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Unter der
ersten Republik
versteht man in der
Geschichte Portugals
den Zeitraum von 1910 (Abschaffung der
portugiesischen
Monarchie
) bis 1926 (Militarputsch des Generals
Gomes da Costa
) und der Errichtung des
Estado Novo
.
1861 war mit Konig
Peter V.
der letzte im Volk wirklich beliebte
Konig
jung und unerwartet an einer Fieberepidemie gestorben. Seinen beiden Nachfolgern
Ludwig I.
und
Karl I.
gelang es nicht, die Sympathien ihrer Untertanen fur sich zu gewinnen.
1873 wurde im benachbarten Spanien nach der Abdankung von
Amadeus von Savoyen
die Republik ausgerufen. Diese Entwicklungen hatten auch ihre Auswirkungen auf Portugal, die Anhanger der Republik fuhlten sich gestarkt und grundeten 1876 die erste
Republikanische Partei
. Die konservative Regierung von
Antonio Maria de Fontes Pereira de Melo
von der
Regenerationspartei
nahm das neue politische Phanomen zu Anfang nicht richtig ernst, ja unterstutzte z. T. sogar die Kandidaturen republikanischer Kandidaten, da sie hoffte, so ihre Hauptgegner von der
Progressiven Partei
zu schwachen.
Eine Reihe von Krisen (so z. B. eine außenpolitische Krise mit England wegen sich widersprechender Kolonialanspruche im sudlichen Afrika, die deutlich die Schwache des portugiesischen Staates demonstrierte) und wirtschaftliche Probleme (
Staatsbankrott
1891) fuhrten zu einem Anwachsen
republikanischer
Stromungen, die innerhalb kurzer Zeit zum Massenphanomen wurden. 1881 erschien die Zeitung
O Seculo
(?das Jahrhundert“) zum ersten Mal, die Republikaner verfugten damit auch uber ein publizistisches Sprachrohr.
Die Reaktion der Regierung und der Monarchen schwankte zwischen hilflosem Entgegenkommen und autoritarer Harte. 1888 wurde mit
Teofilo Braga
, dem spateren ersten Prasidenten, zum ersten Mal ein republikanischer Abgeordneter in die
Cortes
, das portugiesische Parlament gewahlt. Auch wenn das Wahlsystem die Republikaner stark benachteiligte, u. a. da das Wahlrecht an einen gewissen Mindestbesitz gebunden und deshalb uberhaupt nur ein sehr kleiner Teil der Bevolkerung wahlberechtigt war, gelang es den Republikanern seitdem standig, durch einige Abgeordnete im Parlament vertreten zu sein.
Die innenpolitische Krise spitzte sich zu, als die Regierung von
Joao Franco
(1906?1908) nach einer anfanglich konzilianten Haltung gegenuber den Republikanern zunehmend autoritarer wurde und sie durch
Pressezensur
und Verhaftungen zu verfolgen begann. Die Krise erreichte ihren Hohepunkt, als am 1. Februar 1908 Konig Karl und sein Thronfolger
Ludwig Philipp
in
Lissabon
einem Attentat zum Opfer fielen. Der neue Konig
Emanuel II.
versuchte es wieder mit einer liberaleren Politik, viele der antirepublikanischen Maßnahmen des Joao Franco wurden zuruckgenommen. Es war jedoch zu spat.
Neben ihrer eigenen Starke half den Republikanern auch die Schwache der
Monarchisten
. Diese waren untereinander heillos zerstritten, was den Republikanern naturlich in die Hande spielte. Zu den traditionellen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden großen Parteien der Monarchie, der Regenerationspartei und der Progressiven Partei, kamen noch Streitigkeiten innerhalb der politischen Lager. Beide Parteien teilten sich in der Endphase der
Monarchie
in verschiedene sich feindlich gegenuberstehende Stromungen, ein Teil der Mitglieder der Progressiven Partei wanderte sogar in das Lager der Republikaner ab.
1909 setzten sich auf dem Parteikongress der Republikanischen Partei die radikalen Krafte durch, die bewaffnete Revolution war nun das offizielle Ziel der Partei. Am 3. Oktober 1910 wurde
Miguel Bombarda
, ein Psychiater und Vordenker der republikanischen Bewegung, von einem psychisch kranken ehemaligen Patienten ermordet. Auch wenn die Tat anscheinend keinen politischen Hintergrund hatte, fuhrte sie zu Aufstanden in
Lissabon
und anderen großen Stadten des Landes.
Am 5. Oktober 1910 wurde um 9 Uhr morgens vom Balkon des Lissaboner Rathauses die Republik ausgerufen
[1]
; spater am selben Tag wurde eine provisorische Regierung unter Fuhrung des Republikaners
Teofilo Braga
gebildet.
Braga war uberzeugter Republikaner und bereits ein bedeutender Schriftsteller, Intellektueller und Literaturwissenschaftler. Mit seiner Berufung an die Spitze der provisorischen Regierung hatte man gehofft, eine uberparteiliche Regierung bilden zu konnen.
Die neue Regierung war strikt
antiklerikal
, samtliche
Jesuitenkloster
wurden aufgelost, die Gefangnisse in Lissabon fullten sich mit katholischen Priestern und Ordensbrudern. Konig
Manuel II.
verließ das Land und erreichte am 17. Oktober 1910 sein Exil in
England
. Der Religionsunterricht wurde verboten, ebenso alle religiosen Bezuge bei Staatsakten, die Adelstitel wurden aufgehoben. Der
apostolische Nuntius
verließ unter Protest Lissabon. Das Tragen religioser
Ordenskleidung
in der Offentlichkeit wurde verboten, die
Zivilehe
und die
Ehescheidung
wurden eingefuhrt.
Nach
Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung 1911
, bei denen das Wahlrecht zum ersten Mal auf alle erwachsenen mannlichen Portugiesen ausgedehnt wurde und die die Republikanische Partei mit großer Mehrheit gewann, wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Die Monarchie wurde nun auch offiziell beendet, ein Zweikammerparlament wurde gegrundet. Die Verfassung sah keine direkte Wahl des Prasidenten durch das Volk vor, der Prasident sollte vielmehr vom Parlament gewahlt werden. Er hatte auch nicht die Befugnis, das Parlament aufzulosen. Mit der Verabschiedung der Verfassung endete die provisorische Regierung Teofilo Bragas,
Manuel de Arriaga
wurde erster verfassungsmaßiger Prasident der Republik.
Unter Manuel de Arriagas Prasidentschaft wurde
Joao Chagas
erster Ministerprasident. Seine Regierung hielt allerdings nur drei Monate, bereits im Dezember 1911 ubernahm die zweite republikanische Regierung unter
Augusto de Vasconcelos
die Macht. Ebenfalls bereits 1911 erlebte das Land den ersten monarchistischen Aufstand, der allerdings niedergeschlagen werden konnte. In Porto und Lissabon wurden Universitaten gegrundet, das jahrhundertealte Monopol der Universitat von
Coimbra
war damit gebrochen.
Mit dem ?Gesetz der Trennung“
(lei da separacao)
wurde die
Trennung von Staat und Kirche
festgeschrieben. Das Gesetz versuchte allerdings auch, die
katholische Kirche
der Aufsicht des Staates zu unterstellen und fuhrte so automatisch in den Gegensatz mit dem
Vatikan
. In einer eigenen
Enzyklika
?Iamdudum in Portugal“ (24. Mai 1911) verdammte der Vatikan das neue Gesetz. Spater wurden auch die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen. Die Kirchenfrage sollte die ganze Politik der fruhen Republik bestimmen.
Streiks wurden legalisiert, eine Streikwelle erschutterte das Land und entfremdete so das Burgertum der neuen Republik.
Afonso Costa
, der den radikalen Flugel der Republikanischen Partei anfuhrte, gelang es, sich auf dem Parteitag vom Oktober 1911 durchzusetzen. Die Republikanische Partei benannte sich in
Demokratische Partei (PD)
um und wurde fortan von Costa gefuhrt. Besonders der harte Antiklerikalismus Costas rief auch innerhalb der Partei viel Kritik hervor. Im Februar 1912 verließ
Antonio Jose de Almeida
, der mit der neuen Richtung der Partei nicht einverstanden war, zusammen mit einigen gemaßigten Anhangern die Demokratische Partei und grundete die
Evolutionisten (PRE)
. Zwei Tage spater verließ auch
Brito Camacho
die Demokraten und grundete die
Unionistische Partei
. Damit hatte sich die alte Republikanische Partei in drei Stromungen gespalten. Die Demokraten standen fur den linken, radikalen Teil des Parteienspektrums, die Unionisten markierten das Zentrum, die Evolutionisten die gemaßigten Konservativen.
Wahlbetrug
war an der Tagesordnung. Da das Parlament nicht aufgelost werden konnte, wechselten sich instabile Regierungen in rascher Folge ab. Zwischen 1910 und 1926 hatte die Republik
45
Regierungen.
Am 8. Juli 1912 kam es mit einem Angriff auf
Chaves
zum zweiten monarchistischen Aufstand, angefuhrt von Hauptmann
Henrique Mitchell de Paiva Couceiro
. Die beiden verfeindeten Linien des Konigshauses, die Anhanger des
Hauses Braganza
(Legitimisten), die einem Abkommling des nach dem
Miguelistenkrieg
ins Exil gezwungenen Konigs
Michael
die Treue hielten, und die Anhanger des Hauses
Sachsen-Coburg und Gotha
(Konstitutionalisten), die den abgesetzten Konig Emanuel II. unterstutzten, verbundeten sich im englischen Exil gegen die Republik (Vertrag von Dover). Der Aufstand wurde niedergeschlagen, die Anfuhrer zu mehrjahrigen Gefangnisstrafen verurteilt. 1913 kam die Demokratische Partei unter Afonso Costa an die Macht, die auch die Wahlen gegen Ende des Jahres gewann. In Lissabon verubten Monarchisten eine Reihe von Bombenattentaten. Im Juni 1913 erschutterte eine Streikwelle das Land, die Zentralen einer Reihe von Gewerkschaften wurden durch die Regierung geschlossen. Im Dezember 1914 ubernahm
Azevedo Coutinho
, ebenfalls von der Demokratischen Partei, nach seinem Wahlsieg den Posten des Ministerprasidenten.
Das Klima zwischen den politischen Parteien war zu diesem Zeitpunkt bereits vergiftet. Zusatzlich geschwacht wurde die Regierung noch durch die sehr kontrovers gefuhrte Diskussion, ob Portugal auf Seiten der
Entente
in den
Ersten Weltkrieg
eintreten sollte.
Am 25. Januar 1915 kam es zu einem
Militarputsch
konservativer Armeekreise gegen die Regierung Azevedo Coutinho und die hinter ihr stehende Demokratische Partei des Afonso Costa. Ausloser waren die Verhandlungen, die die Regierung mit den Entente-Machten uber einen Eintritt Portugals in den Ersten Weltkrieg fuhrte, und die antiklerikale Politik der Regierung.
[2]
Die Putschisten losten das Parlament auf.
Am 28. Januar ernannte Prasident de Arriaga den Fuhrer der Putschisten, General
Joaquim Pimenta de Castro
zum neuen Ministerprasidenten. Die von ihm gebildete, vornehmlich aus Militars bestehende Regierung (Diktatur der Schwerter ?
Ditadura das Espadas
) regierte ohne Parlament durch vom Prasidenten gegengezeichnete Dekrete. Sie beendete die Verhandlungen mit der Entente und die kirchenfeindliche Politik der Vorgangerregierung.
Pimenta de Castro wurde am 14. Mai 1915 durch einen erneuten Putsch gesturzt. Trager dieses Putsches waren Offiziere, die den Demokraten und Afonso da Costa nahestanden. Eine
Militarjunta
ubernahm kurzzeitig die Macht, dann wurde
Jose Ribeiro de Castro
, ein weiterer Militar, der den Demokraten nahestand, neuer Ministerprasident. Durch den Sturz der Militarregierung wurde auch Prasident de Arriaga mitgerissen; er musste am 26. Mai zurucktreten, Teofilo Braga wurde erneut Ubergangsprasident, bis eine neue Prasidentenwahl abgehalten werden konnte. Diese fand am 5. Oktober 1915 statt; zum neuen Prasidenten wurde
Bernardino Machado
gewahlt.
Nach dem Sieg der Demokratischen Partei bei den Wahlen des Juni 1915 wurde Afonso Costa Ende November erneut Ministerprasident. Er befahl im Februar 1916, alle deutschen Handelsschiffe in portugiesischen Gewassern zu
beschlagnahmen
, daraufhin erklarte das
Deutsche Reich
dem Land am 9. Marz 1916 den Krieg, am 15. Marz folgte
Osterreich-Ungarn
. Portugal trat damit offiziell in den Ersten Weltkrieg ein. Durch den Krieg gezwungen, bildete sich eine Koalitionsregierung, die sog. ?Regierung der geheiligten Einheit“ (
governo da sagrada uniao
, nach dem franzosischen Vorbild der
Union sacree
), in der alle Flugel der ehemaligen Republikanischen Partei vertreten waren. Ministerprasident wurde der Evolutionist Jose de Almeida, Finanzminister Afonso Costa. Zwar weigerte sich Brito Camacho in die Regierung einzutreten, seine Unionisten spalteten sich aber, und ein Teil, gefuhrt von Egas Moniz, unterstutzte die neue Regierung.
Das von General
Fernando Tamagnini
gefuhrte Korps traf im Februar 1917 in der bretonischen Hafenstadt Brest ein, wurde in
Aire-sur-la-Lys
im
Departement Pas-de-Calais
stationiert und dem 11. Korps der 1. britischen Armee unter Oberbefehlshaber General
Henry Horne
angegliedert. Im Oktober 1917 bestand das
portugiesische Korps
aus etwa 56.500 Soldaten. Bis Ende des Krieges
fielen
etwa 2.100 von ihnen, 5.200 wurden verletzt und 7.000 gerieten in
Kriegsgefangenschaft
.
[3]
[4]
Demonstrationen der Bauern gegen die Regierung fuhrten im Mai 1917 zu zwei Toten in Porto, am 12. Juni 1917 wurde der
Ausnahmezustand
ausgerufen. In diese Zeit fielen auch die
Marienerscheinungen
von
Fatima
und die Grundung der republikanisch zentristischen Partei.
Die Soldaten an der Westfront machten mit einem
Pamphlet
, ?der Rolle der Unehre“
(Rol de deshonra)
auf sich aufmerksam, in dem den demokratischen Politikern Versagen vorgeworfen wurde.
Am 5. Dezember 1917 kam es schließlich zu einer Militarrevolte in Lissabon. Hauptmann
Sidonio Pais
sturzte die Regierung und ubernahm mit einer Militarjunta die Macht. Afonso Costa wurde auf der Flucht verhaftet, das Parlament aufgelost, Prasident Machado musste ins
franzosische
Exil gehen.
Pais rief die ?Neue Republik“ aus, einen autoritaren Staat mit starkem, vom Volk direkt gewahltem Prasidenten. Pais war ein charismatischer und populistischer Politiker, seine Neue Republik hatte starke Zuge eines Standestaates und nahm somit gewissermaßen bereits den
Estado Novo
und die
Salazar
-Jahre vorweg.
Am 28. April 1918 ließ Pais ein
Referendum
durchfuhren, durch das er zum Prasidenten gewahlt wurde. Damit war er der erste Prasident des Landes, der direkt vom Volk gewahlt wurde. Gleichzeitig wurden Parlamentswahlen durchgefuhrt. Die von Pais gegrundete Partei, die
Nationalrepublikanische Partei
, gewann eine uberwaltigende Mehrheit. Die Monarchisten wurden zur zweitstarksten Kraft. Die drei republikanischen Parteien (Demokraten, Evolutionalisten und Unionisten) boykottierten allerdings die Wahl. Pais versuchte vorsichtig, die antiklerikale Politik der bisherigen Regierungen zu korrigieren, diplomatische Beziehungen zum Vatikan wurden wiederhergestellt. Allerdings konnte auch Pais seine Politik nicht gegen die Widerstande der Evolutionisten und Monarchisten durchsetzen. Im Oktober kam es in mehreren Stadten zu
Generalstreiks
und Unruhen. Im Norden des Landes ubernahm eine monarchistisch eingestellte Militarjunta unter Hauptmann
Paiva Couceiro
die Macht. Pais eilte nach
Braga
, um dort Verhandlungen mit den Monarchisten zu fuhren und so einen Burgerkrieg zu verhindern. Als er nach Lissabon zuruckkehrte, wurde er am 14. Dezember 1918 auf dem
Bahnhof Rossio
von einem Gewerkschaftsfunktionar und ehemaligen Frontkampfer erschossen. Mit dem gewaltsamen Tode Pais’ brach die ?Neue Republik“ schnell zusammen.
Nach der Ermordung von Sidonio Pais trat das Parlament zusammen und wahlte einen neuen Prasidenten. Da Pais keine Zeit gehabt hatte, seinem Land eine neue Verfassung zu geben, fand die Prasidentenwahl wieder nach der alten Verfassung des Jahres 1911 durch das Parlament statt. Nachfolger von Pais wurde Admiral
Joao do Canto e Castro
, ein Militar, der bereits wahrend der Monarchie den Posten eines Gouverneurs von
Mosambik
bekleidet hatte. Do Canto e Castro war offener Anhanger der Monarchisten, trotzdem wurde er von der nordlichen Militarjunta nicht als Staatsoberhaupt anerkannt. Deren Fuhrer, Paiva Couceiro, proklamierte am 19. Januar 1919 in Porto die sogenannte
Monarchie des Nordens
. Gleichzeitig wurde die Monarchie auch in Lissabon ausgerufen, im Gegensatz zu der Bewegung in Porto konnte der Aufstand der Monarchisten dort aber von der Regierung schnell unterdruckt werden. In Porto konnten sich die Monarchisten dagegen bis Ende Februar 1919 halten. Es kam zu von den Gewerkschaften gesteuerten Aufstanden und Generalstreiks. Prasident do Canto e Castro erklarte wegen dieser Unruhen seinen Rucktritt (Juni 1919), konnte aber vom Parlament zunachst uberzeugt werden, im Amt zu bleiben.
Die Unterzeichnung des
Versailler Vertrages
(28. Juni 1919) wurde fur Portugal zu einer großen Enttauschung. Obwohl das Land auf Seiten der Siegermachte mitgekampft hatte, konnte es aus dem Frieden keine Vorteile ziehen, insbesondere nicht seine afrikanischen Besitzungen auf Kosten der ehemaligen deutschen Kolonien vergroßern (mit Ausnahme des kleinen
Kionga-Dreiecks
, das Portugiesisch-Ostafrika angegliedert wurde). Das benachbarte Spanien, das im Krieg neutral geblieben war, konnte dagegen aus dem Friedensvertrag einige Vorteile verbuchen. Dies fuhrte zu Verbitterung und weiteren Protesten, auch gegen die Demokratische Partei, da deren Fuhrer Afonso Costa der Leiter der portugiesischen Delegation bei den Versailler Verhandlungen war.
Im September wurde ein neuer Gewerkschaftsverband, die Allgemeine Gewerkschaftsfoderation
(CGT ? Confederacao Geral do Trabalho)
gegrundet, mit zum Teil anarchischen Tendenzen, die bald große Macht im Staat erobern konnte. Die
Kommunistische Partei
grundete sich
(PCP ? Partido Comunista Portugues)
und gab ihre eigene Zeitung, die ?Rote Fahne“
(A Bandeira Vermelha)
heraus. Evolutionisten und Unionisten vereinigten sich zur Republikanischen Liberalen Partei.
Im Oktober 1919 trat do Canto e Castro dann schließlich doch zuruck,
Antonio Jose de Almeida
, der wahrend des Ersten Weltkrieges die ?Regierung der geheiligten Einheit“ gefuhrt hatte, wurde zu seinem Nachfolger gewahlt. Er sollte der einzige Prasident der ersten Republik sein, dem es gelang, eine volle Amtsperiode zu beenden.
Die sogenannten Integristen, also die Anhanger der Monarchie, versuchten vergeblich, sich als Partei zu konstituieren. Ein Teil der Integristen wandte sich enttauscht von dem im Exil weilenden Konig Emanuel II. ab, da dieser ihrer Meinung nach die monarchistische Junta in Porto nicht genugend unterstutzt hatte. So kam es zu einer Spaltung innerhalb der integristischen Bewegung und dadurch zu einer Schwachung der Monarchisten.
Die Republik versank derweilen im politischen Chaos. Wahrend der vier Jahre der Prasidentschaft de Almeida sah das Land 17 verschiedene Regierungen mit 14 verschiedenen Ministerprasidenten, darunter 1921 auch kurzzeitig Exprasident Machado, der nach der Ermordung des Sidonio Pais aus dem Exil zuruckgekehrt war (2. bis 21. Marz). Ein Aufstand der Republikanischen Nationalgarde beendete die kurze Regierung Machado.
Am 19. Oktober 1921 erreichte die Unruhe neue Ausmaße, als Truppen der Republikanischen Nationalgarde und Marineeinheiten sich in Lissabon zusammenrotteten, um die Regierung des Ministerprasidenten
Antonio Granjo
zu sturzen. Anlass waren Plane Granjos, einen seiner Vorganger, den Hauptmann Liberato Pinto, der die Unterstutzung der Nationalgarde genoss, wegen Korruption gerichtlich zu verfolgen. Der Aufstand fuhrte zu einer Welle von Unruhe und Gewalt in der Hauptstadt, bewaffnete Banden brachen in die Hauser vieler fuhrender Politiker ein. Ministerprasident Granjo wurde ermordet. Diese Ereignisse gingen als ?
Lissabonner Blutnacht
“
(A Noite Sangrenta)
in die portugiesische Geschichte ein.
1923 endete die Amtszeit des Prasidenten de Almeida,
Manuel Teixeira Gomes
wurde zu seinem Nachfolger gewahlt.
Die Prasidentschaftswahlen von 1923 zeigten ein uneiniges Parlament, Teixeira Gomes wurde erst im dritten Wahlgang gewahlt, sein wichtigster Gegenkandidat war Exprasident Machado.
Auch die zwei Jahre der Prasidentschaft Teixeira Gomes waren von Instabilitat gekennzeichnet. Sieben Regierungen wechselten sich wahrend seiner Prasidentschaft ab. Besonders seit dem Fall der Regierung
Alfredo Rodrigues Gaspar
am 22. November 1924 befand sich die erste Republik in einer Dauerkrise, aus der sie sich bis zu ihrem Ende nicht mehr befreien sollte. Im April 1925 versuchten Teile der Armee unter Sinel de Cordes zu putschen, der Putschversuch konnte aber noch einmal von Seiten der Regierung bekampft werden.
Prasident Teixeira fuhlte, dass die Republikaner von Tag zu Tag schwacher wurden, gleichzeitig wurden die Meinungsverschiedenheiten im republikanischen Lager jeden Tag großer. Da die Verfassung dem Prasidenten nicht die Machtmittel gab, sich gegen diese Entwicklung zu stellen, resignierte er schließlich und trat am 11. Dezember 1925 zuruck. Einige Tage nach seinem Rucktritt verließ er Portugal, er sollte das Land bis zu seinem Tode 1941 nicht mehr betreten.
Nach dem Rucktritt Teixeiras wurde Bernardino Machado zum zweiten Mal zum Prasidenten der Republik gewahlt. Er konnte die Republik jedoch nicht mehr retten. Die Parteienlandschaft zersplitterte immer weiter: Jose Domingos dos Santos verließ mit seinen Anhangern die Demokratische Partei und grundete die Republikanische Partei der Demokratischen Linken. Auch auf der rechten Seite des Parteienspektrums kam es zu weiteren Bruchen. Die Nationalistische Partei schloss Cunha Leal aus, der die Liberalrepublikanische Union grundete.
Der letzte Akt der Republik begann am 28. Mai 1926. An diesem Tag sprach sich General
Gomes da Costa
bei einem Truppenbesuch in Braga gegen die Republik aus, das Fanal zum Aufstand. Militareinheiten im ganzen Land unterstutzten den General. General Gama Ochoa und General
Fragoso Carmona
schlossen sich dem Aufstand an, die Stadte
Mafra
und
Evora
, in denen die beiden Generale stationiert waren, sagten sich so von der Regierung los. Nur in Lissabon und Porto gab es noch Truppen, die die Regierung unterstutzten. In Porto wurden die Truppen von General Sousa Dias befehligt, der auf Seiten der Republikanischen Regierung stand, seine Unteroffiziere machten dem General aber schnell deutlich, dass auch sie den Putsch von Gomes da Costa unterstutzten, so dass er auf seine Truppen beim Versuch, den Putsch niederzuschlagen, nicht zahlen konnte. Die Regierung versuchte, loyale Truppen in den Norden des Landes zu verlegen und scheiterte damit, da streikende Bahnarbeiter den Truppentransport verhinderten. Zwei Tage spater war die Republik am Ende. Prasident Machado loste das Parlament auf und ubergab die Regierungsgewalt an Hauptmann
Mendes Cabecadas
, in der Hoffnung, dieser wurde es noch einmal schaffen, die Republik zu retten. Am 31. Mai 1926 trat Machado schließlich zuruck, ernannte Mendes Cabecadas zu seinem Nachfolger und verließ fluchtartig das Land.
Mendes Cabecadas traf sich in Coimbra mit Gomes da Costa. Als Ergebnis dieses Treffens wurde eine Militarjunta gegrundet, der Mendes Cabecadas, Gomes da Costa und General Ochoa angehorten. Mendes Cabecada wurde Staatsoberhaupt und Regierungschef, die wirkliche Macht lag aber bei Gomes da Costa, der als Kriegsminister de facto Oberbefehlshaber der Armee wurde. In die neue Regierung Mendes Cabecadas wurde auch zum ersten Mal der katholische Wirtschaftswissenschaftler
Antonio de Oliveira Salazar
zum Finanzminister berufen, der spater eine herausragende Rolle spielen sollte.
Die neue Militarjunta, in der mit Mendes Cabecada ein Anhanger der Republik und mit Gomes da Costa ein Gegner derselben vereinigt war, hielt nur eine Woche. Am 6. Juni 1926 marschierte General Gomes da Costa mit seinen Truppen in Lissabon ein. Mendes Cabecada weigerte sich, die Lissabonner Bevolkerung zu bewaffnen, da er ein Blutbad und die Zerstorung großer Teile der Stadt befurchtete. So hatte das republikanische Lager den Truppen von Gomes da Costa nichts entgegenzusetzen. Am 17. Juni 1926 loste Gomes da Costa die Militarjunta auf, setzte Mendes Cabecada als Prasidenten und Premierminister ab und ubernahm selbst beide Posten. Zwei Tage spater ging Mendes Cabecada ins Exil. Salazar gehorte der neuen Regierung nicht mehr an und zog sich nach Coimbra zuruck. Die Verfassung wurde jetzt auch offiziell suspendiert, die Kommunistische Partei verboten.
Damit war die erste portugiesische Republik beendet. Es folgte eine Militardiktatur, die graduell in einen autoritaren, von einigen Historikern auch
faschistisch
genannten Standestaat, den
Estado Novo
, mundete. Erst 1974 (vgl.
Nelkenrevolution
) sollte Portugal zur
Demokratie
zuruckkehren.
- ↑
Richard Herr:
What Was Meant by a Republic in 1910
. In: Richard Herr und Antonio Costa Pinto (Hrsg.):
The Portuguese Republic at One Hundred
. 1. Auflage. University of California, Berkeley 2012,
ISBN 978-0-9819336-2-7
,
S.
25–36
.
- ↑
zu den Verhandlungen siehe
hier
- ↑
Die Portugiesen im Ersten Weltkrieg
- ↑
Auf dem portugiesischen Militarfriedhof von Richebourg ruhen 1.831 Soldaten
. Die meisten fielen in der
Schlacht an der Lys
im April 1918. Der Friedhof wurde zum Symbol des Einsatzes Portugals im Ersten Weltkrieg.