Erwin Heinz Ackerknecht
(*
1. Juni
1906
in
Stettin
; †
18. November
1988
in
Zurich
), Pseudonym
Eugen Bauer
, war ein
deutschamerikanischer
Arzt, Ethnologe und
Medizinhistoriker
. In den 1930er Jahren war er einer der Fuhrer der deutschen
Trotzkisten
gewesen. Als international bekannter und fuhrender Medizinhistoriker betrachtete er die
Medizingeschichte
im sozio-kulturellen und ethnologischen Kontext. Ackerknecht, dem von den Nationalsozialisten die
deutsche Staatsburgerschaft
aberkannt worden war, wurde 1948 Burger der Vereinigten Staaten von Amerika.
Erwin H. Ackerknecht, Sohn des Literaturhistorikers und Bibliothekars
Erwin Ackerknecht
(1880?1960, aus Baiersbronn) und dessen Frau Clara Ackerknecht geborene Pfitzer (1879?1958, aus Stuttgart) sowie Neffe des Veterinaranatomen
Eberhard Ackerknecht
, studierte ab 1924 Medizin in Freiburg, Kiel, Berlin, Wien und Leipzig.
[1]
Wahrend seiner Zeit in Berlin wurde er 1926 Mitglied des
Kommunistischen Jugendverbands
. 1929 legte er das Staatsexamen ab und beendete 1931 sein Studium mit einer Dissertation bei dem Medizinhistoriker
Henry E. Sigerist
uber die deutsche Medizinalreform von 1848 in Leipzig.
[1]
Dort war er der
KPD
beigetreten und grundete 1928 (mit
Roman Well
und
Otto Schussler
) die Gruppe ?Bolschewistische Einheit“. 1929 wurde er Mitglied des
Leninbundes
, 1930 Mitbegrunder der Vereinigten Linken Opposition der KPD (spater:
Linke Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten)
). Von
Trotzkis
Sohn
Lew Sedow
nach Berlin gerufen, war Ackerknecht, der 1932/33 als Assistenzarzt fur
Neurologie
und
Psychiatrie
arbeitete, Mitglied der Reichsleitung der Linken Opposition und des Internationalen Sekretariats (IS) der
Internationalen Linke Opposition
(ILO).
Nach der
nationalsozialistischen
Machtergreifung zunachst in der Illegalitat aktiv, verließ er Anfang Juni 1933 auf Beschluss des IS Deutschland; er ging in die Tschechoslowakei, besuchte Trotzki auf
Prinkipo
und ließ sich dann in Paris nieder, wo er als Ubersetzer medizinischer Literatur lebte.
[1]
Ackerknecht leitete das Auslandskomitee der
Internationalen Kommunisten Deutschlands
(IKD) und war Redakteur von
Unser Wort
; u. a. war er fur die Kontakte zur
Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands
(SAPD) (vor allem zu
Jacob Walcher
) zustandig. Die Orientierung auf den Aufbau neuer kommunistischer Parteien lehnte er anfangs ab; ebenso widersetzte er sich der von Trotzki vorgeschlagenen Aufnahme von
Ruth Fischer
und
Arkadi Maslow
in die IKD. Im Herbst 1934 kam es uber die unter den Anhangern Trotzkis umstrittene ?franzosische Wende“, den Eintritt der Ligue communiste in die (franzosische sozialdemokratische)
SFIO
, zum Bruch. Ackerknecht verließ die IKD; im Marz 1935 wurde er Mitglied der SAPD, in der er spater (zusammen mit
Walter Fabian
und
Peter Blachstein
) eine linke Oppositionsstromung bildete, die sich der Beteiligung der SAPD an der deutschen
(Exil-)Volksfront
widersetzte. Im Februar 1937 aus der SAPD ausgeschlossen, bildeten er und seine Anhanger um die Zeitschrift
Neuer Weg
eine organisatorisch selbstandige Gruppe, die sich dem
Londoner Buro
(bzw. seinen Nachfolgeorganisationen) anschloss.
1938 gab Ackerknecht die politische Arbeit ganzlich auf und studierte in Paris
Ethnologie
am
Musee de l’Homme
, mit Fachdiplom 1939. Vor der deutschen Invasion gelang ihm die Flucht aus Frankreich in die USA.
[1]
Nachdem er dort zunachst als Packer und Krankenpfleger gearbeitet hatte, wurde er 1941 an das Institute of Medical History,
Johns Hopkins University
in Baltimore als Assistent seines ebenfalls emigrierten Doktorvaters
Henry E. Sigerist
berufen. 1945 fand er eine Anstellung beim
American Museum of Natural History
in New York. Nach zwei Jahren bekam er eine Professur der Geschichte der Medizin an der
University of Wisconsin
in
Madison
. Hier entstanden zwei seiner bedeutendsten Werke, die Biografie
Rudolf Virchow: Doctor, Statesman and Anthropologist
(1953) und die
Short History of Medicine
(1955).
[1]
Bis 1957 lehrte er an der University of Wisconsin, danach wirkte er, als Nachfolger des verstorbenen
Bernhard Milt
, bis zu seiner Emeritierung 1971 an der
Universitat Zurich
als ordentlicher Professor und Direktor des Medizinhistorischen Instituts und Museums. Nachfolger auf dem Lehrstuhl in Zurich wurde
Huldrych M. Koelbing
.
1964 loste er mit seinem, von weiteren jungeren Fachkollegen mitgetragenen, Einwand gegen die von
Gernot Rath
(auf Anraten von
Edith Heischkel-Artelt
,
Walter Artelt
und
Paul Diepgen
) unterstutzte Umhabilitation von
Alexander Berg
(ein ehemaliger SS-Offizier) an die Universitat Gottingen im Jahr 1963 eine Affare unter den deutschen Wissenschaftshistorikern aus, die schließlich nach einem Eklat auf der Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft fur die Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik
in
Wurzburg
zur Spaltung dieser Fachgesellschaft fuhrte.
[2]
[3]
Unter Ackerknechts Leitung gewann das Zurcher Institut durch eine rege Publikationstatigkeit Weltruf. Ackerknecht erfasste als produktiver Forscher sowie humorvoller und geistreicher Lehrer Krankheiten, Medizin und Mediziner in Abhangigkeit von sozialen, kulturellen, ethnologischen oder politischen Faktoren. Unter seiner Agide habilitierten sich 1968
Hans H. Walser
und 1972
Esther Fischer-Homberger
fur das Gebiet der Geschichte der Medizin. Zudem gestaltete und erganzte Ackerknecht eine vorhandene Sammlung medizinhistorischer Objekte nach didaktischen Gesichtspunkten und baute sie zum
Medizinhistorischen Museum
aus, wodurch er sie der Offentlichkeit dauernd zuganglich machte. Als von ihm verfasste Standardwerke gelten u. a. eine Biographie
Rudolf Virchows
und die
Kurze Geschichte der Medizin
. Er begrundete die Zurcher medizingeschichtlichen Abhandlungen. Sein wissenschaftliches Werk umfasst 300 Veroffentlichungen; allein in Zurich betreute er 155 Dissertationen, unter anderen die von
Charles E. Rosenberg
.
Als Auszeichnungen erhielt Ackerknecht die
William H. Welch
-Medaille (1953), den Orden der
Palmes academiques
der Republik Frankreich (1965), das
Große Verdienstkreuz der BRD
(1983) sowie den
Dr. med. h. c.
der Universitaten Bern (1976) und Genf (1978). Er war Mitglied und Ehrenmitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften.
[4]
Gemaß dem Bestattungs- und Friedhofamt der Stadt Zurich wird sein Grab unter den Prominentengrabern (
Friedhof Zurich-Manegg
) aufgefuhrt.
- Beitrage zur Geschichte der Medizinalreform von 1848
. Leipzig 1931 (Dissertation)
- Oesterreich, eine Lehre fur alle
. Prag 1934 (unter dem Pseudonym
Eugen Bauer
)
- Malaria in the Upper Mississippi Valley 1760?1900.
Supplements to the Bulletin of the History of Medicine No 4. Johns Hopkins Press, Baltimore 1945.
- Rudolf Virchow: Doctor, Statesman, Anthropologist.
Madison 1953.
- Rudolf Virchow. Arzt, Politiker, Anthropologe.
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- Virchow in Wurzburg.
In:
Berichte der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft zu Wurzburg.
Neue Folge. Band 68, 1956/1957, S. 163?165.
- Wendepunkte in der Geschichte der Pharmakotherapie.
In:
Schweizerische Apotheker-Zeitung.
Band 95, 1957, S. 751?757.
- Kurze Geschichte der Psychiatrie.
Stuttgart 1957; 2. Auflage 1967, 3. Auflage 1985 (englisch:
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, ubersetzt von
Sula Wolff
, 1959).
- Kurze Geschichte der Medizin.
Stuttgart 1959; 4. Auflage (unter dem Titel
Geschichte der Medizin
) ebenda 1979 (
Enke-Reihe zur AO [A]
); 7. Auflage 1992 (englisch:
A short history of medicine.
New York 1955; 3., revidierte Auflage Baltimore/London 1982).
- Geschichte und Geographie der wichtigsten Krankheiten.
Stuttgart 1963 (englisch 1965 New York)
- Das Reich des Asklepios. Eine Geschichte der Medizin in Gegenstanden.
(deutsch, englisch) Bern/Stuttgart 1963, 2. Auflage 1966
- Medicine at the Paris Hospital 1794?1848.
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- Therapie von den Primitiven bis zum 20. Jahrhundert
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- Medicine and Ethnology: Selected Essays
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- Kurze Geschichte der grossen Schweizer Arzte
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- ↑
Welch Medal Winners