Edouard Drumont
Edouard Drumont
(*
3. Mai
1844
in
Paris
; †
5. Februar
1917
ebenda) war ein franzosischer Journalist, Politiker und ein Hauptvertreter des
Antisemitismus
in
Frankreich
. Drumont war ursprunglich
Nationalist
, katholischer
Monarchist
und Vordenker der 1898 gegrundeten
Action francaise
, die unter anderem die Wiedereinfuhrung der
Monarchie in Frankreich
forderte. Als einer der ersten Antisemiten neben
Karl Eugen Duhring
machte er Antisemitismus zu einer
Ideologie
mit dem Anspruch auf Welterklarung.
[1]
Nach dem fruhen Tod seines Vaters arbeitete der 17-jahrige Edouard Drumont kurz fur die Pariser Stadtverwaltung und machte sich bald einen Namen als Journalist, namentlich fur die Zeitung
La liberte
, fur die er bis 1886 schrieb. Als politischer Kommentator vertrat er sowohl
nationalistische
als auch
antikapitalistische
Positionen, was ihm den Spitznamen ?
Anarchist der Rechten
“ eintrug. 1878 erschien sein erstes Buch:
Mon Vieux Paris
ist ein
nostalgischer
Spaziergang durch das Paris der ?guten alten Zeit“.
[2]
Europaweit bekannt wurde Drumont durch sein 1886 erschienenes zweibandiges Werk
La France Juive
[3]
. Das Manuskript erhielt den Zuspruch des Schriftstellers
Alphonse Daudet
,
[4]
der es dem renommierten Verlag
Marpon et Flammarion
zur Veroffentlichung empfahl. Nach lobreichen Rezensionen in den rechtsgerichteten Zeitungen
Le Figaro
[4]
und
La Croix
[4]
war es in erster Auflage zu 70.000
[4]
Stuck in nur zwei Monaten ausverkauft und wurde im ersten Jahr in einigen 100.000 Stuck neu aufgelegt, 1887 erschien es als erschwingliche Volksausgabe und 1892 illustriert. Das Pariser
Le Petit Journal
,
[4]
die damals meistverkaufte Zeitung Frankreichs, ließ das Werk als Fortsetzungsartikel
[4]
erscheinen. Insgesamt hatte es bis 1945 uber 200 Auflagen.
[5]
Die ebenfalls 1886 erschienene deutsche Ausgabe
Das verjudete Frankreich
war ein außerordentlicher Verkaufserfolg.
[6]
Schon im Jahr der Erstauflage folgten zudem Ubersetzungen in Spanisch,
[4]
Italienisch,
[4]
Polnisch
[4]
und Englisch.
[4]
Franzosische Schriftsteller wie
George Bernanos
[4]
und
Maurice Barres
[4]
zeigten sich ebenfalls vom Werk begeistert. Mehrere romisch-katholische Kirchgemeinden verteilten das Buch kostenlos
[4]
an ihre Mitglieder.
Das Buch von insgesamt etwa 1200
[4]
Seiten Lange, ab 1888
[4]
auch in gekurzter Ausgabe erhaltlich, ist ein Sammelsurium diversester judenfeindlicher Klischees. Der Historiker
Ernst Nolte
nennt es ?eine Orgie Pariser Klatsches, ohne Disposition und ohne straffe Gedankenfuhrung“.
[7]
Drumont arbeitet darin den Antisemitismus zu einer
Ideologie
aus, die den Anspruch auf Welterklarung erhob. Im Anschluss an
Henri Roger Gougenot des Mousseaux
(1869:
Le Juif, le Judaisme et la judaisation des peuples Chretiens
) entwickelte er darin eine
Verschworungstheorie
uber die Zusammenarbeit von
Juden
,
Freimaurern
und
Jakobinern
gegen den
Katholizismus
Frankreichs und deren heimliche Herrschaft uber die franzosische Republik. Er unterschied
Semiten
von
Ariern
und wies ihnen gegensatzliche Charaktermerkmale zu. Krankheiten wie
Gelbsucht
und
Anamie
seien Seuchen, die von ?
judischen Parasiten
“ zur Schwachung der ?edlen Rassen“ eingeschleust wurden. Die judische Dominanz uber die Offentlichkeit verhindere, dass dies aufgedeckt werde.
[5]
Die demokratische Bewegung stunde unter der Kontrolle von Juden, wie die Beispiele
Karl Marx
und
Ferdinand Lassalle
beweisen wurden. Auch
Adam Weishaupt
, der Grunder des 1785 verbotenen
Illuminatenordens
, sei in Wahrheit ein Jude gewesen.
[8]
Doch in den Mittelpunkt seiner antisemitischen Agitation stellte er die
antijudaistische
Gottesmord
-These. Einzelne Juden sollten zudem Meuchelmorder an
frankischen
Herrschern gewesen sein und etwa Schuld am Tod
Karls des Großen
tragen. Die Nachfahren der
Verlorenen Stamme Israels
seien in
Athiopien
, in
China
und in
Nordamerika
(bei den
Mormonen
) zu finden. Sie sorgten dort und in Europa fur moralische
Dekadenz
. Drumont forderte den Ausschluss der Juden aus der franzosischen Gesellschaft. Die beleidigenden Aussagen des Buches trugen Drumont eine Geldstrafe sowie zwei
Duellforderungen
ein, machten ihn aber gleichzeitig uberaus popular. Weitere antisemitische Werke folgten.
[5]
Drumont schrieb ein Vorwort fur eine erweiterte franzosische Ausgabe (1889) der antisemitischen Hetzschrift
Der Talmudjude
(1871) des deutschen katholischen Theologen
August Rohling
.
[9]
Die franzosische Ausgabe wurde mitsamt dem Vorwort von Drumont bereits 1890 ins Deutsche zuruckubersetzt.
[10]
Collage eines Portrats von Edouard Drumont mit der Ausgabe seiner Zeitung vom 10. September 1899 zur
erneuten Verurteilung von Alfred Dreyfus
am 9. September. Die Schlagzeilen lauten: ?Der Verrater verurteilt. Zehn Jahre Verbannung und Degradierung. Nieder mit den Juden!“
1889 grundete Drumont nach dem Vorbild der deutschen ?
Antisemitenliga
“
Wilhelm Marrs
eine Gruppe namens
Ligue nationale anti-semitique de France
[4]
und zusammen mit dem Journalisten
Jacques de Biez
[4]
und dem Financier
Marquis de Mores
[4]
1892 die Tageszeitung
La Libre Parole
(?Das freie Wort“), die in den 1890er Jahren eine Auflage von mehreren 10.000 Stuck hatte. Er benutzte zeitgeschichtliche Ereignisse fur gezielte Skandalisierungen und antisemitische Agitation, etwa den Konkurs der
Panama-Gesellschaft
und darauf folgende Insolvenzen von einigen ihrer Investoren. Dabei deckte er aber auch tatsachliche Bestechungen von Politikern auf.
In der
Dreyfus-Affare
war Drumont mit seiner Zeitung radikaler Wortfuhrer der
Antidreyfusards
, also der antirepublikanischen und antisemitischen Haltung in der offentlichen Debatte. Nach dem
Suizid
des in die Affare verwickelten Colonel
Hubert-Joseph Henry
beschuldigte er die Juden, sie hatten ihn ermordet, und sammelte Spenden fur seine Witwe. 25.000 Leser folgten dem Spendenaufruf, darunter viele Politiker, Priester und hochgestellte Personlichkeiten.
Nachdem er die Erfahrung machte, dass die Offentlichkeit im franzosischen Mutterland nicht im gewunschten Ausmaß auf seine Forderungen reagierte, ließ sich Drumont fur die Wahl vom 8. Mai 1898 in Franzosisch-Algerien als Kandidat der antisemitischen Bewegung von
Max Regis
[4]
aufstellen. In der Kolonie hatte er sich seit dem 3. April 1898
[11]
aufgehalten. Er erhielt in
Algier
11.557
[4]
Wahlerstimmen bei 4.069
[4]
Gegenstimmen und zog mit drei weiteren
algerisch-franzosischen
Antisemiten in die
Abgeordnetenkammer
der
Dritten Republik
ein. Drumont grundete eine antisemitische Fraktion namens
Groupe antijuif
, deren Vorsitz er ubernahm. In dieser Funktion erreichte er in einer
Interpellation
im Dezember 1898 eine Abstimmung uber die Aufhebung des
Decret Cremieux
, das den algerischen Juden gegen ihren Willen 1870 die
franzosische Staatsburgerschaft
zugewiesen hatte. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Rat nahm hingegen einen Antrag des Vorsitzenden
Charles Dupuy
, den antisemitischen Aufruhr in der nordafrikanischen Kolonie zu verurteilen, mit 406 zu 10 Stimmen an.
[4]
In Algerien, wo sich die Europaer zunehmend als
neue lateinische Rasse
,
[4]
dem
Homo algerianus
,
[4]
verstanden, entwickelte sich der Antisemitismus zur Massenbewegung, die auch separatistische
[11]
Zuge annahm. Alle vier Antisemiten verloren ihre Sitze in den Wahlen von 1902.
[11]
Drumont wurde wegen
Verleumdung
eines Parlamentariers angeklagt, dem er vorwarf, er habe sich eine
Konkubine
von dem prominenten judischen Bankier
Edouard de Rothschild
bezahlen lassen, um fur einen Gesetzentwurf zu stimmen, den der Bankier befurwortete.
Drumont war politischer Lehrmeister von
Charles Maurras
, der Drumonts Parole ?Frankreich den Franzosen“ (
La France aux Francais
), die in jeder Ausgabe die Titelseite der
Libre Parole
schmuckte, zustimmend ubernahm und weiter popularisierte.
- La France juive
, zwei Bande (Digitalisat:
tome premier
,
tome second
)
- Deutsche Ausgabe:
Das verjudete Frankreich. Versuch einer Tagesgeschichte.
Erster Theil 1886. Zweiter Theil 1887 (beide im Erscheinungsjahr mit 5 Auflagen) (Digitalisat:
Band 1
,
Band 2
)
- La France juive devant l'opinion,
1886
- La Fin d'un monde
, 1888
- La Derniere Bataille
, 1890
- Testament d'un antisemite
, 1891
- ↑
Johannes Heil:
Antisemitismus, Kulturkampf und Konfession ? Die antisemitischen ?Kulturen“ Frankreichs und Deutschlands im Vergleich.
In: Olaf Blaschke u. a. (Hrsg.):
Katholischer Antisemitismus im 19. Jahrhundert
, S. 198 ff.
- ↑
Bjoern Weigel:
Drumont, Edouard Adolphe
. In:
Wolfgang Benz
(Hrsg.):
Handbuch des Antisemitismus
. Bd. 2: Personen
. De Gruyter Saur, Berlin 2009,
ISBN 978-3-598-44159-2
, S. 186 (abgerufen uber
De Gruyter
Online).
- ↑
La France Juive in Wikisource
- ↑
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c
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Michel Abitbol:
Histoire des juifs
. In: Marguerite de Marcillac (Hrsg.):
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. 2. Auflage.
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. Editions Perrin, Paris 2016,
ISBN 978-2-262-06807-3
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In: Wolfgang Benz (Hrsg.):
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, S. 187 (abgerufen uber
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Online).
- ↑
Edouard Drumont im Kontext des deutschen Antisemitismus ? ein gemeinsamer europaischer Diskurs?, Abstract von Silvia Richter
. In:
Nineteenth-Century Anti-Semitism in International Perspective
. (
hypotheses.org
[abgerufen am 24. August 2018]).
- ↑
Ernst Nolte:
Der Faschismus in seiner Epoche. Action francaise, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus.
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Helmut Reinalter
: Edouard-Adolphe Drumont. In: derselbe (Hrsg.):
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Salier Verlag, Leipzig 2018, S. 95 f.
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Auguste Rohling:
Le Juif selon le Talmud. Edition francaise considerablement augmentee par A. Pontigny. Preface d'Edouard Drumond.
Paris 1889 (
bibliographische Angaben
der
BnF
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August Rohling:
Der Talmudjude. Mit einem Vorwort von Eduard Drumont aus der auch anderweitig vermehrten frz. Ausgabe von A. Pontigny in das Dt. zuruckubertragen von Carl Paasch
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Michel Abitbol:
Le passe d'une discorde ? Juifs et Arabes du VII
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siecle a nos jours
. Librairie Academique Perrin, Paris 1999,
ISBN 2-262-01494-9
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S.
293, 302
f
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