Das
Dreiperiodensystem
ist eine wissenschaftliche Systematik der
Archaologie
, das die europaische
Urgeschichte
anhand charakteristischer Materialien zur Werkzeug-, Waffen- und Schmuckherstellung in die drei Perioden
Steinzeit
,
Bronzezeit
und
Eisenzeit
gliedert. Die Erkenntnis einer solchen Gliederung verhalf der
Prahistorie
in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts zu einer wissenschaftlichen Struktur. Grundsatzlich ist diese Gliederung bis heute beibehalten worden, auch wenn mit der Steinzeit damals lediglich die
Jungsteinzeit
im Fokus der Forscher stand. Eine Definition der
Altsteinzeit
erfolgte erst 1865 durch
John Lubbock
, der die Steinzeit damit in die ?Periode des
geschlagenen Steins
“ (
Old Stone Age
,Altsteinzeit‘) sowie die ?Periode des
geschliffenen Steins
“ (
New Stone Age
,Jungsteinzeit‘) teilte.
[1]
Das System wurde maßgeblich vom danischen Archaologen
Christian Jurgensen Thomsen
entwickelt. 1807 stieß Thomsen zu der im selben Jahr gegrundeten ?Kommission zur Erhaltung von Altertumern“ unter Leitung von Professor
Rasmus Nyerup
(1759?1829). 1816 legte Nyerup sein Amt als Leiter der Kommission nieder und Thomsen ubernahm diesen Posten. Im Jahre 1819 wurde aus der Altertumersammlung das
Danische Nationalmuseum
zu Kopenhagen und Thomsen wurde der erste
Kustos
der so genannten ?Altnordischen Sammlung“. Bei der Neuordnung dieser Sammlung in den Jahren 1821 bis 1825 erkannte er, dass sich der Fundstoff chronologisch in Gebrauchsgegenstande und Waffen aus Stein, Bronze und Eisen gliedern lasst.
[2]
Die Einengung der Phase, in der Thomsen die neue Zeiteinteilung vornahm, geht aus dem
posthum
veroffentlichten Briefwechsel zwischen Thomsen und
Johann Gustav Gottlieb Busching
aus den Jahren 1823?1825 hervor.
[2]
Da es zur Zeit Thomsens keinerlei
radiometrische Datierungen
gab, halfen ihm lediglich stilistische Beobachtungen bei dieser Sortierung, deren Fundkontext meist nicht uberliefert war. Infolge der in Danemark vergleichsweise wenigen Funde des Spatglazials (
Hamburger Kultur
,
Bromme-Kultur
) sowie des
Mesolithikums
, hatte Thomsen bei Funden aus Stein hauptsachlich als
Grabbeigaben
uberlieferte Objekte aus der
Jungsteinzeit
im Blick. Als Beispiele der von ihm ?heidnische Zeit“ genannten fruhesten Phase (heute Jungsteinzeit) werden ?Schleifsteine“, ?Keile“, ?Meißel“, ?Messer“ und ?Lanzenspitzen“ genannt, die zum Teil aus
Feuerstein
bestehen und den Abbildungen zufolge der
Trichterbecherkultur
zuzuordnen sind.
[3]
Hammeraxte mit rundem oder kantigem Schaftloch deuten auf die Einbeziehung
endneolithischer
Formen hin, wie sie in der
Dolchzeit
bzw.
Einzelgrabkultur
vorkommen. Auch hier handelte es sich uberwiegend um Funde aus Grabern.
Die insgesamt aus der Ordnung der Bestande abgeleitete Dreiteilung der danischen Vorgeschichte wurde von ihm schließlich 1836 (anonym) im Museumsfuhrer
Ledetraad til Nordisk Oldkyndighed
veroffentlicht.
[4]
Die deutsche Ubersetzung
Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde
erschien im Jahre 1837 ebenfalls in Kopenhagen.
[3]
Bereits 1835 hatte der deutsche
Johann Friedrich Danneil
einen Bericht uber eine
Ausgrabung
bei
Salzwedel
verfasst, in welchem er aufgrund von Beobachtungen an Grabhugeln ebenfalls die Dreiteilung der Vorgeschichte postulierte. Ein Jahr spater veroffentlichte
Georg Christian Friedrich Lisch
eine Studie zur chronologischen und ethnologischen Einteilung der Vorgeschichte, die er schließlich 1839 ? unter Einfluss von Thomsens Erkenntnissen ? zu einem Dreiperiodensystem erweiterte.
Es ist davon auszugehen, dass zumindest Thomsen und Danneil unabhangig voneinander das Dreiperiodensystem entwickelt haben. Dennoch entbrannte um die Frage, wer von beiden zuerst jene Idee hatte, eine heftige Debatte zwischen deutschen und danischen Archaologen, die hauptsachlich politische Motive hatte, und die deshalb nicht zufallig ihren Hohepunkt wahrend des
Deutsch-Danischen Krieges
von 1864 fand. Die deutschen Archaologen
Hugo Motefindt
(1893?1932) und
Gustaf Kossinna
verwiesen beispielsweise darauf, dass Danneil selbst ausgrub, wahrend Thomsen als Museumsdirektor lediglich die Funde von Kollegen auswertete. Dennoch war die Wirkung des Kopenhagener Museumsfuhrers, die auf einer großen Materialbasis beruhte, international weit großer als die regionale Grabungsbeobachtung Danneils.
Erste zeitgenossische Kritik an Thomsens Dreiperiodensystem kam vom deutschen Archaologen
Ludwig Lindenschmit
, der auf die zeitlichen Unterschiede von Stein- und Bronzeverwendung in Nord- und Suddeutschland verwies. Des Weiteren setzte sich ? allerdings erst spater ? die Vorstellung durch, dass die Ubergange zwischen den Perioden fließend verlaufen; insbesondere zwischen Stein- und Bronzezeit, wozwischen heute eine Ubergangsperiode, die
Kupfersteinzeit
eingefugt wird.
Bereits im 19. Jahrhundert erwies sich das Dreiperiodensystem in seiner Einteilung als zu grob und wurde schon 1859?61 von Thomsens Schuler
Jens Jacob Asmussen Worsaae
weiter unterteilt. Bis heute unterteilten Generationen von Vor- und Fruhgeschichtlern das Dreiperiodensystem in mehrere dutzend Abschnitte.
Das Dreiperiodensystem wurde ursprunglich fur Mitteleuropa entwickelt, lasst sich aber auf ganz Europa und weite Teile Asiens anwenden. In Afrika dagegen gibt es keine Bronzezeit, sondern einen direkten Ubergang von der Stein- zur Eisenzeit; und auch auf beiden amerikanischen Kontinenten ist das System nicht anwendbar.
- Manfred K. H. Eggert
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