Dreikapitelstreit

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Beim Dreikapitelstreit ging es im 6. und 7. Jahrhundert um eine innerkirchliche Auseinandersetzung uber das Verhaltnis zwischen der gottlichen und menschlichen Natur Jesu Christi . Im Gegensatz zum spateren Monotheletismus zielte der Dreikapitelstreit nicht auf die Schaffung einer gemeinsamen Grundlage ab, sondern auf ein gemeinsames Feindbild der dyophysitischen ?orthodoxen“ (?rechtglaubigen“) Kirche und den (vor allem in Syrien und Agypten zahlreichen) ? Monophysiten “ (bzw. Miaphysiten).

Das Konzil von Chalkedon (451) hatte die christologischen Streitigkeiten uber die Natur Christi nicht beilegen konnen, sondern eine Reihe von neuen Schismen bewirkt. 519 hatte unter Kaiser Justin I. zumindest das Akakianische Schisma zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel beigelegt werden konnen. Allerdings blieb ein gewisses Misstrauen bestehen, und vor allem wurde die Spaltung zwischen der ?orthodoxen“ (?rechtglaubigen“) Kirche und den (vor allem in Syrien und Agypten zahlreichen) Monophysiten durch diese Verstandigung noch weiter vertieft.

Kaiser Justinian (527?565) schlug daher aus politischer Notwendigkeit und angeblich unter dem Einfluss der Kaiserin Theodora einen Kurs ein, der eine Annaherung bewirken sollte. Im Versuch, auch die monophysitisch-antichalkedonensischen Kirchengemeinschaften im Osten des Romischen Reiches wieder in die christliche ? Orthodoxie “ einzubinden, bemuhte sich der Kaiser ab 532 um die Verurteilung der angeblichen ?Hauptverursacher“ der ?nestorianischen Haresie“ aus der Zeit vor dem Konzil von Ephesos (431). Der Nestorianismus war zwanzig Jahre vor Chalkedon der gemeinsame Gegner von ?Orthodoxen“ und ?Monophysiten“ gewesen, und Justinian hoffte offenbar, durch die Ruckkehr zu dieser Frontstellung eine Versohnung zu erreichen. Die drei fraglichen Theologen waren Ibas von Edessa († 457), Theodoret von Kyrrhos († 466) und Theodor von Mopsuestia († 428) mit den von ihnen verfassten Schriften, u. a. dem Brief des Ibas von Edessa an den Perser Mari. Vor allem Werke und Person des Theodor von Mopsuestia wurden von Kaiser Justinian im Jahr 551 im Dreikapiteldekret, vollstandig uberliefert im Chronicon Paschale (ad ann. 551), als nestorianisch verurteilt. Unter den ?drei Kapiteln“ versteht man dabei Person und Werk der drei Theologen.

Justinians Plan ging allerdings nicht auf, denn zum einen zeigten sich die Monophysiten wenig beeindruckt, und zum anderen sorgte die Verurteilung der drei angeblich nestorianischen Autoren insbesondere im Westen fur Emporung. Man weigerte sich dort, die fraglichen Schriften als haretisch zu verstehen, und sah im kaiserlichen Vorstoß eine verdeckte Initiative zugunsten der Monophysiten. Der das Dreikapiteldekret zunachst vehement ablehnende Papst Vigilius wurde schließlich 547, nachdem Justinians Truppen Italien den Ostgoten entrissen hatten, nach Konstantinopel zitiert. Im Zuge der Verhandlungen uber die drei Kapitel wurde Vigilius, nach einer Flucht in die Konzilskirche von Chalkedon, gewaltsam zur Ruckkehr nach Konstantinopel gezwungen. Als er dort angekommen war, brach Justinian sein Versprechen, Vigilius nicht mit den ?Drei Kapiteln“ zu belastigen. Daraufhin wurde in Konstantinopel ein okumenisches Konzil ( Zweites Konzil von Konstantinopel 553) abgehalten, um die Dreikapitel abzuhandeln. Vigilius weigerte sich strikt, am Konzil teilzunehmen, wenn nicht mehr Bischofe aus dem Westen anwesend seien. Die meisten dieser Bischofe kamen nicht, und das Konzil schloss sich der Verurteilung durch Justinian dennoch an. Erst als Vigilius, ausmanovriert durch kaiserliche Diplomaten, diesem Beschluss offiziell beigepflichtet hatte, durfte er sich auf die Ruckreise nach Rom begeben, wobei er in Syrakus verstarb.

Dieser Sinneswandel wurde dem Papst im Westen sehr ubel genommen, und mehrere Bischofe akzeptierten die Verurteilung der Drei Kapitel nicht; es folgte ein etwa 150 Jahre wahrendes Schisma , das Schisma von Aquileia. Viele Bischofe in Nord- und Mittelitalien wandten sich von Rom ab und den 568 einmarschierten Langobarden (die sich als Arianer aus dem Streit heraushielten) zu. Grund hierfur war der schon erwahnte Gegensatz in Glaubensfragen zwischen Konstantinopel, Rom und den norditalischen Bischofen. Jene stellten sich vehement gegen die Verurteilung der Drei Kapitel.

Erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts wurde in Pavia eine Versohnungssynode abgehalten, die das Schisma innerhalb der langobardischen Kirche und mit Rom aufloste.

  • Jakob Speigl : Dreikapitelstreit , in: Lexikon des Mittelalters , Band 3, Munchen 1999, Sp. 1381f.
  • Wolfgang Wassilios Klein (Hg.): Syrische Kirchenvater . Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-014449-9 , S. 116.
  • Richard Price (Ubers. & Komm.): The Acts of the Council of Constantinople of 553. With Related Texts on the Three Chapters Controversy. 2 Bande. Liverpool University Press, Liverpool 2009, ISBN 978-1-84631-178-9 .
  • Dietmar W. Winkler : Acacius of Constantinople , in: David G. Hunter, Paul J.J. van Geest, Bert Jan Lietaert Peerbolte (eds.): Brill Encyclopedia of Early Christianity Online . doi:10.1163/2589-7993_EECO_SIM_00000027
  • Dietmar W. Winkler : Theodosios von Alexandrien (535-566), Okumenischer Patriarch der Miaphysiten , in Zeitschrift fur Katholische Theologie 121 (1999) 396?412.