Einhard
(nach eigener Schreibung
Einhart
, auch
Einhardt
; in den romanischen Sprachen
Eginhard
,
Eginardo
usw. mit nicht
palatalisiertem
g; * um 770 im
Maingau
; †
14. Marz
840
Kloster Obermulinheim,
[1]
heute
Seligenstadt
) war ein
frankischer
Laienabt
und Gelehrter.
Einhard, der als einer der herausragendsten Gestalten der
karolingischen Renaissance
gilt, war Nachfolger seines Lehrers
Alkuin
als Leiter der
Hofschule Karls des Großen
. Sein bedeutendstes und bekanntestes Werk ist die
Vita Karoli Magni
, die
Biografie
Karls des Großen
.
Er war auch Ratgeber
Ludwigs des Frommen
sowie
Laienabt
der Kloster
St. Peter
und
St. Bavo
in
Gent
,
St. Servatius
in
Maastricht
,
Saint-Cloud
bei
Paris
,
Saint-Wandrille
in der Normandie,
St. Johannes der Taufer
in Pavia,
[2]
St. Peter
in Fritzlar,
Steinbach
bei
Michelstadt
im
Odenwald
und
Seligenstadt
.
Wegen seines technischen Talents erhielt er in der Hofschule den Namen
Beseleel
, nach dem Erbauer der judischen
Stiftshutte
(
Ex
35,30).
Einhard, der aus adliger ostfrankischer Familie stammte, wurde zunachst im
Kloster Fulda
erzogen. Als Urkundenschreiber ist er dort zwischen 788 und 791 belegt. 794 wurde er von Abt
Baugulf von Fulda
zur weiteren Vervollkommnung seiner Bildung an die Hofschule gesandt, wo er Schuler Alkuins wurde und bald zum engsten Kreis um Karl den Großen zahlte.
Einhard leitete die Errichtung zahlreicher Bauten Karls des Großen, so die
Brucke zu Mainz
, die Pfalzen zu
Ingelheim
und
Aachen
und die
Pfalzkapelle zu Aachen
. Auch uber die Hofwerkstatten fuhrte er die Aufsicht. Inwieweit er selbst kunstlerisch oder kunsthandwerklich aktiv war, ist unklar, jedoch scheint er zumindest konzeptionelle Arbeit geleistet zu haben. Nicht erhalten ist der nur in einer barocken Nachzeichnung uberlieferte, sogenannte Einhardsbogen, ein
triumphbogenformiges
Reliquiar
, das er nach 815 als Laienabt fur seine Abtei in Maastricht in Auftrag gab. Es diente als Sockel fur ein Kreuz und weist stilistische Beruhrungen mit den Bronzegittern der Aachener Marienkirche auf.
[3]
Sein Schuler
Brun Candidus von Fulda
betatigte sich sowohl als Biograf als auch als
Monumental-
und
Buchmaler
. Einhard war der Begleiter Karls des Großen auf allen seinen Reisen, ging 806 als dessen
Gesandter
nach
Rom
,
[4]
und 813 soll sein Rat Karl bewogen haben, seinen Sohn
Ludwig
zum Kaiser zu ernennen. Auch dieser vertraute Einhard und gab ihn 817 seinem Sohn
Lothar I.
zum Ratgeber. In den Kampfen der Sohne gegen den Vater bemuhte sich Einhard als Vertreter des Reichseinheitsgedankens um eine friedliche Losung der Konflikte. Er grundete bei
Michelstadt
im
Odenwald
eine Abtei, die
Einhardsbasilika in Steinbach
, fur die er sich in Rom um Reliquien der Heiligen
Marcellinus
und
Petrus Martyr
bemuhte. Er verlegte sie spater nach Muhlinheim, das im Laufe der Zeit aufgrund der
Reliquien
der Abtei den Namen
Seligenstadt
erhielt. Er scheint niemals
Geistlicher
gewesen zu sein, sondern fuhrte nach der Sitte der Zeit die oben genannten Kloster und Stifte als Laienabt.
836 starb seine Frau Imma, die entgegen der Legendenbildung wahrscheinlich keine Tochter Karls des Großen war, vermutlich aus der im Mittelrheingebiet ansassigen Grafenfamilie der
Geroldinger
stammt, zu der auch Imma, die Mutter von
Hildegard
, der Ehefrau Karls des Großen, gehorte. Eine weitlaufige Verwandtschaft der Ehefrau Einhards mit Hildegard und damit auch mit Ludwig dem Frommen erscheint daher als nicht unwahrscheinlich, was ihre namentliche Heraushebung in der Schenkungsurkunde fur Michelstadt von 815 hinreichend erklaren wurde.
[5]
Julia H. M. Smith halt sie fur die Witwe des Grafen Drogo, des vormaligen Eigentumers von Mulinheim, des spateren Seligenstadt.
[6]
Von den vier heute noch bekannten Werken Einhards ist die
Biographie
Karls des Großen, die
Vita Karoli Magni
, das bedeutendste. Diese einzige Biografie Kaiser Karls von einem Zeitgenossen verfasste Einhard in Anlehnung an die
antiken
Kaiserbiografien
Suetons
, ohne sich deren Vorbild jedoch sklavisch eng anzuschließen.
[7]
Ein weiteres wichtiges Werk ist die
Translatio
et Miracula SS. Marcellini et Petri
, ein Bericht von der von ihm veranlassten Uberfuhrung der
Reliquien
zweier Heiliger von
Rom
nach
Seligenstadt
mit den fur die Translationsberichte ublichen
Wunder
-Erzahlungen. Schließlich sind noch die kurze theologische Schrift
De adoranda cruce
und eine fur Gebetszwecke aufbereitete Auswahl aus den Psalmen zu nennen.
[8]
Daneben ist eine großere Sammlung von Briefen Einhards (insgesamt 71, davon 58 mit Einhard als Verfasser) erhalten. Diskutiert wurde, ob Einhard der Verfasser des anonym uberlieferten
Aachener Karlsepos
sein konne.
[9]
Nicht beteiligt war Einhard nach neueren Erkenntnissen an der Abfassung der sogenannten
Annales Fuldenses
(Fuldaer Annalen) und den
Annales regni Francorum
(Annalen des Frankischen Reiches, Reichsannalen), die ihm fruher zugeschrieben wurden (?Annales qui dicuntur Einhardi“, ?Annales Einhardi“).
[10]
Am 14. Marz 840 starb Einhard in Seligenstadt. Sein
Epitaph
, in dem allein seine kunstlerischen Werke und die Translation der heiligen Marcellinus und Petrus, nicht aber sein literarisches Werk als Verdienste erwahnt werden, verfasste der Fuldaer Abt
Hrabanus Maurus
.
[11]
, der allerdings fur Kenner einen versteckten Hinweis auf die
Vita Karoli
gab, indem er mit Vers 7 (?quem Carolus princeps propria nutrivit in aula“) auf
Vita Karoli
prol. 4 (?nutrimentum videlicet in me impensum et perpetua, postquam in aula eius conversari coepi, cum ipso ac liberis eius amicitia“) anspielte.
In
Seligenstadt
steht die
Einhard-Basilika
des einstigen dortigen Klosters, in dem Einhard sich seit 830 als
Laienabt
aufhielt und wo er auch starb. Dort befindet sich in der Ministranten-Sakristei ein großer Sarkophag mit den Gebeinen Einhards und seiner Frau Imma; allerdings ist der Raum fur normale Kirchenbesucher nicht zuganglich. Moderne naturwissenschaftliche Untersuchungen bei einer Graboffnung im Jahre 2005 bestatigten, dass die Knochenreste im Sarg mit den Lebensdaten Einhards und seiner Frau ubereinstimmen, es scheint sich also tatsachlich um die originalen Gebeine zu handeln, was zwischenzeitlich angezweifelt worden war.
Mit der
Einhardsbasilika in Steinbach
bei
Michelstadt
im Odenwald ? Ludwig der Fromme hatte Einhard diesen Ort im Jahr 815 geschenkt ? hat sich ein karolingischer Kirchenbau fast im Zustand der Zeit des Begrunders erhalten. Die fruhere Annahme, Einhard sei der Stammvater der
Grafen zu Erbach
(bis 1806 Regenten des
Odenwalds
), ist umstritten.
In Erinnerung an Einhard und sein Werk wird von der Einhard-Stiftung zu Seligenstadt seit 1999 alle zwei Jahre der
Einhard-Preis
fur biographische Literatur verliehen. Bisherige Preistrager sind
Otto Pflanze
(1999),
Brian Boyd
(2001),
Joachim Fest
(2003),
Irene Heidelberger-Leonard
(2005),
Eberhard Weis
(2007),
Margot Friedlander
(2009),
Hugh Barr Nisbet
(2011) und
John C.G. Rohl
(2013) und ff.
In einigen Stadten des Wirkungsgebiets Einhards stehen Denkmaler zu seinen Ehren, so in Seligenstadt und
Eschweiler
. In
Aachen
und
Seligenstadt
sind beispielsweise Gymnasien nach Einhard benannt und in Michelstadt-Steinbach die Einhard-Grundschule.
Eine Gedenktafel fur ihn fand Aufnahme in die
Walhalla
bei
Regensburg
.
An Einhards Person knupft auch die Sage von
Eginhard und Emma
an, die Einhard in ein familiares Verhaltnis zu Karl dem Großen setzt, nachdem er dessen ?Tochter“ Imma in einem abenteuerlichen Kontext gefreit hatte. Die Sage ist im
Chronicon laurishamense
, der im 12. Jahrhundert entstandenen Chronik des
Klosters Lorsch
uberliefert
[12]
und findet sich u. a. auch in den
Deutschen Sagen
der
Bruder Grimm
.
[13]
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- Annette Grabowsky, Christoph Haack, Thomas Kohl und Steffen Patzold (Hrsg.):
Einhards Briefe, Kommunikation und Mobilitat im Fruhmittelalter.
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The letter as mirror and prism: Lupus of Ferrieres and Einhard. [With a new critical edition of Einhard’s De adoranda cruce]
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(
Artikel/Artikelanfang im Internet-Archive
)
.
- ↑
Veranderung des Ortsnamens laut
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Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen
(LAGIS).
- ↑
Vgl. Artikel
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- ↑
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In: Hermann Schefers (Hrsg.):
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- ↑
Friedrich Kurze (Hrsg.):
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Monumenta Germaniae Historica
,
Digitalisat
)
- ↑
Vgl. Wilhelm Stormer:
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In: Hermann Schefers (Hrsg.):
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Darmstadt 1997, S. 15?39, hier S. 38.
- ↑
Vgl. Julia H.M. Smith:
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In:
Transactions of the Royal Historical Society.
6th Series, 13, 2003, S. 55?77.
- ↑
Zur inhaltlichen Bedeutung der Suetonimitatio vgl. Becht-Jordens, Einharts ?Vita Karoli“ (siehe unten Literatur).
- ↑
Vgl. Tino Licht:
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In:
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- ↑
Dieter Schaller
:
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In:
Fruhmittelalterliche Studien.
10, 1976, S. 134?168 (mit Nachtragen auch in: Dieter Schaller:
Studien zur lateinischen Dichtung des Fruhmittelalters
. Hiersemann, Stuttgart 1995, S. 129?168, S. 419?422, hier S. 162?168)
- ↑
Georg Heinrich Pertz
:
Einhardi Annales.
1845
archive.org
- ↑
Hrabani Mauri carmina: Epitaphium Einhardi.
In: Poetae Latini medii aevi 2:
Poetae Latini aevi Carolini (II).
Herausgegeben von
Ernst Dummler
. Berlin 1884, S. 237 (
Monumenta Germaniae Historica
,
Digitalisat
)
- ↑
Karl Josef Minst:
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. In:
Lorscher Codex - Deutsch
. Verlag Laurissa, 1966,
S.
75–77
(
uni-heidelberg.de
).
- ↑
Eginhart und Emma
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Band 2. Nicolai, Berlin 1818, S. 125?128 (
Wikisource
)