Diskusfische
oder
Diskusbuntbarsche
(
Symphysodon
) sind eine
Gattung
der
Sußwasserfische
in der
Familie
der
Buntbarsche
aus dem
Amazonasstromsystem
im
tropischen
Sudamerika
.
Von allen anderen
Cichliden
(außer den nahe verwandten
Skalaren
) unterscheiden sich Diskusfische durch ihren stark zusammengedruckten und hochruckigen Korperbau. Gemeinsam mit den nicht verlangerten, gerundeten
Rucken-
und
Afterflossen
, die aufgrund ihrer starken Beschuppung kaum angelegt werden konnen, dem langen rundlichen Stirnprofil und der sehr kurzen Schnauze mit kleinem Maul und wulstigen Lippen, bieten sie das Erscheinungsbild der namensgebenden Diskusscheibe.
Auch die transparenten, relativ großen
Brustflossen
, die bis zur Korpermitte reichen, sind abgerundet. Demgegenuber laufen die schmalen und langen
Bauchflossen
spitz zu. Die jeweilige Korperzeichnung setzt sich in den unpaarigen und den Bauchflossen fort. Immer liegt ein breiter Vertikalstreifen uber dem dunkelbraunen bis leuchtend roten Auge. Insgesamt sieben bis neun weitere Transversalstreifen verteilen sich uber den Korper; der letzte liegt immer an dem ebenfalls stark beschuppten
Schwanzflossenansatz
. Je nach Art beziehungsweise Vorkommen treten diese Bander stimmungsabhangig mehr oder weniger intensiv hervor.
Wiederum nach Art oder Vorkommen unterschiedlich treten verschieden intensive blaue und wellige Horizontalstreifen auf. Manchmal nur an der Stirn oder im Kopfbereich, manchmal nur unterhalb der Ruckenflosse, aber auch dicht uber den ganzen Korper verteilt. Wenige Populationen tragen zwischen der hoch am Korper liegenden
Seitenlinie
und der Afterflosse eine rotliche Sprenkelzeichnung.
Diskusbuntbarsche verfugen uber eine deutlich reduzierte Bezahnung des Schlundknochens. Aber die Symphyse, die Nahtstelle zwischen den beiden Kiefern, tragt wenige einspitzige Zahne. Auf dieses besondere
anatomische
Merkmal nimmt der wissenschaftliche
Gattungsname
Bezug.
Die Große adulter Tiere betragt in freier Natur, in der Regel, zwischen 12 und 16 Zentimeter, kann aber bei Nachzuchten oder unter optimalen Umwelt- oder Haltungsbedingungen auch bis zu 20 Zentimeter erreichen.
Symphysodon aequifasciatus
Ihr bisher bekanntes, sehr großes Verbreitungsgebiet in Amazonien erstreckt sich von der
peruanischen
Stadt
Iquitos
im Westen bis zum Beginn des
Amazonasdeltas
vor der
brasilianischen
Atlantikkuste
. Aus dem Hauptstrom, dem sogenannten
Solimoes
heraus, haben sich Diskusbuntbarsche die Unterlaufe aller großen Amazonas-Zuflusse erschlossen. Innerhalb dieses riesigen Bereichs, nahe unterhalb des
Aquators
, sind die Vorkommen nicht geschlossen. Sie liegen zwar dicht beieinander, bleiben aber uberwiegend inselartig. Dies hat zur Ausbildung von sehr unterschiedlich gezeichneten und gefarbten
Populationen
und zur wissenschaftlichen Beschreibung mehrerer
Arten
und
Unterarten
gefuhrt.
Zur
Okologie
der naturlichen Lebensraume der Diskusbuntbarsche liegen ab den 1960er Jahren sehr grundliche und sorgfaltige Untersuchungen des Freiburger
Limnologen
und Fischereibiologen
Rolf Geisler
vor. Geisler stellte fest, dass Diskusbuntbarsche alle Gewassertypen (Weiß-, Klar-, Schwarz- und Mischwasser) Amazoniens besiedeln. Aber immer ist das Milieu relativ lebensfeindlich, das heißt sehr warm (mindestens 29 bis zu 34,2 °C), im sauren Bereich (
pH-Werte
zwischen 4 und 6,5) sowie weitestgehend frei von gelosten
Mineralien
und organischen Belastungen (
elektrische Leitfahigkeit
< 30 μS/cm,
Gesamtharte
< 1 °dGH,
Gesamtammoniumgehalt
< 0,5 mg/l).
[1]
[2]
Diskusbuntbarsche leben in den Ufer- und Uberschwemmungsbereichen ihrer Wohngewasser, nicht aber an Flachufern, sondern nur an Steilufern mit einer Wassertiefe von mindestens 1,5 m. Ihre
Habitate
sind in der Regel
vegetationsfrei
aber durch Wurzeln, Totholz, dicke Falllaubschichten oder uberschwemmte Landvegetation strukturiert und dadurch deckungsreich. Gelegentlich bedecken Schwimmpflanzen und
schwimmende Inseln
ihre
Biotope
. Diskusbuntbarsche werden aber auch uber zerklufteten und scharfkantigen Lavariffen und in felsigen, nischenreichen Uferzonen angetroffen.
[1]
[2]
Nach den Ergebnissen von Magenuntersuchungen, die Geisler an Diskusbuntbarschen unterschiedlicher Populationen vornahm, ernahren sie sich uberwiegend von
Zooplankton
,
Insektenlarven
, kleinen
Borstenwurmern
, kleinen Sußwasser
garnelen
und pflanzlichem
Detritus
. Einen besonders großen Anteil an der Ernahrung haben
Eintagsfliegen
-,
Zuckmucken
- und
Buschelmuckenlarven
. Nahrung, die sich im Bodengrund oder unter pflanzlichem Substrat verbirgt, wird durch anpusten mit einem gezielten Wasserstrahl freigelegt und dann aufgenommen.
Offenbar sind alle Diskusbuntbarsche von
Parasiten
befallen. Vor allem
Darmflagellaten
und
Kiemenwurmer
werden als regelmaßige Begleiter festgestellt. Gesunden
Wirtstieren
schaden sie aber konstitutionell nicht.
[1]
[2]
Diskusbuntbarsche erreichen die Geschlechtsreife in einem Alter zwischen sieben und zwolf Monaten. Sie leben in mehr oder weniger großen sozialen Verbanden, in
Schulen
, aus denen heraus sich Paare bilden. Die wahrend der
Balz
deutlich hervortretende
Legerohre
des Weibchens, ist das einzige sichere Merkmal zur Unterscheidung der
Geschlechter
. Nach Geisler steht die
Fertilitat
in Korrespondenz mit der Verfugbarkeit bestimmter Nahrtiere (Sußwassergarnelen der Gattung
Macrobrachium
), die den
Hormonhaushalt
der Fische beeinflussen.
Nach einer nur wenige Stunden dauernden, ritualisierten Vorbalz, wird ein
Laichsubstrat
ausgewahlt, bei dem es sich immer um eine belebte (Pflanzenteil) oder unbelebte (Holz, Stein) senkrechte Flache handelt. Der ausgewahlte Laichort wird von dem Paar mit den Maulern grundlich gereinigt. Aus den bis zu 300 Eiern (durchschnittliche Lange 1,4 mm, Breite 1,17 mm), die mit kurzen Haftfortsatzen an dem Substrat kleben, schlupfen die Larven nach etwa zweieinhalb Tagen. Beide Eltern unterstutzen den Schlupfvorgang, indem sie die Larven aus den Eihullen herauskauen. Anschließend werden die Larven, die ebenfalls uber Haftorgane verfugen, wiederum an einer senkrechten Flache traubenformig befestigt. Bis sie freischwimmen, werden sie von beiden Eltern mehrmals umgebettet. Etwa vier Tage nach dem Schlupf schwimmen die Larven frei und beginnen sofort mit der Nahrungsaufnahme.
Nach Blum & Fiedler wird das Brutpflegeverhalten bis zum eigentlichen Laichvorgang durch die mannlichen
Sexualhormone
Testosteron
und
Androsteron
gesteuert, die Laich- und Larvenbetreuung jedoch von dem
Hypophysenhormon
Prolaktin
.
[3]
Das Prolaktin wirkt sich nicht nur ethologisch auf das Brutpflege- und Sozialverhalten der Diskusbuntbarsche aus, es fuhrt auch zu einer leichten Schwellung der Oberhaut und regt die Vermehrung der Schleimzellen an. Das ist wichtig, weil sich die Larven von der Oberhaut ihrer Eltern ernahren: sie beißen winzige Partikel aus der elterlichen
Epidermis
, in der sich wahrend der Brutpflegezeit
Kohlenhydrate
und
Fette
anreichern. Diese Art der Larvenernahrung wurde zwar auch bei anderen Buntbarschen beobachtet (
Pterophyllum altum
,
Australoheros facetum
und
Astronotus
sp.
), ist aber nur bei den Diskusbuntbarschen so einzigartig ausgepragt. Bei der Jungfischernahrung losen sich die Eltern regelmaßig ab, wobei sie ihren Nachwuchs durch Bewegungs- und Farbreize zum Wechsel anregen. Ab etwa dem vierten Lebenstag beginnen die Diskuslarven mit der Aufnahme anderer Nahrung, sind aber wenigstens vier Wochen auf die Elternhaut als Grundnahrung angewiesen.
Am 2. November 1833 fing der osterreichische Forschungsreisende
Johann Natterer
am unteren
Rio Negro
im Bereich der
brasilianischen
Stadt
Manaus
das einzige
Typusexemplar
der von
Johann Jakob Heckel
1840 als
Symphysodon
erstbeschriebenen Buntbarschgattung. Das Exemplar ist zugleich der
Holotypus
des sogenannten
Echten Diskus
Symphysodon discus
Heckel, 1840. In der Folge wurden andere Arten und
Unterarten
wissenschaftlich beschrieben, deren Zuverlassigkeit aber auch immer angezweifelt und heftig diskutiert wurde. Grund dafur ist, dass die klassischen
metrischen
und meristischen (zahlbaren) Bestimmungskriterien (zum Beispiel die Erhebung der Flossenstrahlen, Wirbel- und Schuppenzahlen) bei Diskusbuntbarschen zu keinen eindeutigen Abgrenzungen fuhren. Diese Merkmale sind innerhalb der Gattung, innerhalb der beschriebenen Arten und innerhalb des riesigen Verbreitungsgebiets so variabel, dass sie gleichzeitig fur alle beschriebenen Arten gelten.
Symphysodon discus
Auch von Michael Kokoscha und
Hartmut Greven
1996 an der
Heinrich-Heine-Universitat
in
Dusseldorf
unternommene
Isoenzym
-
Elektrophoresen
fuhrten lediglich zu einem uberraschenden Ergebnis: es ?sprache nichts dagegen, alle Diskusfische mit dem alteren Namen
S. discus
zu benennen“.
[4]
Zurzeit geht man von drei bis funf Arten aus:
[5]
[6]
[7]
- Symphysodon
Heckel 1840.
[8]
mit den Arten
- Symphysodon aequifasciatus
Pellegrin
1904.
[9]
Syn.:
Symphysodon discus
var.
aequifasciata
Pellegrin 1904,
Symphysodon aequifasciata aequifasciata
Schultz 1960. Brauner Phanotyp; Amazonas ostlich der Rio Negro-Mundung.
- Symphysodon tarzoo
Lyons, 1959.
[10]
Syn.:
Symphysodon discus tarzoo
Lyons 1959, Gruner Phanotyp; westlicher Amazonas.
- Symphysodon
sp. 1 (blauer Phanotyp; mittleres Amazonasbecken)
[7]
In Amazonien sind Sußwasserfische fur viele Menschen die wichtigsten tierischen
Eiweißlieferanten
. Auch Diskusbuntbarsche werden zu diesem Zweck geangelt, harpuniert oder mit Netzen gefangen. Allerdings spielt ihr Anteil an der Gesamtmenge zum Verzehr gefangener Sußwasserfische keine bedeutende Rolle. Aber fur relativ viele Familien ist der Lebendfang fur die
Aquaristik
eine wichtige Einnahmequelle und nicht selten die einzige Lebensgrundlage.
Diskusbuntbarsche aus der Natur, sogenannte Wildfange, sind seit rund sechzig Jahren sehr begehrte und teuer gehandelte Aquarienfische. Der Wunsch vieler Aquarienfreunde, Diskusbuntbarsche zu pflegen und sogar zu zuchten, hat bis heute ganz entscheidenden Einfluss auf diese Liebhaberei insgesamt. Da diese Cichliden besonders sauberes, nahezu keimfreies und saures Wasser benotigen und ihre erfolgreiche Pflege von der Bewaltigung und Prophylaxe zahlreicher bakterieller und parasitarer Erkrankungen abhangig ist, haben sie die Weiterentwicklung beispielsweise der Aquarienfiltertechnik, der Wasseraufbereitung, der Futtermittelherstellung und der Fischpharmazie ganz entscheidend angeregt. Die meisten Untersuchungen zur Biologie und Okologie ihrer Lebensraume basieren uberwiegend auf dem aquaristischen Interesse an diesen Fischen. Eine gefurchtete hochansteckende Erkrankung in Aquarienhaltungen ist die
Diskusseuche
.
Zuchtform ?Leopard Snakeskin“
Mit der Entwicklung kunstlicher Aufzuchtmethoden begann in den 1970er Jahren auch die
selektive
Form- und Farbenzucht. Zahlreiche Zuchtformen tragen fantasievolle Namen wie ?Ghost“, ?Blue Diamond“, ?Marlboro Red“ oder ?Tangerine Dream“, zeigen bereits deutliche
Domestikationserscheinungen
und werden in Europa, den USA und in Sudostasien im Rahmen internationaler Wettbewerbe nach ihrem Erscheinungsbild bewertet. Nur eine dieser Zuchtformen ist
reinerbig
: der auf einem mit massiven Gewebsdeformationen der Oberhaut einhergehenden genetischen Defekt beruhende ?Pigeon Blood“.
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