Die Beizjagd unterliegt in Deutschland strengen Vorschriften und man benotigt zur Ausubung einen
Jagdschein
(
Jagerprufung
) und einen Falknerschein (Falknerprufung). Viele deutsche Falkner widmen sich heute ehrenamtlich dem Greifvogelschutz, leisten Offentlichkeitsarbeit, betreiben Auffangstationen oder pflegen verletzte oder verwaiste Tiere. Ohne ihr Engagement bei der Nachzucht und Auswilderung ware u. a. der
Wanderfalke
in Deutschland wahrscheinlich bereits ausgestorben.
Rotfußfalke
(
F. vespertinus
)
Der
Gerfalke
ist die großte bekannte Falken-Art.
- Helen Macdonald
:
Falke. Biographie eines Raubers.
C.H. Beck, Munchen 2017,
ISBN 978-3-406-70574-8
.
- Theodor Mebs
:
Greifvogel Europas ? Biologie ? Bestandsverhaltnisse ? Bestandsgefahrdung
. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2002,
ISBN 3-440-06838-2
.
- Benny Gensbøl
,
Walther Thiede
:
Greifvogel. Alle europaischen Arten, Bestimmungsmerkmale, Flugbilder, Biologie, Verbreitung, Gefahrdung, Bestandsentwicklung.
BLV Verlag, Munchen 1997,
ISBN 3-405-14386-1
.
- Suh und andere:
Mesozoic retroposons reveal parrots as the closest living relatives of passerine birds.
Nature Communications 2/2011, Artikelnummer 443,
doi:10.1038/ncomms1448
.
- Zhang und andere:
Comparative genomics reveals insights into avian genome evolution and adaptation.
Science, 12. Dezember 2014, Band 346, Ausgabe 6215, Seiten 1311?1320,
doi:10.1126/science.1251385
.
- ↑
Suh et al.: "Mesozoic retroposons reveal parrots as the closest living relatives of passerine birds" Nature Communications 2 2011, Article number: 443
doi:10.1038/ncomms1448
- ↑
Zhang et al.: "Comparative genomics reveals insights into avian genome evolution and adaptation" Science 12 Dec 2014: Vol. 346, Issue 6215, pp. 1311?1320
doi:10.1126/science.1251385
- ↑
Helmut de Boor:
Geschichte der deutschen Literatur
, Bd. 2:
Die hofische Literatur
, Verlag Beck, 3. Auflage, Munchen 1957, S. 8