ECM Records

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ECM Records
Mutterunternehmen Universal Music (nur Kooperation)
Aktive Jahre seit 1969
Grunder Manfred Eicher , Manfred Scheffner und Karl Egger
Sitz Grafelfing , bei Munchen (D)
Website ecmrecords.com
Genre(s) Neue Musik , Klassik , Jazz

ECM Records (fur Edition of Contemporary Music ) ist ein 1969 von Manfred Eicher , Manfred Scheffner und Karl Egger gegrundetes unabhangiges Plattenlabel . [1] [2] Es gilt in Bereichen des zeitgenossischen Jazz und der zeitgenossischen Klassik als fuhrend [3] und hat bis Marz 2020 mehr als 1600 Alben veroffentlicht.

ECM ist unabhangig geblieben, die Distribution wird landerspezifisch uber Vertriebspartner abgewickelt ? beispielsweise in Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada und den USA vom Großkonzern Universal Music Group. [4]

Initiator und Financier war Karl Egger, der die Kosten fur die Firmengrundung und die Produktionskosten der ersten Veroffentlichung ubernahm und bis heute mit Eicher Geschaftsfuhrer des Unternehmens ist. Zudem stellte er lange Zeit die Geschaftsraume in Munchen-Pasing in der Gleichmannstraße zur Verfugung. Eicher ist seit der Grundung Produzent von ECM. Heute ist das Label in Grafelfing ansassig.

Die erste Veroffentlichung des Labels war das von Manfred Scheffner produzierte und im Ludwigsburger Tonstudio Bauer aufgenommene Album Free at Last des Pianisten Mal Waldron . [5] ECM brachte es im Januar 1970 in einer ersten Auflage von 500 Stuck auf den Markt. Dank der Begeisterung fur Waldron in Japan konnten bis Jahresende weitere Produktionen folgen: Es handelte sich um das Album Just Music eines Kollektivs um Alfred Harth , ein als Lizenz erworbenes Trioalbum Paul Bley with Gary Peacock sowie Afternoon of a Georgia Faun des Ensembles von Marion Brown , in dem u. a. Anthony Braxton und Chick Corea sowie Bennie Maupin , Jeanne Lee und Andrew Cyrille spielten. [6]

Eicher sah sich immer als Pionier neuer Musikstromungen. So veroffentlichte ECM bereits 1978 Music for 18 Musicians (1974?1976) von Steve Reich , ein Schlusselwerk der notierten Musik des 20. Jahrhunderts und des Minimalismus . Das Werk ist heute fester Bestandteil der Auffuhrungspraxis zeitgenossischer Musik.

ECM war mit diesen Produktionen auch geschaftlich erfolgreich. Eicher produzierte danach Elektroakustische Musik der Music Improvisation Company um Derek Bailey , Hugh Davies , Evan Parker und Jamie Muir , eine Platte des Wolfgang Dauner Trios ( Output ) und Robin Kenyattas Girl from Martinique . Fur Aufnahmen mit Jan Garbarek fuhr er nach Oslo, wo er den Toningenieur Jan Erik Kongshaug kennenlernte. [7] Er ließ die Kontrabassisten Barre Phillips und Dave Holland im Studio aufeinandertreffen und nahm mit Bobo Stenson und der Band von Terje Rypdal ebenso auf wie mit dem Chick Corea Trio (mit Dave Holland und Barry Altschul ). 1971 kaufte ECM die Rechte an einem Rundfunkmitschnitt eines Konzertes in Paris, bei dem das aus diesem Trio mit Anthony Braxton entstandene Quartett seine der Creative Music zugewandte Musik prasentierte (das erste Doppelalbum von ECM).

Das Label konzentrierte sich zunachst auf europaischen Free Form und Avantgarde Jazz . [8] Ab 1972 kamen dann zunehmend Produktionen von amerikanischen Jazzmusikern hinzu, die sich aufgrund des Rockmusik-Trends nicht mehr richtig von den großen Plattengesellschaften betreut fuhlten.

Erfolge mit Keith Jarrett

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Im November 1971 ging Eicher zum ersten Mal mit Keith Jarrett ins Studio, um das Solo-Album Facing You einzuspielen. [9] Es folgte die großorchestrale Produktion In the Light und eine erste von ECM betreute Solotournee von Keith Jarrett. 1974 brachte ECM das Dreifach-Album Solo Concerts Bremen/Lausanne heraus mit zwei der ersten frei improvisierten Solokonzerte Jarretts, die auf dieser Tournee entstanden. Ein Jahr spater veroffentlichte das Label vom selben Interpreten The Koln Concert , die vermutlich erfolgreichste und meistverkaufte Klaviersoloaufnahme uberhaupt.

Seit 1984 veroffentlicht ECM klassische Musik unter dem Titel ECM New Series . Dabei widmet sich ECM sowohl der Neuaufnahme Alter Musik (etwa von Thomas Tallis ) als auch der Ersteinspielung zeitgenossischer Komponisten (zum Beispiel von Arvo Part , dessen Tabula rasa den Anfang fur dieses Sublabel setzte, oder von Gyorgy Kurtag ). [10]

Aktuelle Entwicklungen

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Mit dem Vertrieb Universal Music hat ECM seine langjahrige enge Kooperation im Jahr 2011 vertraglich langfristig verlangert. [11]

ECM verweigerte sich uber viele Jahre dem Musikstreaming und stellte seinen Katalog bei den entsprechenden Online-Anbietern nicht zur Verfugung. Im November 2017 anderte das Label diesen Kurs. [12]

Im Jahre 2019 feiert ECM das 50-jahrige Bestehen unter anderem mit einer Retrospektive und Meilensteinen aus dem Archiv.

Einige Produktionen verbinden Jazz und Klassik, insbesondere das wegweisende Album Officium von 1994, das Jan Garbarek gemeinsam mit dem Hilliard Ensemble aufnahm. Zum Gesang des Ensembles aus dem 13. bis 16. Jahrhundert gestaltete Garbarek Saxophon-Soli. Andere Produktionen verbinden im Sinne des Ethno-Jazz nicht-europaische Musikkulturen mit dem Jazz-Idiom, beispielsweise zahlreiche Alben des tunesischen Komponisten und Oud -Virtuosen Anouar Brahem . Eicher selbst spricht von Musik, die ?in der melodischen Freiheit noch Raum fur Klange“ lasst. Das New Grove Dictionary of Jazz kennzeichnet den Stil des Labels als ?Kombination freier chromatischer Improvisationen mit simplen Bass- und Schlagzeugostinati.“ [13]

Als Markenzeichen von ECM gilt insbesondere der herausragende Klangstandard seiner Aufnahmen, fur die in den ersten Jahren bei den meisten Produktionen Jan Erik Kongshaug und Martin Wieland als Toningenieure verantwortlich zeichnete. [14] Eicher konnte mit den Toningenieuren und Musikern seine eigenen, reduktionistischen Klangvorstellungen realisieren. [15]

Wolfram Knauer stellt eine Besonderheit aller ECM-Produktionen fest: ?Sie beginnen mit drei Sekunden Stille, einer kontemplativen Einstimmung auf die folgende Musik, auf Durchsichtigkeit, Klarheit, Raum, Atem oder Weite.“ [16] Neben dem besonderen Augenmerk auf die Aufnahmetechnik sind in ECM-Aufnahmen langsame Tempi recht haufig. Die Pianistin Julia Hulsmann hat einmal in einem Interview uber Manfred Eichers Einfluss im Studio festgestellt, ?er nehme ihr jedes Mal die Halfte der Tone weg.“ [17] Zwar hat es viele Versuche gegeben, die ECM-Musik als ?einen Stil“ zu definieren. Genannt wurde hier ?die Bevorzugung langsamer Tempi“, aber auch ?die Gestaltung des Raumklangs“ sowie ?das Arrangement von Mikrofonen bei der Aufnahme“. [17] Nach Ansicht von Thomas Steinfeld fuhren derartige Versuche ?in die Irre. Fur jedes Beispiel, das die Gegenwart eines Stils belegen soll, finden sich andere, die der Annahme widersprechen. Will man wissen, was ECM tatsachlich tut, ist die Kategorie des Netzes tauglicher.“ [17]

Wichtig fur das Erscheinungsbild des Labels ist auch die markante Cover-Gestaltung. Fur das Design der Coverhullen war zunachst die Grafikerin Barbara Wojirsch verantwortlich. In den 1980er Jahren folgte ihr Dieter Rehm , der fur die Works-Reihe auch Fotografien seines Lehrers Gerd Winner verwendete, mit einem sehr ahnlichen Ansatz. [18] Daneben traten Fotografien von Roberto Masotti . Zudem zeichnet sich die Gestaltung der Alben-Cover dadurch aus, dass nach Moglichkeit auf begleitende Texte verzichtet wurde. [19]

ECM vertreibt auch die Alben des Labels WATT mit der Musik von Carla Bley , Michael Mantler , Karen Mantler sowie Steve Swallow und des brasilianischen Labels CARMO von Egberto Gismonti . Des Weiteren wurde uber ECM das Label JAPO vertrieben, auf dem Alben von Mal Waldron, Abdullah Ibrahim , Herbert Joos , Manfred Schoof , Urs Leimgruber und anderen erschienen.

Zahlreiche Filmemacher wie zum Beispiel Michael Mann ( Heat , The Insider ) oder Theo Angelopoulos ( Landschaft im Nebel ) greifen auf Musik des Labels ECM zuruck. Seit 1991 besteht zudem eine Zusammenarbeit mit Jean-Luc Godard .

Besondere Projekte

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1996 brachte die Gesellschaft ein Buch mit dem Titel Sleeves of Desire heraus, das sich mit der Geschichte der Coverkunst des Labels befasste und alle bis dahin erschienenen Motive auflistete. Das 2009 erschienene Buch Der Wind, das Licht. ECM und das Bild vertieft dieses Thema weiter; es enthalt Abbildungen der Cover und Texte von Thomas Steinfeld, Geoff Andrew, Katharina Epprecht, Ketil Bjørnstad und Herausgeber Lars Muller.

Das Buch Horizons Touched: The Music of ECM enthalt eine umfangreiche, von Steve Lake und Paul Griffiths zusammengestellte Geschichte des Labels, zu der etwa 20 Autoren, darunter Manfred Eicher selbst, Beitrage beisteuerten. Erganzt wird das Buch mit Außerungen zum Label von uber 100 Musikern, Gruppen sowie von mit ECM verbundenen Kunstlern, wie zum Beispiel dem Regisseur Jean-Luc Godard und dem Cover-Designer Dieter Rehm.

Nils Petter Molvær veroffentlichte zu seinem Debutalbum Khmer , einem Werk, das mit Electronica -Elementen populares Neuland betrat, zwei CD-Singles und ein Video ? dies blieb zunachst ein einmaliges Experiment von ECM. Im Herbst 2009 veroffentlichte ECM DVDs von Filmen: Neben dem von Eicher realisierten Film Holozan nach Max Frisch erschien auch eine DVD mit vier Kurzfilmen von Godard, die dieser zwischen 1993 und 2002 produzierte.

Preise und Auszeichnungen

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Seit 2008 wurde ECM Records zum zehnten Mal von den Kritikern im Kritiker-Poll der Zeitschrift Down Beat zum ?Plattenlabel des Jahres“ und parallel Manfred Eicher zum ?Produzenten des Jahres“ gewahlt. [20] 2011 erhielt das Label auch von JazzWeek einen Preis als Record Label of the Year .

Einzelnachweise, Anmerkungen

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  1. Siggi Loch , Plattenboss aus Leidenschaft . Edel: Hamburg 2010, S. 82 f.
  2. Die Rolle von Manfred Eicher wird dabei teilweise stilisiert. So wird dem Label auch falschlich zugesprochen, dass es als eine ?musikereigene“ Plattenfirma begonnen habe. Wolfram Knauer ≫Play yourself, man!≪ Die Geschichte des Jazz in Deutschland. Reclam, Stuttgart 2019, S. 374
  3. Fur die Zeitung Jazzthetik ist es ?das wichtigste europaische Jazzlabel“ (11/2009)
  4. Home. Abgerufen am 10. Mai 2024 .
  5. Home. Abgerufen am 10. Mai 2024 .
  6. ECM SOUNDS | ECM 1970: ECM bringt mit Mal Waldron, Wolfgang Dauner, Paul Bley und Jan Garbarek seine ersten Veroffentlichungen auf den Markt | News. 13. Oktober 2018, archiviert vom Original ; abgerufen am 10. Mai 2024 .
  7. Interview mit Eicher in der Jazzthetik, Nr. 11, 2009, S. 30?35.
  8. Einige dieser fruhen Produktionen passen wohl nicht mehr ins Konzept von ECM und wurden als CD nicht wieder aufgelegt.
  9. Ian Carr zufolge war Jarrett von Eichers Klangvorstellungen uberzeugt, die er auf einer Testpressung der Chick-Corea-Platte horte. Ian Carr: Keith Jarrett. London 1991, S. 59f.
  10. Bereits zuvor waren aber Aufnahmen von Steve Reich und Meredith Monk auf dem Label erschienen.
  11. Universal Music und ECM Records verlangern Label-Vertrag. Musikmarkt, 27. September 2011 ( Memento vom 6. September 2012 im Webarchiv archive.today ).
  12. News. Abgerufen am 10. Mai 2024 .
  13. zit. nach W. Knauer ≫Play yourself, man!≪ Die Geschichte des Jazz in Deutschland. Reclam, Stuttgart 2019, S. 372
  14. Zunachst waren Carlos Albrecht und insbesondere der wie Kongshaug noch sehr junge Martin Wieland vom Tonstudio Bauer in Ludwigsburg fur den Klang verantwortlich; das Studio musste sich wegen der Klangvorstellungen Eichers neue Gerate kaufen: ?Manfred Eicher war ein junger Produzent, der wusste, was er wollte. Und in meinem Vater [Rolf Bauer] fand er einen gleichgesinnten Technikfreak, mit dem er sich gut verstand“ (Eva Bauer-Oppelland, zit. n. Jazzthetik, 11/2009, S. 36)
  15. Dies macht etwa ein Vergleich von zwei innerhalb eines Jahres aufgenommenen Versionen des Titels Maldoror’s War Song mit dem Quartett von Tomasz Sta?ko deutlich, wobei insbesondere im Schlagzeug-Sound von Tony Oxley große Unterschiede festzustellen sind. Auf der ECM-Aufnahme (Album Matka Joanna ) verzichtet Oxley auf einen Gutteil seiner elektronischen Klangerzeuger, die er auf Bosonossa (GOWI) einsetzt, und verwendet stattdessen die fur ihn zu dieser Zeit bereits unubliche Snare Drum .
  16. W. Knauer ≫Play yourself, man!≪ Die Geschichte des Jazz in Deutschland. Reclam, Stuttgart 2019, S. 373
  17. a b c Thomas Steinfeld: 50 Jahre Jazz- und Klassikplatten von ECM: Musikalisches Welterbe. In: Suddeutsche Zeitung . 30. September 2019, abgerufen am 2. Oktober 2019 .
  18. Barbara Wojirsch, Dieter Rehm [ECM]. In: Hardformat. 7. Oktober 2009, archiviert vom Original ; abgerufen am 10. Mai 2024 .
  19. W. Knauer ≫Play yourself, man!≪ Die Geschichte des Jazz in Deutschland. Reclam, Stuttgart 2019, S. 374
  20. ECM SOUNDS | Erneut uberzeugt - Vijay Iyer, Manfred Eicher und ECM raumen erneut bei der DownBeat Critics Poll ab | News. 30. Juni 2018, abgerufen am 10. Mai 2024 .