Dieser Artikel behandelt Hotellings Theorem aus dem Bereich der Wettbewerbsanalyse; zu seinem Beitrag zur Ressourcenokonomie siehe
Hotelling-Regel
.
Hotellings Gesetz
ist in der
Volkswirtschaftslehre
ein nach
Harold Hotelling
benanntes
Theorem
, wonach
rational
handelnde
Produzenten
versuchen, ihre
Produkte
so ahnlich wie moglich im Vergleich zu ihren Wettbewerbern zu gestalten.
Außerhalb der
Rechtswissenschaft
(hier gibt es formale
Gesetze
) spricht man in den ubrigen
Wissenschaften
von einem Gesetz, wenn aus einer
Theorie
orts-, zeit- und kulturunabhangige allgemeingultige
Aussagen
abgeleitet werden, die weltweit dauerhaft gelten.
Naturgesetze
als starkste Form sind in der
Naturwissenschaft
ausnahmslos geltende Regeln fur den Ablauf des Geschehens.
[1]
In den
Geisteswissenschaften
kann es jedoch zu Ausnahmen kommen, auch konnen Gesetze spater durch dauerhafte Verhaltensanderungen der
Wirtschaftssubjekte
falsifiziert
werden, was auf Hotellings Gesetz teilweise zutrifft.
Harold Hotelling formulierte 1929 das nach ihm benannte Gesetz der minimalen Differenzierung. Es besagt, dass sich die Wettbewerber immer ahnlicher werden und ihre ? vergleichbaren ? Produkte einander angleichen, und zwar hinsichtlich
Produktqualitat
,
Standort
und anderer wesentlicher Komponenten.
[2]
Die Angleichung erfolgt durch eine
Anpassung
im
Produktionsprozess
. Dabei muss die
Produktgestaltung
auf die
Produktdifferenzierung
zuruckgreifen. Das Gesetz betrifft deshalb beide Arten der Produktdifferenzierung. Es gilt deshalb nicht nur bei der Standortwahl, sondern auch bei der
Produktstrategie
.
Bietet beispielsweise Eisverkaufer A nur Schokoladeneis an und Eisverkaufer B nur Zitroneneis zum gleichen Preis am selben Standort, so wird die Nachfrage von den
Praferenzen
bestimmt. Fuhren diese dazu, dass wesentlich mehr Kunden das Zitroneneis bevorzugen, wird A auf Zitroneneis umstellen. Diese Umstellung ist eine Produktdifferenzierung, weil er die
Geschmacksrichtung
des
Speiseeises
verandert hat und das Schokoladeneis weiterhin anbietet. Nimmt er das Schokoladeneis aus dem Programm, liegt eine
Produktvariation
vor.
Dieses
Eisverkaufer-am-Strand-Problem
beschreibt Hotellings Gesetz anhand des
Standortfaktors
und illustriert mogliche Strategien zweier Anbieter bei der Suche nach dem optimalen Standort. In einer
Marktwirtschaft
mit
Wettbewerb
stellt sich dabei heraus, dass das Endergebnis ware, dass beide Eisverkaufer so nah wie moglich zusammenrucken.
Ausgangssituation: Beide Eisverkaufer befinden sich jeweils in der Mitte ihrer Halften
Aktion: Der linke Eisverkaufer wandert nach rechts
Reaktion: Der rechte Eisverkaufer wandert nach links
Endergebnis bei Konkurrenz: Beide Eisverkaufer verkaufen in der Strandmitte
Ein Strand von 10 m Breite und 100 m Lange sei im Osten und Westen durch Felsen begrenzt, im Norden durch das Meer und im Suden durch eine Uferpromenade. An diesem Strand gibt es genau zwei Eisverkaufer mit je einem mobilen Eisverkaufsstand, der aber nur langs der Uferpromenade bewegt werden kann, nicht im Sand. Der Strand ist gleichmaßig mit Badegasten gefullt. Beide Eisverkaufer bieten das gleiche Eis zum gleichen Preis an. Gesucht ist die optimale Position beider Eisverkaufer.
Die beiden Eisverkaufer waren optimal positioniert, wenn sie gleich große Einzugsgebiete hatten und so moglichst jeden Strandgast bedienten. Dafur gibt es genau die folgende Losung:
Eisverkaufer
positioniert sich
Meter vom westlichen Rand entfernt, Eisverkaufer
positioniert sich auf
Meter. Beide haben jeweils 50 m Strand als ihr Einzugsgebiet. Das liegt daran, dass alle Badegaste aus dem Einzugsgebiet fur
es naher zu
haben als zu
. Alle Badegaste aus dem Einzugsgebiet fur
haben es naher zu
als zu
. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn beide Eisverkaufer sich absprechen und ihre Absprache einhalten.
Als Beispiel sei hier
genommen:
steht auf 25 m,
auf 75 m. (Dann haben die Strandgaste insgesamt gesehen die kurzesten Wege, was aber fur das Problem keine Rolle spielt.)
Wenn man davon ausgeht, dass beide Eisverkaufer
und
sich abgesprochen haben und sich anfangs auf ihrer optimalen Position befinden, wird eventuell, weil sie eigentlich in Konkurrenz zueinander stehen, sich in Eisverkaufer
folgender Gedankengang abspielen:
?Wenn ich mich ein bisschen mehr in Richtung
bewege, dann wird mein Einzugsgebiet großer. Denn dann ist der Weg zu mir fur mehr Badegaste als vorher kurzer. Er wird es schon nicht merken.“
Am nachsten Tag befindet sich E1 nicht mehr auf 25 m, sondern auf 29 m:
An diesem Tag, an dem sich
auf 29 m befindet und
auf 75 m, liegt die Mittellinie zwischen ihnen nicht mehr bei 50 m, sondern bei 52 m. Das heißt, dass das Einzugsgebiet von
nicht mehr 50 m, sondern 52 m lang ist. Das Einzugsgebiet von
ist nicht mehr 50 m, sondern nur noch 48 m lang. Entsprechend weniger Kunden erhalt
.
Spatestens jetzt merkt
, dass es wahrscheinlich wichtig ist, selbst ein bisschen mehr in Richtung
zu rucken, um das eigene Einzugsgebiet (wieder) zu vergroßern. Also ruckt
am nachsten Tag in Richtung
:
An diesem dritten Tag hat sich die Mittellinie zwischen
und
entsprechend in Richtung
bewegt.
macht mehr Umsatz als
.
bemerkt, dass dies offensichtlich daran liegt, dass
seinen Strandabschnitt vergroßert hat. Also repositioniert sich
, um am folgenden Tag seinen Strandabschnitt zu vergroßern:
Dieses Spiel lauft einige Tage lang, bis sich die beiden Eisverkaufer in der Mitte treffen. Naher als ganz dicht zusammenrucken konnen sie nicht. Die Revierkampfe horen also auf diese Weise auf. Das Einzugsgebiet der beiden Eisverkaufer ist wieder das gleiche wie am Anfang, keiner ist bevorteilt, es herrscht wieder ein ?Gleichstand“, diesmal ist jedoch das
Nash-Gleichgewicht
erreicht.
Unter der Voraussetzung, dass es eine maximale Weglange gibt, die die Badegaste bereit sind, fur ihr Eis zuruckzulegen, diese allerdings so groß ist und die Gaste so verteilt sind, dass sich an der oben vorausgesetzten Vorteilhaftigkeit der Entscheidung, sich zur Mitte zu bewegen, nichts andert, ergeben sich folgende Konsequenzen:
- Fur die Badegaste, die sich ganz am Rand des Strands befinden, ist der Weg zu den Eisverkaufern nun zu weit. Obwohl sie ein Eis kaufen wollen, werden sie sich keines kaufen, wenn sie dafur so weit durch den heißen Sand laufen mussen.
- Beide Eisverkaufer machen deswegen weniger Umsatz als vorher.
Ganz klar ware die Situation, wie man sie am Anfang hatte,
Pareto-optimal
, sowohl fur die Eisverkaufer als auch fur die Badegaste. Aber die beschriebene Strategie der Eisverkaufer hat allen Beteiligten, außer den Kunden in der Mitte des Strandes, nur geschadet. Einen ahnlichen Prozess schildert das
Braess-Paradoxon
.
Unter der (zusatzlichen) Annahme, dass die Gesamtumsatze der Verkaufer sinken, weil die Kunden am Rand zu weit laufen mussten und lieber auf Eis verzichten, entsteht aus der Sicht der Verkaufer eine dem
Gefangenendilemma
ahnliche Situation. Sie unterscheidet sich aber insofern von diesem Modell, als die Entscheidungsvariable (Standort) kontinuierlich ist und nicht diskret (?betrugen“ vs. ?kooperieren“). Nimmt man an, dass der Gesamtumsatz konstant bleibt, gibt es keine Parallele zum Gefangenendilemma, sondern nur eine Verschlechterung der Zugangsbedingungen fur die Kunden.
Das Modell dient der Illustration der Frage nach der optimalen Standortsuche unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Oft wird eingewandt, der Eisverkaufer wurde bei der Wanderung nach rechts mehr Kunden auf der linken Seite verlieren, als er auf der rechten Seite gewinnen kann. Je nach Kundenverhalten ist dies jedoch nicht zwingend der Fall. Die
Neue Institutionenokonomik
befasst sich mit Problemen wie diesem und bietet Losungen uber die Einfuhrung von
Institutionen
.
Mit Bezug auf die
okonomische Wohlfahrt
gibt es noch die Betrachtung von Ereignissen bei Veranderungen von relevanten Faktoren in dem Modell.
Annahme: Wenn bei mehreren Anbietern sich bei einem Anbieter der Preis senkt, kann dieser seinen Absatzmarkt vergroßern. Daraus resultiert, dass dieser einen Teil des Absatzmarktes, den er vor der Preisveranderung sich mit einem anderen Anbieter teilte, zu eigen macht.
- Der Anbieter mit dem gleichbleibenden hoheren Preis hat nun einen Verlust von der Konsumentenrente, Produzentenrente und der gesamten Wohlfahrt zu verzeichnen ?
All down.
- Der Anbieter mit dem neuen Preis, der nun unter dem alten liegt, kann seine Produzentenrente, seine Konsumentenrente und die gesamte Wohlfahrt erhohen ?
All up.
Das Gesetz galt 1979 als uberholt,
[3]
doch wurde es 1982 durch neue Ansatze teilweise rehabilitiert.
[4]
- Harold Hotelling:
Stability in Competition
. Economic Journal 59: 41?57, (1929)
- ↑
Max Apel/Peter Ludz,
Philosophisches Worterbuch
, 1958, S. 110
- ↑
Harold Hotelling,
Stability in Competition
, in:
Economic Journal
59 (153), 1929, S. 41
- ↑
Claude d'Aspremont/Jean Jaskold Gabszewicz/Jacques F. Thisse,
On Hotelling's "Stability in Competition
, in: Econometrica. Band 47, Nr. 5, September 1979, S. 1145
- ↑
Konrad Stahl,
Differentiated Products', Consumer Search and Locational Oligopoly
, in: Journal of Industrial Exonomics 31, 1982, S. 97?114