Existenzgrundung

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Als Existenzgrundung wird die Realisierung einer beruflichen Selbstandigkeit bezeichnet. Im wirtschaftlichen Sinne bedeutet es eine Unternehmensgrundung . In Deutschland, Osterreich und der Schweiz erfolgt die Existenzgrundung bei gewerblichen Klein- und Mittelunternehmen (KMU) und Freiberuflern zunachst haufig in der Form von Einzelunternehmen .

Als Start-up-Unternehmen wird hingegen ein junges, innovatives Unternehmen bezeichnet, das auf die Erweiterungsfahigkeit ( Skalierbarkeit ) und Wiederholbarkeit seines Geschaftsmodells hin angelegt wird ( Geschaftsfeldentwicklung ) und innerhalb verhaltnismaßig kurzer Zeit Absatzmarkte erschließen will. Diese Unternehmen werden haufig im Bereich der Spitzentechnologie gegrundet. [1] [2]

Unter dem Begriff Unternehmertum bzw. ?Entrepreneurship“ wird das Geschehen rund um die Grundung und Grundungspersonlichkeiten betrachtet, was auch als eigenes Wissenschaftsfeld betrachtet wird.

Die Existenzgrundung erfolgt durch Beginn der Geschaftstatigkeit, formaljuristisch durch die Gewerbeanmeldung ? außer bei freien Berufen ? und durch Anmeldung beim zustandigen Finanzamt . Damit ist der erste Teil der Grundung abgeschlossen. Im Nachgang konnen weitere Formalitaten auf die Grunder zukommen, wie etwa die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder der Handwerkskammer bei zulassungspflichtigen und zulassungsfreien Handwerken sowie bei handwerksahnlichen Gewerben. [3] Die Mitgliedschaft in den Kammern ist verpflichtend . Bei Gewerbetatigkeit im Reisegewerbe (und nicht im stehenden Gewerbe ) besteht keine Pflicht zur Mitgliedschaft in der IHK, nur sofern der Gewerbetreibende zur Gewerbesteuer veranlagt ist (IHK-Gesetz § 2 Abs. 1).

Fur zulassungspflichtige Handwerke besteht der Meisterzwang ? die Qualifikation muss in Form des Meisterbriefs oder vergleichbar nachgewiesen werden. Auch fur bestimmte Tatigkeiten aus den Branchen Industrie, Handel und Dienstleistung ist die Gewerbefreiheit eingeschrankt. Die Erteilung der Erlaubnis ist an bestimmte Voraussetzungen geknupft. Eine spezielle Erlaubnis benotigen z. B. Versicherungsvermittler , bestimmte Gastronomen sowie Waffenhandler oder Apotheker.

Gemaß der EG- Dienstleistungsrichtlinie ist es seit dem 28. Dezember 2009 moglich, samtliche Verwaltungsverfahren, die mit der Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit zusammenhangen, elektronisch abzuwickeln. Außerdem kann fur diese Verfahren ein Einheitlicher Ansprechpartner in Anspruch genommen werden.

In der Regel werden bei einer Gewerbeanmeldung neben den Kammern auch das Finanzamt, die Berufsgenossenschaft sowie das statistische Landesamt automatisch informiert.

Grundlage fur die Beantragung von Fordermitteln ist in der Regel ein Geschaftsplan (Businessplan). Dieser enthalt moglichst detaillierte Informationen zu den Grundern, zum Produkt, zum Markt und zur Finanzierung.

Die ?Grundungswerkstatt Deutschland“ [4] ist eine Online-Plattform, mit der sich Grunder auf ihre Selbstandigkeit vorbereiten konnen. Sie wird von rund 40 Regionalpartnern ( IHKs usw.) betrieben.

Bei Grundungswettbewerben reichen Existenzgrunder ihre Geschaftsideen bei der ausrichtenden Institution (z. B. Wirtschaftsforderung der Stadt / des Landes) ein. Diese werden von Gutachtern und Kapitalgebern nach einheitlichen Kriterien auf ein gelungenes und potenzialtrachtiges Unternehmenskonzept bewertet. Der deutschlandweit großte regionale Businessplanwettbewerb ist der Businessplan-Wettbewerb Berlin Brandenburg .

Bund und Lander unterstutzen Existenzgrundungen durch Darlehen, Zuschusse und Beteiligungskapital.

Die Beratungsforderung unterscheidet zwei Beratungs- und Forderstufen nach dem Stand der Grundung. ?Vor der Grundung“ bezeichnet den Zeitpunkt vor der Gewerbeanmeldung bzw. Mitteilung der unternehmerischen Tatigkeit von Freiberuflern bei ihrem Finanzamt. ?Nach der Grundung“ beschreibt den Zeitpunkt ab Aufnahme der unternehmerischen Tatigkeit nach Gewerbeanmeldung bzw. nach Mitteilung der Aufnahme einer freiberuflichen Tatigkeit durch Freiberufler bei ihrem Finanzamt.

Fur Kosten der Beratung, Businessplanentwicklung und Coaching vor der Grundung stellen die Bundeslander Zuschusse zur Verfugung. Informationen dazu bieten die Industrie- und Handelskammern , die Handwerkskammern und die Forderinstitution (in der Regel Investitionsbank) des Bundeslandes sowie die ortlichen Wirtschaftsforderer der Kommunen und Landkreise.

Das Forderprogramm mit dem Namen ?Forderung unternehmerischen Know-hows“ fasst die bisherigen Programme ?Forderung unternehmerischen Know-hows durch Unternehmensberatung“, ?Grundercoaching Deutschland“, ?Turn-Around-Beratung“ und ?Runder Tisch“ zusammen. Zustandig fur die Umsetzung des Programms ist das Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ( BAFA ). Die Maßnahme wird aus dem Europaischen Sozialfonds (ESF) der Europaischen Union kofinanziert. Die KfW beteiligt sich finanziell an der Forderung; die Richtlinie ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.

Auch fur die Betriebs- und Geschaftsausstattung, Einrichtungen eines Warenlagers, Kautionen, Werbemaßnahmen und weitere Investitionen, die fur den Start in die Selbstandigkeit notwendig sind, stellen Bund und Lander Darlehen zur Verfugung.

Die wichtigsten Darlehen des Bundes sind:

  • das KfW-StartGeld
  • das ERP-Kapital fur Grundung
  • der KfW-Unternehmerkredit

Die Darlehen bieten unterschiedliche Konditionen, die den Start in die Selbstandigkeit erleichtern sollen. Zum Beispiel tilgungsfreie Anlaufzeiten, gunstigere Zinsen und teilweise Freistellung von Sicherheiten. Forderdarlehen mussen nach dem Hausbankprinzip immer bei Banken oder Sparkassen beantragt werden. Jahrlich informiert die KfW ? Bankengruppe in ihrer Publikation ?Grundungsmonitor“ uber das Grundungsgeschehen in Deutschland, nennt Forderkennzahlen und zeigt Trends von Unternehmensgrundungen, wie auch in der Bereitschaft zur Mittelvergabe durch Kreditinstitute auf.

Informationen uber die Programme des Bundes, der Bundeslander und der Europaischen Union sind in der Forderdatenbank des Bundes zu finden.

Bezieher von Arbeitslosengeld konnen einen Grundungszuschuss beantragen, wenn sie mit der beruflichen Selbstandigkeit ihre Arbeitslosigkeit beenden. Diese Regelungen werden durch die Reformen des SGB III immer wieder angepasst.

Existenzgrunder-Planspiel

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Zum spielerischen Erwerb von Fahigkeiten zur Existenzgrundung werden in verschiedenen Institutionen (z. B. Schulen oder Universitaten) Existenzgrundungswettbewerbe veranstaltet, beispielsweise der Deutsche Grunderpreis fur Schuler oder die Wettbewerbe Jugend grundet und 5-Euro-Business . [5] [6]

Grundungsforschung

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Grundungsforschung ist ein interdisziplinarer Forschungsbereich, basierend auf der Analyse des Unternehmertums (englisch: Entrepreneurship ), der die Unternehmerrolle im gesamtwirtschaftlichen Prozess untersucht. Neben wirtschaftswissenschaftlichen werden auch wirtschaftsgeografische , soziologische , psychologische sowie juristische und historische Fragestellungen untersucht. [7] Zum Forschungsfeld gehoren dabei unter anderem die Untersuchung branchenspezifischen Grundungsverhaltens, transnationale Vergleichsanalysen sowie die Analyse von Forder- und Unterstutzungsmaßnahmen. Ziel ist es, sowohl die Bestimmungsgroßen fur die Entstehung neuer Unternehmen als auch die Bedingungen fur den Erfolg dieser zu finden. [8]

Wahrend die Forschung zu Grundungsaktivitaten und -erfolg in den USA bereits langer institutionalisiert ist, hat sich die deutschsprachige Grundungsforschung bis ca. 1998 auf Einzelarbeiten beschrankt. Das Phanomen ?Grundung“ wurde nicht systematisch und auch nicht im Verbund großerer Forschernetzwerke behandelt. Das lag am traditionellen Fokus der betriebswirtschaftlichen Forschung auf bestehende Unternehmen und am Fehlen spezieller Grundungslehrstuhle. Der Forderkreis Grundungs-Forschung e. V. (FGF) ist 1987 zur Forderung des Gedankens der unternehmerischen Selbstandigkeit und des unternehmerischen Handelns aus dem Schmalenbach-Arbeitskreis ?Innovative Unternehmensgrundung“ hervorgegangen. Heute ist der FGF die fuhrende wissenschaftliche Vereinigung fur Grundungs-Forschung, -Ausbildung und -Politik in Deutschland, Osterreich, der Schweiz und Liechtenstein. [9]

In Deutschland existiert keine amtliche Statistik, die das Grundungsgeschehen in vollem Umfang widerspiegelt. Daher wird durch die KfW Bankengruppe seit dem Jahr 2000 der KfW-Grundungsmonitor als großte reprasentative Bevolkerungsbefragung zum Grundungsgeschehen in Deutschland erhoben. Fur die Identifikation von Grundern wird dabei eine breite Grundungsdefinition zu Grunde gelegt, die voll- wie nebenerwerbliche, freiberufliche wie gewerbliche Existenzgrundungen abdeckt. Der KfW-Grundungsmonitor liefert damit als einzige Datenquelle in Deutschland ein umfassendes Bild der Grundungstatigkeit in Deutschland. Die jahrlichen Querschnittserhebung stellen nicht nur fur sich genommen wichtige Strukturinformationen zum Grundungsgeschehen eines jeweiligen Jahres bereitstellen, sondern lassen in ihrer Kombination wertvolle Einblicke in die Grundungsdynamik zu. Der KfW-Grundungsmonitor wird mittels computerunterstutzter Telefoninterviews (CATI) erhoben. Dabei werden jahrlich 50.000 zufallig ausgewahlte in Deutschland ansassige Personen interviewt. Durch spezielle, dem aktuellen Standard der Marktforschung entsprechende Verfahren bei der Stichprobengenerierung und Befragung wird eine Reprasentativitat des Datensatzes fur die deutsche Wohnbevolkerung gewahrleistet. [10]

Eine der wichtigsten international vergleichenden Studien zu den Rahmenbedingungen von Unternehmensgrundungen ist der jahrlich erstellte Global Entrepreneurship Monitor (GEM). [11] Auch das Centre for Entrepreneurship, SMEs and Local Development der OECD finanziert im Rahmen des Programms Local Economic and Employment Development (LEED) Untersuchungen, Workshops, Erfahrungsaustausch zwischen Projekten sowie internationale Vergleichsstudien zur lokalen Entwicklung des Entrepreneurship mit dem Fokus auf Beschaftigung und Stadterneuerung. [12] Das Arbeitsprogramm 2011?2012 setzte Schwerpunkte im Bereich des Social Entrepreneurship .

Einzelnachweise

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  1. Steve Blank: Search versus Execute (Englisch). 5. Marz 2012, abgerufen am 8. November 2014 .
  2. Duden | Start-up | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 19. Marz 2013 .
  3. Abgrenzung zwischen Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen ( Memento vom 20. September 2012 im Internet Archive ), IHK Berlin
  4. Grundungswerkstatt Deutschland. Abgerufen am 25. Juli 2019 .
  5. Unternehmergeist in die Schule: Initiatoren. Abgerufen am 29. April 2014 .
  6. Steckbrief ?Jugend grundet“, Unternehmergeist in die Schulen. Abgerufen am 29. April 2014 .
  7. Leibrand, Frank: Grundungsforschung. In: Blum, Ulrich; Leibbrand, Frank (Hrsg.): Entrepreneurship und Unternehmertum ? Denkstrukturen fur eine neue Zeit , 2001, Gabler, ISBN 978-3-409-11872-9 , S. 111?159
  8. Wanzenbock, Herta: Uberleben und Wachstum junger Unternehmen , 1998, Springer, ISBN 978-3-211-83211-0 , S. 9 ff
  9. http://www.fgf-ev.de Website des FGF
  10. KfW: KfW-Grundungsmonitor 2016 ? Tabellen- und Methodenband. KfW, abgerufen am 14. Marz 2017 (deutsch).
  11. Website des internationalen GEM-Konsortiums
  12. http://www.oecd.org/department/0,3355,en_2649_34417_1_1_1_1_1,00.html