Differential Global Positioning System
(
DGPS
;
deutsch
?Differentielles Globales Positionierungssystem“
) bezeichnet Verfahren, die durch das Ausstrahlen von Korrekturdaten (Bahn- und Zeitsystem) die
Genauigkeit
der
GNSS
-
Navigation
steigern konnen. Die Bezeichnung ist vom amerikanischen
GPS
abgeleitet, obwohl inzwischen auch Signale anderer Satellitennavigationssysteme in das Verfahren einbezogen werden.
Die Positionsbestimmung mittels GNSS basiert auf
Laufzeit
differenzen
der Signale von mehreren Satelliten zu einem Empfanger, siehe
Hyperbelnavigation
.
Dabei wird vorausgesetzt, dass Entfernungsdifferenzen proportional zu den Zeitdifferenzen sind.
In der Praxis ergeben sich Ungenauigkeiten, weil die Signalgeschwindigkeit in der Tropo- und Ionosphare zeitlich und raumlich leicht variiert, siehe
GNSS
. Zudem sind die Bahnen und Uhrenfehler der Satelliten dem Empfanger nicht genau bekannt. Die Einflusse dieser Effekte sind fur benachbarte Empfanger gleich und lassen sich durch geeignete Auswertemethoden eliminieren.
[1]
Mit zunehmendem Abstand der Empfanger zueinander wird die Korrektur weniger genau. Großere Abstande lassen sich uberbrucken, wenn zwischen mehreren Referenzstationen
interpoliert
wird. Zudem unterscheiden sich die Verfahren danach, ob Positionen oder
Pseudostrecken
zu einzelnen Satelliten korrigiert werden.
Beim DGPS werden ortsfeste GNSS-Antennen, sogenannte
Referenzstationen
, benutzt, deren exakte Lage durch klassische Vermessungsmethoden bestimmt wurde. Aus der Abweichung der tatsachlichen und der empfangenen Position lassen sich die wirklichen Laufzeiten der Signale fur jeden Satelliten sehr genau bestimmen. Die Differenzen der theoretischen und der tatsachlichen Signallaufzeiten werden an die DGPS-Empfanger in der Umgebung ubertragen.
Die DGPS-Empfanger korrigieren ihre Position mit diesen Korrektursignalen, wodurch sich die Position des Empfangers erheblich genauer berechnen lasst. Die fur die Korrektursignale notwendige Empfangsantenne ist oft in die GNSS-Antennen integriert. Fallt die (Funk-)Verbindung zur DGPS-Sendeanlage aus, schaltet der Empfanger in den unkorrigierten GNSS-Modus mit normaler Genauigkeit um.
Wie stark die Genauigkeit erhoht werden kann, hangt hauptsachlich von der Entfernung des DGPS-Empfangers von der Referenzstation ab. Die erreichbare
Genauigkeit
liegt je nach Qualitat des Empfangers und der Korrekturdaten zwischen 0,3 m und 2,5 m fur die Lage (
x
,
y
) und bei 0,2 m bis 5 m fur die Hohe. Hochqualitative Systeme werten zusatzlich die Phasenverschiebung der Tragerwelle aus (wie z. B. bei
geodatischen
Empfangern ublich) und erreichen so Genauigkeiten von wenigen Millimetern (± 1 mm bis ± 10 mm pro km Abstand zur Referenzanlage).
Man kann die Messdaten (die empfangenen Satellitensignale) entweder fur eine nachtragliche Auswertung aller Messpunkte aufzeichnen (
offline
) oder die Positionskorrekturen der Basisstation
online
an alle Rover ubermitteln. Erstere Methode wurde vor allem in der Anfangszeit von GPS verwendet, wird aber teilweise bis heute fur genaue
Vermessungsnetze
angewandt.
Die Berechnung erfolgt durch einen raumlichen
Netzausgleich
, der entweder auf den Signal-
Laufzeiten
oder auf ihrer
Phasenmessung
beruht. Wenn Genauigkeiten im Dezimeter- bis Meterbereich ausreichen, genugt auch die Ausgleichung der von den Empfangern direkt berechneten Positionen.
Fur weit ausgedehnte Vermessungsnetze kann es notwendig sein, diese in uberlappende Abschnitte zu unterteilen, die sogenannten
Sessionen
. Mit den vorhandenen Empfangern wird ein Teil der Punkte und ein bis drei Referenzpunkte gleichzeitig eingemessen; mittels letzteren kann das gesamte Netz a posteriori einheitlich ausgeglichen werden. Auch eine nachtragliche ?
Anfelderung
“ einzelner Netzteile ist moglich.
Im ersten GPS-Jahrzehnt, als die Empfanger noch sehr teuer waren, wurden auch Verfahren zur Genauigkeitssteigerung mit nur
einem
Empfanger entwickelt (?single receiver methods“), unter anderem das
qGPS
(
Quasidifferenz
-GPS) der TU Wien, das die einzelnen Messpunkte durch wiederholtes Aufsuchen eines zentral gelegenen Bezugspunktes gegeneinander versteift.
Besonders geeignet erwies sich dafur der Garmin-Empfanger
GPS II
(1995), mit dem sich trotz Datenverschleierung (
Selective Availability
) die Genauigkeit von etwa ±50 m auf einige Meter verbessern ließ.
Die wiederholten Messungen auf dem Bezugs- bzw.
Knotenpunkt
(genannt ?reoccupation“) ermoglichten durch geeignete
Ausgleichung
nicht nur eine genauere Vernetzung, sondern auch die Bereinigung eines eventuellen zeitlichen Trends in den ermittelten GPS-
Koordinaten
der Messpunkte.
Im Allgemeinen werden jedoch die Korrekturdaten der Referenzstation(en) direkt an alle Empfanger gefunkt oder ? im Falle regionaler Permanentstationen ? auch uber das Internet verbreitet.
Durch telefonische oder Funkubertragung der Korrekturdaten einer Basisstation kann jeder Rover sofort seine Ortungsgenauigkeit erhohen. Eine feinere Korrektur kann auch im Nachhinein erfolgen, wenn Rover und Basisstation alle Daten zur Positionsbestimmung aufzeichnen (Postprocessing).
Die Korrekturdaten konnen vom Anwender selbst erzeugt werden, wenn ein zweiter GPS-Empfanger vorhanden ist. Um aber auf Zweitgerate verzichten zu konnen, haben viele Lander permanente Referenzstationen eingerichtet, die von Anwendergruppen oder der amtlichen
Landesvermessung
betrieben werden (z. B. das
SAPOS
-Netz der deutschen Bundeslander). Dadurch sind auch mit nur einem Empfanger hochgenaue Positionsbestimmungen moglich, bei entsprechender Hardware sogar praktisch in
Echtzeit
.
- Fur Deutschland wurde
SAPOS-HEPS
(Hochpraziser Echtzeit Positionierungs-Service) entwickelt. Er bietet eine Lagegenauigkeit von ca. 1?2 cm und eine Hohengenauigkeit von ca. 2?3 cm.
Fur Messungen im SAPOS-System benotigt man Roverausrustung mit einem geodatischen,
RTK
-fahigen GNSS-Empfanger, sowie ein Modem / Handy fur den Empfang der SAPOS-Daten. Man kann sich dabei (unter Beibehaltung von Satellitenkontakt und Handyverbindung) von Punkt zu Punkt bewegen, ohne den Empfanger jedes Mal neu initialisieren zu mussen. Dies ermoglicht flexibles Arbeiten und man erhalt sofort die Koordinate eines Punktes im
ETRS
-Koordinatensystem. Als Beobachtungszeit pro Punkt genugen 5?20 Sekunden.
Vorteil: Wirtschaftlichkeit durch geringen Zeit- und Personalaufwand. Koordinaten direkt erhaltlich, ohne innendienstliche Nachbearbeitung. Keine Abhangigkeit von Tageszeit oder Wetter.
Nachteil: Koordinatenbestimmung in praziser Lage nur durch Koordinaten-Transformation.
- In anderen Landern wurden ahnliche Datendienste aufgebaut, die entweder amtlich, von Vermessungsdiensten oder von EVUs betrieben werden. In Osterreich sind es v. a. Kraftwerksbetreiber und das dGPS der Ingenieurburos, in der Schweiz das
swipos
der
Landestopografie
, in Deutschland neben Sapos Anbieter wie ALF, AMDS oder ascos.
- Bei der Methode der
Pseudorange
-Korrektur berechnet die Basisstation die Fehler der Strecken zu den Satelliten und ubermittelt diese an den Rover. So ist auch eine Korrektur moglich, wenn von der Basisstation und dem Rover unterschiedliche Satelliten empfangen werden. Es sind Genauigkeiten < 1 m moglich.
- Bei sehr genauen Messungen wird auch die
Phasenlage
der Satellitensignale ausgewertet. Dadurch sind Genauigkeiten von 1?10 mm pro km Abstand zur Basisstation erreichbar.
- Auf dem Meer ist eine geringere Genauigkeit ausreichend, doch eine Verbreitung uber Radio nutzlich. Fur die Bundesrepublik Deutschland werden Differential-Stationen von der
Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
betrieben. Sie arbeiten nach dem internationalen
IALA
-Standard und senden Korrekturdaten auf Mittelwelle fur den Kusten- und Binnenbereich aus. Zentrale technische Behorde ist das
Amt fur Binnen-Verkehrstechnik
.
Die Korrektursignale werden ublicherweise uber Funk oder fur spezielle Anwendungen uber andere Datenubertragungswege an die DGPS-Empfanger ubermittelt. Da sich die Laufzeitunterschiede der einzelnen GNSS-Signale nur langsam andern, ist diese Ubertragung nicht zeitkritisch. Fur einfache DGPS-Korrektur reicht eine Korrektur alle drei Sekunden aus, fur hochgenaue DGPS-Korrektur sind sehr viel hohere Raten im Bereich von 0,1 Sekunden notig.
Neben den regionalen DGPS-Korrekturdaten, die jeweils von einer einzelnen Referenzstation abgeleitet und ausgesendet werden, gibt es auch Korrekturdaten fur große Gebiete, die uber geostationare Satelliten verbreitet werden (
SBAS
). Diese Daten werden aus den Empfangsdaten in einem Netz von Referenzstationen abgeleitet und fur kontinentweite Verbreitung uber geostationare Satelliten gesendet. In Europa heißt dieses satellitengestutzte DGPS-System
EGNOS
, in Amerika
WAAS
, in Japan
MSAS
und in Indien
GAGAN
.
Bodenbasierte Systeme (
GBAS
) werden in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des
Satellitenpositionierungsdienstes der deutschen Landesvermessung
(SAPOS) betrieben. Ein weiterer Betreiber von Referenzstationen ist die
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
(WSV). Deren Stationen arbeiten nach dem internationalen Standard der
International Association of Marine Aids to Navigation and Lighthouse Authorities
(IALA) und senden Korrekturdaten auf Mittelwelle fur den Kusten- und Binnenbereich aus. Zentrale technische Behorde ist die Fachstelle der WSV fur Verkehrstechniken in Koblenz.
Folgende Referenzstationen konnen bzw. konnten in Deutschland genutzt werden:
- DGPS-Korrektursender der WSV
Die
WSV
betreibt sieben einfache DGPS-Korrektursender (Mittelwelle 283,5 bis 315 kHz, alle drei Sekunden) nach IALA-Standard. Damit kann in der Schifffahrt die Schiffsposition auf wenige Meter genau bestimmt werden.
[2]
fur See:
fur Binnengewasser:
- Zeven
- Bad Abbach
- Iffezheim
- Mauken
- Koblenz
- Nicht mehr in Betrieb
- Deutschlandfunk
Sender Donebach
(
Langwelle
153 kHz, die Ubertragung erfolgte nach dem
AMDS
-Verfahren parallel zum Rundfunkprogramm) - Seit 1. Januar 2015 außer Betrieb.
- Bodenseesender
(
Mittelwelle
: Sendefrequenz 666 kHz, die Ubertragung erfolgte nach dem AMDS-Verfahren parallel zum Rundfunkprogramm). - Seit 8. Januar 2012 außer Betrieb.
- DCF
42 (Langwelle, dedizierter DGPS-Sender mit AMDS-Verfahren, Senderstandort:
Mainflingen
neben dem Zeitsender
DCF77
). - Seit Ende 2005 außer Betrieb.
- DRS
Beromunster
(Schweiz) (Mittelwelle: Sendefrequenz 531 kHz, die Ubertragung erfolgte nach dem AMDS-Verfahren parallel zum Rundfunkprogramm). - Seit 28. Dezember 2008 außer Betrieb.
- Europaische
Sendestationen des Funknavigationssystems
LORAN-C
sendeten zusammen mit dem LORAN-C-Signal DGNSS-Korrekturdaten aus. Dieser als
Eurofix
bezeichnete Dienst sollte im gesamten Sendebereich des
Northwest European
LORAN
-C System (NELS)
verfugbar sein und sendete ungefahr alle zwei Sekunden.
[3]
Die Datenrate des damals neuen Standards eLORAN war ahnlich. Beide Verfahren wurden hauptsachlich im maritimen Bereich eingesetzt.
DGPS-Daten konnen, wie jedes andere Echtzeit-Datenformat, mit verschiedensten Methoden uber das Internet zur Verfugung gestellt werden. Das
Ntrip
-Protokoll bietet ein von der
RTCM
standardisiertes Verfahren zur Ubertragung von DGPS- und anderen Navigationsdaten. Da Navigation meist außerhalb kabelgebundener Internetanschlusse geschieht, ist hier eine Verbreitung uber
WLAN
und insbesondere
Mobilfunk
gemeint.
Auf Funk basierende Systeme sind prinzipbedingt nicht sicher und konnen durch Funkstorungen ausfallen. Bei GNSS gibt es neben den naturlichen Funkproblemen noch die nicht auszuschließende Moglichkeit einer unangekundigten Verschlusselung oder absichtliche Fehler der GNSS-Signale durch den jeweiligen Betreiber, wie es lange Zeit beim amerikanischen GPS-System ublich war. Um trotzdem sicherheitsrelevante Anwendungen wie die Navigation von Flugzeugen zu ermoglichen, konnen neben den Korrektursignalen auch Signale uber die aktuelle GNSS-Gute von der Referenzstation an die DGPS-Empfanger ubertragen werden. Kann der DGPS-Empfanger also die GNSS-Signale empfangen, das Korrektursignal von der Referenzstation und zusatzlich die darin enthaltene Information, dass die GNSS-Satelliten unverfalschte Signale aussenden, kann er von einer zuverlassigen Positionsmessung ausgehen. Ist eine dieser Bedingungen nicht erfullt, durfen die Positionsdaten nicht fur sicherheitsrelevante Anwendungen herangezogen werden; in diesem Fall muss beispielsweise ein Flugzeugfuhrer GNSS-basierte Navigationssysteme und automatische Start- und Landesysteme abschalten und durch andere Methoden ersetzen.
Das Verfahren wird zum Beispiel beim Militar, in der Schifffahrt, beim
Prazisionsackerbau
und großflachig zur Vermessung in der
Geodasie
angewendet. Viele
GNSS-Empfanger
fur den Endanwender haben bereits in der untersten Preisklasse DGPS implementiert.
Seit 1998 ist Streckennavigation im Flugverkehr mittels GPS in Deutschland erlaubt. Dazu mussen die zugelassenen Gerate eine Zuverlassigkeitsprufung der Daten durchfuhren (
RAIM
), die den Empfang von mindestens funf Satelliten benotigt. Moderne Empfanger außerhalb der Luftfahrt haben heute 12 und mehr Empfangskanale.
Nichtprazisionslandeanfluge konnen mit GNSS als einziger Navigationsmethode absolviert werden. Es darf jedoch nur die horizontale Information verwertet werden, fur eine Prazisionslandung ist die Hohenmessung nicht genau genug fur die Fuhrung auf dem
Gleitweg
. Bodengestutzte Navigationshilfen sind hierfur nicht notig.
Mithilfe des
SBAS
namens EGNOS sollen Prazisionsanfluge bis zur
Kategorie I
moglich werden, bei einer Signalauffrischung alle 500 ms. Bei hoheren Anforderungen oder schwierigen Empfangsbedingungen sollen bodenbasierte Systeme, wie SAPOS, eingesetzt werden. Der hochprazise, kostenpflichtige Echtzeit-Positionierungs-Service (
HEPS
) dieses Systems ermoglicht eine horizontale Lagegenauigkeit von 1 bis 2 cm und eine Hohengenauigkeit von 2 bis 3 cm.
GNSS-basierte Verfahren zur Winkelmessung beruhen auf denselben Signalen wie die Ortsbestimmung, nutzen aber ein vollkommen anderes Messprinzip: Auf einem Antennentrager werden zwei Antennen mit definiertem Abstand montiert, deren Empfangssignale miteinander verglichen werden. Es wird kein Referenzsignal von einer ortsfesten Referenzanlage benotigt, sondern aus Antennenabstand und Phasenverschiebung kann direkt der Winkel der Antennen-Verbindungsachse zum Satelliten und, mit den
Ephemeriden
des Satelliten, auch der gegen die Nordrichtung bestimmt werden. Messgenauigkeiten von 0,01° bis 0,1° lassen sich erzielen.
Gerate dieser Art werden gelegentlich als elektronischer Kompass oder GPS-Kompass bezeichnet. Sie sind auf Grund ihres hoheren Gerateaufwandes und kleiner Stuckzahlen relativ teuer und wenig verbreitet. Verwendet werden sie beispielsweise auf Schiffen oder Baumaschinen.
- ↑
Martin Asbeck, Stefan Druppel, Klaus Skindelies, Markus Stein:
Vermessung und Geoinformation
. Fachbuch fur Vermessungstechniker und Geomatiker. Hrsg.: Michael Gartner. Gartner, Solingen 2012,
ISBN 978-3-00-038273-4
,
S.
117
.
- ↑
WSV: Details zu DGNSS-Dienst fur die Schifffahrt
- ↑
Wolfgang Augath, Wolfgang Lechner, Stefan Baumann:
LORAN-C/ EUROFIX/ EGNOS-Integration.
(Pdf, 249 kB) tu-dresden.de,
abgerufen am 9. August 2015
.