Ernst Eduard vom Rath

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Ernst Eduard vom Rath

Ernst Eduard vom Rath (* 3. Juni 1909 in Frankfurt am Main ; † 9. November 1938 in Paris ) war ein deutscher Diplomat und Botschaftssekretar in Paris. Das Attentat, das Herschel Grynszpan am 7. November 1938 auf ihn verubte, diente dem nationalsozialistischen Regime als Vorwand fur die folgenden Novemberpogrome .

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ernst vom Rath war ein Sohn des Beamten und Vorstandsmitglieds einer Zuckerfabrik Gustav vom Rath (1879?1949) und der Doris Boninger (1881?1963). Er besuchte das Gymnasium Kreuzgasse in Koln und das Realgymnasium zu St. Maria Magdalena in Breslau und machte 1928 das Abitur. Das Jurastudium absolvierte er in Bonn , Munchen und Konigsberg . 1928 wurde er Mitglied des Corps Palatia Bonn . [1] Der Eintritt in die NSDAP erfolgte am 14. September 1932 [2] , in die SA im April 1933. Das Referendariat absolvierte er im preußischen Justizdienst. Im Februar 1934 trat er im Rang eines Attaches in den Auswartigen Dienst ein, 1935/36 absolvierte er den Vorbereitungsdienst in Paris als personlicher Sekretar seines Onkels, des dann Ende 1935 verstorbenen Botschafters Roland Koster . Am 24. Juni 1936 bestand er die diplomatisch-konsularische Prufung und wurde im Generalkonsulat in Kalkutta eingesetzt. [3] [4] Dort erkrankte er im Dezember 1937 nach eigenen Angaben an einer schweren Amobenruhr [5] und musste deswegen im Marz 1938 Indien verlassen. Nach seiner Ruckkehr nach Deutschland zu einer mehrmonatigen Kur in St. Blasien wegen eines ?Darmleidens“ erfolgte am 13. Juli 1938 seine Versetzung an die Botschaft in Paris , wo er am 18. Oktober 1938 zum Legationssekretar ernannt wurde. Entsprechend eidesstattlichen Erklarungen der behandelnden Arzte litt vom Rath an einer homosexuell ubertragenen gonorrhoischen Mastdarmentzundung . Er wahlte in Berlin judische Arzte zur Behandlung der Erkrankung, vermutlich um die Wahrscheinlichkeit einer Meldung oder Denunziation zu verringern. [6]

Grabstatte Familie Eduard vom Rath auf dem Dusseldorfer Nordfriedhof
Grabstein Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath (1909?1938) und dessen Bruder Oberleutnant Gustav vom Rath (1917?1942), Nordfriedhof Dusseldorf

Im Rahmen der Polenaktion wurden Ende Oktober 1938 etwa 17.000 in Deutschland lebende Juden mit polnischer Staatsburgerschaft nach Polen abgeschoben. Einige darunter mussten im Niemandsland zwischen Deutschland und Polen verharren, da Polen ihnen die Wiedereinreise verweigerte. Auch Herschel Grynszpans Eltern und seine Schwester Berta, seit Jahrzehnten in Hannover wohnhaft, saßen vollig mittellos in einem Lager im polnischen Zb?szy? . Nachdem Herschel Grynszpan von der Situation seiner Familie erfahren hatte, verschaffte er sich am 7. November Zutritt zum Palais Beauharnais , dem Sitz der deutschen Botschaft, indem er vorgab, ?zwecks Abgabe eines wichtigen Dokuments einen Legationssekretar sprechen zu wollen“. Grynszpan gab insgesamt funf Schusse auf vom Rath ab, der zuerst an der Schulter getroffen wurde. Eine weitere Kugel durchschlug die Milz . Er wurde in einem Krankenhaus notoperiert. Adolf Hitler schickte am selben Tag seinen Begleitarzt Karl Brandt sowie Georg Magnus aus Munster nach Paris, um die franzosischen Arzte zu unterstutzen. Vom Rath erlag am 9. November um 17.30 Uhr seinen Verletzungen. Unmittelbar vor seinem Tod wurde vom Rath durch Hitler personlich zum Gesandtschaftsrat I. Klasse ernannt. [7] Die NS-Fuhrung nahm das Attentat zum Vorwand, brutale Ausschreitungen und Morde an judischen Burgern zu organisieren (siehe Novemberpogrome 1938 ).

Nach der von Ernst von Weizsacker in Paris organisierten Trauerfeier und der Uberfuhrung des Sarges im Sonderzug uber Aachen und Koln fand am 17. November 1938 auf dem Nordfriedhof in Dusseldorf das Staatsbegrabnis fur vom Rath in Gegenwart Hitlers statt. Vom Rath galt als Martyrer und Blutzeuge [8] im Kampf des von den Nationalsozialisten so bezeichneten Weltjudentums gegen das Dritte Reich , es wurde von Fememord gesprochen, den die ? Weisen von Zion “ in Auftrag gegeben hatten. Dementsprechend fassten Propaganda-, Außen- und Justizministerium Ende 1941 den Plan, gegen Grynszpan den Prozess zu eroffnen, um zu beweisen, dass die Tat Teil eines umfassenden Plans des internationalen Judentums gewesen sei, die Welt in einen Krieg mit Deutschland zu treiben. [9]

In der Anklageschrift des Oberreichsanwalts vom 16. Oktober 1941 findet sich unter der ?Einlassung des Angeschuldigten“ der folgende Vermerk:

?Im Laufe der weiteren Ermittlungen hat er sich dann sogar zu der frechen lugnerischen Behauptung verstiegen, den Gesandtschaftsrat vom Rath bereits langere Zeit vorher kennengelernt zu haben und von ihm mehrmals homosexuell missbraucht worden zu sein.“

Zudem behauptete Grynszpan zeitweise, dass er als Zuhalter fur vom Rath tatig gewesen sei, von ihm um die Provision geprellt wurde und homosexuelle Beziehungen zu dem Diplomaten hatte ? er nahm diese Behauptung spater zwar zuruck, aber lediglich in Form einer chiffrierten Notiz. [10] [11]

Aus verschiedenen Quellen war schon 1941 dem Justizministerium und dem Reichssicherheitshauptamt bekannt, dass vom Rath anscheinend tatsachlich in der Homosexuellen-Szene von Paris aktiv war und dort auch Grynszpan kennengelernt hatte, weswegen intern zunehmend Vorbehalte gegen die Eroffnung des Prozesses geltend gemacht wurden. [12] Beispielsweise im Umfeld des Schriftstellers Andre Gide wurden die homosexuellen Beziehungen zwischen vom Rath und Grynszpan schon Ende 1938 kolportiert. [13] Zudem war vom Raths Bruder am 6. Juni 1941 wegen ?Unzucht mit Mannern“ verurteilt worden. [14]

Es ist nicht auszuschließen, dass vom Rath und Grynszpan sich tatsachlich kannten und dem Mord an vom Rath eine Erpressung ? zum Beispiel um Geld oder Reisedokumente ? vorausgegangen sein konnte, was auch Hinweise der Eltern von Grynszpan nahelegen. [15] [16]

Goebbels hatte einen Schauprozess gegen den Morder geplant, um Grynszpan als Handlanger der ?internationalen judischen Weltverschworung“ zu entlarven. Dabei sollte auch eine Parallele zum Attentat von Sarajevo 1914 konstruiert werden. Die ubereifrige Staatsanwaltschaft machte jedoch den aus der Sicht von Goebbels fatalen Fehler, die Anklageschrift um den Vorwurf der Homosexualitat zu erweitern. Nach Goebbels’ Angaben basierte dies lediglich auf einem anonymen Brief ?[…] irgendeines judischen Emigranten, der die Wahrscheinlichkeit eines homosexuellen Verkehrs zwischen Grunspan und vom Rath offenlaßt“; er verwarf die Behauptung als ?absurde, typisch judische Behauptung“. [17] Dennoch fuhrten die ?Entpolitisierung der Tat“ und der Verweis auf das Homosexuellen-Milieu dazu, dass der Prozess aufgeschoben wurde und schließlich nie zustande kam. Laut dienstlicher Aufzeichnungen des Gesandten Ewald Krummer ruckte Goebbels am 16. April 1942 aus diesen Grunden vom Prozessvorhaben ab, Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop folgte dem aufgrund der Zuruckhaltung Hitlers in der Frage und wegen des Krieges am 13. Mai 1942. Es gab insofern nie eine gerichtliche Aufarbeitung des Mordes an vom Rath. [18] [19] [20] [21]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Rath, Ernst vom , in: Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswartigen Dienstes 1871?1945. Herausgegeben vom Auswartigen Amt, Historischer Dienst. Band 3: Gerhard Keiper, Martin Kroger: L?R. Schoningh, Paderborn. 2008, ISBN 978-3-506-71842-6 , S. 575f.
  • Armin Fuhrer : Herschel. Das Attentat des Herschel Grynszpan am 7. November 1938 und der Beginn des Holocaust . Berlin Story Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-86368-101-2 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Ernst Eduard vom Rath  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Kosener Corpslisten 1930, 14, 736 (Nachtrag).
  2. https://www.dhm.de/lemo/biografie/ernst-vom-rath.html
  3. Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2002, S. 365.
  4. Gerald Schwab: The Day the Holocaust Began: The Odyssey of Herschel Grynszpan. Praeger, New York 1990, S. 14; 142, 186.
  5. Hans-Hasso von Veltheim-Ostrau : Tagebucher aus Asien . Hamburg 1956, S. 94 f.
  6. Hans-Jurgen Doscher : ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 69 f.
  7. Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2002, S. 365.
  8. ? Wilhelm Gustloff und Ernst vom Rath sind die Blutzeugen, die im Ausland fur den Wiederaufstieg Deutschlands fielen.“ Außenminister Joachim von Ribbentrop bei der Feier in Dusseldorf, Ufa-Wochenschau, 23. November 1938 ( cine-holocaust.de ( Memento vom 9. November 2013 im Internet Archive )).
  9. Raul Hilberg : Die Vernichtung der europaischen Juden. Band 3. Frankfurt am Main 1990, S. 1089.
  10. Trude Maurer: Abschiebung und Attentat. Die Ausweisung der polnischen Juden und der Vorwand fur die ?Kristallnacht“. In: Walter H. Pehle : Der Judenpogrom 1938. Von der "Reichskristallnacht zum Volkermord. Frankfurt am Main 1988, S. 70 f.
  11. Hans-Jurgen Doscher: ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 165 u. 169.
  12. Hans-Jurgen Doscher: ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 165 f.
  13. Hans-Jurgen Doscher: ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 73 und S. 74, Endnote 23.
  14. Hans-Jurgen Doscher: ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 171.
  15. Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich . Frankfurt am Main 2002, S. 366.
  16. Hans-Jurgen Doscher: ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 72.
  17. Ralf Georg Reuth (Hrsg.): Joseph Goebbels. Tagebucher. Bd. 4: 1940?1942. Munchen 2008 (4. Aufl.), S. 1778 f. sowie S. 1777, Fn. 44, und S. 1781.
  18. Trude Maurer : Abschiebung und Attentat. Die Ausweisung der polnischen Juden und der Vorwand fur die ?Kristallnacht“. In: Walter H. Pehle: Der Judenpogrom 1938. Von der ?Reichskristallnacht“ zum Volkermord. Frankfurt am Main 1988, S. 70 f.
  19. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europaischen Juden. Band 3. Frankfurt am Main 1990, S. 1089.
  20. Ralf Georg Reuth (Hrsg.): Joseph Goebbels. Tagebucher. Bd. 4: 1940?1942. 4. Aufl. Munchen 2008, S. 1777, Fn. 44.
  21. Hans-Jurgen Doscher: ?Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938. 3. Aufl. Munchen 2000, S. 165 f., 182 f.