Emilie Kiep-Altenloh

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Emilie Kiep-Altenloh geb. Altenloh (* 30. Juli 1888 in Voerde/Westfalen (heute zu Ennepetal ); † 22. Februar 1985 in Hamburg ) war eine deutsche Soziologin, Filmwissenschaftlerin und liberale Politikerin ( DDP bzw. FDP ). Sie war von 1949 bis 1961 Mitglied der Hamburgischen Burgerschaft , von 1953 bis 1961 Senatorin und von 1961 bis 1965 Mitglied des Bundestags . Sie wird als ?große alte Dame des Liberalismus “ tituliert. [1]

Leben und Politik

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ihre Eltern waren der Fabrikant und Brauereibesitzer Emil Altenloh und seine Frau Laura, geborene Kurten. Emilie Altenlohs Vater und Onkel betrieben in Voerde eine Schraubenfabrik, zudem besaß die Familie eine Brauerei und eine Salzfabrik. Sie besuchte bis zum zehnten Lebensjahr die einklassige Volksschule auf dem Brink, danach erhielt sie Privatunterricht, besuchte ein Internat in der Schweiz [2] und das Realgymnasium in Elberfeld . 1909 bestand sie das Abitur in Remscheid und studierte anschließend Nationalokonomie , Rechtswissenschaften und Soziologie an den Universitaten Heidelberg , Munchen , Kiel und Wien . Sie promovierte 1913/14 bei Alfred Weber mit einer Dissertation Zur Soziologie des Kino , die mit summa cum laude bewertet wurde und die weltweit erste sozialwissenschaftliche Arbeit uber das Kino darstellt. [3] Der besondere Wert der Arbeit liegt in der Befragung von Teilen der Mannheimer Bevolkerung uber ihre Kinogewohnheiten und der Auswertung der Ergebnisse nach Altersgruppen und sozialen Schichten. Nach ihrer Dissertation verfasste sie uber Film nur noch einen Aufsatz, der 1913 in der Kinoreformer-Zeitschrift Bild und Film erschien. Sie verglich darin das Kino mit dem Theater und erklarte seinen Siegeszug mit dem Bedurfnis des Großstadtmenschen nach leichter Unterhaltung.

Danach arbeitete sie als Berufsberaterin und Lehrstellenvermittlerin in Elberfeld und Dusseldorf. Von 1914 bis 1918 leitete sie das Kreisernahrungsamt im westfalischen Schwelm , 1918 arbeitete sie in einer Herdfabrik. Von 1919 bis 1924 war sie die Leiterin des Provinzialwohlfahrtsamtes fur Schleswig-Holstein . In dieser Zeit grundete sie die soziale Frauenschule in Kiel, die sie zeitweise auch leitete. 1924 war sie Mitbegrunderin des ?Funften Wohlfahrsverbands“ in Schleswig-Holstein, [4] aus dem spater der Paritatische Wohlfahrtsverband hervorging. [2]

1923 heiratete Altenloh den Industriedirektor und Ingenieur der Vulkanwerft in Hamburg, Johann Nikolaus (?Klaus“) Kiep (* 1. Oktober 1882, † 14. November 1967), Sohn des Kaufmanns Johannes Kiep , Bruder von Louis Leisler Kiep und Otto Kiep . [5] Die Ehe blieb kinderlos. [2] Der CDU-Politiker Walther Leisler Kiep ist ihr Neffe.

1929 trat Kiep-Altenloh der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, die sie bis 1930 als Stadtverordnete in Altona vertrat. Im Mai 1930 ruckte sie fur den ausgeschiedenen Abgeordneten Theodor Tantzen in den Deutschen Reichstag nach, [4] schied aber nach der vorgezogenen Reichstagswahl im September desselben Jahres wieder aus. Im Jahr darauf war sie Mitbegrunderin des ersten deutschen Zonta-Clubs in Hamburg. [6]

Nach der so genannten Machtergreifung der Nationalsozialisten unterlag sie einem politischen Betatigungsverbot, sie ubernahm daher eine Stelle in der Verwaltung des von Jakob von Uexkull geleiteten Instituts fur Umweltforschung der Universitat Hamburg . Parallel studierte sie dort ab 1934 Zoologie . Nach Kriegsausbruch 1939 hatte sie am Institut eine Schlusselstellung inne. [7] Sie war fur die Blindenhundeausbildung zustandig. Als Uexkulls Nachfolger Friedrich Brock und Heinz Brull in Kriegsgefangenschaft gerieten, leitete sie bis 1947 das gesamte Institut. Aus diesem gliederte sie die Blindenhundeausbildung aus und grundete hierzu im Oktober 1945 die Jacob von Uexkull Stiftung zur Ausbildung von Blindenhunden . [8]

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kiep-Altenloh Mitbegrunderin der Partei Freier Demokraten (PFD), aus der die FDP Hamburg hervorging. Sie war von 1949 bis 1961 Abgeordnete der Hamburgischen Burgerschaft . In der zweiten Wahlperiode hatte sie 1951 fur zwei Monate das Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden inne. Damit war sie die erste Frau, die in Hamburg in den Vorstand einer Burgerschaftsfraktion gewahlt wurde. [9] Von 1953 bis 1961 war sie Senatorin: Im Senat Sieveking ( Hamburg-Block , 1953?57) leitete sie die Sozial- und Jugendbehorde, in den Senaten Brauer III und Nevermann I (sozialliberale Koalition, 1957?61) die Behorde fur Ernahrung und Landwirtschaft sowie die Gefangnisbehorde. Anschließend saß sie von 1961 bis 1965 im Deutschen Bundestag .

Emilie Kiep-Altenloh war fur das Große Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen worden. Daraufhin kam es zu einer Kleinen Anfrage der SPD in der Hamburger Burgerschaft im Mai 1963. Burgermeister Paul Nevermann erklarte, dass der Senat weiterhin an seiner traditionellen Devise festhalt: Keine Orden fur Senatoren (sogenannte Hanseatische Ablehnung ). Zu Vorschlagen von anderer Seite werde sich der Senat gegenuber der verleihenden Stelle dahin außern, dass von der Verleihung abgesehen werden moge. [10] Die Freie und Hansestadt Hamburg ehrte Emilie Kiep-Altenloh 1963 mit der Burgermeister-Stolten-Medaille . Die FDP Hamburg wahlte sie 1972 zu ihrer Ehrenvorsitzenden. Nach ihr ist die 1979 gegrundete Dr.-Emilie-Kiep-Altenloh-Stiftung benannt.

Veroffentlichungen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Emilie Altenloh: Zur Soziologie des Kino. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher (= Schriften zur Soziologie und Kultur , Bd. 3), Jena 1914, Neudruck 1977 ( E-Text )
  • Emilie Altenloh und Ernst Kantorowicz : Leitfaden fur Jugendamter und Jugendschoffen in der Jugendgerichtshilfe. Meldorf 1923.
  • Emilie Kiep-Altenloh: Die Ausbildung von Blindenfuhrhunden. In: Grenzgebiete der Medizin. 1. Jahrgang, 1948, S. 57?59
  • Emilie Kiep-Altenloh: Das nicht besetzte Plenum. Gedanken und Vorschlage. In: Freie Demokratische Korrespondenz. 1964, Nr. 24, 13. Marz 1964.
  • Emilie Kiep-Altenloh: Aufzeichnungen und Erinnerungen. In: Abgeordnete des Deutschen Bundestages ? Aufzeichnungen und Erinnerungen. Band 1, Boppard am Rhein, 1982, S. 315?344.

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Christian Filk, Jens Ruchatz: Fruhe Film- und Mediensoziologie. Emilie Altenlohs Studie ?Zur Soziologie des Kino“ von 1914. Universitatsverlag, Siegen 2007, S. 10.
  2. a b c Rita Bake, Kirsten Heinsohn: Zur Geschichte der Hamburger Frauenbewegung und Frauenpolitik vom 19. Jahrhundert bis zur Neuen Hamburger Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre, ?Man meint aber unter Menschenrechten nichts anderes als Mannerrechte“, Zur Geschichte der Hamburger Frauenbewegung und Frauenpolitik vom 19. Jahrhundert bis zur Neuen Hamburger Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre PDF-Datei, S. 194 , hamburg.de
  3. Matthias Sebastian Klaes: Emilie Altenloh (1888?1985). In: Christian Steuerwald: Klassiker der Soziologie der Kunste. Prominente und bedeutende Ansatze. Springer VS, Wiesbaden 2017, S. 175?195.
  4. a b Reichstagshandbuch, 4. Wahlperiode, Eintrag Kiep-Altenloh, Emilie
  5. Degeners Wer ist’s? Band 10, 1935, S. 808.
  6. Traute Hoffmann: Dr. rer. pol. Emilie Kiep-Altenloh. In: Der erste deutsche Zonta-Club. Auf den Spuren außergewohnlicher Frauen. Dolling und Galitz, Hamburg 2002, S. 161?166.
  7. Florian Mildenberger, Bernd Herrmann: Nachwort In: Jakob Johann von Uexkull: Umwelt und Innenwelt der Tiere. Springer, Berlin/Heidelberg 2014, S. 312.
  8. Florian Mildenberger, Bernd Herrmann: Nachwort In: Jakob Johann von Uexkull: Umwelt und Innenwelt der Tiere. Springer, Berlin/Heidelberg 2014, S. 324?325.
  9. Internetseite Hamburgische Burgerschaft: Abgeordnete: Frauen im Parlament ( Memento vom 29. Juni 2013 im Internet Archive )
  10. Hamburger Abendblatt, Nr. 119 vom 24. Mai 1963, S. 3: Auch kunftig keine Orden fur Senatoren ( PDF ( Memento vom 27. Juli 2014 im Internet Archive ))