Eberhard Jackel
(*
29. Juni
1929
in
Wesermunde
; †
15. August
2017
in
Buhlerhohe
) war ein deutscher
Historiker
, der vor allem zum
Nationalsozialismus
forschte und publizierte. Von 1967 bis 1997 lehrte er als ordentlicher Professor fur Neuere Geschichte an der
Universitat Stuttgart
.
Eberhard Jackel wurde als Sohn von Wilhelm Jackel und seine Frau Margarete, geb. Hellweg, in Wesermunde (heute
Bremerhaven
) geboren.
[1]
Er besuchte die humanistischen Gymnasien in
Dortmund
und
Fulda
sowie das
Gymnasium Laurentianum
in
Arnsberg
(
Westfalen
). Dort legte er 1949 das Abitur ab. Anschließend studierte Jackel
Geschichte
und
Klassische Philologie
an den Universitaten
Gottingen
und
Tubingen
. 1951 wechselte er an die
Universitat Freiburg
, wo er Geschichte und
Offentliches Recht
studierte. Zwischen 1952 und 1954 erfolgten Studienaufenthalte an der
University of Florida
(
USA
) und am
Institut d’Etudes Politiques
in
Paris
. Im Juni 1955 wurde er bei
Gerhard Ritter
in Freiburg mit einer Arbeit uber
Christentum und Heidentum in der ?Utopia“ des Thomas Morus
promoviert
.
[2]
Er wechselte als wissenschaftlicher Assistent an die
Universitat Kiel
und
habilitierte
sich 1961 uber
Adolf Hitlers
Frankreichpolitik.
[3]
Als Privatdozent blieb er der Kieler Universitat bis 1966 verbunden. Von 1967 bis zur
Emeritierung
1997 wirkte er als ordentlicher Professor fur Neuere Geschichte an der
Universitat Stuttgart
. Von 1970 bis 1971 war er Dekan der Fakultat Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Seit 1967 Mitglied der
SPD
, engagierte Jackel sich 1968 in der Wahlerinitiative fur
Willy Brandt
.
[4]
Seit 1974 war er Mitglied im
PEN-Zentrum Deutschland
.
Einem breiten Publikum wurde Jackel vor allem durch seine Beitrage zur Forschung zur Person
Adolf Hitler
bekannt. Als bahnbrechend gilt sein 1969 erschienenes Buch
Hitlers Weltanschauung.
Sein Buch
Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im 2. Weltkrieg
ist auch heute noch das Standardwerk zur deutschen Frankreichpolitik im
Zweiten Weltkrieg
.
In der von Jackel und
Axel Kuhn
herausgegebenen Quellensammlung
Hitler. Samtliche Aufzeichnungen 1905?1924
aus dem Jahr 1980 stellen von insgesamt 694 Dokumenten 76 Dokumente (ca. zehn Prozent) Falschungen von
Konrad Kujau
dar, die Jackel erworben hatte. Da sie aber oft nur einige Zeilen enthalten, machen die gefalschten Dokumente weniger als vier Prozent des Umfangs der Gesamtdokumente aus.
[5]
Sie waren teilweise mit ebenfalls gefalschten Begleitschreiben der Reichsleitung der NSDAP versehen. Im Vorwort der Sammlung wird von ?besonders wertvollen Schriftstucken“ und von funfzig ?teils besonders aufschlussreichen“ Dokumenten aus Privatbesitz gesprochen.
[6]
Darunter sind Kriegsgedichte, die Hitler entweder selber verfasst oder nach Vorlagen abgeschrieben haben sollte. Eines der Gedichte erschien suspekt, weil es als erst 1936 verfasst galt. Daraufhin veroffentlichte Jackel eine Warnung, dass einzelne Dokumente gefalscht oder zumindest zweifelhaft seien. Nach Aufdeckung der Affare um die
Hitler-Tagebucher
, die Jackel ebenfalls angeboten worden waren und die er anfangs fur authentisch hielt, trat Jackel als Zeuge auf.
[7]
In einer anschließenden Veroffentlichung, die den Sachverhalt der Falschungen beleuchtete, bezeichneten Jackel und Axel Kuhn die in der Quellensammlung enthaltenen gefalschten Dokumente allerdings als uberwiegend trivial und ohne neue wissenschaftliche Erkenntnismoglichkeit.
[8]
[9]
Jackel gehorte zu den sogenannten
Intentionalisten
, das heißt, er war uberzeugt, dass die Verbrechen im Nationalsozialismus auf Entscheidungen und Befehle Hitlers zuruckgingen und aus bewusstem Handeln resultierten.
Das von Jackel zusammen mit der Publizistin
Lea Rosh
auf Basis ihres gleichnamigen
gemeinsamen Dokumentarfilms
erstellte Buch
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wurde 1990 mit dem
Geschwister-Scholl-Preis
ausgezeichnet. Mit Rosh regte er 1988 den Bau einer zentralen deutschen Holocaust-Gedenkstatte an, die schließlich 2005 in Berlin als
Denkmal fur die ermordeten Juden Europas
eroffnet wurde.
2001 wurde ihm das Verdienstkreuz 1. Klasse des
Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
verliehen ?wegen seiner großen Verdienste bei der inhaltlichen Neukonzeption der Gedenkstatte
Konzentrationslager Buchenwald
“. Von 1994 bis 1999 war er Vorsitzender des wissenschaftlichen Kuratoriums der Stiftung
Gedenkstatten Buchenwald und
Dora-Mittelbau
. Seit 1995 war er ordentliches Mitglied der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften
und er war auswartiges Mitglied der
Polnischen Akademie der Wissenschaften
.
Im
Historikerstreit
des Jahres 1986 war Jackel ein Verfechter der Beispiellosigkeit der
Shoa
(Jackel vermied den Begriff ?Holocaust“). Vergleiche mit dem
Volkermord an den Armeniern
1915 oder den
Indianerkriegen
sah er als Relativierung der Shoa an. Zu den Unterschieden zwischen dem ?Mord an den europaischen Juden“ und den Massakern an Armeniern gab er an, dass letztere ?eher von Morden begleitete Evakuierungen“ gewesen seien und nur ?im eigenen Lande“ ? damit meinte er das
Osmanische Reich
? geschehen seien.
[10]
Jackel erklarte im Zusammenhang der Diskussion um ein Mahnmal der Bundesrepublik fur die im Holocaust ermordeten europaischen Roma, es habe zwar eine ?schreckliche Verfolgung der
Zigeuner
“ sowohl in Deutschland als auch in den von Deutschland besetzten Gebieten gegeben, es ?verbiete sich“ aber die Gleichsetzung dieser Verfolgung mit dem Genozid an der judischen Minderheit.
[11]
Jackel sprach sich gegen eine Pauschalverurteilung von
DDR-Burgern
in Funktionen aus, einschließlich ehemaliger Mitarbeiter des
MfS
, und forderte stattdessen, ahnlich wie bei der
Entnazifizierung
nach 1945 zu fragen, ?was jemand in dieser Funktion getan hat“.
[12]
Jackel starb am 15. August 2017 im Alter von 88 Jahren in der Max Grundig Klinik
Buhlerhohe
und wurde am 23. August 2017 auf dem
Birkacher
Friedhof beigesetzt.
[13]
In der britischen Fernsehserie
Hitler zu verkaufen
, die auf dem Sachbuch
Selling Hitler
von
Robert Harris
beruht, wird Jackel von dem britischen Schauspieler
John Golightly
dargestellt.
- Experimentum rationis. Christentum und Heidentum in der ?Utopia“ des Thomas Morus.
DNB
480577277
(Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1955).
- Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im 2. Weltkrieg
. DVA, Stuttgart 1966,
DNB
457085479
(Zugl.: Kiel, Univ., Habil.-Schr., 1961).
- Hitlers Weltanschauung. Entwurf einer Herrschaft.
Wunderlich, Tubingen 1969. Haufige Neuauflagen, zuletzt DVA, Stuttgart 1991,
ISBN 3-421-06083-5
.
- mit
Jurgen Rohwer
(Hrsg.):
Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Entschlussbildung und Verwirklichung.
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1985,
ISBN 3-421-06255-2
.
- Hitlers Herrschaft. Vollzug einer Weltanschauung.
4. Auflage, DVA, Stuttgart 1999,
ISBN 3-421-06254-4
(Erstausgabe Stuttgart 1986).
- mit
Lea Rosh
:
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
. Hoffmann und Campe, Hamburg 1990,
ISBN 3-455-08358-7
.
- Das deutsche Jahrhundert. Eine historische Bilanz.
DVA, Stuttgart 1996,
ISBN 3-421-05036-8
; Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1999,
ISBN 3-596-13944-9
.
- Der Tisch der Dreizehn. Eine Geschichte
. Steinkopf, Stuttgart 2009,
DNB
992052572
(keine ISBN).
- ↑
Who's who in Literature?
1st Edition, Vol. 1: A?S, Worthsee 1978, S. 290.
- ↑
Dissertation:
Experimentum rationis ? Christentum und Heidentum in der ?Utopia“ des
Thomas Morus
.
- ↑
Habilitationsschrift:
Die deutsche Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg. Vom Waffenstillstand bis zur Totalbesetzung (Juni 1940 ? November 1942)
.
- ↑
Der Spiegel
, Nr. 33 vom 11. August 1969.
- ↑
Eberhard Jackel, Axel Kuhn:
Neue Erkenntnisse zur Falschung von Hitler-Dokumenten.
In:
VfZ
32 (1) 1984, S. 163 f. (
PDF
).
- ↑
Unternehmen
Grunes Gewolbe
? Falscher, Fahrten und die Folgen. Vor dem Prozeß gegen Hitler-Kujau und stern-Reporter Heidemann
. In:
Zeit online
vom 1. Juni 1984, aktualisiert am 22. November 2012; abgerufen am 23. August 2017.
- ↑
Karl-Heinz Janßen
:
Drei Zeugen in Not
.
In:
Die Zeit
, Nr. 49/1984.
- ↑
Eberhard Jackel, Axel Kuhn:
Neue Erkenntnisse zur Falschung von Hitler-Dokumenten.
In
VfZ
32 (1) 1984, S. 163 f. (
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- ↑
Bernd Sosemann
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Wie ?Mein Kampf“ ediert werden sollte
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(
PDF
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- ↑
Gegen die Gleichsetzung
. In:
Kolner Stadt-Anzeiger
, 22. August 2002.
- ↑
Karlen Vesper:
Streitbar: Ein Nachruf auf Eberhard Jackel
.
- ↑
stuttgart-gedenkt.de Todesanzeigen
, abgerufen am 21. August 2017.