Prager Fruhling

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Einwohner von Prag mit tschechoslowakischer Flagge vor einem brennenden sowjetischen Panzer

Der Prager Fruhling ( tschechisch Pra?ske jaro , slowakisch Pra?ska jar ) ist die Bezeichnung fur das Streben der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KS?, deutsch meist KP?) unter Alexander Dub?ek im Fruhjahr 1968, ein Liberalisierungs - und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen, sowie vor allem die Beeinflussung und Verstarkung dieser Reformbemuhungen durch eine sich rasch entwickelnde kritische Offentlichkeit.

Mit dem Begriff ?Prager Fruhling“ verbinden sich zwei gegensatzliche Vorgange: einerseits der Versuch, einen ?Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ (tschechisch: socialismus s lidskou tva?i ) zu schaffen, andererseits aber auch die gewaltsame Niederschlagung dieses Versuchs durch am 21. August 1968 einmarschierende Truppen des Warschauer Paktes .

Die Bezeichnung ?Prager Fruhling“ stammt von westlichen Medien und ist eine Fortfuhrung des Begriffs Tauwetter-Periode , der wiederum auf den Titel des Romans Tauwetter von Ilja Ehrenburg zuruckgeht.

Ab dem Beginn der 1960er-Jahre befand sich die ?SSR in einer tiefgreifenden okonomischen und gesellschaftlichen Krise: Das burokratisch-zentralistische Planungssystem hatte zu einer dramatischen Stagnation der Wirtschaft ? auch im Vergleich zu den anderen RGW-Staaten  ? gefuhrt; die Kommunistische Partei wurde von einer stalinistisch gepragten Fuhrungsspitze dominiert. Sie ließ zum Beispiel eine Aufarbeitung der politischen Schauprozesse (siehe hierzu z. B. Milada Horakova , Slansky-Prozess ) in der Gottwald-Ara der spaten 1940er- und fruhen 1950er-Jahre nicht zu.

Wirtschaftsreformdebatten

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mit dem Hohepunkt der Wirtschaftskrise 1963 wurden schließlich reformerische Stimmen innerhalb und außerhalb der Partei lauter. Unter der Fuhrung des Zentralkomiteemitglieds und Leiters des Wirtschaftsinstituts an der Prager Akademie der Wissenschaften Ota ?ik bildete sich eine technokratische Opposition, die grundlegende Wirtschaftsreformen forderte. Nach der Ansicht ?iks sollte die Planwirtschaft zugunsten einer ? sozialistischen Marktwirtschaft “ ? unter Befreiung der Betriebe von staatlicher Fuhrung und Abbau der Burokratie ? aufgegeben werden. Unter anderem schlug ?ik auch die Zulassung autonomer Gewerkschaften und privat gefuhrter Kleinbetriebe, Joint Ventures mit westlichen Firmen, die Einfuhrung einer Arbeiterselbstverwaltung und das Ende der staatlichen Lenkung der Preisbildung vor.

Ota ?ik ? der sich nicht als Revolutionar, sondern angesichts der prekaren Lage der tschechoslowakischen Wirtschaft als Reformer verstand ? ging nicht so weit, die Kollektivierung der Landwirtschaft und das Volkseigentum an den Produktionsmitteln in Frage zu stellen.

Slowakische Nationalpolitik

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Jahr 1960 nahm die Tschechoslowakei die sozialistische Verfassung an. In dieser neuen Verfassung kam es zu einer wesentlichen Einengung der Kompetenzen der slowakischen nationalen Organe, die Vollmachten des Slowakischen Nationalrates wurden an die Ministerien in Prag ubertragen. In der Folgezeit erfuhr die Slowakei durch die Integration in die kommunistisch regierte Tschechoslowakei zwar einen großen Modernisierungsschub, bezahlte diesen jedoch mit dem Fehlen politischer Partizipation. Beschlusse der Kommunistischen Partei der Slowakei (KSS) mussten vor der Verabschiedung in Prag genehmigt werden. Seit 1963 hatte Alexander Dub?ek das Amt des Ersten Sekretars der KSS inne. Er setzte sich fur die Rehabilitierung der in den 1950er-Jahren verurteilten slowakischen Kommunisten ein und schuf ein liberales Klima in der Slowakei (liberaler als in Prag), das vor allem die slowakischen Journalisten und Schriftsteller nutzten.

In der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei stand Dub?ek in Opposition zu Antonin Novotny , dem Ersten Sekretar des Zentralkomitees der KP? und Prasidenten der ?SSR. Dub?ek wollte unter anderem diese beiden Amter nicht mehr in einer Person vereinigt wissen und forderte außerdem die Erhohung der Machtbefugnisse der slowakischen Organe. Novotny nannte Dub?ek einen slowakischen Nationalisten und plante dessen Absetzung. Ihren Hohepunkt erreichte die Auseinandersetzung Novotny-Dub?ek im Dezember 1967. Aber Novotny ?verlor“: am 5. Januar 1968 stellte er seine Funktion als erster Sekretar der Partei zur Verfugung.

Die slowakische nationale Bewegung war ein entscheidender Faktor fur den Beginn des Prager Fruhlings.

Kritische Offentlichkeit

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fur die kritische Intelligenz erweiterten sich in einem ?Klima unwillig tolerierter Liberalisierung und relativ wirkungsloser Repressalien seitens der politischen Institutionen“ [1] die Moglichkeiten einer offentlichen Meinungsaußerung, die von einer breiten Bevolkerungsschicht immer aufmerksamer verfolgt wurden. Bis zum Ende des Jahres 1967 wuchs die kritische Offentlichkeit immer mehr an und radikalisierte sich dabei in ihrer Kritik zunehmend.

Ein fruhes Anzeichen dieser Veranderungen war die ?Rehabilitierung“ des lange verfemten Franz Kafka , dessen literarische Geltung auf einer internationalen Schriftstellertagung auf Schloss Liblice am 27. und 28. Mai 1963 zur Debatte gestellt wurde. Auf dieser als Kafka-Konferenz bekanntgewordenen Tagung handelte es sich um eine politische Diskussion auf dem Feld der Literaturwissenschaft, wobei Gegenstand der Debatte im Wesentlichen der zentrale marxistische Begriff der Entfremdung war. Gegen die Meinung vor allem der Teilnehmer aus der DDR, die Kafka als Opfer eines Personenkults sahen und dafurhielten, dass es die von Karl Marx postulierte Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit im Sozialismus nicht mehr geben konne, vertraten die tschechoslowakischen Delegierten mit dem Osterreicher Ernst Fischer die Auffassung, dass dies sehr wohl der Fall sein konne und dass man die Dinge so sehen solle, wie sie lagen.

Die Diskussion der Kafka-Konferenz wurde von der Literaturzeitung Literarni noviny aufgegriffen und weitergefuhrt. Diese Zeitschrift war in der Folgezeit ein Hauptschauplatz der Auseinandersetzung zwischen den Ideologen und den Idealisten. Die Zeitschrift erreichte eine fur ein Land wie die Tschechoslowakei beachtliche Auflage von 140.000 Exemplaren. Sie hatte sich zunehmend mit Sanktionen des Zentralkomitees der KP? zu befassen. Der Chefredakteur wurde ausgewechselt, doch sein Nachfolger konnte wenig ausrichten. Auf einem Kongress des Schriftstellerverbandes im Juni 1967 ubten die von Literarni noviny entsandten Delegierten (drei Redakteure der Zeitschrift Ivan Klima , Antonin Jaroslav Liehm und Ludvik Vaculik [2] ) erstmals direkte Kritik an der Parteifuhrung.

Staats- und Parteichef Antonin Novotny reagierte mit einer offentlichen Erklarung, wonach der Kongress Teil einer vom Ausland gesteuerten Kampagne gegen die anstehenden Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution sei. Die KP? befahl die Umbildung der Redaktion der Zeitschrift und verbot einer Anzahl der Kongressteilnehmer, darunter Pavel Kohout und Vaclav Havel , bei den Wahlen des Schriftstellerverbands zu kandidieren. Die oben genannten drei Redakteure wurden aus der Partei ausgeschlossen, andere Teilnehmer ? wie etwa Kohout ? erhielten Verwarnungen. Die Zeitschrift wurde dem Kulturminister Karel Hoffmann unterstellt und bußte augenblicklich ihre Funktion als Dissidentenorgan ein. Alles dies wurde jedoch als Anzeichen gesehen, dass Novotny Schwierigkeiten hatte, sich wie einst auf der Stelle durchzusetzen. So fuhrten die Sanktionen stattdessen zu einem breiten Protest von Journalisten, Kunstlern und Schriftstellern. Eine ?gesetzlich ungeregelte, aber disziplinierte Presseanarchie“ begann sich zu entwickeln. [3] Im Marz 1968 wurde die Zensur schließlich abgeschafft.

Fuhrungswechsel in der KP?

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 31. Oktober 1967 protestierten Studenten gegen die Zustande in ihren Wohnheimen. Staats- und Parteichef Antonin Novotny ließ die Proteste gewaltsam auflosen, was ihm im Zentralkomitee jedoch massive Kritik eintrug. Auch die Sowjetunion, an die Novotny sich daraufhin wandte, gab ihm zu verstehen, dass er nicht mit Hilfestellung aus Moskau rechnen konne, vielmehr mit seinen Problemen selbst fertigwerden solle. Zum Jahresbeginn 1968 entluden sich die jahrelangen Spannungen zwischen dem linksdogmatischen und dem reformerischen Flugel der KP?. Auf dem so genannten Januartreffen des Zentralkomitees der KP? am 4. Januar 1968 wurde Novotny als Erster Sekretar der KP? vom Ersten Sekretar der Kommunistischen Partei der Slowakei Alexander Dub?ek abgelost und behielt lediglich fur einige Zeit das machtpolitisch wenig bedeutende Amt des Prasidenten der Republik.

Der Fuhrungswechsel markierte ? nach einigen Wochen Unklarheit uber die neue Richtung ? den Auftakt zu dem Reformkurs der tschechoslowakischen Regierungspartei, der in Verbindung mit dem Druck der kritisch gewordenen Offentlichkeit zum Phanomen ?Prager Fruhling“ fuhrte. Dub?ek versuchte zunachst, die Reformer in ihrem Eifer etwas zu bremsen, um nicht den Argwohn der anderen Ostblockstaaten auf sich zu ziehen. Diese begannen bereits, den Kurs der Tschechoslowakei zu kritisieren. Ota ?ik wurde deshalb nicht wie gefordert Mitglied des Parteiprasidiums, zudem wurde ihm auch nicht die Leitung des Wirtschaftsausschusses ubertragen. Vielmehr zielte Dub?ek zunachst auf eine Reform der bundesstaatlichen Verfassung ab, die den Slowaken mehr Selbstverwaltungsrechte zugestehen sollte.

Als programmatische Grundlage fur die Reformen diente das am 5. April 1968 vorgestellte Aktionsprogramm der KS?, das insbesondere auf Wirtschaftsreformen, Meinungs- und Informationsfreiheit, eine Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit und eine allgemeine Neuausrichtung der Rolle der Kommunistischen Partei in der Gesellschaft zielte. Dieser parteipolitische Reformkurs war allerdings nicht zuletzt infolge der Aufhebung der Zensur in vielerlei Hinsicht schon in der offentlichen Diskussion uber die Neugestaltung der Gesellschaft vorweggenommen worden. Die wesentlichen Punkte des Aktionsprogramms wurden auch durch die Regierungserklarung der ersten Regierung Old?ich ?erniks ubernommen, welche am 8. April 1968 die Regierung Jozef Lenart abloste.

Die Ziele des ?Prager Fruhlings“ und das Aktionsprogramm der KP?

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Stimmung in der Bevolkerung war uberwiegend gepragt von ?Zustimmung zum Sozialismus, allerdings nur zu einem reformierten, demokratischen“, [4] nicht von der Forderung einer ?Abschaffung des Sozialismus“. Bei einer Umfrage im Juli 1968 sprachen sich 89 % der tschechoslowakischen Bevolkerung fur eine Beibehaltung des Sozialismus aus. In derselben Umfrage außerten sich lediglich 7 % der Bevolkerung unzufrieden mit der Regierung Dub?eks, der in seinem Programm einen ?Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ propagierte. Das grundlegende Ziel war also, einen neuen Sozialismus zu denken, ?ohne selbsternannte Fuhrer […], ohne graue Arbeitsstatten und ohne gefuhlslose Burokratie“. [5] Im Gegenzug sollte der ?Mensch Wert uber allen Werten sein“ [5] und das System den Gegebenheiten der ?SSR angepasst werden, anstatt blind von Moskau zu kopieren. [6] Die fuhrende Rolle behielt dabei immer die KP? , besonders als der Druck von außen zu wachsen begann.

Auf dem Gebiet der politischen Struktur wurde eine Liberalisierung aller Lebensbereiche geplant, so etwa auch des Aufbaus der KP? selbst. Der Zentralismus sollte abgebaut werden, Machtkonzentrationen, gerade um Einzelpersonen, sollten verhindert werden, innerparteiliche Demokratie und eine Ruckkehr zu einem parlamentarischen Modell mit burgerlichen Parteien sollten aufgebaut werden. [7] [8]

Im Rechtssystem sollten Pluralismus und Meinungsfreiheit starker ausgebaut werden und in der Praxis Anwendung finden. In diesem Zusammenhang steht auch die haufig geforderte Rehabilitierung der Opfer der Prozesse der ?funfziger Jahre“.

Fuhrender Architekt der Wirtschaftsreformen war Ota ?ik , der ein Modell einer ?humanen Wirtschaftsdemokratie“ entworfen hatte. Demnach sollte die zentrale Planung der Wirtschaft auf ein Minimum reduziert werden, im Mittelpunkt sollten dagegen gegeneinander konkurrierende Betriebe stehen, die sich ? zumindest formell ? im Besitz ihrer Arbeiter befanden. Die wissenschaftlich-technische Revolution sollte dadurch vorangetrieben werden. [9] In den Betrieben selbst gab es ein starkes Bestreben nach Strukturen, in denen Beschaftigte und externe Interessengruppen, wie Vertreter der Region, die Entscheidungsgewalt haben und eng zusammenarbeiten. [10]

Die Umsetzung dieser Reformplane ware einer Hinwendung zu einem Wirtschaftssystem wie dem Jugoslawiens oder einem noch starker an Marktmechanismen orientierten gleichgekommen. Nach der Wende gab Ota ?ik in einem Interview an, niemals tatsachlich eine Reform des Sozialismus, sondern vielmehr dessen Abschaffung im Sinn gehabt zu haben.

Die Freiheit von Presse, Wissenschaft, Information und Reisen waren wichtige Schritte auf dem Weg zum angestrebten kulturellen Pluralismus. [11] Dieser kulturelle Pluralismus betraf insbesondere auch die verschiedenen Nationalitaten innerhalb der ?SSR. Den Minderheiten sollte kulturelle Selbstbestimmung und Entfaltung gewahrt werden [12] und der Slowakei eine staatsrechtliche Gleichberechtigung in Form einer Foderalisierung der ?SSR. Auf der slowakischen Halfte der ?SSR lag hier auch das Hauptaugenmerk. [13]

Außenpolitisch war das oberste Ziel Sicherheit in Europa. Gerade die Losung des Problems um die beiden gegeneinander stehenden deutschen Staaten war hier von essentieller Bedeutung, genau wie die guten Beziehungen der ?SSR zu ganz Europa. [14] Die Reformer gaben vor, dass sich die ?SSR weiterhin klar an den Staaten des Warschauer Pakts orientieren wurde, nur die Beziehungen innerhalb des Bundnisses sollten weg von der sowjetischen Vormacht hin zu einer gleichberechtigten Partnerschaft gehen. Gleichzeitig sollten die Ideen des ?Prager Fruhlings“ in andere Lander in Ost und West weiter getragen werden. [15] Es ist jedoch unklar, ob dabei eher aus taktischen Grunden Zugestandnisse an das sozialistische Lager gemacht wurden, um einer Intervention Moskaus zuvorzukommen.

Festgehalten wurden diese Ziele im Aktionsprogramm der KP? vom 5. April 1968, das auf der Plenarsitzung des Zentralkomitees vom 29. Marz bis zum 5. April beschlossen wurde. Allerdings konnten die genannten Ziele nur eine grobe Richtung vorgeben, markierten sie doch nur die Richtung eines laufenden Prozesses, der durch konstante gesamtgesellschaftliche Diskussion immer weiter entwickelt und erst durch politische Maßnahmen konkret werden sollte. [13]

Emanzipation der Offentlichkeit

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Noch im Februar 1968 hatte Dub?ek die Pressezensur aufgehoben. In den Medien des Landes fand daraufhin eine ?wahre Informationsexplosion“ [16] statt. Dementsprechend wurde das Aktionsprogramm in der Offentlichkeit wenig begeistert, sondern vielmehr als selbstverstandlich aufgenommen, die Meinungsfuhrerschaft hatte inzwischen von der Partei zum Volk gewechselt.

Ein Zeugnis dieser Emanzipation der Offentlichkeit bildete das von Intellektuellen verschiedener Couleur unterzeichnete Manifest der 2000 Worte des Schriftstellers Ludvik Vaculik vom Juni 1968 wie auch die im Fruhjahr entstandenen Vereinigungen K 231 oder KAN .

Der Stern berichtete in seiner Ausgabe Nr. 36 vom 8. September 1968 uber die Aktivitaten des ?Sendebataillons 701“ fur Psychologische Kampffuhrung der Bundeswehr , das wahrend des Prager Fruhlings mit Geheimsendern wie ?Freies Radio Tschechoslowakei“, ?Freies Radio Nordbohmen“ und ?Radio Nummer sieben“ auf den Frequenzen ausgeschalteter ?SSR-Stationen sendete. Dabei wurden unter anderem Falschmeldungen durchgegeben, zum Beispiel, dass Dub?ek ermordet sei oder ein Kinderkrankenhaus in Prag zusammengeschossen ware. Der Stern dementierte diesen Bericht spater, aber es wurden auf Grund des Artikels gegen die Zeitschrift Vorwurfe des Landesverrats erhoben. [17]

Reaktion der Sowjetunion

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Sowjetunion , die den Machtwechsel von Novotny zu Dub?ek zunachst gutgeheißen hatte, dann aber schnell eine außerst skeptische Position zur tschechoslowakischen Entwicklung einnahm, wertete das Manifest der 2000 Worte als eine Plattform der Konterrevolution . Hierin wurde sie durch den stellvertretenden Ministerprasidenten Gustav Husak bestarkt, der von einer ?Atmosphare des Terrors“ sprach.

Antonin Novotny (er war am 5. Januar 1968 zum Rucktritt als Parteichef und am 22. Marz auch zum Rucktritt als Prasident gezwungen und im Juni aus dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ausgestoßen worden) meldete bei zwei Besuchen bei der sowjetischen Regierung, die KP unter Dub?ek stehe kurz davor, das Machtmonopol der KP aufzugeben. [18]

Schon am 21. Marz 1968 waren im Schloss Grillenburg bei Dresden Regierungsvertreter der ?SSR mit denen der Sowjetunion , Bulgariens , Ungarns , Polens und der DDR  ? die spater als ?Warschauer Funf“ bezeichneten Staaten, die letztlich auch die Intervention durchfuhrten, wenngleich die DDR nicht direkt einmarschierte ? zusammengekommen, um uber die Lage in der Tschechoslowakei zu sprechen. [19] Weitere Treffen der ?Warschauer Funf“ zum Thema fanden, diesmal ohne tschechoslowakische Beteiligung, im Mai und Juni statt. Dabei wuchs der sowjetische Druck auf die Prager Regierung, die Reformen deutlich einzudammen. Auch eine militarische Intervention gehorte bald zu den Drohungen, mit denen der Warschauer Pakt Druck auf sein reformorientiertes Mitglied ausubte.

Wenige Tage nach bilateralen Gesprachen zwischen der tschechoslowakischen und der sowjetischen Regierung fand am 3. August in Bratislava das letzte offizielle Treffen zwischen der Tschechoslowakei und den ?Warschauer Funf“ statt. Das in Bratislava verabschiedete Abschlusskommunique wurde in der ?SSR als Zeichen der Entspannung gewertet, da den verschiedenen Parteien eine nationale Souveranitat auf ihrem Weg zum Sozialismus eingeraumt werden sollte. Tatsachlich wurden nach dem Treffen die laufenden sowjetischen Vorbereitungen zum Einmarsch in die Tschechoslowakei intensiviert.

Spatere Forschungen zeigen, dass Leonid Breschnew (anders als verbreitet angenommen) ein militarisches Eingreifen zu verhindern versuchte und bis zuletzt an die Moglichkeit einer politischen Losung glaubte. [20] In Verkennung der tatsachlichen Situation in der Tschechoslowakei soll er seinen Duzfreund Dub?ek am Telefon regelrecht angefleht haben, das Notige zur Wiederherstellung der Vorherrschaft der KP? zu unternehmen. [21] Demgegenuber forderten die Staats- und Parteichefs der DDR und Bulgariens, Walter Ulbricht und Todor Schiwkow , sowie Vertreter des Militars wie Marschall Gretschko entschieden die umgehende militarische Niederschlagung der Reformbewegung. Diese aus einer Analyse der internen Gesprache der sowjetischen Parteifuhrung gewonnenen Erkenntnisse lassen die spateren Verlautbarungen der sowjetischen Fuhrung, man sei bis zum letzten Moment verhandlungsbereit gewesen, nicht mehr glaubhaft erscheinen.

Außerdem hatte die stalinistische tschechoslowakische Opposition das Treffen in Bratislava dazu genutzt, Leonid Breschnew den sogenannten Einladungsbrief zukommen zu lassen, mit dem sie um eine Intervention zur Verhinderung einer Konterrevolution in der ?SSR baten.

Warschauer Brief an die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei

Der Warschauer Brief an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (?SSR) vom 15. Juli 1968 wird als Vorlaufer der Breschnew-Doktrin verstanden: in dem Brief werden die Grunde fur das Eingreifen bereits fruhzeitig genannt ? die Gefahr einer Lostrennung der Tschechoslowakei von der sozialistischen Gemeinschaft durch ?feindliche Krafte“. Der Brief wurde 37 Tage vor dem Einmarsch von Truppen in die Tschechoslowakei abgeschickt. [22]

Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Sowjetische Panzer auf dem Altstadter Ring in Prag

In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten [23] der Sowjetunion , Polens , Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Es war die großte Militaroperation in Europa seit 1945. [24] Die SR Rumanien beteiligte sich demonstrativ nicht an der Invasion. Nicolae Ceau?escu verurteilte den Einmarsch auf einer Kundgebung am 21. August 1968 in Bukarest mit scharfen Worten und erklarte: ?Der Gedanke einer militarischen Intervention in die Angelegenheiten eines sozialistischen Bruderstaates kann durch nichts gerechtfertigt werden, und kein Grund kann gebilligt werden, der diesen Gedanken auch nur fur einen Augenblick als annehmbar erscheinen lasst.“ [25] Fur die SVR Albanien , seinerzeit noch formales Mitglied des Warschauer Pakts, war der Einmarsch der Anlass zum Austritt aus dem Vertragsbundnis, der am 5. September 1968 auf einer Tagung der Partei der Arbeit Albaniens verkundet wurde. [26] Die Nationale Volksarmee der DDR nahm an der Besetzung nicht teil, obwohl an der Grenze zur ?SSR zwei Divisionen bereitstanden. [27] Etwa 30 Soldaten einer NVA-Nachrichteneinheit weilten wahrend der Militaraktion im Fuhrungsstab der Invasionstruppen auf dem Truppenubungsplatz Milovice .

Beim Einmarsch starben 98 Tschechen und Slowaken sowie etwa 50 Soldaten der Invasionstruppen.

Die KP? beschloss, keinen militarischen Widerstand zu leisten. Die NATO verhielt sich ruhig, um der Sowjetunion keinen Vorwand fur eine Intervention zu liefern. [28]

Der Staatsprasident der Tschechoslowakei, Ludvik Svoboda , forderte Tschechen und Slowaken in einer Radioansprache dazu auf, Ruhe zu bewahren. Dub?ek und andere hochrangige Regierungsmitglieder wurden festgenommen und nach Moskau gebracht. Dort setzte man sie unter Druck und entmachtete sie schrittweise zugunsten des linientreuen Gustav Husak. In der Tschechoslowakei funktionierte der eigentliche Plan der Sowjetunion, eine neue Regierung zu prasentieren, aufgrund des gewaltlosen, geschlossenen Protests der Bevolkerung des okkupierten Landes nicht. Auch die Behauptung, die KP? habe um den Einmarsch ersucht, wurde von tschechoslowakischer Seite geschlossen dementiert: Fur die tatsachlichen ?Verschworer“ war das Meinungsklima in der Tschechoslowakei zu ungunstig, um eine offene Palastrevolution verkunden zu konnen. In den Wirren der ersten Tage der Besatzung gelang es der KP? sogar, einen außerordentlichen Kongress der Nationalversammlung einzuberufen, auf dem der Einmarsch ausdrucklich verurteilt und die Regierung Dub?ek im Amt bestatigt wurde.

Erklarung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 21. August 1968 verbreitete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine offizielle Erklarung zum Einmarsch von Truppen in die Tschechoslowakei: ?TASS ist bevollmachtigt zu erklaren, dass sich Personlichkeiten der Partei und des Staates der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik an die Sowjetunion und die anderen verbundeten Staaten mit der Bitte gewandt haben, dem tschechoslowakischen Brudervolk dringend Hilfe, einschließlich der Hilfe durch bewaffnete Krafte, zu gewahren. Dieser Appell wurde ausgelost, weil die in der Verfassung festgelegte sozialistische Staatsordnung durch konterrevolutionare Krafte gefahrdet wurde, die mit den dem Sozialismus feindlichen außeren Kraften in eine Verschworung getreten sind. … Die weitere Zuspitzung der Situation in der Tschechoslowakei beruhrt die Lebensinteressen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Lander, die Interessen der Sicherheit der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft. Die Gefahr fur die sozialistische Ordnung in der Tschechoslowakei ist gleichzeitig auch eine Gefahr fur die Grundfesten des europaischen Friedens.“ [29]

Nichtbeteiligung der DDR

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Propagandafoto des ADN vom 5. September 1968. Der Stellvertretende Minister fur Nationale Verteidigung der DDR Siegfried Weiß besucht Einheiten und Truppenteile der NVA, ?die an den gemeinsamen Handlungen der Bruderarmeen zum Schutze der sozialistischen Errungenschaften in der CSSR teilnahmen“

Bereits im Mai 1968 war die Gefechtsbereitschaft der Grenztruppen der DDR erhoht worden. Die 7. Panzer- und die 11. motorisierte Schutzendivision der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) unterstanden ab dem 29. Juli 1968 dem sowjetischen Oberkommando. Am Morgen des 21. August wurde der zivile Grenzverkehr in die ?SSR eingestellt. Einige grenznahe Orte wurden isoliert und durften nur noch von Einwohnern betreten werden. Ebenfalls an diesem Tag nahm der Propagandasender Radio Vltava seinen Betrieb auf. Er wurde von der DDR betrieben und vom Sender Wilsdruff bei Dresden in Richtung Tschechoslowakei auf Mittelwelle ausgestrahlt. Ziel war es, die Bevolkerung im Sinne der Warschauer-Pakt-Staaten zu beeinflussen. Der Sender stellte im Fruhjahr 1969 nach massiven Protesten der Tschechoslowakei den Betrieb ein.

An der Invasion selbst nahmen keine NVA-Truppen teil. [30] Der Entschluss daruber fiel erst wenige Stunden vor dem Beginn des Einmarsches und wurde der NVA-Fuhrung vom Oberkommandierenden der Warschauer Vertragsorganisation Marschall Jakubowski mitgeteilt. Vermutlich sollten die Burger der ?SSR im dreißigsten Jahr nach dem Munchener Abkommen nicht durch den Anblick von Invasoren in deutscher Uniform zusatzlich verbittert werden. In Massenmedien der Paktstaaten wurden dennoch amtliche Stellungnahmen verbreitet, in denen eine Teilnahme der NVA behauptet wurde.

Die Regierung der DDR wertete die Reduzierung der Rolle der NVA auf lediglich unterstutzende Maßnahmen als eine Zurucksetzung. [31] Sie tauschte die DDR-Bevolkerung absichtlich, indem sie Reportagen vom Einsatz der NVA-Truppen in der Tschechoslowakei verbreiten ließ. Einige westliche Journalisten fielen darauf herein und verbreiteten sie ebenfalls. [32]

Am 23. August wurde die 11. motorisierte Schutzendivision naher an die tschechoslowakische Grenze in den Raum Adorf ? Auerbach ? Oelsnitz verlegt. Die Truppen wurden am 16. Oktober 1968 wieder dem Oberkommando der NVA unterstellt und einen Tag spater in ihre Kasernen zuruckverlegt.

Ziviler Widerstand

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Dem Beschluss der KP? gemaß rief Dub?ek dazu auf, auf gewaltsamen Widerstand zu verzichten, da dieser aussichtslos sei. Dennoch kam es zu vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen der Zivilbevolkerung und den Invasoren. Am ersten Tag des Einmarschs starben 23 Tschechoslowaken und bis zum 1. September 71 Tschechoslowaken. Der Historiker Old?ich T?ma erklarte zur Gewaltlosigkeit: ?Uber die ein oder zwei Falle, in denen tatsachlich schon vor dem 21. August 1968 Waffen gefunden wurden, ist […] bekannt, dass es eine Provokation des sowjetischen Geheimdienstes“ war: [28]

Die tschechische und slowakische Bevolkerung versuchte, durch zivilen Ungehorsam und verschiedene Aktionen die Besetzung zu verlangsamen. Es war ein keineswegs ? passiver Widerstand “, [33] sondern ein aktiver: zum Beispiel wurden Ortstafeln und Straßenschilder verdreht, ubermalt, zerschlagen oder abmontiert, um ortsunkundigen Besatzern die Orientierung zu erschweren. [34] Tschechoslowakische Eisenbahner leiteten Nachschubzuge fur die Rote Armee auf Abstellgleise. [35] Tausende zumeist selbstgezeichnete oder selbstgedruckte Plakate, die die Besatzer verspotteten und zum passiven Widerstand aufriefen, wurden vorwiegend in Prag und Bratislava, aber auch in anderen Stadten verteilt und an Hauserwande und Schaufenster geklebt. [36] Auch der damalige Tschechoslowakische Rundfunk spielte eine große Rolle. [37] So wurde unter dem damaligen Leiter Zden?k Hejzlar eine mobile Sendestation eingesetzt, um die Bevolkerung zu informieren. Auch der ORF spielte dabei eine große Rolle, indem er die Tschechoslowaken via Kurzwelle -Sendeanlagen in Osterreich informierte. Im eigenen Land wurden sie uber die Ereignisse gar nicht bzw. teils falsch informiert. Daneben spielten auch Piratensender eine wichtige Rolle, die von den sowjetischen Besatzungstruppen ebenfalls nicht vollig ausgeschaltet werden konnten.

Transparent einer Demonstration in Moskau in russischer Sprache: ?Fur Eure und unsere Freiheit“

Solidaritatskundgebungen in mehreren Stadten der Sowjetunion wurden totgeschwiegen und die Demonstranten verschwanden in Gefangnissen. [38]

Im Rahmen von Protesten in der DDR wurden laut Ministerium des Innern vom 21. August bis 4. September 1968 468 Demonstranten festgenommen und insgesamt die Personalien von 1075 Personen festgestellt.

Das Ende des Prager Fruhlings

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Demonstration in Helsinki

Am 23. August, zwei Tage nach dem Beginn der Intervention, wurde Prasident Ludvik Svoboda offiziell zu Verhandlungen nach Moskau gerufen, an denen auf seine Forderung hin ? zunachst nur inoffiziell ? auch die in Haft gehaltenen Regierungsmitglieder um Dub?ek teilnahmen.

Das drei Tage spater verabschiedete Moskauer Protokoll enthielt eine Aufhebung fast aller Reformprojekte. Mit diesem Ergebnis einer faktischen Kapitulation im Gepack kehrte Dub?ek, der vorerst noch in seinen Amtern belassen wurde, nach Prag zuruck, wo er zunachst noch einmal begeistert empfangen wurde. Bald darauf wurde der Bevolkerung der ?SSR klar, dass der ?Prager Fruhling“ vorbei war.

Als Folge der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen der Staaten des Warschauer Paktes verließen zehntausende Menschen, in erster Linie Facharbeiter und Intellektuelle, das Land. Rund 96.000 Menschen fluchteten nach Osterreich , weitere 66.000 Urlauber kehrten nicht aus Osterreich in die Tschechoslowakei zuruck. [39] Andere fluchteten uber die Grenze nach Bayern. [40]

Wahrend der von Husak initiierten Sauberungen innerhalb der kommunistischen Partei wurden fast 500.000 Mitglieder aus der KS? ausgeschlossen .
Am 16. Januar 1969 verbrannte sich der Student Jan Palach aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Fruhlings auf dem Wenzelsplatz . Am 25. Februar 1969 verbrannte sich dort auch der Student Jan Zajic .

Rezeption im Ausland

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Italien und Frankreich

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In Italien und Frankreich wurde der sowjetische Einmarsch nicht nur von einer liberalen Offentlichkeit, sondern auch von der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) und von der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) offentlich verurteilt. Dies galt als Symptom einer zunehmenden Loslosung von Moskau; diese wurde zu einem der Grundungsmomente des Eurokommunismus . Die SED-Spitze (damals unter Fuhrung von Walter Ulbricht ) hieß die Kritik nicht gut. Die SED bemuhte sich aus außenpolitischen Grunden trotzdem, weiterhin enge Beziehungen zur PCI und zur PCF zu pflegen. [41]

Bundesrepublik Deutschland

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Wandzeitung der CDU zum Prager Fruhling

Der Prager Fruhling und seine Niederschlagung wurde in der Bundesrepublik Deutschland wie kaum ein anderes außenpolitisches Ereignis beachtet und kommentiert. Dabei war das Interesse in allen Teilen der Offentlichkeit ahnlich groß: Sowohl die großen konservativen Zeitungen als auch die kleinen linksoppositionellen Blatter brachten die Ereignisse auf ihre Titelseiten. So beobachtete einerseits die burgerliche Presse den tschechoslowakischen Versuch, einen ?Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, mit großer Anteilnahme und fast durchweg positiven Kommentaren, interpretierte die Reformen dabei aber als angestrebte Nachholung des westlichen Standards von Freiheit und Demokratie.

Dagegen sah die außerparlamentarische Opposition der Bundesrepublik im Prager Fruhling einen ?dritten Weg“ , eine ?bisher unentdeckte sozialistische Demokratie “. [42]

Obwohl man nicht von einer bewaffneten Intervention in Osterreich ausging, hatten bereits am 23. Juli Besprechungen zwischen Innen- und Verteidigungsministerium uber die Moglichkeit von Interventionen und Maßnahmen zum Schutze Osterreichs stattgefunden. Diese Maßnahmen erhielten den Decknamen Urgestein , kamen spater jedoch nicht voll zum Tragen, da das Bundesheer dreißig Kilometer hinter der Grenze in Stellung gehen musste. [43]

Wegen der Manover befanden sich schon wochenlang Truppen des Warschauer Paktes auf tschechoslowakischem Staatsgebiet, wenn auch in relativ geringer Starke. Es handelte sich dabei im Wesentlichen um Logistik-Verbande, die den Einmarsch vorbereiten und anschließend koordinieren sollten. So wurde auch die osterreichische Regierung, zudem damals in der Urlaubszeit, von der Besetzung uberrascht. Als Sofortmaßnahme wurden dem sowjetischen Botschafter in Osterreich Protestnoten ? gegen die zahlreichen Aufklarungsfluge sowjetischer Luftstreitkrafte uber osterreichischem Hoheitsgebiet ? uberreicht.

Gleichzeitig wurde unter dem Decknamen ?Marschmusik fur Glockenspiel“ das Bundesheer alarmiert und mehr als drei Brigaden zur Verstarkung der nordlich der Donau gelegenen Garnisonen in das Waldviertel verlegt.

Um eine genugende Zahl aktiver Soldaten zur Verfugung zu haben, wurde die Entlassung der neun Monate dienenden Wehrpflichtigen durch einen Aufschubprasenzdienst fur die Dauer der ?Tschechenkrise“ aufgeschoben.

In Osterreich gab es Proteste gegen die ORF -Berichterstattung. Der erst seit 1967 rechtlich unabhangige ORF war seit dem Beginn der Operationen bestens informiert und konnte diese Meldungen auch an andere westliche Medien weitergeben. Daruber beschwerte sich der sowjetische Botschafter und es kam zu Konfrontationen zwischen der Bundesregierung und dem ORF, denen sich auch Bruno Kreisky anschloss, da der ORF unter der Leitung von Gerd Bacher , auch seiner Ansicht nach neutralitatswidrig berichtete. Dennoch gelang es dem osterreichischen Rundfunk als Informationsdrehscheibe fur die ganze Welt zu fungieren und laufend aktuelle Nachrichten anzubieten.

Eine besondere Rolle fur ausreisewillige Tschechoslowaken spielte der damalige osterreichische Botschafter in Prag und spatere Bundesprasident Rudolf Kirchschlager , der entgegen den Weisungen des Außenministers Kurt Waldheim die osterreichische Botschaft fur Fluchtwillige offenhielt und Visa fur Osterreich ausstellte. Damit verhalf Kirchschlager zahlreichen Personen zur Flucht. In der Folge kamen rund 210.000 Fluchtlinge nach Osterreich, von denen aber nur etwa 12.000 auch um Asyl ansuchten und in Osterreich blieben. [44] [45]

Am 25. August protestierten acht Personen am sogenannten Hinrichtungsplatz auf dem Roten Platz in Moskau mit einem Transparent ?Fur eure und unsere Freiheit“. [46]

Diplomatische Nachwirkungen in der Gegenwart

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bei seinem Treffen mit dem tschechischen Prasidenten Vaclav Klaus am 1. Marz 2006 raumte der russische Prasident Putin fur Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion eine moralische Verantwortung ein, sagte aber: ?Es gibt keine juristische Verantwortung und kann keine solche geben“. [47]

Im Juni 2015 wurde der russische Botschafter vom tschechischen Außenministerium einberufen, nachdem in einer Dokumentation im russischen Staatsfernsehen der Prager Fruhling als Putschversuch durch eine Vereinigung ?verurteilter ehemaliger Nazis, SS-Leute und Kollaborateure“ dargestellt und die Behauptungen von 1968 uber eine angebliche Einmischung der NATO wieder aufgenommen worden waren. [28] ?Das russische Fernsehen lugt“, sagte Prasident Milo? Zeman , wahrend Ministerprasident Bohuslav Sobotka die damaligen Vorgange eine ?Okkupation“ nannte. Die Versicherung des russischen Botschafters, dass die Dokumentation nichts mit der russischen Politik zu tun hatte, bezeichnete Außenminister Lubomir Zaoralek als ?lacherlich“. Der ehemalige Botschafter in Moskau, Petr Kola? , erklarte, die russischen Medien versuchten, ihre Sendungen in vorauseilendem Gehorsam dem Weltbild Prasident Putins anzupassen. [48]

  • Renata Schmidtkunz : Ende eines Fruhlings ? Prag 1968. AT, ORF, 45 Min., 2008. Inhalt: Zeitzeugen wie der damalige ORF -Generalintendant Gerd Bacher , Hugo Portisch, Helmut Zilk , Barbara Coudenhove-Calergi (AZ Wien) sowie zwei Wortfuhrer des Prager Fruhlings, Pavel Kohout und Ji?i Gru?a , heute Prasident des Internationalen P.E.N., erinnern sich und kommentieren seltene Archivaufnahmen. Die Vorhersehbarkeit des Einmarsches wird wiederholt genannt.
  • Lutz Rentner & Frank Otto Sperlich : Der Prager Fruhling und die DDR. DT, MDRFS, 45 Min., 2013, Erstausstrahlung 20. August 2013 (Dokumentation mit Archivaufnahmen). Inhalt: Junge Menschen in der DDR traumen davon, dass die DDR vom Prager Fruhling angesteckt wird. Unter anderem berichten Toni Krahl , Florian Havemann und Friedrich Schorlemmer von den Hoffnungen und Niederlagen, die sie mit dem Prager Fruhling verbanden.
  • Aktionsprogramm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. In: Volkszeitung, Prag, 16/1968, (19. April 1968), dtsch.
  • Gunter Bischof und weitere (Hrsg.): Prager Fruhling . Das internationale Krisenjahr 1968. Band   1 (Beitrage) und Band   2 (Dokumente). Bohlau , Koln 2008, ISBN 978-3-412-20231-6 (Veroffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts fur Kriegsfolgenforschung, Graz?Wien?Klagenfurt: Sonderband 9).
  • Heinrich Boll , Rene Boll (Hrsg.): Der Panzer zielte auf Kafka. Heinrich Boll und der Prager Fruhling. Kiepenheuer & Witsch, Koln 2018, ISBN 978-3-4620-5155-1 .
  • Stefan Bollinger : Dritter Weg zwischen den Blocken ? Prager Fruhling 1968. Hoffnung ohne Chance. Trafo, Berlin 1995. ISBN 3-930412-78-0 .
  • Zden?k Hejzlar: Reformkommunismus. Zur Geschichte der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Europaische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-434-00317-7 .
  • Birgit Hofmann: Der ≪Prager Fruhling≫ und der Westen. Frankreich und die Bundesrepublik in der internationalen Krise um die Tschechoslowakei 1968. Wallstein, Gottingen 2015, ISBN 978-3-8353-1737-6 .
  • Vladimir Horsky: Prag 1968. Systemveranderung und Systemverteidigung. (= Studien zur Friedensforschung. Band 14). Klett, Stuttgart / Kosel, Munchen 1975, ISBN 3-466-42114-4 .
  • Vladimir V. Kusin: The Intellectual Origins of the Prague Spring. The Development of Reformist Ideas in Czechoslovakia 1956?1967. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-52652-3 .
  • Daniel Limberger: Polen und der ?Prager Fruhling“ 1968, Reaktionen in Gesellschaft, Partei und Kirche. Lang, Bern 2012, ISBN 978-3-631-62259-9 , zugl. Dissertation Universitat Freiburg im Breisgau 2011.
  • Francesco Di Palma: Konflikt und Normalisierung. SED und PCI vor der Herausforderung des Prager Fruhlings (1968?1970). In: Arbeit ? Bewegung ? Geschichte , Heft II/2017, S. 128?144.
  • Zden?k Mlyna? : Der ?Prager Fruhling“. Ein wissenschaftliches Symposion. Bund, Koln 1983, ISBN 3-7663-0808-4
  • Jan Pauer: Prag 1968. Der Einmarsch des Warschauer Paktes. Hintergrunde, Planung, Durchfuhrung. Edition Temmen , Bremen 1995, ISBN 3-86108-314-0 .
  • Lutz Prieß, Vaclav Kural, Manfred Wilke : Die SED und der ?Prager Fruhling“ 1968. Akademie, Berlin 1996, ISBN 3-05-002796-7 .
  • Ota ?ik : Prager Fruhlingserwachen. Erinnerungen. Busse-Seewald, Herford 1988, ISBN 3-512-00841-0 .
  • Reinhard Veser : Der Prager Fruhling 1968. Landeszentrale fur politische Bildung Thuringen, Erfurt 1998, ISBN 3-931426-22-X ; 2., uberarbeitete Auflage 2008, ISBN 978-3-937967-31-8 .
  • Rudiger Wenzke : Die NVA und der Prager Fruhling 1968: Die Rolle Ulbrichts und der DDR-Streitkrafte bei der Niederschlagung der tschechoslowakischen Reformbewegung. (= Forschungen zur DDR-Geschichte. Bd. 5). Ch. Links, Berlin 1995, ISBN 3-86153-082-1 .
  • Martin Schulze Wessel : Der Prager Fruhling: Aufbruch in eine neue Welt. Reclam, Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011159-8 .
Commons : Prager Fruhling  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Prager Fruhling  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise und Fußnoten

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Eleonora Schneider: Prager Fruhling. S. 86.
  2. Literarni noviny (2) 1952?67, online auf: www.slovnikceskeliteratury.cz (Portal Slovnik ?eske literatury ? Lexikon der tschechischen Literatur)
  3. Jan Pauer: Der tschechoslowakische Reform- und Demokratisierungsprozess im Lichte der ?Perestroika“. In: Tilly Miller (Hrsg.): Prager Fruhling und Reformpolitik heute (= Akademiebeitrage zur politischen Bildung, Bd. 20). Olzog, Munchen 1989, S. 44?57, Zitat S. 50.
  4. Kural, Priess, Wilke (Hrsg.): Die SED und der ?Prager Fruhling“ 1968. S. 98.
  5. a b Otfrid Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. Munchen: DTV, 1968, S. 140.
  6. Peter-Claus Burens: Die DDR und der ?Prager Fruhling“. Duncker & Humblot, Berlin 1981, S. 50.
  7. Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. S. 42.
  8. Burens: Die DDR und der ?Prager Fruhling“. S. 36.
  9. Burens: Die DDR und der ?Prager Fruhling“. S. 37.
  10. Kural, Priess, Wilke (Hrsg.): Die SED und der ?Prager Fruhling“ 1968. S. 97.
  11. Burens: Die DDR und der ?Prager Fruhling“. S. 44.
  12. Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. S. 105.
  13. a b Hajek: Begegnungen und Zusammenstoße. S. 172.
  14. Pustejovsky: In Prag kein Fenstersturz. S. 141.
  15. Burens: Die DDR und der ?Prager Fruhling“. S. 48.
  16. Eleonora Schneider: Prager Fruhling. S. 75.
  17. Karl Heinz Roth : Invasionsziel DDR. Hamburg 1971, S. 178.
  18. Russen raus. In: Der Spiegel vom 15. Juli 1968.
  19. Reinhard Spehr in: Grillenburg. Landesamt fur Denkmalpflege Sachsen, Arbeitsheft 10, Dresden 2006, S. 78, Quelle 59, ISBN 978-3-937602-85-1 , und H. Fischer: Vor 30 Jahren: Warschauer Pakt im Tharandter Wald. In: Sachsische Zeitung, Freital, 29. April 1998.
  20. Forscher: DDR drangte auf Einmarsch bei Prager Fruhling. In: Kolner Stadt-Anzeiger , 9. November 2007.
  21. Breschnew wollte Einmarsch 1968 in Prag verhindern. ( Memento vom 5. Januar 2014 im Internet Archive ) Schweizer Radio DRS: Echo der Zeit, 16. November 2007.
  22. Warschauer Brief an das Zentralkomitee der KP der Tschechoslowakei vom 15. Juli 1968 und dessen Antwort (vollstandiger Text mit Antworten und Reaktionen), online beim Herder-Institut fur historische Ostmitteleuropaforschung .
  23. Norman Davies : Europe ? A History. Pimlico, London 1997, S. 1106.
  24. Friedrich Wiener: Die Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten. 6. Aufl., Wien 1974, S. 45.
  25. Nicolae Ceausescu, Rumanien auf dem Weg der Vollendung des sozialistischen Aufbaus. Band 3, Politischer Verlag, Bukarest 1969, S. 451.
  26. Geschichte der Partei der Arbeit Albaniens. Verlag "8 Nentori", Tirana 1981, S. 113.
  27. www.bundesarchiv.de ( 7. Panzerdivision und 11. motorisierte Schutzendivision )
  28. a b c Russische Doku zum Einmarsch 1968 ? der Mythos der ?Bruderhilfe“. Radio Prag, 6. Juni 2015
  29. Erklarung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS vom 21. August 1968 zum Einmarsch von Truppen der Sowjetunion, Bulgariens, der DDR, Polens und Ungarns in die ?SSR. Abgerufen am 23. Dezember 2020 .
  30. Im Dienste der Partei. Handbuch der bewaffneten Organe der DDR. Herausgegeben von Torsten Diedrich u. a. im Auftrag des Militargeschichtlichen Forschungsamtes , Marz 1998, S. 488f.
  31. Stefan Wolle (Lit.): Der Traum von der Revolte. S. 154.
  32. Stefan Wolle (Lit.): Der Traum von der Revolte. S. 153f.
  33. Der Begriff wird im Blick auf den Prager Fruhling noch gelegentlich verwendet, um auszudrucken, dass der Widerstand gewaltfrei war.
  34. Roland Vogt : Widerstandsformen in der CSSR als Antwort auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Truppen vom 21. August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 60?70, hier S. 67.
  35. Roland Vogt: Widerstandsformen in der CSSR als Antwort auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Truppen vom 21. August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 60?70, hier S. 69.
  36. Roland Vogt: Widerstandsformen in der CSSR als Antwort auf die Intervention der Warschauer-Pakt-Truppen vom 21. August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 60?70, hier S. 64.
  37. Vladimir Horsky: Zur inneren Logik des Widerstandes in der CSSR, August 1968. In: Soziale Verteidigung. Jg. 3 (1971), Heft 9/10, S. 51?60, hier S. 55?56.
  38. Michail Schischkin: Schamt ihr euch nicht? NZZ, 27. Januar 2017
  39. Silke Stern, Die tschechoslowakische Emigration. Osterreich als Erstaufnahme- und Asylland . In: Stefan Karner (Hg.), Prager Fruhling das internationale Krisenjahr 1968 . (Veroffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes fur Kriegsfolgenforschung, Sonderband 1, Graz/Wien/Klagenfurt 2008) 1025-1042, S. 1041. Zu Fluchtlingszahlen siehe auch Magdalena Klaus (2013): ?Asyl ?Transit ? Integration. Krisen am Eisernen Vorhang 1956 und 1968.“ S. 14?39 (mit uber 100 Belegen)
  40. uni-passau.de: Prager Fruhling und die Besetzung der Tschechoslowakei
  41. Francesco Di Palma: Konflikt und Normalisierung. SED und PCI vor der Herausforderung des Prager Fruhlings (1968?1970). In: Arbeit ? Bewegung ? Geschichte , Heft II/2017, S. 128?144.
  42. Ernst Fischer : Keine Romantiker in Prag. In: Neues Forum. Heft 173, 5/1968, S. 284.
  43. Uberraschung auf osterreichischer Seite. auf ORF (Archiv), abgerufen am 1. Juni 2022.
  44. Demokratiezentrum ? Asylpolitik , abgerufen am 16. August 2015.
  45. noe auf ORF
  46. ?Fur eure und unsere Freiheit“ (Protest am 25. August 1968) , dekoder.org, 24. August 2018
  47. vgl. Putin gesteht ?moralische Verantwortung“ fur Prager Fruhling ein. In: russlandonline.ru. 2. Marz 2006, abgerufen am 4. Januar 2014 .
  48. Geschichtsklitterung a la Putin , TAZ, 16. Juni 2015