Emilie Kiep-Altenloh
geb. Altenloh (*
30. Juli
1888
in
Voerde/Westfalen
(heute zu
Ennepetal
); †
22. Februar
1985
in
Hamburg
) war eine deutsche Soziologin, Filmwissenschaftlerin und liberale Politikerin (
DDP
bzw.
FDP
). Sie war von 1949 bis 1961 Mitglied der
Hamburgischen Burgerschaft
, von 1953 bis 1961
Senatorin
und von 1961 bis 1965
Mitglied des Bundestags
. Sie wird als ?große alte Dame des
Liberalismus
“ tituliert.
[1]
Ihre Eltern waren der Fabrikant und Brauereibesitzer Emil Altenloh und seine Frau Laura, geborene Kurten. Emilie Altenlohs Vater und Onkel betrieben in Voerde eine Schraubenfabrik, zudem besaß die Familie eine Brauerei und eine Salzfabrik. Sie besuchte bis zum zehnten Lebensjahr die einklassige Volksschule auf dem Brink, danach erhielt sie Privatunterricht, besuchte ein Internat in der Schweiz
[2]
und das
Realgymnasium
in
Elberfeld
. 1909 bestand sie das Abitur in
Remscheid
und studierte anschließend
Nationalokonomie
,
Rechtswissenschaften
und
Soziologie
an den Universitaten
Heidelberg
,
Munchen
,
Kiel
und
Wien
. Sie
promovierte
1913/14 bei
Alfred Weber
mit einer Dissertation
Zur Soziologie des Kino
, die mit
summa cum laude
bewertet wurde und die weltweit erste sozialwissenschaftliche Arbeit uber das Kino darstellt.
[3]
Der besondere Wert der Arbeit liegt in der Befragung von Teilen der Mannheimer Bevolkerung uber ihre Kinogewohnheiten und der Auswertung der Ergebnisse nach Altersgruppen und sozialen Schichten. Nach ihrer Dissertation verfasste sie uber Film nur noch einen Aufsatz, der 1913 in der Kinoreformer-Zeitschrift
Bild und Film
erschien. Sie verglich darin das Kino mit dem Theater und erklarte seinen Siegeszug mit dem Bedurfnis des Großstadtmenschen nach leichter Unterhaltung.
Danach arbeitete sie als Berufsberaterin und Lehrstellenvermittlerin in Elberfeld und Dusseldorf. Von 1914 bis 1918 leitete sie das Kreisernahrungsamt im westfalischen
Schwelm
, 1918 arbeitete sie in einer Herdfabrik. Von 1919 bis 1924 war sie die Leiterin des Provinzialwohlfahrtsamtes fur
Schleswig-Holstein
. In dieser Zeit grundete sie die
soziale Frauenschule
in Kiel, die sie zeitweise auch leitete. 1924 war sie Mitbegrunderin des ?Funften Wohlfahrsverbands“ in Schleswig-Holstein,
[4]
aus dem spater der
Paritatische Wohlfahrtsverband
hervorging.
[2]
1923 heiratete Altenloh den Industriedirektor und Ingenieur der
Vulkanwerft
in Hamburg,
Johann Nikolaus (?Klaus“) Kiep
(* 1. Oktober 1882, † 14. November 1967), Sohn des Kaufmanns
Johannes Kiep
, Bruder von
Louis Leisler Kiep
und
Otto Kiep
.
[5]
Die Ehe blieb kinderlos.
[2]
Der CDU-Politiker
Walther Leisler Kiep
ist ihr Neffe.
1929 trat Kiep-Altenloh der
Deutschen Demokratischen Partei
(DDP) bei, die sie bis 1930 als Stadtverordnete in
Altona
vertrat. Im Mai 1930 ruckte sie fur den ausgeschiedenen Abgeordneten
Theodor Tantzen
in den
Deutschen Reichstag
nach,
[4]
schied aber nach der vorgezogenen
Reichstagswahl im September desselben Jahres
wieder aus. Im Jahr darauf war sie Mitbegrunderin des ersten deutschen
Zonta-Clubs
in Hamburg.
[6]
Nach der so genannten
Machtergreifung
der Nationalsozialisten unterlag sie einem politischen Betatigungsverbot, sie ubernahm daher eine Stelle in der Verwaltung des von
Jakob von Uexkull
geleiteten Instituts fur Umweltforschung der
Universitat Hamburg
. Parallel studierte sie dort ab 1934
Zoologie
. Nach Kriegsausbruch 1939 hatte sie am Institut eine Schlusselstellung inne.
[7]
Sie war fur die
Blindenhundeausbildung
zustandig. Als Uexkulls Nachfolger Friedrich Brock und Heinz Brull in Kriegsgefangenschaft gerieten, leitete sie bis 1947 das gesamte Institut. Aus diesem gliederte sie die Blindenhundeausbildung aus und grundete hierzu im Oktober 1945 die
Jacob von Uexkull Stiftung zur Ausbildung von Blindenhunden
.
[8]
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kiep-Altenloh Mitbegrunderin der
Partei Freier Demokraten
(PFD), aus der die
FDP Hamburg
hervorging. Sie war von 1949 bis 1961 Abgeordnete der
Hamburgischen Burgerschaft
. In der zweiten Wahlperiode hatte sie 1951 fur zwei Monate das Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden inne. Damit war sie die erste Frau, die in Hamburg in den Vorstand einer Burgerschaftsfraktion gewahlt wurde.
[9]
Von 1953 bis 1961 war sie Senatorin: Im
Senat Sieveking
(
Hamburg-Block
, 1953?57) leitete sie die Sozial- und Jugendbehorde, in den Senaten
Brauer III
und
Nevermann I
(sozialliberale Koalition, 1957?61) die Behorde fur Ernahrung und Landwirtschaft sowie die Gefangnisbehorde. Anschließend saß sie von 1961 bis 1965 im
Deutschen Bundestag
.
Emilie Kiep-Altenloh war fur das
Große Bundesverdienstkreuz
vorgeschlagen worden. Daraufhin kam es zu einer
Kleinen Anfrage
der SPD in der Hamburger Burgerschaft im Mai 1963. Burgermeister
Paul Nevermann
erklarte, dass der Senat weiterhin an seiner traditionellen Devise festhalt: Keine Orden fur Senatoren (sogenannte
Hanseatische Ablehnung
). Zu Vorschlagen von anderer Seite werde sich der Senat gegenuber der verleihenden Stelle dahin außern, dass von der Verleihung abgesehen werden moge.
[10]
Die Freie und Hansestadt Hamburg ehrte Emilie Kiep-Altenloh 1963 mit der
Burgermeister-Stolten-Medaille
. Die FDP Hamburg wahlte sie 1972 zu ihrer Ehrenvorsitzenden. Nach ihr ist die 1979 gegrundete
Dr.-Emilie-Kiep-Altenloh-Stiftung
benannt.
- Emilie Altenloh:
Zur Soziologie des Kino. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher
(=
Schriften zur Soziologie und Kultur
, Bd. 3), Jena 1914, Neudruck 1977 (
E-Text
)
- Emilie Altenloh und
Ernst Kantorowicz
:
Leitfaden fur Jugendamter und Jugendschoffen in der Jugendgerichtshilfe.
Meldorf 1923.
- Emilie Kiep-Altenloh:
Die Ausbildung von Blindenfuhrhunden.
In:
Grenzgebiete der Medizin.
1. Jahrgang, 1948, S. 57?59
- Emilie Kiep-Altenloh:
Das nicht besetzte Plenum. Gedanken und Vorschlage.
In:
Freie Demokratische Korrespondenz.
1964, Nr. 24, 13. Marz 1964.
- Emilie Kiep-Altenloh:
Aufzeichnungen und Erinnerungen.
In:
Abgeordnete des Deutschen Bundestages ? Aufzeichnungen und Erinnerungen.
Band 1, Boppard am Rhein, 1982, S. 315?344.
- Matthias Sebastian Klaes:
Emilie Altenloh (1888?1985).
In: Christian Steuerwald (Hrsg.):
Klassiker der Soziologie der Kunste. Prominente und bedeutende Ansatze.
Springer VS, Wiesbaden 2017, S. 175?195
- Peter Reinicke
:
Kiep-Altenloh, Emilie
, in:
Hugo Maier
(Hrsg.):
Who is who der Sozialen Arbeit
. Freiburg : Lambertus, 1998,
ISBN 3-7841-1036-3
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- Helmut Stubbe da Luz
:
Kiep-Altenloh, Emilie
. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.):
Hamburgische Biografie
.
Band
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. Wallstein, Gottingen 2010,
ISBN 978-3-8353-0640-0
,
S.
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- Helmut H. Diederichs:
Emilie Altenloh ? Filmwissenschaftlerin.
In:
CineGraph ? Lexikon zum deutschsprachigen Film
, Lieferung 4, 1985
- Kiep-Altenloh, Emilie
, in:
Gudrun Wedel
:
Autobiographien von Frauen. Ein Lexikon
. Koln : Bohlau, 2010, S. 409f.
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Christian Filk, Jens Ruchatz:
Fruhe Film- und Mediensoziologie. Emilie Altenlohs Studie ?Zur Soziologie des Kino“ von 1914.
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Matthias Sebastian Klaes:
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In: Christian Steuerwald:
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Traute Hoffmann:
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Internetseite Hamburgische Burgerschaft:
Abgeordnete: Frauen im Parlament
(
Memento
vom 29. Juni 2013 im
Internet Archive
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Hamburger Abendblatt, Nr. 119 vom 24. Mai 1963, S. 3:
Auch kunftig keine Orden fur Senatoren
(
PDF
(
Memento
vom 27. Juli 2014 im
Internet Archive
))