Das
Allod
(
altniederfrankisch
all?d
?volles Eigentum“, zu
all
?voll, ganz“ und
?d
?Gut, Besitz“;
mittellateinisch
allod
oder
allodium
), auch
Eigengut
oder
Erbgut
oder
freies Eigen
,
[1]
bezeichnete im
mittelalterlichen
und
fruhneuzeitlichen
Recht ein
Eigentum
(fast immer Land oder ein Stadt
grundstuck
oder -anwesen), uber das der Eigentumer (
Eigner
, auch
Erbherr
[2]
) frei verfugen konnte. Als Familienerbe unterscheidet es sich darin vom
Lehen
und vom
grundherrlichen Land
. Allode konnten sowohl
freie
Bauern als auch Adlige oder Fursten besitzen. Sofern es sich um
Landesherren
handelte, waren sie in ihrem Allodialbesitz souveran, wahrend ihre Regierungsfunktion (etwa in einer Grafschaft) ein Reichslehen war. Allode konnten frei vererbt werden, auch an Tochter, wahrend Lehen beim Aussterben einer Familie im Mannesstamm an den Lehnsherrn zuruckfielen. Die Umwandlung von
Benefizien
in Eigengut wird entsprechend als
Allodialisierung
bezeichnet. Uber ein als
Odal
bezeichnetes Eigentum durfte der jeweilige Besitzer dagegen nicht frei verfugen.
Als Allodialgut wird auch das Privatvermogen einer furstlichen Familie im Unterschied zum
fiskalischen
Besitz (
Staatsschatz
,
Staatsdomane
) bezeichnet.
In diesen Eigenschaften unterschied sich das Allod vom
Lehngut
, das dem
Lehnsnehmer
oder
Vasallen
eben nicht uneingeschrankt gehorte. Das Obereigentum am Lehen verblieb beim Lehnsherrn, der von seinen Vasallen unterschiedliche, zumeist durch das Gewohnheitsrecht bestimmte Leistungen verlangen konnte. Lehen war sogenanntes
nutzbares Eigentum
, Allod dagegen war
volles Eigentum
. Dies kam auch im synonymen zeitgenossischen Begriff fur Allod,
Erbe und Eigen
, zum Ausdruck. Der Besitz der Burger im Geltungsbereich des
Stadtrechts
hatte in der Regel allodialen Charakter. Ebenso besaßen die kirchlichen Stifter ihr Land als Erbe und Eigen.
In England gab es ab der
Normannischen Eroberung 1066
, die eine Anderung zum
Lehnswesen
mit sich brachte, keinen Allodialbesitz mehr. In Frankreich gab es ihn nur noch ganz selten. In Deutschland verschwand das Allod in Adelsbesitz nie und wurde mitunter an Rodungsland neu begrundet.
Mit dem Verfall des Lehnsrechts ab dem 16. Jahrhundert setzte eine gegenlaufige Bewegung ein. Lehen wurden gegen eine Abfindung fur den Lehnsherrn wieder in freies vererbbares Eigentum umgewandelt. Diesen Vorgang bezeichnet man als
Allodifizierung
oder
Allodifikation
. Die Lehen blieben dabei durch die Rechte der Lehnsfolger (
Agnaten
) beschranktes Eigentum. Aufgehoben wurde nur das Obereigentum des Lehnsherrn, wogegen die Rechte der Lehnsfolger keine Beeintrachtigung erlitten. Das Lehen naherte sich damit als sogenanntes allodifiziertes Lehen dem
Familienfideikommiss
; haufig wurde es auch ausdrucklich in Fideikommissgut umgewandelt.
Der Besitz war somit nicht an Leistungen oder Verpflichtungen des Inhabers gegenuber anderen Personen gebunden. Ein Allod konnte gemaß dem landesublichen Recht frei vererbt werden. Ursprunglich waren von den Einkunften aus Allodialgutern nicht einmal
Steuern
an den jeweiligen Landesfursten zu entrichten.
Im Mittelalter war das Allodium dem zentralen Sitz der Burg vorgelagert. Es wurde auch als Dominicale und schließlich als
Vorwerk
bezeichnet.
[3]
In ihnen lebten oft auch Angehorige der jeweiligen ritterlichen Familie. Davon leitet sich ab, die Vorwerke als Rittersitze und im Volksmund als Schloss zu bezeichnen. Sie waren geeignet, kleinere Angriffe abzuwehren und boten der Bevolkerung des Dorfes Schutz.
Das Allod als Besitzform entstand bei den
germanischen
Stammen und Volkern, bevor es zur Ausbildung des Feudalsystems kam. Land, das ursprunglich ein Gemeingut der gesamten Volksgemeinschaft war, wurde dem einzelnen Mitglied ubergeben. Die germanischen Volker verteilten oder verlosten Grund und Boden der von ihnen eroberten und in Besitz genommenen Lander unter ihren freien Mannern. Hieraus ergibt sich der wesentliche Charakter des Allodialeigentums: ein durch den Willen des gesamten Volks oder durch das Volksgesetz zugeteiltes und verburgtes freies Eigentum. Der Besitzer ist frei von aller Privatabhangigkeit und Beschrankung seiner Eigentumsrechte.
In vielen Regionen galten zunachst nur die Eigentumer eines Allods als Freie, die an allen gemeinschaftlichen, offentlichen Pflichten und Rechten teilhatten. Sie waren die Mitglieder der
Landesgemeinde
. Die freien Landbesitzer im
Fruhmittelalter
waren eine der Gruppen, aus denen sich im Laufe der Zeit der
Adel
entwickelte. Sie sahen sich als gleichberechtigte Partner des Landesherren, weil sie ihm als Genossen in der Landesgemeinde verbunden und ihm nicht als Vasallen untergeordnet waren. Die mit dem Allodialgut verbundenen Freiheiten (u. a.
Steuerfreiheit, Jagdrecht
) konnten sich in den meisten Landern nur die adeligen Herren erhalten, die ? auch wenn sie sich nach 1500 dem Landesfursten mehr und mehr unterordnen mussten
(Staatswerdung)
? die politisch und okonomisch einflussreichste Klasse der Landbesitzer blieben. Der Begriff Allod kommt nur im frankischen Raum und den
rechtlich
von frankischen Stammen beeinflussten Territorien vor. Seit der
Schlacht von Hastings
1066 gab es in England kein Allod mehr, in Frankreich vorwiegend im Suden. In Deutschland konzentriert sich der Allod-Besitz insbesondere des Adels auf den Suden. Zahlreiche Herren, die ihre machtige Stellung auf umfangreichen Allodialbesitz grundeten, gab es in den ostlichen Alpenlandern und in den Landern der
Bohmischen Krone
. Der Konig als oberster Lehnsherr war niemals Herr des gesamten Reichsterritoriums.
Allodialbesitz konnte auch entstehen, wenn der Lehnsherr zu Gunsten des Vasallen auf seine Rechte verzichtete. Gerodetes Land wird seitens der Fursten als Allodialgut betrachtet. Umgekehrt wurden gelegentlich freie Landherren fur ein Vergehen bestraft, indem der Landesherr ihr
Freigut
in ein Lehen umwandelte.
Die Unterschiede zwischen den beiden mittelalterlichen Besitzrechtsformen Lehen und Allod wurden mit der Zeit immer geringer. Zum einen wurden den Vasallen spatestens seit dem 17. Jahrhundert keine Lehnsdienste mehr abverlangt und auch das
Erbrecht
der Lehnsnehmer war in der fruhen Neuzeit schon sehr viel starker, zum anderen hatten die Landesfursten die freien Herren schon im 16. Jahrhundert zu regelmaßigen Steuerzahlungen zwingen konnen. Im 19. Jahrhundert schließlich wurde das
Lehnswesen
in den meisten europaischen Staaten nach und nach abgeschafft. Zu dieser Zeit kommt der
Eigentums
begriff des
burgerlichen Rechts
auf, wie er vor allem im
Code civil
gepragt worden ist. Wahrend in Frankreich das ?Regime feodal“ 1789 mit einem Federstrich des revolutionaren Gesetzgebers beendet wurde, dauert es in Deutschland bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, bis das Lehnsrecht endgultig abgeschafft wurde (1947 per Kontrollratsgesetz).
- Otto Brunner
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