Eugene-Auguste Ysaye
(*
16. Juli
1858
in
Luttich
; †
12. Mai
1931
in
Brussel
) war ein
belgischer
Komponist
und
Violinist
.
Eugene Ysaye erhielt mit funf Jahren ersten Unterricht von seinem Vater Nicolas-Joseph Ysaye (um 1826?1905). Nachdem der Vater 1865 zum Dirigenten der Lutticher Oper bestellt worden war, vertraute er seinen Sohn dem am Koniglichen Konservatorium Luttich lehrenden
Desire Heynberg
an. 1867 gewann er den 2. Preis bei einem Wettbewerb. 1868 wurde er wegen der durch den Vater geaußerten Kritik an Heynbergs Methodik vom Unterricht ausgeschlossen. Seinen Vater begleitete er fortan auf Konzertreisen und spielte in dessen Orchester. 1872 wurde er durch Fursprache von
Henri Vieuxtemps
als Schuler von
Rodolphe
und
Leon Massart
wieder aufgenommen, gewann den 1. Preis im Jahr 1873 und die Silbermedaille im Jahr 1874. Mit einem Stipendium setzte er seine Ausbildung am Koniglichen Konservatorium Brussel bei
Henryk Wieniawski
fort. Auf Einladung von Vieuxtemps studierte er von 1876 bis 1879 bei diesem in Paris.
Studieren bei diesen Lehrern bedeutete, dass er Teil der sogenannten franzosisch-belgischen Violinschule wurde, die aus der Entwicklung des modernen Geigenbogens von
Francois Tourte
(1747/1748?1835) und
Francois Nicolas Voirin
(1833?1885) hervorgegangen war. Qualitaten dieser
Ecole
beinhalten Eleganz, einen vollen Ton mit einem Gefuhl fur einen ?langen“ Bogenstrich ohne Rucken, prazise Techniken der linken Hand und das Streichen mit dem ganzen Unterarm, wahrend sowohl das Handgelenk als auch der Oberarm ruhig bleiben (im Gegensatz zur ?deutschen Schule“, in der
Joachim
das Handgelenk beugt und
Auer
den ganzen Arm benutzt).
[1]
1878 unternahm er eine Reise nach Deutschland und trat ins
Kolner
Musikleben ein, wo er mit
Clara Schumann
die
c-Moll-Sonate
von
Ludwig van Beethoven
auffuhrte. Diese Reise eroffnete ihm neue Horizonte; Joachim ubte mit seinem Beethoven-Vortrag einen großen Einfluss auf Ysaye aus. Anschließend wurde er als Konzertmeister der Dresdner
Gewerbehauskapelle
verpflichtet, bevor er im Jahr 1879 nach Berlin ging.
[2]
Dort wurde er Konzertmeister des
Benjamin Bilse
Orchesters
in Berlin, den spateren Berliner Philharmonikern. Als Solist trat er bei Konzerten der ?Wiener Nachtigall“
Pauline Lucca
in Koln und Aachen auf. Unter seinen Zuhorern in Berlin waren Joseph Joachim,
Franz Liszt
, Clara Schumann und der Pianist
Anton Rubinstein
. Letzterer bat Bilse 1882 um Auflosung des Vertrags, damit Ysaye mit ihm auf eine Tournee durch Russland und Norwegen gehen konnte. In den Jahren 1883 bis 1886 ließ er sich in Paris nieder.
Als Solist begann Ysayes Karriere 1885, als er zu einem Konzert von ?
Concerts Colonne
“ eingeladen wurde, bei dem er die
Symphonie Espagnole
von
Edouard Lalo
und das
Rondo Capriccioso
von Camille Saint-Saens vortrug.
[3]
Als Zugabe spielte er ein Praludium von J. S. Bach. Daraufhin wurde er uber Nacht beruhmt und galt als Favorit bei anderen fuhrenden Komponisten wie
Claude Debussy
,
Vincent d’Indy
und
Cesar Franck
. Er bildete ein Duo mit dem Pianisten
Raoul Pugno
und begann eine lange Reihe von Konzerten, die einen neuen Standard setzten.
Am 26. September 1886 heiratete er die Sangerin Louise Bourdeau (1868?1924), und Franck widmete ihm seine Sonate fur Violine und Piano als Hochzeitsgeschenk, die Ysaye durch seine Interpretation beruhmt machte.
Francks Schuler
Ernest Chausson
(1855?1899) widmete ihm sein
Poeme
fur Violine und Orchester. Auch weitere Musiker widmeten ihm bedeutende Werke: Claude Debussy die Quartette und Quintette,
Camille Saint-Saens
,
Edward Elgar
,
Gabriel Faure
und zahlreiche belgische Komponisten. Auf Reisen nach
Wien
und
Bordeaux
erregte er immer wieder Aufsehen mit Chaussons
Poeme
.
Am 16. November 1894 gab er sein USA-Debut mit dem
Beethoven-Violinkonzert
und den
New Yorker Philharmonikern
und absolvierte eine erfolgreiche Amerika-Tournee. Nach seiner Ruckkehr grundete er 1895 sein eigenes Orchester
Societe des Concerts Ysaye
und begann seine Laufbahn als Dirigent. Hier trat er haufig mit seinem Bruder
Theo Ysaye
auf. Im gleichen Jahr rief er das ?Ysaye Quartett“ ins Leben (mit
Mathieu Crickboom
,
Leon Van Hout
und
Joseph Jacob
). Debussy widmete sein
Streichquartett
dem Ysaye Quartett, das es in der
Societe Nationale
in Paris am 29. Dezember 1893 urauffuhrte.
Von 1886 bis 1898 hatte er eine Professur am Brusseler Konservatorium inne. Zu seinen Schulern gehorten
Josef Gingold
,
William Primrose
,
Louis Persinger
,
Alberto Bachmann
und Mathieu Crickboom. Als die Deutschen 1914 in Belgien einmarschierten, ging Ysaye nach London, wo er wahrend des
Ersten Weltkrieges
blieb.
Am 5. April 1918 machte er sein amerikanisches Debut als Dirigent mit dem
Cincinnati Symphony Orchestra
und leitete auch das
Cincinnati Mai Festival
in diesem Jahr. Sein Erfolg war so groß, dass ihm eine feste Stelle als Leiter des Cincinnati Symphony Orchestra angeboten wurde, die er von 1918 bis 1922 innehatte. Danach kehrte er nach Belgien zuruck und ubernahm wieder die Leitung seines Orchesters.
In spateren Jahren war Ysaye gezwungen, seine Arbeit auf das Dirigieren zu verlegen, denn er hatte Schwierigkeiten mit seinen Fingern und mit der Bewegung seines rechten Arms. Aufgrund von
Diabetes
musste 1929 sein rechter Fuß amputiert werden. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er am 9. Juli 1927 Jeannette Dincin, eine seiner amerikanischen Schulerinnen.
Seine kompositorischen Arbeiten umfassen 8 Violinkonzerte; 6 Sonaten fur Solo-Violine;
Poeme nocturne
fur Violine, Violoncello und Streicher;
Les Harmonies du soir
fur Streichquartett und Streichorchester,
Divertimento
fur Violine und Orchester,
Meditation
fur Violoncello und Streichorchester,
Chant d’hiver
fur Violine und Kammerorchester;
Trio de concert
fur 2 Violinen, Viola und Orchester;
Amitie
fur 2 Violinen und Orchester. Im Alter von 70 Jahren begann er mit der Komposition einer Oper in wallonischer Sprache,
Pier li Houieu
(?Peter, der Bergmann“), die in Luttich am 4. Marz 1931 uraufgefuhrt wurde. Danach begann er mit einer zweiten wallonischen Oper
La vierge di Pier
(
La Vierge de Pierre
), die aber unvollendet blieb.
Er spielte lange Zeit auf einer
Stradivari
- und einer
Guadagnini
-Violine, zuletzt musizierte er auf einer
Guarneri
. Er war musikalischer Berater der belgischen
Konigin Elisabeth
, die 1937 einen nach ihm benannten Violinwettstreit initiierte, dessen erster Preistrager
David Oistrach
war. 1951 wurde der Wettbewerb in
Concours international Reine Elisabeth
umbenannt.
Eugene Ysaye war ein Mitglied im Bund der
Freimaurer
.
[4]
Er starb in seinem Haus in Brussel und wurde dort auf dem Friedhof von
Ixelles
beigesetzt.
- 8 Violinkonzerte aus der Jugendzeit, spater als Spielerei bezeichnet und vernichtet. Lediglich das 8. Konzert wurde von Ysayes Enkel Jacques Ysaye orchestriert.
[5]
- Poeme elegiaque,
op. 12 (Romeo & Juliette) fur Violine und Orchester oder Klavier
- Scene au rouet,
op. 13 fur Violine und Orchester
- Reve d’enfant,
op. 14 fur Violine und Orchester oder Klavier
- Chant d’hiver,
op. 15 fur Violine und Orchester
- Berceuse de l’enfant pauvre,
op. 20 fur Violine, Flote, 2 Horner und Streichorchester
- Poeme de l’Extase,
op. 21 fur Violine und Orchester
- Les Neiges d’antan,
op. 23 fur Violine, Flote, 2 Horner und Streichorchester
- Divertimento, op. 24 fur Violine und Orchester
- Exil!,
op. 25 fur Violinen und Bratschen
- Poeme de l’amitie,
op. 26 fur 2 Violinen und Orchester
- 6 Sonaten fur Violine solo, op. 27 (beruhmten Geigern gewidmet und deren Stil entsprechend komponiert).
- Sonate:
Joseph Szigeti
- Sonate:
Jacques Thibaud
- Sonate:
George Enescu
- Sonate:
Fritz Kreisler
- Sonate:
Mathieu Crickboom
- Sonate:
Manuel Quiroga Losada
- Sonate fur Violoncello solo, op. 28
- Poeme Nocturne,
op. 29 fur Violine, Violoncello und Orchester
- Harmonie du soir,
op. 31 fur Streichquartett und Streichorchester
- Fantaisie op. 43 fur Violine und Orchester
- Sonate fur 2 Soloviolinen, op. posth. (Der Konigin Elisabeth von Belgien gewidmet)
- zahlreiche kleinere Werke fur Violine und Orchester
- eine Oper:
Pier li Houyeu
(?Peter, der Bergmann“, 1931 in Luttich uraufgefuhrt)
- Eugene-Auguste Ysaye.
In:
Bakers Biographical Dictionary of Musicians, Centennial Edition.
Nicolas Slonimsky, Editor; Laura Diane Kuhn. (6 Volume Set). Schirmer; 9. Aufl. 2000,
ISBN 978-0-0286-5525-3
.
- ↑
Eugene Ysaye Biography
- ↑
Dieter Hartwig:
Die Dresdner Philharmonie.
Altis, Berlin 1992,
ISBN 3-910195 04-0
, S. 18.
- ↑
Edouard Lalo: Symphonie Espagnole; Camille Saint-Saens: Violin Concerto No. 3
- ↑
Paul Delsemme:
Les ecrivains francs-macon de Belgique.
Bibliotheque de L'ULB, Bruxelles 2004,
ISBN 2-930149-02-7
.
- ↑
Eugene Ysaye: Werke fur Violine & Orchester (CD) ? jpc.
Abgerufen am 13. April 2021
.