Zeitgenossisches Portrat der Marchenerzahlerin Dorothea Viehmann von
Ludwig Emil Grimm
Dorothea Viehmann
(geborene
Katharina Dorothea Pierson
, *
8. November
1755
in
Rengershausen
, heute ein Stadtteil von
Baunatal
; †
17. November
1815
) war eine der wichtigsten Quellen fur
Grimms Marchen
. Die
Bruder Grimm
veroffentlichten Dorothea Viehmanns Erzahlungen vor allem im zweiten Band ihrer
Kinder- und Hausmarchen
(KHM).
Dorothea Viehmann wurde als Katharina Dorothea Pierson in Rengershausen als Tochter eines Gastwirtes geboren. Die Vorfahren vaterlicherseits waren als verfolgte
Hugenotten
nach der
Aufhebung
des
Edikts von Nantes
nach
Hessen-Kassel
gekommen. Aufgrund dieser franzosischen Herkunft fanden uber Dorothea Viehmann eine Reihe von franzosischen Marchenvariationen Niederschlag in der Marchensammlung der Bruder Grimm. In der Gaststube ihres Vaters horte sie daruber hinaus auch viele Geschichten,
Sagen
und Marchen von durchreisenden Kaufleuten, Handwerksburschen und Fuhrleuten, die sie spater an die Bruder weitergab.
1777 heiratete Dorothea Pierson den Schneider Nikolaus Viehmann und zog mit ihm im Jahre 1787 nach
Niederzwehren
(heute Stadtteil von
Kassel
). Nach dem Tod ihres Mannes sorgte sie fur sich und ihre sieben Kinder, indem sie Produkte ihres Gartens auf dem Markt verkaufte.
Johann Wolfgang von Goethe
war, so der Grimm-Forscher
Heinz Rolleke
, Cousin funften Grades von Dorothea Viehmann; gemeinsamer Stammvater ist ein Valentin Schroder.
[1]
1813 lernte Frau Viehmann die Bruder Grimm kennen und erzahlte ihnen uber 40 Marchen und Marchenvariationen zu mindestens 36 Marchen der Bruder Grimm. Wilhelm Grimm schrieb uber sie: ?Einer jener guten Zufalle aber war es, daß wir aus dem bei Cassel gelegenen Dorfe Nieder-Zwehrn eine Bauerin kennen lernten, die uns die meisten und schonsten Marchen des zweiten Bandes erzahlte. Diese Frau, Namens Viehmannin, war noch rustig, und nicht viel uber funfzig Jahre alt. […] Sie bewahrte die alten Sagen fest im Gedachtniß“.
[2]
Besonders beeindruckt waren die Bruder Grimm davon, dass sie die Marchen immer wieder in unveranderter Wortwahl zu erzahlen wusste.
Auf Dorothea Viehmann zuruckgehende Texte haben in den Anmerkungen der Bruder Grimm stets den Hinweis
aus Zwehrn
.
Bernhard Lauer
vermutet deshalb, dass auch KHM 176
Die Lebenszeit
, das
ein Bauer aus Zwehrn
erzahlt haben soll, in derselben Tradition stehen konnte. Daneben flossen Fassungen von Dorothea Viehmann in weitere Marchen mit ein oder werden in den Anmerkungen als Varianten wiedergegeben.
Statue in Kassel-Niederzwehren zu Ehren Dorothea Viehmanns
Das Gast- und Brauhaus Knallhutte, in dem Dorothea Viehmann aufwuchs und das heute im Besitz der
Hutt-Brauerei
ist, steht in Baunatal-Rengershausen an der Autobahn
A 49
nahe dem Autobahnkreuz Kassel-West.
Der Ortskern von Kassel-Niederzwehren wird aufgrund des damaligen Wohnsitzes der Marchenerzahlerin heute auch ?Marchenviertel‘ genannt. Die Namen einiger Straßen und Wege in diesem Gebiet erinnern an die Bruder Grimm und ihre Marchen, wie etwa die Straßennamen Marchenweg, Dornroschenpfad, Daumling, Sterntalerweg, Dorothea-Viehmann-Straße und Bruder-Grimm-Straße.
[3]
Seit 1951 tragt die ortsansassige Grundschule in Niederzwehren den Namen Dorothea-Viehmann-Schule. Im Bereich zwischen den Kasseler Stadtteilen Niederzwehren und Oberzwehren wurde ein Park nach der Marchenerzahlerin benannt.
An dem Fachwerkhaus im Marchenweg, in dem Dorothea Viehmann von 1787 bis 1798 lebte, erinnern eine Plakette und eine Buste an die Marchenerzahlerin. Auch an dem Haus in der Bruder-Grimm-Straße, das die Familie ab 1798 bewohnte, wird auf die ehemalige Bewohnerin hingewiesen.
[4]
Im Februar 2009 wurde eine lebensgroße Halbbuste von Dorothea Viehmann enthullt, die der Kunstler Berahna Massoum im Auftrag des Bruder-Grimm-Museums Kassel anhand der gezeichneten Portrats Ludwig Emil Grimms erschuf.
[5]
Die Buste wurde zunachst auf einem Steinsockel an der Ecke von der Korbacher Straße zur Frankfurter Straße aufgestellt. Im Jahr 2015 fand sie ihren neuen Standort auf dem Marchenplatz in Niederzwehren, unterhalb der Matthauskirche. Dort befindet sich auch das Grab von Dorothea Viehmann.
Ein Neubaugebiet in Berlin erhielt 1996 Straßennamen nach Grimms Marchen; darunter auch eine Dorothea-Viehmann-Straße.
[6]
Im September 2012 ist eine Radierung aus dem Bestand der Universitatsbibliothek Kassel als bislang unbekanntes Bild der Dorothea Viehmann identifiziert worden.
[7]
Es stammt von
Ludwig Emil Grimm
.
- Georg Textor:
Marchenfest in Kassel-Niederzwehren zur Erinnerung an den 200. Geburtstag der Zwehrener Marchenfrau Dorothea Viehmann: vom 4.?11. Juli 1955
, Schrift des Schul- u. Heimatverein Dorothea Viehmann e. V. und der Dorothea-Viehmann-Schule
- Bernhard Lauer:
Dorothea Viehmann und die Bruder Grimm. Marchen und Wirklichkeit.
In:
Marchenspiegel. Zeitschrift fur internationale Marchenforschung und Marchenpflege.
2/9, 1998,
ISSN
0946-1140
, S. 36?42.
- Bernhard Lauer
:
Viehmann, Dorothea.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016,
ISBN 978-3-428-11207-4
, S. 791 (
Digitalisat
).
- Holger Ehrhardt:
Dorothea Viehmann. Die Marchenerzahlerin der Bruder Grimm.
Umfangreiche Dokumentation mit Beitragen von Vera Leuschner, Heinz Rolleke u. a. 160 Seiten. Euregio Verlag Kassel 2012.
- ↑
Heinz Rolleke:
Die Marchen der Bruder Grimm. Quellen und Studien.
Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2000,
ISBN 3-88476-390-3
, S. 28?29.
- ↑
Kinder- und Haus-Marchen
. 2. Auflage. 1819, Vorwort (
Wikisource
)
- ↑
Webseite des Heimatvereins Niederzwehren
(
Memento
des
Originals
vom 27. Mai 2022 im
Internet Archive
)
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Meldung der Stadt Kassel
(
Memento
des
Originals
vom 12. April 2013 im Webarchiv
archive.today
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- ↑
Dorothea-Viehmann-Straße.
In:
Straßennamenlexikon des
Luisenstadtischen Bildungsvereins
(beim
Kaupert
)
- ↑
Bildnis der Marchenerzahlerin Dorothea Viehmann entdeckt
(mit Abbildung) Uni Kassel