In der Rechtswissenschaft bedeutet die
dingliche Einigung
eine
Einigung
, die auf eine
Verfugung
uber ein Recht an einem
Gegenstand
gerichtet ist. Synonym wird die Bezeichnung
Einigsein
verwendet.
Der Begriff
dingliche Einigung
war bei Begrundung des
BGB
ursprunglich nicht vorgesehen gewesen, wurde durch die
zweite Kommission
dann aber eingefuhrt und loste die Terminologie des
dinglichen Vertrages
ab, welche ihrerseits letztlich keinen Niederschlag im Text des BGB fand.
[1]
[2]
Das
Attribut
?dinglich“ weist darauf hin, dass es sich um einen
sachenrechtlichen
Einigungsvorgang handelt, der zu einem dinglichen Vertrag fuhrt. Diese dingliche Einigung ist von der (schuldrechtlichen) Einigung zu unterscheiden, weil letztere keine dingliche Rechtsanderung herbeifuhren kann. Die dingliche Einigung unterliegt zwar den Bestimmungen des
allgemeinen Teils des Burgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
, betrifft aber nur die
dinglichen Rechte
.
Die dingliche Einigung enthalt die Erklarung des Veraußerers, sein Eigentum an den Erwerber ubertragen zu wollen, und die Erklarung des Erwerbers, Eigentum erwerben zu wollen.
[3]
Das gilt auch fur Belastungen des Eigentums durch
Pfandrechte
oder
Grundpfandrechte
. Die einer dinglichen Einigung zugrunde liegenden
Willenserklarungen
beschranken sich auf die Herbeifuhrung der Wirkungen der Verfugung (Eigentumsubertragung oder -belastung), den Gegenstand der Verfugung und die Parteien des Verfugungsgeschafts (so genannter
verfugungsrechtlicher Minimalkonsens
).
[4]
Die dingliche Einigung wird im Regelfall bei
Ubergabe
oder bei der Vereinbarung eines
Besitzkonstituts
getroffen, kann aber auch vorweggenommen (antizipiert) werden, um Sachen zu ubereignen, die der Veraußerer noch gar nicht im Besitz hat. Sie enthalt als inhaltlich abstraktes Rechtsgeschaft nur die Verfugungswirkungen (Ubertragung, Belastung oder Aufhebung), wahrend sich der Zweck aus dem
Verpflichtungsgeschaft
ergibt (
Kaufvertrag
,
Schenkung
,
Grundschuldbestellung
). Eine dingliche Einigung ist im Rahmen des
Verfugungsgeschafts
erforderlich bei Eigentumsubertragung, Grundschuldbestellung und Verpfandung.
Zur Rechtswirksamkeit einer dinglichen Einigung ist zunachst die
Bestimmtheit
der betroffenen Sache erforderlich, wonach fur jeden erkennbar sein muss, welche konkreten Sachen ubereignet oder belastet werden sollen. Geht es um bewegliche Sachen, bedarf die dingliche Einigung keiner besonderen
Form
. Eine dingliche Einigung kann mit einer
Bedingung
(
§§ 158 ff.
BGB) wie etwa dem
Eigentumsvorbehalt
oder einer
Befristung
verbunden werden.
Da es sich bei der dinglichen Einigung um ein
Rechtsgeschaft
handelt, unterliegt der Inhalt der Einigung der
Auslegung
. Erklarungen sind
auslegungsfahig
, wenn sie mehrdeutig sind und
auslegungsbedurftig
, wenn die Erklarenden unterschiedliche Verstandnisse fur sich beanspruchen. Stimmen die aufeinander bezogenen Willenserklarungen nicht uberein oder sind nicht alle Punkte eines Vertrages abschließend geregelt, liegt ein
Einigungsmangel
vor. Hierzu gehoren der offene (
§ 154
BGB) und der versteckte Dissens (
§ 155
BGB). Da fur die einer Einigung zugrunde liegenden Willenserklarungen
Geschaftsfahigkeit
des Erklarenden erforderlich ist, gibt es auch mehrere
Unwirksamkeitsgrunde
. Eine Willenserklarung und damit eine Einigung konnen nichtig sein
[5]
wegen
Geschaftsunfahigkeit
(
§§ 104 ff.
BGB), Verstoß gegen ein
gesetzliches Verbot
(
§ 134
BGB),
Sittenwidrigkeit
(
§ 138
Abs. 1 BGB) oder
Anfechtung
(
§ 142
Abs. 1 BGB). Dingliche Ubertragungen sind zwar wertneutral, doch wird bei der bewussten Umgehung von Schutzvorschriften diese Wertneutralitat aufgehoben, so dass eine dingliche Einigung sittenwidrig sein kann.
Eine dingliche Einigung ist nach
ganz herrschender Meinung
nicht bindend, sondern kann von jeder Seite bis zur Ubergabe einseitig widerrufen werden,
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da sie nicht verpflichtet, sondern ?wirkt“. Die Gegenauffassung, die eine Bindungswirkung annimmt, wird in der aktuellen Literatur nur noch sehr vereinzelt vertreten.
[7]
Der Widerruf muss dem anderen Vertragspartner jedoch auch zugehen. Eine Widerrufbarkeit der Einigung bei beweglichen Sachen kann auch aus
§ 1205
BGB (?einig sind“) geschlossen werden. Deshalb bedarf es bei der Ubergabe einer Prufung des ?Einigseins“. Eine Bindungswirkung tritt nach
§ 873
Abs. 2 BGB allerdings bei notarieller
Beurkundung
der dinglichen Einigung ein.
Nach
§ 929
Satz 1 BGB besteht ein Verfugungsgeschaft neben dem
Realakt
der Ubergabe aus der Einigung uber den Eigentumsubergang. Diese dingliche Einigung bildet den dinglichen
Vertrag
, der eine dingliche Rechtsanderung eintreten lasst. Verfugungsgeschafte andern dann die dingliche Rechtslage durch Begrundung, Ubertragung, Anderung oder Aufhebung eines Rechts. Einigung, Ubergabe oder
Ubergabesurrogat
sind bei beweglichen Sachen zwingende Voraussetzung einer dinglichen Rechtsanderung. Das gilt auch fur den
Begebungsvertrag
bei
Wertpapieren
. Ist der Erwerber bereits
Eigenbesitzer
, genugt nach
§ 929
Satz 2 BGB die bloße dingliche Einigung. Durch Einigung und Ubergabe kann
gutglaubig
auch vom
Nichtberechtigten
Eigentum
erworben werden, ein Gutglaubensschutz kommt nach den
§ 932
bis
§ 936
,
§ 1032
,
§ 1207
,
§ 1208
BGB und
§ 366
HGB in Frage.
Bei
Grundstucken
und
grundstucksgleichen Rechten
heißt die dingliche Einigung zwischen Veraußerer und Erwerber
Auflassung
(
§ 925
Abs. 1 BGB). Fur diese sieht formellrechtlich
§ 20
GBO
den Einigungsnachweis der Beteiligten vor. Neben der Auflassung gehort zum Verfugungsgeschaft noch die
Eintragung
ins
Grundbuch
. Da Grundbucheintragungen mindestens in der Form der notariellen
Beglaubigung
moglich sind, ist auch die Auflassung formgebunden. Kommt es zur Eintragung ohne vorangegangene ausreichende dingliche Einigung, ist das Grundbuch unrichtig.
[8]
Die Auflassung ist bedingungsfeindlich (
§ 925
Abs. 2 BGB).
- ↑
Hans Hermann Seiler
:
Geschichte und Gegenwart im Zivilrecht. Grundzuge des Sachenrechts
, Heymanns, Koln 2005,
ISBN 978-3-452-25387-3
, S. 244 ff.
- ↑
Benno Mugdan
:
Die gesammten Materialien zum Burgerlichen Gesetzbuch fur das Deutsche Reich
. Herausgegeben und bearbeitet von B. Mugdan, Kammergerichtsrath, 6 Bande, R. v. Decker’s Verlag, Berlin 1899, Band III, 4 f.
- ↑
Harm Peter Westermann
/Dieter Eickmann/
Karl-Heinz Gursky
:
Sachenrecht
, 2011, S. 308 ff.
- ↑
Jurgen Oechsler in
MunchKomm
:
BGB
, 5. Auflage, 2009, § 929 BGB, Rn. 24
- ↑
Harm Peter Westermann:
BGB-Sachenrecht
, 2012, § 5 Rn. 125, 126
- ↑
BGH, Urteil vom 14. November 1977, Az. VIII ZR 66/76,
Volltext
(
Memento
des
Originals
vom 10. November 2018 im
Internet Archive
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und entferne dann diesen Hinweis.
@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.jurion.de
= NJW 1978, 696.
- ↑
Jurgen Oechsler
, in:
Munchener Kommentar zum BGB
. 8. Auflage 2020, § 929 Rn. 42 f.
- ↑
Wolfgang Brehm/Christian Berger:
Sachenrecht
, 2006, S. 174.