Ethischer Egoismus
bezeichnet eine
philosophische
Maxime
und ihre
ethische Begrundung
, gemaß derer man sich in seinem Handeln ganz davon leiten lassen durfe oder solle, was nach eigener Auffassung fur einen selbst am besten sei.
Ethischer Egoismus kann in einer starken oder in einer schwachen Form formuliert werden: Die starke Formulierung lautet, es sei ethisch
verpflichtend
, seinen Nutzen zu maximieren, die schwache Formulierung, es sei ethisch
zulassig
, seinen Nutzen zu maximieren, wobei die starke Form weitgehend ungebrauchlich ist. Ein Grund ist der
performative Widerspruch
, dass derjenige, der ethischen Egoismus in seiner starken Form vertritt, anderen raten musste, die gleiche Maxime zu verfolgen, wenn er seinen Prinzipien treu bleiben wolle. Mit diesem Rat schadet er aber wiederum seiner Moglichkeit, seine Interessen maximal durchzusetzen.
[1]
Die schwache Form des ethischen Egoismus ist die Grundlage der
Vertragstheorie
. Auch in der
Wirtschaftsethik
spielt ethischer Egoismus eine Rolle. Okonomische
Rationalitat
wird vielfach als reine Zweck-Mittel-Rationalitat verstanden, die dem
okonomischen Prinzip
folgt, wonach man mit vorhandenen Mitteln einen maximalen
Nutzen
erzielen oder ein bestimmtes Ziel mit minimalem Aufwand verwirklichen mochte. Die Konzentration auf eine rein instrumentelle Rationalitat fuhrt zu einem ethischen Egoismus, der andere Wertebenen (
Gemeinschaft
,
Solidaritat
,
Freiheit
und
Gerechtigkeit
) und Zielsysteme (
Sinn des Lebens
,
Frieden
,
Religion
) ausblendet.
Gestutzt wird dies durch die
Neoklassische Theorie
, die nahelegt, dass unter verschiedenen Annahmen, darunter dem Verhalten der Menschen als
Homo oeconomicus
, ein Wohlfahrtsmaximum entsteht. Der Homo oeconomicus selbst ist in diesem Modell jedoch kein reiner
Egoist
. Auch
altruistisches Verhalten
(z. B. Geschenke) stiften Befriedigung und damit einen Nutzen. Der Homo oeconomicus wird daher solange altruistisch handeln, solange sein
Grenznutzen
des altruistischen Verhaltens hoher liegt als dessen
Grenzkosten
. Daneben wird er auch die Interessen anderer berucksichtigen, aber nur dann, wenn er sich dabei selbst einen moglichen Nutzen verspricht ? entweder unmittelbar oder auf lange Sicht. Die Grenze seines Verhaltens verlauft daher nicht zwischen Egoismus und Altruismus, sondern zwischen wechselseitiger oder nur einseitiger Besserstellung.
[2]
Ein fruher Befurworter eines ethischen Egoismus war
Max Stirner
, der sich in seinem Hauptwerk
Der Einzige und sein Eigentum
als Nietzsche und Freud antizipierender
tiefenpsychologischer
Denker erweist, dessen Egoismusbegriff den des (als Menschenbild umgedeuteten) Homo oeconomicus als nur oberflachlich verwirft. Wahrhaftes egoistisches Eigeninteresse konne demnach nur derjenige verfolgen, der sich von den im Verlaufe seiner
Enkulturation
introjizierten
und
internalisierten
Normen (Freuds
Uber-Ich
) befreit hat.
[3]
Stirners Biograph
John Henry Mackay
vertrat um 1900 eine modifizierte, um ihren psychologischen Gehalt reduzierte Version der Stirnerschen Lehre, den von
Benjamin Tucker
begrundeten
individualistischen Anarchismus
(?Gleiche Freiheit Aller“).
Eine neuere Version des ethischen Egoismus der
Rationale Egoismus
vertrat Mitte des 20. Jahrhunderts
Ayn Rand
, die sich von Stirner und Mackay absetzte und vor allem in den USA wirkte. Rand sieht in ihrer
objektivistischen
Philosophie den Vernunftgebrauch als Grundvoraussetzung wahrhaft egoistischen Handelns an und definiert eindeutige moralische Prinzipien, die egoistisches Handeln lenken sollen.
Ein weiterer prominenter Autor, der oft als Vertreter eines ethischen Egoismus bezeichnet wird, war der
Marquis de Sade
, obschon die von ihm erdachten Charaktere oftmals die Grenze zur
Amoralitat
uberschritten. Ein entsprechendes Beispiel fur den Egoismus bei de Sade ist die Weltsicht des Banditenhauptmanns ?Eisenherz“, welcher wiederholt in dessen Hauptwerk
Justine
auftritt.
- ↑
Dieter Birnbacher
: Analytische Einfuhrung in die Ethik, 2. Auflage, 2007,
ISBN 3110194422
, Seite 331,
online
- ↑
Thomas Muller: Unternehmensethik und Corporate Citizenship, 2009,
ISBN 3836652463
, Seite 60,
online
- ↑
Vgl.
Bernd A. Laska
:
Die Negation des irrationalen Uber-Ichs bei Max Stirner
. In: Anarchismus und Padagogik. Studien zu einer vergessenen Tradition, hg. v. Ulrich Klemm. Frankfurt/M.: dipa-Verlag 1991, S. 33?44