Der
englische
Ausdruck
Dreadnought
(gebildet aus
dread nought
, wortlich ?Furchtenichts“
[1]
) bezeichnete in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts einen neuen Typ von
Kriegsschiff
, der ab 1906 die bis dahin vorherrschenden
Linienschiffe
in jeder Hinsicht ubertraf. Die Bezeichnung geht auf das erste Schiff dieser Art zuruck, die in jenem Jahr fertiggestellte
HMS
Dreadnought
. Die Vorgangerbauten, die noch nicht uber eine Bewaffnung mit einem Einheitskaliber verfugten, wurden fortan als ?Pre-Dreadnoughts“ oder
Einheitslinienschiffe
bezeichnet.
Alle diese Bezeichnungen waren aber nur von umgangssprachlicher Bedeutung, wahrend amtliche Stellen diese Typen weiter als ?Linienschiffe“ bzw. ?Großlinienschiffe“ oder ?
Schlachtschiffe
“ einstuften. Nach dem
Ersten Weltkrieg
wurde die Bezeichnung allmahlich durch ?
Großkampfschiff
“ oder ?Schlachtschiff“ verdrangt.
Im 19. Jahrhundert wurden technische Fortschritte erzielt, die den Kriegsschiffbau gleich mehrfach revolutionierten. Die Erfindung und stetige Weiterentwicklung von
Dampfantrieben
,
Sprenggranaten
,
Schnellfeuerkanonen
und
Panzerungen
ließen eine Vielfalt von neuen Schiffstypen entstehen, die oftmals bei ihrer Fertigstellung schon veraltet waren. Zum Ende des Jahrhunderts kristallisierte sich der Typ des ?Einheitslinienschiffs“ heraus, der nach und nach das Ruckgrat der meisten großeren Kriegsflotten stellen sollte und diese Bezeichnung trug, weil er in allen Landern nahezu identische Merkmale aufwies:
- Schwere Bewaffnung von vier
Geschutzen
in jeweils einem
Doppelturm
vorne und achtern. Das
Kaliber
dieser Haupt-
Artillerie
lag zwischen 28 cm und 33 cm.
- Mittelartillerie von 12 bis 16 Geschutzen in Einzelaufstellung oder Doppelturmen an den Schiffsseiten mit einem Kaliber zwischen 12,7 cm und 17 cm; dazu eine Anzahl kleinerer Geschutze zur Abwehr von
Torpedobooten
.
- Antrieb durch
Mehrfachexpansionskolbendampfmaschinen
und Geschwindigkeit von zumeist 18
kn
(33 km/h).
- Verdrangung
zwischen 12.000 t und 16.000 t.
Es gab zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich erkennbare Tendenzen zur Steigerung dieser Werte: Neue US-amerikanische Linienschiffe von 18.000 t wurden begonnen, wahrend die
britische Marine
ein ?halbschweres“ Kaliber von zuletzt 23,4 cm anstelle der Mittelartillerie einfuhrte. Diese Zwischenlosung erwies sich im Hinblick auf eine einheitliche Feuerleitung und -beobachtung als unbefriedigend und ließ ein einheitliches Kaliber aller Hauptgeschutze wunschenswert erscheinen.
In diesen letzten Linienschiffsentwurfen ist bereits die Tendenz zu einer Vereinheitlichung der Hauptgeschutze unter Aufgabe der Mittel- oder halbschweren Artillerie zu erkennen. Ein solcher Schiffstyp wurde als
all big gun one caliber battleship
in verschiedenen Marinen durchdacht. Der Chefkonstrukteur der italienischen Marine,
Vittorio Cuniberti
, veroffentlichte bereits 1903 einen Entwurf fur ein neuartiges Schlachtschiff mit zwolf Hauptgeschutzen des Kalibers 30,5 cm, einer Verdrangung von 17.000 t und einer Hochstgeschwindigkeit von 24 kn (44 km/h) durch
Turbinenantrieb
.
Skeptiker wandten ein, dass die großen Geschutze mit ihrer geringeren Feuerrate auf kurze Entfernungen einer großeren Anzahl von schneller schießenden kleinen Geschutzen unterlegen waren. Nachts oder bei schlechter Sicht durch Nebel oder Pulverqualm wurde der Reichweitenvorteil wenig nutzen.
Die
Seeschlacht bei Tsushima
1905 zeigte, dass die schweren Kaliber auf relativ große Entfernungen tatsachlich eine Seeschlacht entscheiden konnten. Wenn nun aber der Schwerpunkt auf die großen Kanonen gelegt werden sollte, ware es aus vielerlei Grunden (darunter die bessere Beobachtung und Zuordnung der Einschlagssaulen) konsequent, auf eine mittlere Artillerie vollstandig zu verzichten. In der britischen Marine trieb der Erste Seelord,
Admiral
Sir
John Fisher
, schließlich die Realisierung eines
all big gun one caliber battleship
voran, der HMS
Dreadnought
:
- Zehn 30,5-cm-Geschutze in Doppelturmen, davon drei mittschiffs und jeweils einer seitlich der Aufbauten, so dass vier Turme in der Breitseite auf dasselbe Ziel feuern konnten
- Verzicht auf Mittelartillerie, dafur 22 Geschutze mit 7,6 cm zur Torpedobootsabwehr
- Turbinenantrieb mit einer Hochstgeschwindigkeit von 21 kn (39 km/h)
- Verdrangung: rund 18.000 t
Der Name dieses ersten Einheitskaliber-Schlachtschiffes wurde zum
Synonym
fur alle neu gebauten Schlachtschiffe dieser Art. Linienschiffe herkommlicher Bauweise verschwanden sehr bald aus den Bauprogrammen der Seemachte bzw. wurden durch Dreadnought-Typen ersetzt. Von nun an unterschied man die Hauptkampfschiffe der Schlachtflotten in ?Dreadnoughts“ und ?Pre-Dreadnoughts“.
Die mit 14 Monaten ungewohnlich kurze Bauzeit des schließlich im Dezember 1906 in Dienst gestellten Schiffes konnte durch umfangreiche Vorbereitungsarbeiten sowie Prioritatsverschiebungen erreicht werden. Der Grund hierfur lag darin, dass die
Vereinigten Staaten
ebenfalls 1905 den Bau zweier eigener
all big gun one caliber battleships
in Angriff genommen hatten. Aufgrund von Verzogerungen in der Genehmigung des Budgets durch den Kongress wurden die Schiffe der
South Carolina
-Klasse
allerdings erst 1910 fertiggestellt. Im Gegensatz zur
Dreadnought
verwendeten diese Schiffe aber anstatt Turbinen noch die bewahrten
Dreifach-Expansionsdampfmaschinen
als Antrieb. Ein ahnliches Projekt in
Japan
, die bereits 1903 auf Kiel gelegte
Satsuma
-Klasse
, scheiterte, weil die schweren Geschutze, die zu dieser Zeit in Großbritannien gekauft wurden, aus finanziellen Grunden nicht in ausreichender Zahl verfugbar waren.
Die
Dreadnought
, die keine
Schwesterschiffe
hatte, entwertete schlagartig die bis dahin gebauten Linienschiffe. Die Royal Navy hoffte, damit die britische Uberlegenheit zur See zu wahren, denn der fur den Bau solcher Schiffe erforderliche finanzielle Mehraufwand war erheblich, und man glaubte nicht, dass konkurrierende Seemachte ? es wurde speziell an
Frankreich
,
Russland
und
Deutschland
gedacht ? sich ein groß angelegtes Dreadnought-Programm wurden leisten konnen. Tatsachlich gingen aber alle bedeutenden Seemachte zum Dreadnought-Bau uber. Frankreich wartete mit dem Baubeginn der ersten Einheiten bis 1910,
Spanien
bestellte seine ersten Einheiten 1907, Russland 1908. Cuniberti baute 1907 die erste
italienische
Dreadnought, weitere Einheiten folgten dann erst ab 1910. In
Osterreich-Ungarn
wurde das erste Schlachtschiff mit Einheitskaliber 1910 auf Stapel gelegt, weitere drei Einheiten der
Tegetthoff
-Klasse
wurden bis 1914 fertiggestellt. Die USA legten nach den Einheiten der
South Carolina
-Klasse 1906 und 1907 jeweils eine, ab 1908 kontinuierlich jedes Jahr zwei Dreadnoughts auf Kiel.
Wahrend diese Machte zwar aufrusteten, aber keinen ernsthaften Versuch unternahmen, Großbritannien in einen offenen Rustungswettlauf zu verwickeln, war dies in Deutschland, dem ambitioniertesten Herausforderer der britischen Seemacht, langst der Fall (siehe auch
Deutsch-Britisches Flottenwettrusten
). Dabei stieß der deutsche Flottenbau bald an die Grenzen seiner Leistungsfahigkeit. Zwar wurden 1907 die ersten deutschen Dreadnoughts der
Nassau
-Klasse
begonnen und diese Einheiten an die Stelle der nach den
Flottengesetzen
vorgesehenen Linienschiffe gesetzt. Jedoch konnte
Alfred von Tirpitz
die Mehrkosten nicht mehr im bestehenden Finanzierungsrahmen bewaltigen. Es entwickelte sich uber die Finanzfrage (Steuererhohungen) eine Regierungskrise, die Reichskanzler
Bulow
das Amt kostete und die nationale Unterstutzung des Flottenbaus allmahlich schwinden ließ. Wie weit die britischen Kapazitaten uberlegen waren, zeigte sich im Rahmen der ?
Flottenpanik
“ von 1909: Auf den Ubergang der deutschen Marine zum ?Vierertempo“ reagierte Großbritannien, indem es im selben Jahr (trotz anfanglicher innenpolitischer Widerstande) gleich acht Dreadnoughts in Bau gab ? zusatzlich zu den weiteren Einheiten, die im Auftrag kleinerer Seemachte auf britischen Werften gebaut wurden.
Rustungswettlaufe in kleinerem Rahmen fanden in verschiedenen Regionen statt: In Sudamerika gab es zwischen
Argentinien
,
Brasilien
und
Chile
das sogenannte
ABC-Wettrusten
. Brasilien gab schon 1907 zwei Schiffe bei britischen
Werften
in Auftrag, Argentinien im darauf folgenden Jahr zwei Schiffe in den USA. Brasilien legte daraufhin 1910 ein Schiff ?nach“, woraufhin auch Chile zwei Dreadnoughts in Großbritannien bestellte. Ahnlich reagierte
Griechenland
, das die Inbaugabe zweier Dreadnoughts durch das
Osmanische Reich
1910 mit einem eigenen Schiff 1912 beantwortete. Das in Deutschland in Auftrag gegebene griechische Schiff wurde nicht fertig gebaut. Von den auf britischen Werften begonnenen turkischen Schiffen wurde lediglich eines kurz vor der Fertigstellung von Großbritannien beschlagnahmt und als
Erin
in Dienst gestellt. Dies und die gleichzeitig erfolgte Beschlagnahme der
Sultan Osman I.
? ursprunglich als
Rio de Janeiro
fur Brasilien im Bau und von den Osmanen aufgekauft ? trugen nicht unwesentlich zum Kriegseintritt der Turkei auf Seiten der Mittelmachte bei.
Fast gleichzeitig mit der
Dreadnought
als neuem Schlachtschifftyp gab Großbritannien den ersten
Schlachtkreuzer
als Weiterentwicklung des herkommlichen
Panzerkreuzers
in Bau. Dieser Schiffstyp entsprach dem Gedanken des
all big gun one caliber battleships
, er sollte aber nicht mit den anderen Schlachtschiffen in der Schlachtlinie eingesetzt werden, sondern vor der Schlachtflotte die feindlichen Aufklarungskreuzer bekampfen. Deshalb wurde beim Schlachtkreuzer der Schwerpunkt auf eine hohere Geschwindigkeit auf Kosten der Panzerung gelegt ? nach dem Motto Lord Fishers: ?Speed is the best protection“ (deutsch:
Geschwindigkeit ist der beste Schutz
). Das erste Schiff dieser Art, die
HMS
Invincible
, wurde ebenfalls 1905 begonnen, aber erst 1908 in Dienst gestellt. Sie war mit 25 kn (46 km/h) Hochstgeschwindigkeit der
Dreadnought
an Schnelligkeit deutlich uberlegen ? den alteren Linienschiffen sowieso ?, allerdings stellte sich die reduzierte Panzerung spater als eklatante Schwache heraus, als die
Invincible
und zwei weitere britische Schlachtkreuzer wahrend der
Skagerrakschlacht
explodierten.
Deutschland antwortete, ebenfalls 1907, mit seinem ersten Schlachtkreuzer
Von der Tann
, innerhalb der deutschen Marine als
Großer Kreuzer
bezeichnet. Der Typ des Schlachtkreuzers blieb im Wesentlichen britische und deutsche ?Spezialitat“; nur Japan baute vier Einheiten der
Kong?
-Klasse
, deren Typschiff allerdings in England gebaut wurde. Das Schlachtkreuzerprojekt der USA von 1916 wurde nicht fertiggestellt, stattdessen zwei der sechs vorgesehenen Einheiten in den 1920er Jahren zu
Flugzeugtragern
umgebaut (
Lexington
-Klasse
).
Die Aufstellung der Hauptgeschutze entwickelte sich in mehreren Schritten und national unterschiedlich. Die HMS
Dreadnought
und ihre unmittelbaren Nachfolger hatten jeweils zwei seitlich angeordnete Geschutzturme, so dass beim Feuern einer
Breitseite
ein Turm nicht am Ziel war. Bei den ersten deutschen Einheiten der
Nassau
- und
Helgoland
-Klassen waren die insgesamt sechs Turme in einer Hexagonal-Aufstellung arrangiert, wobei auf jeder Seite der Aufbauten zwei Turme standen ? eine Breitseite also nur vier der sechs Turme umfasste. Dies lag unter anderem daran, dass das
Reichsmarineamt
Turbinen erst grundlich erproben ließ, bevor man sich von den Vorteilen uberzeugen konnte. In Deutschland wurden stattdessen herkommliche Expansionsdampfmaschinen eingebaut, zumal der Verbrauch der Dampfmaschinen wahrend der Marschfahrt deutlich niedriger war als der von Turbinen. Diese ineffektive Nutzung der Feuerkraft fuhrte zu verschiedenen Arten der Turmaufstellung, die dem Zweck dienten, alle Turme in das Breitseitenfeuer einzubeziehen. Mit den Fortschritten im Turbinen- und Kesselbau (u. a. spezielle Marschturbinen resp. engrohrige Wasserrohrkessel) sowie einer generell zunehmenden Schiffsgroße konnte man schließlich zur Aufstellung aller Turme in Mittschiffsstellung ubergehen. In Osterreich-Ungarn wurden weltweit erstmals bei der
Tegetthoff
-Klasse
Drillingsturme
(drei Geschutzrohre in einem Turm) in uberhohter Mittschiffsstellung verwendet. Dies sollte spater bei mehreren Seestreitkraften wie Italien, USA und Russland zum Standard werden. Ebenso gab es nationale Besonderheiten in der Frage der Mittelartillerie, die in Deutschland und Japan vollwertig beibehalten wurde, in den angelsachsischen Landern zunachst jedoch nicht.
Durch standige Verbesserungen an den Antriebssystemen und den Panzerungen wurden die Dreadnoughts immer leistungsfahiger, aber auch großer und damit teurer. Schon die 1909 begonnenen Schiffe der
Lion
-Klasse verdrangten das Anderthalbfache der ursprunglichen
Dreadnought
und uberschritten die Baukosten der letzten Einheitslinienschiffe um ein Drittel. Fur die im selben Jahr in Auftrag gegebene
Orion
-Klasse
wurde eine Steigerung des Hauptkalibers von 30,5 auf 34,3 cm vorgenommen, gepaart mit der Anordnung samtlicher Geschutzturme in Kiellinie ? diese Schritte lauteten, auf dem Hohepunkt der ?Flottenpanik“, die Ara der
Superdreadnoughts
ein. Nach und nach gingen alle Seemachte zu einem großeren Kaliber von zumeist 35,6 cm, spater sogar auf 38,1 cm und 40,6 cm uber. Mit den gleichzeitig gewonnenen Steigerungen in der Geschwindigkeit entstanden Schiffe, gegen die der Namensgeber dieses Typs, die HMS
Dreadnought
, bereits nach wenigen Jahren wieder vollkommen unterlegen war. Spatestens mit den japanischen Einheiten der
Fus?
-Klasse
(1911) wurde der Schritt zum schnellen Schlachtschiff vollzogen, der die reinen Schlachtkreuzer nach und nach verdrangen sollte.
Dreadnoughts bildeten, wie vor ihnen die Einheitslinienschiffe, den Kern der Schlachtflotte. Ihre Hauptaufgabe war die Bekampfung der gegnerischen Schlachtschiffe auf große Entfernungen. In einer solchen Entscheidungsschlacht sollte nach den Lehren
Alfred Thayer Mahans
die Seeherrschaft erkampft werden.
Die Entwicklung des Schlachtkreuzers war das Ergebnis von Uberlegungen, die alten Panzerkreuzer ? deren Hauptaufgabe etwa in der Royal Navy in der Aufklarung fur die Schlachtflotte lag ? zu befahigen, bei Gefechtsberuhrung in das Gefecht der Hauptkampfschiffe einzugreifen. Nach der erfolgreichen Ausschaltung der feindlichen Schlachtflotte wurde die siegreiche Partei die Meere beherrschen, die unterlegene hingegen kaum zur Weiterfuhrung des Kampfes befahigt sein. Lediglich in Frankreich gab es eine breitere Basis unter den Offizieren, die stattdessen eine Kreuzerkriegsdoktrin favorisierten (
Jeune Ecole
).
In dem Bestreben, im Gefecht alle schweren Geschutze an den Feind zu bringen, erlebte die
Kiellinienformation
eine Renaissance; vor allem, nachdem der japanische Admiral
Togo
vor Tsushima mit seiner Linie das ?
Crossing the T
“-Manover erfolgreich eingesetzt hatte. Im Gegensatz zur Segelschiff-Ara bildete jedoch nicht mehr die ganze Flotte eine Linie, sondern verschiedene
Geschwader
, welche jeweils eigene taktische Einheiten bildeten. Die einzigen großeren Gefechte unter Beteiligung von Dreadnoughts, die Schlachten auf der
Doggerbank
und vor dem Skagerrak, sahen den Einsatz der Dreadnought- wie auch der Einheitslinienschiff-Geschwader in klassischen Kiellinien. Die begleitenden
Zerstorer
und Torpedoboote hatten dabei vornehmlich die Aufgabe, die feindlichen Dreadnoughts zu torpedieren bzw. die eigenen zu schutzen.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges bedeutete einen Einschnitt im weltweiten Dreadnought-Bau. Der Bau von Schiffen, die sich im Auftrag kleinerer Machte in europaischen Werften in Bau befanden, wurde entweder, wie im Fall der griechischen
Salamis
, eingestellt oder die Schiffe wurden ? falls der Bau weit fortgeschritten war ? beschlagnahmt und der eigenen Flotte eingegliedert, z. B. zwei fur die Turkei bestimmte Einheiten, die von Großbritannien als
HMS
Agincourt
und
HMS
Erin
in Dienst gestellt wurden. Auch eigene Projekte wurden teilweise storniert (vor allem in Frankreich und Russland, die den Schwerpunkt ihrer Rustungsindustrie auf das Heer legten). Die USA als zunachst nicht involvierte Macht fuhrten ihr Dreadnought-Programm konsequent fort. Die großte Seemacht, Großbritannien, besaß zu diesem Zeitpunkt 24 Dreadnoughts, zehn weitere befanden sich im Bau, und sechs wurden noch nach Kriegsbeginn in Auftrag gegeben. Die zweitgroßte Anzahl an Dreadnoughts besaß Deutschland mit 16 einsatzbereiten Einheiten. Nur zwischen diesen beiden Machten kam es zu Treffen zwischen Dreadnought-Verbanden.
Die einzige Dreadnought-Schlacht des Weltkrieges, die
Skagerrakschlacht
(1916), verlief strategisch relativ ergebnislos. Das Gefecht wurde hauptsachlich von den Schlachtkreuzern bestritten. Dabei wurden vier von ihnen versenkt: Drei britische Schiffe wurden durch Munitionsexplosionen vernichtet, und ein deutscher Schlachtkreuzer (die
Lutzow
) musste aufgegeben werden. Der Beinahe-Verlust der
HMS
Warspite
, einer Super-Dreadnought der
Queen-Elizabeth
-Klasse
, fuhrte die Gefahren eines allzu offensiven Einsatzes der Schlachtflotte vor Augen. Die hohe Verlustrate der Schlachtkreuzer stellte deren Konzept als Ganzes in Frage, weshalb die kurz zuvor in Auftrag gegebene
HMS
Hood
das letzte Exemplar dieses Typs wurde. Die beiden großten Schlachtflotten der Welt waren zum Ende des Krieges noch weitgehend intakt. Die Dreadnoughts hatten die ihnen ubertragene Aufgabe auf deutscher Seite gar nicht, auf britischer nur indirekt erfullt.
Im Rahmen der
Waffenstillstandsbedingungen
wurde der großte Teil der deutschen Hochseeflotte nach Kriegsende in
Scapa Flow
interniert, wo sie am 21. Juni 1919 von ihren Besatzungen versenkt wurde. Auch die restlichen Dreadnoughts mussten daraufhin ausgeliefert werden. Die USA, vor dem Krieg noch zweitrangige Seemacht, besaßen nun 16 Dreadnoughts. Das Bauprogramm von 1916 sah 16 weitere vor, von denen zehn bereits auf Kiel gelegt worden waren. Großbritannien besaß nach wie vor die großte Zahl an einsatzbereiten Schiffen, namlich 21; im Bau befand sich allerdings vorerst nur ein weiteres
(Hood)
. Die britische Uberlegenheit zur See war also ernsthaft gefahrdet, zumal auch Japan ein ambitioniertes Bauprogramm ankundigte, das einen Bestand von 16 Dreadnoughts zum Ziel hatte.
An eine Aufrechterhaltung des
Two-Power-Standards
war britischerseits nicht mehr zu denken. Die Dreadnoughts wurden nun zum Politikum, da die britische Regierung die Vision einer ?Freiheit der Meere“, wie vom US-Prasidenten
Woodrow Wilson
proklamiert, nicht unterstutzte ? eine solche Doktrin wurde zukunftig Seeblockaden wie gegen Deutschland unmoglich machen. Großbritannien beobachtete das US-Programm mit starkem Misstrauen, wahrend die US-Regierung versuchte, durch das Anheizen der Rustungsspirale Druck auszuuben. Die ungeheuren finanziellen Mittel fur ein eigenes Gegen-Rustungsprogramm konnte das vom Krieg ausgeblutete Großbritannien ebenso wenig aufbringen wie Japan, das in einer tiefen
Rezession
steckte ? aber auch die USA waren innenpolitisch kaum in der Lage, unter Friedensbedingungen eine solche Aufrustung durchzufuhren. Der neu gewahlte US-Prasident
Warren G. Harding
lud die anderen Seemachte ? neben Großbritannien und Japan auch Frankreich und Italien ? 1921 zu einer Konferenz zur Begrenzung der Seerustungen ein. Diese
Flottenkonferenz
brachte als Ergebnis die Aufgabe aller Dreadnought-Bauprogramme und eine zehnjahrige Pause im Bau neuer Dreadnoughts (mit Sonderregelungen fur Frankreich und Italien). Fast alle in Bau befindlichen Schiffe mussten bis auf wenige Ausnahmen abgebrochen werden; fur einige Einheiten wurde die Fertigstellung als Flugzeugtrager gestattet. Damit war die Dreadnought-Ara vorerst beendet.
Erst ab 1936 wurde der Bau von Großkampfschiffen allgemein wieder aufgenommen. Der Begriff ?Dreadnought“ wurde allerdings zu Beginn der 1930er Jahre seltener verwendet, an seine Stelle trat die Bezeichnung ?Schlachtschiff“ oder, gemaß den internationalen Vertragstexten, ?capital ships“ oder ?Großkampfschiff“. Mit dem Begriff ?Dreadnought“ wurden nun vornehmlich ruckblickend die Schlachtschiffe des Ersten Weltkrieges bezeichnet, allenfalls die noch vorhandenen modernisierten Einheiten. Fur die weitere Entwicklung des Typs siehe daher
Schlachtschiff
.
Der letzte erhaltene Dreadnought ist das Museumsschiff
USS Texas
.
- Siegfried Breyer:
Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905?1970.
Mit 922 Seitenrissen, Decksplanen, Querschnitten und Detailskizzen. J. F. Lehmann, Munchen 1970,
DNB
456189416
; Lizenzauflage: Pawlak, Herrsching am Ammersee 1988,
ISBN 3-88199-474-2
; 2. Auflage: Bernard und Graefe, Koblenz 1990,
ISBN 3-7637-5877-1
.
- Robert K. Massie
:
Dreadnought. Britain, Germany and the Coming of the Great War.
Cape, London 1992,
ISBN 0-224-03260-7
.
- Rolf Hobson
:
Maritimer Imperialismus. Seemachtideologie, seestrategisches Denken und der Tirpitzplan 1875 bis 1914
(=
Beitrage zur Militargeschichte
. Band 61). herausgegeben vom Militargeschichtlichen Forschungsamt, Potsdam, und dem Institut fur Verteidigungsstudien, Oslo. Oldenbourg, Munchen 2004,
ISBN 3-486-56671-7
(Dissertation Universitat Trondheim 1999, X, unter dem Titel:
Imperialism at sea
, Original in englischer Sprache, ubersetzt von Eva Besteck).
- ↑
Dreadnought
?
Duden
, 2018; u. a. mit ?Furchtenichts“