Der
Erste Weltkrieg in Persien
war ein
Nebenkriegsschauplatz
des
Ersten Weltkriegs
. Die Kampfhandlungen griffen Ende 1914 auf das Gebiet des neutralen
Persien
uber und dauerten in der Folge bis 1921 an. Auf Seiten der
Entente
nahmen Truppen des
britischen Empire
und des
Russischen Kaiserreiches
teil. Seitens der
Mittelmachte
waren in erster Linie
osmanische Truppen
sowie deutsche und osterreichische Offiziere beteiligt, die als Militarberater persische Truppenteile befehligten. Das einheimische Militar, vor allem die
persische Kosakenbrigade
und die
persische Gendarmerie
, kampfte gegen die russischen und britischen Einheiten. Irregulare Stammesmilizen griffen regional in die Auseinandersetzungen ein.
Nach der
Oktoberrevolution
in Russland wurden die Kampfe 1917 von russischer Seite im Rahmen des
Friedensvertrages von Brest-Litowsk
zunachst eingestellt. Die folgenden Kampfhandlungen zwischen osmanischen und armenischen Truppen bezogen weiterhin Teile Westpersiens ein. 1918 besetzten britische Einheiten, die durch den Iran zum Kaukasus marschiert waren, den russischen Teil Aserbaidschans. Mit dem
Waffenstillstand von Mudros
endeten die Kampfe zwischen den osmanischen und britischen Einheiten. Allerdings griff der
russische Burgerkrieg
auf Gebiete im Norden Persiens uber. An diesen Gefechten waren Einheiten Großbritanniens, der
russischen Weißen
wie der
Roten Armee
, persische Freischarler und regulare persischen Einheiten beteiligt.
Diese militarischen Auseinandersetzungen fuhrten am 21. Februar 1921 zu einem Putsch angefuhrt von
Seyyed Zia al Din Tabatabai
und
Reza Khan
, einem damals noch unbekannten Kommandeur einer Einheit der
Persischen Kosakenbrigade
. Nach der Unterzeichnung des Sowjetisch-persischen Freundschaftsvertrages vom 25. Februar 1921 zogen sich die sowjetischen Einheiten aus dem Norden des Iran zuruck. Die britischen Einheiten hatten sich bereits in das Staatsgebiet des heutigen Iraks abgesetzt.
Im Dezember 1911 war das iranische Parlament durch das Eingreifen russischer Truppen und den erzwungenen Rucktritt des in Diensten des iranischen Parlaments stehenden US-amerikanischen Schatzmeisters
Morgan Shusters
aufgelost worden. Die russischen Truppen hatten sich nach mehr als zwei Jahren Besatzung der nordlichen Landeshalfte des Iran ins persische
Aserbaidschan
zuruckgezogen, so dass man im Januar 1914 mit den Parlamentswahlen in Teheran und den Provinzen beginnen konnte. Die Wahlen zogen sich monatelang hin, bis am 5. Dezember 1914 erstmals das neue Parlament zusammentreten konnte.
[1]
Wahrend in Teheran ein Stuck politischer Normalitat eingekehrt war, hatte im August 1914 in Europa der Erste Weltkrieg begonnen. In Teheran war man hiervon zunachst nicht weiter beruhrt, erschien es doch wichtiger, den Staat aufzubauen, den sich die Politiker der
Konstitutionellen Revolution
1906 ertraumt hatten. Die Auseinandersetzungen mit
Mohammed Ali Schah
gehorten endgultig der Vergangenheit an. Die konstitutionelle Monarchie mit Ahmad Schah an der Spitze schien sich zu festigen. Mit Hassan Mostofi war ein allseits respektierter Premierminister ins Amt gekommen, der als erstes versuchte, die Abhangigkeit des Iran von Großbritannien und Russland zu mildern, in dem er die Beziehungen zu Deutschland zu beleben versuchte.
Ahmad Schah erklarte in einem am 1. November 1914 herausgegebenen Dekret die strikte Neutralitat des Iran. Der Neutralitatserklarung war eine Anfrage des Premierministers beim turkischen Botschafter in Teheran vorausgegangen, ob die Turkei eine offiziell ausgesprochene Neutralitat des Iran respektieren wurde. Die Antwort des turkischen Botschafters war enttauschend: Da russische Truppen in
Aserbaidschan
stationiert seien, sehe er kaum eine Moglichkeit, den Iran als neutral zu betrachten. Die ebenfalls kontaktierten Botschafter Russlands und Großbritanniens begrußten die Neutralitatserklarung. Die Russen waren allerdings nicht bereit, ihre Truppen aus dem Iran abzuziehen, da sie furchteten, dass dann die turkischen Truppen erst recht in das Land einmarschieren wurden. Trotz der geringen Aussicht auf Erfolg erklarte die iranische Regierung die Neutralitat ihres Landes in den sich abzeichnenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie forderte die Konfliktparteien auf, diese Position des Iran zu respektieren.
[2]
Die Lage im Iran anderte sich schlagartig im November 1914. Das
osmanische Reich
trat an der Seite der
Mittelmachte
in den Krieg ein und turkische Truppen besetzten im Januar 1915 weite Teile des Nordwestiran. Vorausgegangen war ein im November 1914 erfolgter Angriff russischer Truppen auf osmanische Grenzposten auf
Zivin
,
Do?ubeyazıt
und
Diyadin
(Bergmann-Offensive), die im Dezember 1914 zur
Schlacht von Sarıkamı?
fuhren und mit einer vernichtenden Niederlage der Turken enden sollte. Russische Krafte waren aus Aserbaidschan abgezogen und an die Front bei Sarıkamı? verlegt worden. Turkische Truppen marschierten daraufhin in den Nordwesten des Iran ein und besetzten
Tabris
und
Urmia
.
Der Iran bat die US-amerikanische Regierung um Unterstutzung bei dem Bemuhen, die Feindseligkeiten nicht auf iranisches Gebiet ubergreifen zu lassen. Am 11. November 1914 sagte die US-Regierung zu, die neutrale Haltung des Iran zu unterstutzen.
[3]
Allerdings war es offensichtlich, dass die kampfenden Parteien die Neutralitat nicht respektieren wurden. Teile der russischen Truppen, die 1911 bei dem Putschversuch Mohammed Ali Schahs in den Iran einmarschiert waren, waren noch immer im Norden des Iran und in Teheran stationiert. Spater marschierten britische Verbande im Suden ein und begannen die
South Persia Rifles
aufzubauen, eine unter britischem Kommando stehende persische Einheit zum Schutz der Olanlagen der
Anglo-Persian Oil Company
in
Abadan
. Dann ruckten auch noch turkische Truppen in den Norden und Westen des Iran ein.
Deutschland hatte im September 1914 die
Niedermayer-Hentig-Expedition
entsandt, der sich
Wilhelm Wassmuss
anschloss.
Oskar von Niedermayer
und
Werner Otto von Hentig
sollten den Iran und Afghanistan auf die Seite der Mittelmachte ziehen und gegen britische Einheiten losschlagen. Wassmuss, der bis 1914 Konsul in
Buschehr
gewesen war, eilte in den Suden des Iran zu den
Kaschgai
und organisierte dort den Widerstand gegen die Briten. Koordiniert wurden diese Aktivitaten zunachst von der
Nachrichtenstelle fur den Orient
.
Der turkische
Oberbefehlshaber
Enver Pascha
vertrat die Auffassung, dass man die russischen Truppen, die in den Stadten des Iran stationiert waren, leicht schlagen konne, und dass damit der Weg nach Aserbaidschan und die Olfelder am Kaspischen Meer sowie nach Zentralasien und Indien offen ware.
[4]
Enver Pascha galt als Verfechter des
Panturanismus
, einer nationalistischen Bewegung, die alle Turkvolker vereinen wollte.
Iran hatte aus militarischer Sicht diesen strategischen Uberlegungen wenig entgegenzusetzen. Eine nationale Armee gab es nicht. Die kleine, von russischen Offizieren gefuhrte
persische Kosakenbrigade
und die von schwedischen Offizieren gefuhrte
persische Gendarmerie
, die sich erst seit 1911 in Aufbau befand, waren keine ernst zu nehmenden Gegner fur die Armeen der Turken, Russen und Briten. Zum Vergleich: Iran hatte zur Zeit des Ersten Weltkriegs ungefahr 20 Mio. Einwohner. In den Stadten wohnte nur eine Minderheit. So hatte Teheran 280.000, Tabris 200.000,
Isfahan
80.000,
Maschhad
,
Kerman
60.000 und
Yazd
45.000 Einwohner.
[5]
Hinzu kam, dass russische Truppen bereits vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten in weiten Teilen des Nordens standen: Tabris war wahrend der konstitutionellen Revolution zur Unterstutzung Mohammed Ali Schahs 1909 von regularen russischen Truppen besetzt worden,
Urmia
und
Choy
folgten 1910. Nach dem Ende der konstitutionellen Revolution 1911 hatten sich die russischen Truppen aus den Stadten zuruckgezogen, blieben aber im Nordwesten des Iran stationiert. Ein Pressebericht aus Istanbul vom 29. November 1914 beschreibt die Lage wie folgt:
?Hier liegt ein zuverlassiger Drahtbericht uber die Lage im Iran vor: Seit mehreren Jahren stehen bekanntlich russische Truppen in Nordiran, angeblich zum Schutz gegen Unruhen, in Wahrheit aber, um ohne jeden Rechtsgrund eine Okkupation des Landes vorzubereiten. Die neuerdings erfolgte Berufung angesehener Patrioten in das persische Kabinett veranlasste den Generalgouverneur des Kaukasus,
Großfursten Nicolai Nicolajewitsch
, ohne weiteres den Vormarsch russischer Truppen von Kasoqd auf die
Hauptstadt
Teheran zu befehlen, um den Sturz des Kabinetts Mostofi zu erzwingen. Geplant war gleichzeitig die Gefangennahme aller nationalistischen Parlamentarier und die Beseitigung der an der Spitze der persischen Gendarmerie stehenden, dem Schah treu ergebenen
schwedischen
Offiziere
. Die vollig uberraschte Regierung mit dem Schah an der Spitze entschloss sich, der russischen Vergewaltigung auszuweichen und provisorisch den Sitz des Gouvernements nach der etwas sudlicher gelegenen Stadt Qom zu verlegen. Auf das im letzten Moment feierlich gegebene Versprechen, die Truppen wieder zuruckzuziehen, entschloss sich der Schah, in der Stadt zu verbleiben. Die Gesandten der Zentralmachte hatten sich auf schriftliche Aufforderung der Regierung bereits nach Qom begeben, wo das Parlament und die Fuhrer der Patriotenpartei schon versammelt waren. Der zum Frieden neigende Schah scheint den Russen noch einmal Konzessionen machen zu wollen, um dem neutralen Lande den Krieg zu ersparen, verlangt aber Zuruckziehung aller russischen und britischen Truppen. Im Iran herrscht große Erregung. Zahlreiche Stamme und freiwillige Scharen haben sich in der Richtung auf die Hauptstadt in Bewegung gesetzt, um den Schah gegen das brutale, rucksichtslose Vorgehen der Russen zu schutzen.“
[6]
Fur die turkische Regierung entwickelten sich die ersten Kriegswochen zu einer Katastrophe. Der Angriff der osmanischen
3. Armee
auf Russland wurde von der russischen
Kaukasus-Armee
gestoppt. Die Turken erlitten bei der
Schlacht von Sarıkamı?
große Verluste und mussten sich auf ihre Ausgangsstellungen zuruckziehen. Die Russen verstarkten ihre Truppen im Nordwesten des Iran und marschierten in
Gilan
ein. Die Briten, die bereits Truppen im Suden stationiert hatten, verstarkten im August 1915 ihre Einheiten und besetzten
Abadan
und
Buschehr
. Der Deutsche
Wilhelm Wassmuss
hatte die
Kaschgais
mit Sprengstoff und Gewehren ausgerustet und zu Attentaten auf Olpiplines uberreden konnen. Die Briten wiederum hatten versucht, die
Bachtiaren
durch erhebliche Geldsummen auf ihre Seite zu ziehen. Sie sollten die Pipelines im Verbund mit den britischen Truppen sichern.
[7]
Große Teile der iranischen Bevolkerung und die aktivste politische Partei, die Demokraten, sowie die Teheraner Presse standen auf der Seite der
Mittelmachte
. Bei einem Sieg Deutschlands und Osterreich-Ungarns erhoffte man sich eine Befreiung aus der seit Jahrzehnten bestehenden wirtschaftlichen und politischen Abhangigkeit gegenuber Großbritannien und Russland. Die deutsche Militarmission, angefuhrt von dem Rittmeister der Reserve Graf Kanitz, forderte von Berlin, dass man Iran zum Kriegseintritt bewegen solle. Hauptmann
Rudolf Nadolny
, Leiter der Sektion Politik des deutschen Generalstabs, entwickelte einen Aktionsplan, ?um einen Brand vom Kaukasus bis nach Kalkutta zu entfachen“. Ziel des Aktionsplans Nadolnys war es, ?eine allgemeine Erhebung der Kaukasier, Perser, Afghanen und Inder“ zu organisieren, um ?Russen und Englandern viel zu schaffen zu geben.“
[8]
Nadolny skizzierte in einem Telegramm an Major
Hans Tieschowitz von Tieschowa
, dem Abteilungschef des Generalstabes des Feldheeres, den deutschen Aktionsplan: Fur Persien sei ein neuer deutscher Kommandant zu bestimmen, der Rucksprache mit Nadolny sowie der turkischen Abteilung des preußischen Kriegsministeriums und dem deutschen Auswartigen Amt (Außenministerium) halten solle. Der Kommandant ubernehme ferner den Befehl uber die gesamten persischen Streitkrafte, bestehend aus
Persischer Gendarmerie
, Regierungstruppen und Stammen sowie den deutschen Kraften, die nach Persien entsandt wurden. Der Kommandant solle sodann Russen und Englander aus Persien vertreiben, eine Verbindung nach Afghanistan, Belutschistan und Indien herstellen, die turkischen Operationen im Kaukasus und Mesopotamien unterstutzen sowie die Olquellen am Karun besetzen oder zumindest die Englander an deren Nutzung hindern. Daruber hinaus sollte er die
Niedermayer-Hentig-Expedition
unterstutzen, die nach Afghanistan entsendet worden war, sowie die Operationen Afghanistans unterstutzen, die sich gegen Russen und Englander richteten. Außerdem sollte er einen eventuellen Aufstand in Transkaspien, Belutschistan und Indien unterstutzen.
Mit erheblichen Geldmitteln wurde im Fruhjahr 1915 eine
Etappenlinie
quer durch den Iran bis nach Afghanistan aufgebaut. An den wichtigsten Punkten wurden diplomatische Nachrichtenoffiziere als deutsche Konsuln eingesetzt. Die Mehrzahl der an der Spitze der persischen Gendarmerie stehenden schwedischen Offiziere traten insgeheim in deutsche Dienste. Feldmarschall
Colmar von der Goltz
bestimmte Generalmajor
Arthur Bopp
zum Leiter der deutschen Operationen im Iran. Bopp hatte die Aufgabe, "die Krafte Persiens im Sinne der Zentralmachte und der Turkei zu verwerten und die Freiheit und Unabhangigkeit Persiens sicherzustellen. … Eine persische Erhebung vorzubereiten und die Einleitung fur die Aufstellung einer persischen Armee zu treffen … ". Von der Goltz unterstanden die osmanische
6. Armee
, alle Gesandten von Deutschland und der Turkei mit dem gesamten Personal im Iran und in Afghanistan sowie samtlich in den Iran und nach Afghanistan entsandten Offiziere und Expeditionen. Er erhielt freie Hand mit dem ihm zur Verfugung stehenden Kraften "in Persien Boden zu gewinnen".
[9]
Im November 1915 griff
Oberst Pesyan
, der Kommandeur der
persischen Gendarmerie
in
Hamadan
, die pro-russische persische Kosakenbrigade in der
Schlacht von Musalla
an. Nach seinem Sieg gelang es ihm, viele Kosaken auf seine Seite zu ziehen. Die russische Kaukasusarmee, die sowohl zahlenmaßig wie an Bewaffnung uberlegen war, marschierte aber in Hamadan ein und besiegte auch die Gendarmerieeinheit in
Kerm?nsch?h
. Am 10. November 1915 griffen Gendarmerieeinheiten erfolgreich
Schiras
an und verhafteten alle dort lebenden britischen Staatsburger. Auch
Yazd
und Kerman fielen in die Hande der Gendarmen. Der Plan von Rudolf Nadolny schien zumindest teilweise aufzugehen.
Die russische Kaukasusarmee wurde jetzt in zwei Teile geteilt. Ein Teil marschierte Richtung Sudwesten nach
Bagdad
, der zweite Teil Richtung
Teheran
,
Qom
und
Isphahan
. Am 10. November 1915 hatte
Ahmad Schah
dem Vertreter der deutschen Regierung einen Geheimvertrag vorgelegt, in dem ein Verteidigungsbundnis zwischen Deutschland und Iran vereinbart wurde. Der Iran sollte Russland und Großbritannien den Krieg erklaren. Deutschland sollten dafur nach dem gewonnenen Krieg politisch und wirtschaftlich die Privilegien Russlands und Großbritanniens im Iran eingeraumt werden, dafur sollte Deutschland die Kriegslasten finanzieren. Die Mobilmachung im Iran sollte schrittweise erfolgen, wie es die Mittel zuließen. Der deutsche Botschafter Prinz Heinrich XXXI. Reuß unterzeichnete den Vertrag. Ahmad Schah kamen inzwischen aber Bedenken. Die russischen Truppen standen kurz vor Teheran. Der Vertrag blieb daher zunachst einmal ohne seine Unterschrift.
[10]
Am 15. November 1915 gab Ahmad Schah bekannt, dass er Teheran vor den herannahenden russischen Truppen verlassen und sich nach Qom begeben werde. Gendarmerieeinheiten, Abgeordnete des Parlaments und die deutsche Vertretung unter Leitung von Prinz Reuß gingen nach Qom, um die Ankunft Ahmad Schahs abzuwarten. Prinz
Kamran Mirza
,
Sepahdar
und
Farmanfarma
, die Parteiganger Russlands und Großbritanniens waren, besturmten den Schah, in Teheran zu bleiben. Auch der britische und russische Botschafter waren inzwischen bei Ahmad Schah. Sie versicherten, die russischen Truppen wurden nicht in Teheran einmarschieren, und erreichten, dass Ahmad Schah in Teheran blieb. Das Ziel Deutschlands, Iran zum Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmachte zu bewegen, war furs Erste gescheitert.
Russland und Großbritannien machten der iranischen Regierung nun ihrerseits politische Versprechungen. Verhandelt wurde uber einen Allianzvertrag, in dem Iran ?die Aufhebung des
Vertrages von Sankt Petersburg von 1907
, die Regulierung der Kaukasus-Grenze zu Irans Gunsten, die Anerkennung der Oberhoheit uber den persischen Golf sowie Grenzregulierungen in
Sistan
und
Balutschistan
zu Gunsten Irans versprochen wurden“.
[11]
In dieser Situation wurde der deutsche Botschafter Prinz Reuß, der sich weigerte, nach Teheran zuruckzukehren, abgelost und durch
Philipp Vassel
ersetzt. Vassel sollte der iranischen Regierung erklaren, dass ?Feldmarschall
Colmar von der Goltz
in Bagdad eingetroffen sei und den Befehl uber die iranischen Streitkrafte ubernehmen und zum Sieg gegen Russen und Briten fuhren wolle. Waffen und Munition seien bereits auf dem Weg in den Iran. Deutschland wurde 2 Mio. Mark Vorschuss ohne besondere Sicherheiten bereitstellen. Und nach dem Friedensschluss wurde Deutschland sich fur die Unabhangigkeit und Integritat Irans einsetzen.“
[12]
Doch dazu sollte es zunachst nicht kommen. Vassel saß in Bagdad fest. Die Russen zwangen den Schah mit ihrer Truppenprasenz, die deutschfreundliche Regierung von
Hassan Mostofi
am 24. Dezember 1915 abzusetzen und durch eine Regierung unter
Abdol Hossein Mirza Farmanfarma
, der die Entente unterstutzte, zu ersetzen. Die nach Qom gefluchteten Abgeordneten hatten inzwischen mit deutscher Unterstutzung ein ?Nationales Verteidigungskomitee“ gebildet, das zum ?Kampf zur Befreiung Persiens“ aufrief.
[13]
In Berlin hatte sich aus Exilpersern ein ?Persisches Komitee“ gebildet, das Mitglieder nach Persien entsandte, um die Arbeit des Nationalen Verteidigungskomitees unterstutzen. Das Persische Komitee, dem unter anderem Abul Hassan Alavi, der Vater von
Bozorg Alavi
, und
Seyyed Hassan Taqizadeh
angehorten, gab mit finanzieller Unterstutzung der Reichsregierung die Zeitung
Kaveh
heraus. Die Exilperser in Istanbul druckten ebenfalls mit deutscher Unterstutzung die Zeitung
Hawar (Hilfe)
. In beiden Zeitungen wurde an das persische Nationalgefuhl appelliert und zum Widerstand gegen Briten und Russen aufgerufen. Ziel war es, einen nationalen Befreiungskampf in Persien in Gang zu bringen.
Der Hohepunkt dieser Bemuhungen war eine mit deutscher und turkischer Hilfe gebildete ?provisorische Regierung“ unter Fuhrung von
Reza Qoli Khan Nezam al Saltaneh
, dem Gouverneur von
Lorestan
, zunachst mit Sitz in Kerm?nsch?h. Beteiligt war auch der Geistliche
Hassan Modarres
, der als Justizminister fungierte.
[14]
Um die Bezeichnung ?Regierung“ aus Rucksicht auf die Zentralregierung in Teheran zu vermeiden, nannte man sich ?Komitee X“. Als die russischen Truppen weiter vorruckten, wurde der Sitz der Exilregierung zusammen mit der Außenstelle der deutschen Botschaft nach
Qasr-e Schirin
(direkt an der heutigen Grenze zwischen Iran und Irak gelegen) verlegt.
[15]
Der russische General
Nikolai Nikolajewitsch Baratow
fuhrte unbeeindruckt von den deutschen Aktionen seine Truppen weiter in den Sudwesten des Iran und hatte am 15. Dezember 1915
Hamadan
eingenommen. Von Hamadan aus fuhrte eine Uberlandstraße direkt an die Grenze des osmanischen Reiches und weiter nach Bagdad. Dort hatte
Colmar von der Goltz
inzwischen sein
Hauptquartier
aufgeschlagen. Zusammen mit dem neuen deutschen Botschafter fur Iran und weitere 30 fur den Kampf im Iran bestimmte deutsche
Offizieren
unter der Leitung von Oberst Bopp reiste er am 1. Januar 1916 nach Kerm?nsch?h, um sich ein Bild von der militarischen Lage im Iran zu machen. In Kerm?nsch?h traf er mit Graf Kanitz, dem
Militarattache
der deutschen Botschaft, zusammen. Graf von Kanitz hatte in Zusammenarbeit mit
Oberst Pesyan
von den Gendarmen und lokalen iranischen Einheiten die Verteidigung des Westiran organisiert. Von Kanitz, Pesyan und die lokalen Stammesfursten hatten erwartet, dass von der Goltz mit Waffen und Geld die persischen Mannschaften verstarken wurde. Doch der war zunachst einmal mit leeren Handen gekommen. Er wollte sich erst einmal ein Bild von der militarischen Lage machen, bevor er Waffen und Munition bereitstellen wollte. Hinzu kam, dass die bereits 1912 von der iranischen Regierung in Deutschland gekauften und bezahlten Waffen (20.000 Gewehre und 6 Maschinengewehre) erst im Laufe des Januars und Februars 1916 eintrafen. Auf die von Militarattache von Kanitz zugesagten Waffen warteten die Iraner vergebens.
Mitte Januar ruckte die Georgische
Kavallerie
Legion unter
Kakuza Tscholoqaschwili
auf Kerm?nsch?h vor. Kanitz hatte versucht, die russische Offensive aufzuhalten, was ihm aber misslang. Die Kampfer der
Luren
, die er angeworben hatte, zogen sich zuruck. Nach den Kampfen blieb Kanitz in den Bergen um
Kangavar
verschollen.
Von der Goltz hatte inzwischen in Berlin interveniert. Von dort aus entsandte man eine deutsche Sondermission unter der Leitung von Oberst
Adolf Friedrich zu Mecklenburg
, die eine mit reichlich Maschinengewehren ausgestattete Mannschaft umfasste. Ferner hatte von der Goltz turkische Hilfstruppen in Marsch gesetzt, die die Passhohen in Kangavar zusammen mit den Gendarmen verteidigen sollten. Es half nichts, der russische Vormarsch war nicht zu stoppen. Am 22. Februar 1916 besetzten die russischen Truppen Kerm?nsch?h.
Krafte der Mittelmachte in Persien (Februar 1916)
[16]
|
Standort
|
Kommandeur
|
Starke
|
Schwere Waffen
|
Nehawend
|
Major
Erikson
(Schwede)
|
400 berittene Gendarmen
400 Gendarmen zu Fuß
2000 Stammeskrieger
|
6 Maschinengewehre
2 Gebirgsgeschutze
|
Bitezorg
|
Major Kaellstroem
(Schwede)
|
2 osmanische Kompanien
2 persische Kompanien (Miliz)
|
1 Maschinengewehr
4
Schneider-Geschutze
|
Sachna
|
Major Schefket Bey
(Osmane)
|
3 osmanische Kompanien
|
|
Jarsineh
(bei Sachna)
|
Major Raith
(Deutscher)
|
3 osmanische Kompanien
700 Sendschabi-Reiter
|
|
Songhur
|
Major Soneson
(Schwede)
|
4 osmanische Kompanien
260 Gendarmen zu Fuß
ca. 60 berittene Gendarmen
ca. 500 Stammesreiter
|
|
Kurweh
|
OffzStv
Schenker
(Deutscher)
|
1400 Stammesreiter
|
|
Sanandadsch
|
Major Mehemed Taghi Khan
(Perser)
|
1050 Stammesreiter
1050 unausgebildete Milizen
|
|
Im August 1915 waren britische Truppen in
Buschehr
und
Abadan
gelandet, um die Erdolforderung der
Anglo-Persian Oil Company
zu schutzen. Die persische Gendarmerie in Buschehr wurde von den britischen Truppen entwaffnet. In Burazjan kam es zu Kampfhandlungen zwischen den von Ahmad Khan Akhgar angefuhrten Gendarmen und den britischen Truppen.
[17]
Bereitgehaltene britisch-indische Truppen landeten am 6. November
bei Fao
im
Persischen Golf
eroffneten damit die
Mesopotamienfront
. Nach mehreren Zusammentreffen mit schwacheren osmanischen Truppen gelang ihnen bereits am 23. November die Einnahme von
Basra
.
[18]
Dem in den Suden gereisten
Wassmuss
gelang es, anders als Kanitz im Westen, die lokalen Stammesfursten auf die deutsche Seite zu ziehen und gegen die britischen Truppen in Stellung zu bringen. Kurt Wustrow, deutscher Konsul in Schiras, hatte am 10. November 1915 mit Hilfe der von Ali Qoli Khan Pesyan gefuhrten Gendarmen den britischen Konsul in Schiras O’Connor im Auftrag des ?Nationalkomitees zum Schutz der Unabhangigkeit Persiens (
Kom?ta-ye mell?-e ??fe??n-e esteql?l-e mam?lek-e ?r?n
)“ zusammen mit weiteren 10 britischen Staatsburgern verhaften lassen. Das Nationalkomitee ubernahm in Schiras die Verwaltung und blieb bis Marz 1916 im Amt. Die Geldbestande der unter britischen Leitung stehenden
Imperial Bank of Persia
wurden beschlagnahmt. Nach dem Erfolg in Schiras ubernahmen die Gendarmen auch die Kontrolle in Hamadan, Kerm?nsch?h, Sultanabad, Esfahan, Yazd und Kerman und zwangen Briten und Russen, die Stadte zu verlassen. In Hamadan hatte
Oberst Pesyan
die unter russischer Fuhrung stehenden persischen Kosaken entwaffnet und die Kontrolle der Stadt ubernommen.
[19]
Ab Marz 1916 begann
Percy Sykes
mit dem Aufbau der
South Persian Rifles
, um ein Gegengewicht gegen den zunehmenden deutschen Einfluss im Suden des Iran aufzubauen. Im Marz hatte der mit den Briten verbundene
Abdol Hossein Mirza Farmanfarma
sein Amt als Premierminister aufgegeben und den Gouverneursposten der Provinz Fars in Schiras, der Hauptstadt der Provinz, ubernommen.
In der Zwischenzeit war die am 26. September 1915 nach
Afghanistan
aufgebrochene
Niedermayer-Hentig-Expedition
in
Kabul
angekommen. Hentig gelang es zwar am 24. Januar 1916 ein Freundschaftsabkommen zu unterzeichnen, mit dem Afghanistan 100.000 Gewehre, 300 Geschutze und erhebliche Geldsummen in Aussicht gestellt wurden. Afghanistan blieb jedoch bei seiner Neutralitatspolitik und trat nicht auf die Seite der Mittelmachte in den Krieg ein.
Im Nordwesten hatte sich die Lage dagegen zunachst dramatisch zugespitzt. Die letzten Gendarmen unter Oberst Pesyan wurden vernichtend geschlagen und Tscholoqaschwili marschierte zunachst weiter in Richtung Bagdad, um den bei
Kut
von der osmanischen Armee eingeschlossenen britischen Truppen zu Hilfe zu eilen. Bevor die russischen Truppen in die Kampfe um Kut eingreifen konnten, gaben am 29. April 1916 die Briten jedoch auf, und 8.000 britische Soldaten wanderten in turkische Gefangenschaft. Generalfeldmarschall Freiherr Colmar von der Goltz hatte einen wichtigen militarischen Sieg errungen.
Nach dem Sieg bei Kut begannen die osmanischen Truppen eine Offensive nach Osten Richtung Iran. Am 3. Juni trafen sie im Iran auf russische Truppen, besiegten sie und nahmen am 2. Juli Kerm?nsch?h ein. Am 10. August erreichten sie Hamadan. Mitte August sammelte Colonel Pesayn die verbliebenen Gendarmen und kehrte ebenfalls nach Kerm?nsch?h zuruck. Neben britischen und russischen Truppen befanden sich jetzt turkische Truppen im Westen des Iran. In dem von den Turken kontrollierten Gebiet baute die zuvor in
Qasr-e Schirin
gebildete "provisorische Regierung" unter Nezam al Saltaneh eine eigene Verwaltung auf, zog Rekruten ein und erhob Steuern. Dies alles geschah in Abstimmung mit Ahmad Schah, dem Nezam al Saltaneh seine Ergebenheit zugesichert hatte.
Um im Verhaltnis mit Deutschland Klarheit zu schaffen, hatte Nezam mit Wahid al Mulk einen eigenen Vertreter nach Berlin entsandt. Wahid forderte den Einsatz deutscher Truppen, Waffen, finanzielle Unterstutzung fur die provisorische Regierung und eine Garantie der staatlichen und territorialen Integritat des Iran nach dem Ende des Krieges. Die deutschen Verhandlungspartner lehnten erst einmal ab und verwiesen auf die zwischen dem deutschen Botschafter Vassel und Nezam direkt gefuhrten Verhandlungen. Wahid blieb als "Vertreter der provisorischen Regierung Irans" in Berlin.
Die Reichsregierung entsandte im Juli 1916
Rudolf Nadolny
als Geschaftstrager der deutschen Botschaft in den Iran, der in Kerm?nsch?h eine Außenstelle der deutschen Botschaft errichtete. Zur Finanzierung der ?provisorische Regierung“ unter Fuhrung von Reza Qoli Khan Nezam al Saltaneh, die ihren Sitz wieder nach Kerm?nsch?h verlegt hatte, hatte Nadolny heimlich in Berlin gepragte persische Silbermunzen (1000 und 2000 Dinars mit leicht abweichendem Munzbild) und turkische Goldmunzen (Pfund) sowie 4 Millionen Reichsmark in 10-, 20- und 100-Mark-Scheinen, mit einem roten Aufdruck mit 2 1/2, 5 und 25 Toman versehen, nach Kerm?nsch?h mitgenommen. Es wurde unter Leitung von Herrn H. Krumpeter eine Bank eroffnet und die deutsche Mark als Zahlungsmittel im Iran in Umlauf gebracht.
[20]
Die politischen Vorgaben fur Nadolny waren eindeutig: ?Wir hatten kein Interesse daran, uns etwa Persien zu erobern. Uns kam es vor allem darauf an, die Verbindung mit Afghanistan zu unterhalten und zu erreichen, daß zwischen England und Rußland Persien als unabhangiger Staat erhalten blieb.“
[21]
Nezam al Saltaneh entwickelte den Plan, nach Teheran zu marschieren und Ahmad Schah aus den Handen der russischen und britischen Besatzer zu befreien. Der deutsche Major Loeben ubernahmen die Ausbildung der Truppen der Gendarmerie; turkische Offiziere bildeten Freiwillige aus. In einer feierlichen Zeremonie erhielt Nezam al Saltaneh von Mullahs aus
Nadschaf
das Heilige Schwert des Dschihad.
[22]
Die Wende fur die Truppen der Entente sollte im Suden Persiens beginnen. Feldmarschall Colmar von der Goltz war am 19. April 1916 in Bagdad an Typhus gestorben. Sein fruher Tod vereitelte weitere militarische Maßnahmen zu Gunsten des Iran. Am 17. Mai 1916 brach Qavam al Molk mit einer von
Percy Cox
finanzierten Privatarmee von
Bandar Abbas
zur Ruckeroberung von Schiras auf. In Teheran war mit Hilfe der Russen und Briten Oberst Nystrom als neuer schwedischer Oberbefehlshaber der Gendarmen installiert worden. Er ubertrug das Oberkommando der Gendarmen in Schiras an Fath al Molk, der durch Bestechung einige Truppenteile der Gendarmen zum Wechsel auf die Seite der Briten uberredete. Nach einem halbjahrigen Marsch traf Qavam al Molks Sohn am 11. November 1916 in Schiras ein. Der deutsche Konsul Rover, der schwedische Offizier Angerman und die verbliebenen iranischen Gendarmen wurden verhaftet. Ende 1916 erreichte dann Percy Sykes Schiras und gliederte die mit den Briten kooperierenden Gendarmen in die von den Briten neu formierten South Persian Rifles.
[23]
Anfang Januar 1917 begann der erneute britische Angriff auf Kut. Am 24. Februar wurde Kut von den turkischen Truppen geraumt. Am 26. Februar 1917 sandte General Gressman folgendes Telegramm an Nadolny, den Geschaftstrager der deutschen Botschaft in Kerm?nsch?h: ?Turkisches Korps mit deutschen Formationen raumt Persien. Schließt Euch Ruckzug an.“ Damit waren die Plane, mit deutschen, turkischen und iranischen Truppen nach Teheran zu marschieren, obsolet geworden.
[24]
Am 11. Marz 1917 fiel Bagdad in die Hande der Briten. Das Ende der turkischen Offensive im Iran war besiegelt. Die deutsche Militarmission, die provisorische Regierung des Iran und die persischen Gendarmen mit ihren deutschen und schwedischen Offizieren flohen aus dem Westen des Iran nach
Kirkuk
. Mit der Einstellung der Tatigkeit der provisorischen iranischen Regierung unter Nezam al Saltaneh wurde am 7. Mai 1917 auch die letzten deutschen Vertreter in Teheran abberufen. Die nur mit einem Sekretar besetzte Botschaft in Teheran wurde endgultig geschlossen. Von Juli 1917 bis Januar 1918 wurden die deutschen Interessen von der amerikanischen Botschaft wahrgenommen. Nadolny konnte noch die Frage der persischen Gendarmerie in der Turkei regeln.
[25]
Oberst Pesyan, der die Gendarmerie befehligt hatte, ging nach Berlin ins Exil.
Im Januar 1917 wurde Großfurst
Dmitri Pawlowitsch Romanow
zu den russischen Truppen in den Iran versetzt, um eine neue Offensive zu organisieren. Als am 15. Marz 1917 der russische Zar abgedankt hatte, machte man sich im Iran Hoffnungen auf ein Ende der Kampfe. Der erwartete Ruckzug der russischen Truppen erfullte sich aber zunachst nicht. Die Regierung
Kerenski
setzte die Politik des Zaren fort und entsandte weitere Verstarkungen in den Iran. Der Großfurst wurde abgesetzt und durch General
Nikolai Nikolajewitsch Judenitsch
ersetzt, der dann aber nach der Oktoberrevolution von der neuen, kommunistischen Regierung umgehend entlassen wurde. Der Abzug der russischen Truppen schien nun in greifbare Nahe geruckt.
Am 16. Dezember 1917 wurden mit dem Waffenstillstand von
Erzincan
die Kampfhandlungen zwischen dem Osmanischen Reich und der neu gegrundeten Russischen Republik eingestellt. An den Waffenstillstandsverhandlungen waren neben der deutschen Reichsregierung auch das ?Transkaukasisches Komitee“ beteiligt, das im Jahre 1918 die
Transkaukasische Demokratisch Foderative Republik
grunden sollte.
Bereits im November 1917 hatte die neue Regierung unter
Lenin
?in einem Aufruf an die werktatigen Moslems Russlands und des Nahen Ostens“ den britisch-russischen Vertrag uber die Teilung Persiens fur ungultig erklart ?und den Abzug russischer Truppen aus dem Iran offiziell zugesichert“.
[26]
Der als Vertreter der provisorischen iranischen Regierung in Berlin gebliebene Wahid al-Mulk war 1917 zum Kongress der Sozialisten nach Kopenhagen gereist und hatte erklart:
?Wir haben keine ubertriebenen Forderungen, die wir den Großmachten unterbreiten wollen. Die Zusammenfassung unserer Wunschliste ist nur ein von auslandischen Truppen gesaubertes Persien und die Befreiung des Landes von der britischen und russischen Vormundschaft. Wir verlangen somit, dass die britisch-russische Konvention von 1907 in ihren Bestimmungen uber Persien annulliert wird. Die einzig vollkommen zufriedenstellende Losung der persischen Frage ware, dass Persien in Mittelasien die Rolle ubernehmen wurde, die die Schweiz in Mitteleuropa spielt.“
[27]
Doch die Großmachte dachten anders.
Enver Pascha
sah sich bei dem Waffenstillstand von Erzincan von der deutschen Regierung ausmanovriert. Er stellte eine neue Armee, die
9. Armee
, auf und marschierte nach
Baku
.
Georgien
hatte Verhandlungen mit der Reichsregierung aufgenommen und um Schutz vor den osmanischen Truppen gebeten. Die Deutschen entsandten im Zuge der
Deutschen Kaukasusexpedition
3.000 Soldaten nach Georgien und garantierten ein unabhangiges Georgien. Deutschland hatte in dem Waffenstillstandsvertrag von Erzincan zudem durchgesetzt, dass die turkischen und russischen Truppen Iran verlassen mussten. Auch im am 3. Marz 1918 geschlossenen
Friedensvertrag von Brest-Litowsk
wurde die Respektierung der politischen und wirtschaftlichen Unabhangigkeit und die territoriale Integritat des Iran auf Verlangen der Reichsregierung in den Vertrag aufgenommen. Im Januar 1918 bemuhte sich die regulare iranische Regierung in Teheran den Wiederaufbau der Gendarmerie mit der Hilfe schwedischer Offiziere voranzubringen. Schweden lehnte jedoch ab. Trotz aller Schwierigkeiten sah man sich in Teheran einem Abzug der auslandischen Truppen aus dem Iran nahe, schließlich hatte der Iran zu Beginn des Krieges seine Neutralitat erklart und hatte letztlich weder fur die Mittelmachte noch fur die Entente offiziell Partei ergriffen.
Die Briten dachten jedoch nicht daran, ihre Truppen aus dem Iran abzuziehen.
Lord Curzon
erklarte vor dem Oberhaus: ?Die britische Regierung betrachte das Abkommen von 1907 als vorlaufig aufgehoben und ist bereit, die ganze persische Frage zu einem spateren Zeitpunkt von neuem in Erwagung zu ziehen“. Der Fortbestand und Verbleib der South Persian Rifles im Iran wurde damit begrundet, dass die ?Autoritat der persischen Regierung“ gefahrdet sei.
[28]
Fur die Regierung in Teheran vollig unerwartet wurden weitere britische Truppen in den Iran in Marsch gesetzt. Generalmajor Dunsterville war im Januar 1918 mit einer motorisierten Einheit von Bagdad aus gestartet, besetzte im Juni Qazvin und marschierte weiter nach Anzali. Von dort aus setzt er nach Baku uber und sicherte so die Olquellen vor einem Zugriff deutscher oder turkischer Truppen. Gleichzeitig mit Dunsterville wurde unter Generalmajor Malleson ein Expeditionskorps nach
Maschhad
und weiter nach
Turkmenistan
entsandt, um einen Verteidigungsring gegen die sich formierenden bolschewistischen Truppen zu bilden.
In Berlin war man daraufhin wieder aktiv geworden. Von deutscher Seite aus hatte General
Erich Ludendorff
Plane entwickelt, ?gemeinsam mit dem Osmanischen Reich und den transkaukasischen Volkern den Aufbau einer Basis am Kaspischen Meer voranzutreiben, um von dort im Zusammenwirken mit Afghanistan die britische Herrschaft in Indien zu treffen.“
[29]
Unter Verletzung des Friedensvertrages von Brest-Litowsk besetzten osmanische Truppen am 27. Juni 1918 erneut Tabris. Im russischen Teil Aserbaidschans hatte sich am 28. Mai 1918 die
Demokratische Republik Aserbaidschan
gegrundet. Der Krieg im Iran schien sich fortzusetzen. Mit dem Zusammenbruch der Mittelmachte und dem Ende des Ersten Weltkriegs am 11. November 1918 sollten die Kampfhandlungen im Iran zunachst ein Ende finden.
Die Besetzung von Tabris durch turkische Truppen zwingt die Briten, ihre Truppen aus Baku zuruckzuziehen, um nicht abgeschnitten zu werden. Mit dem Ruckzug der Briten in den Nordiran rucken Einheiten der neu formierten sowjetischen
Roten Armee
in Baku und spater im Nordiran ein. Im September 1918 beginnen die Briten eine entscheidende Offensive gegen die turkischen Truppen und das deutsche
Asienkorps
in Palastina. Die Niederlage der turkischen Truppen fuhrt auch zum Ruckzug der turkischen Truppen aus dem Westen des Iran.
Der Zusammenbruch des zaristischen Russlands und der Verzicht der neuen Sowjetmachthaber auf die Weiterverfolgung imperialistischer Ziele bewahrte den Iran vor dem Verlust der territorialen Integritat, wie sie in dem
Abkommen von Konstantinopel
vorgesehen war. Nach dem Zusammenbruch der Mittelmachte brachen aber auch im Iran alle Hoffnungen zusammen, das drohende britische Protektorat abzuwenden.
Die zu den Friedensverhandlungen nach Versailles entsandte iranische Delegation, die eine relativ bescheidene Entschadigung fur die erlittenen Kriegsschaden forderte, wurde auf britische Intervention gar nicht erst zu den Friedensverhandlungen zugelassen. Die iranischen Delegation forderte als Kompensation fur die erlittene Kriegsschaden 1 Mio. Toman von Russland, 500.000 Toman von der Turkei und 20.000 Toman (ca. 7.000 britische Pfund) von Deutschland. Die Briten erklarten, sie wurden die iranischen Interessen auf der Friedenskonferenz vertreten, was allerdings nicht geschah. Lord Curzon weigerte sich sogar, die iranische Delegation in London zu empfangen.
Unverrichteter Dinge kehrte die Delegation nach Teheran zuruck. Die Verhandlungen wurden In Teheran bilateral zwischen der iranischen Regierung und dem britischen Botschafter in Teheran gefuhrt. Am 9. August 1919 wurden zwischen den Vertretern der iranischen und der britischen Regierung der
Anglo-Iranische Vertrag
geschlossen, mit dem aus britischer Sicht der Iran in die vollstandige wirtschaftliche und politische Abhangigkeit von Großbritannien gebracht werden sollte.
Die Hauptleidtragenden der kriegerischen Auseinandersetzungen waren ohne Zweifel die Einwohner des Westiran. Mehr als 100.000 Menschen verhungerten. Die Bevolkerung in Hamadan und Kerm?nsch?h lebte uberwiegend in Hohlen. Die Teppichproduktion, eine der Haupteinnahmequellen, war im Westen des Iran vollig zum Erliegen gekommen. Mehr als 10.000 Dorfer hatten keine Einwohner mehr.
[30]
Wirtschaftlich stand Iran vor dem Zusammenbruch. Politisch hatte es den Rest an Souveranitat an die Briten verloren. Sie kontrollierten die Grenzen in den Irak, nach Russland und nach Afghanistan. Die Telefon- und Telegrafenleitungen wurden von britischen Kraften uberwacht. Eine schwarze Liste von Turken, Deutschen und anderen unerwunschten Auslandern wurde von den Briten erstellt. Alle auf dieser Liste genannten Personen mussten den Iran umgehend verlassen oder wurden verhaftet.
[31]
Ahmad Schah hatte mit dem britischen Botschafter ab August 1918 ein monatliches Gehalt von 15.000 Toman oder 5.000 britischen Pfund ausgehandelt. Die iranische Regierung erhielt monatliche Zuwendungen von 350.000 Toman. Weitere Geldzuwendungen gingen an Geistliche und Kaufleute. Der Iran wurde faktisch zum britischen Protektorat.
[32]
Weder die iranischen Politiker in Teheran noch die Politiker in den persischen Provinzen wollten sich mit den britischen Protektoratsplanen abfinden. Das iranische Parlament verweigerte seine Zustimmung zu dem Abkommen von 1919. Im Norden des Iran rief
Mirza Kutschak Khan
1920 die
Iranische Sowjetrepublik
aus. Am 7. April 1920 war die
Rote Armee
in den Iran einmarschiert und hatte weite Teile Nordiran besetzt. Die Auseinandersetzung zwischen im Iran stationierten britischen Truppen und russischen Sowjettruppen drohten sich zu einem neuen Krieg auf iranischem Boden auszuweiten. General
Edmund Ironside
ubernahm im Oktober 1920 das Kommando uber die britischen Truppen im Iran (
North Persian Forces, Norperforce
). Die persischen Kosaken, die immer noch unter der Fuhrung russischer Offiziere kampften, hatten im Norden des Iran gegen die Rote Armee wenig ausrichten konnen. Es bestand die Gefahr, dass die bolschewistischen Truppen auf Teheran marschieren und die Regierung ubernehmen konnten. Fur Ironside war klar, dass die russischen Offiziere durch britische Offiziere ersetzt werden mussten, dann mit den South Persian Rifles zusammengefuhrt und als neue starke persische Einheit unter Fuhrung britischer Offiziere der Roten Armee im Iran entgegenstellt werden sollten.
In einem ersten Schritt wurden die persischen Kosaken aus dem Norden des Iran hinter die britischen Linien zuruckgezogen und die russischen Offiziere mit einer finanziellen Entschadigung entlassen. Die meisten von ihnen gingen nach
Wladiwostok
zur
Weißen Armee
, um gegen die Rote Armee auf russischem Boden weiterzukampfen.
[33]
Nach der Ablosung der russischen Offiziere erteilte Ahamd Schah Sardar Homayoun das Oberkommando uber die persischen Kosaken. Homayoun war vollig uberfordert, worauf Ironside auf die Suche nach einem geeigneten Kandidaten fur einen Stellvertreter Homayouns ging. Oberst Smyth, der auf britischer Seite fur die Finanzierung der Kosakenbrigade zustandig war, machte ihn mit Reza Khan bekannt. Von den soldatischen Qualitaten Reza Khans beeindruckt entschied Ironside, dass Reza Khan die persische Kosakenbrigade "zumindest zeitweise" anfuhren sollte.
[34]
Mit dem
Putsch
von
Seyyed Zia al Din Tabatabai
und Reza Khan am 21. Februar 1921 anderte sich die weitere Entwicklung des Iran grundlegend. Reza Khan, der spatere
Reza Schah Pahlavi
, verfolgte eine streng nationalistische Politik und versuchte den Iran aus der britischen und der russischen Abhangigkeit zu befreien. Er bekampfte als Oberkommandierender der persischen Kosaken zunachst die separatistischen Bewegungen im Norden, Westen und Suden des Iran und starkte so die Zentralregierung in Teheran. Reza Khan gelang es auch, die russischen und britischen Truppen zum Abzug zu bewegen. Die South Persian Rifles wurden aufgelost. Ihre Mannschaften in die neue iranische Armee, die nicht von britischen, sondern von iranischen Offizieren befehligt wurde, integriert.
Zum ersten Mal in der neueren
Geschichte des Iran
war es gelungen, alle auslandischen Truppen zum Verlassen des Iran zu bewegen. Konsequent baute
Reza Schah
bis zu seiner mit der
anglo-sowjetischen Invasion des Iran
1941 erzwungenen Abdankung einen zentral regierten Nationalstaat auf, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von seinem Sohn
Mohammad Reza Schah
bis zu dessen Sturz im Jahre 1979 weiterentwickelt wurde. Der Wunsch Reza Khans, dass nie mehr fremde Machte das Schicksal des Iran bestimmen sollten, sollte unerfullt bleiben.
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