Dietmar Willoweit

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Dietmar Willoweit, 2015 bei einem Vortrag auf der Herbsttagung des Konstanzer Arbeitskreises fur mittelalterliche Geschichte von Werner Maleczek aufgenommen

Dietmar Willoweit (* 17. Juli 1936 in Memel , Memelland ; † 24. April 2023 in Wurzburg [1] ) war ein deutscher Rechtswissenschaftler und Rechtshistoriker . Willoweit bekleidete Lehrstuhle an den Universitaten FU Berlin (1974?1979), Tubingen (1979?1984) und Wurzburg (1984?2004). Von 2006 bis 2010 war er Prasident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften . In der Fachwelt trat er vor allem mit Arbeiten zur Verfassungsgeschichte hervor.

Dietmar Willoweit besuchte ab 1942 die Schule in Memel/Klaipeda (heute Litauen ), ab 1944 in Berggießhubel und ab 1948 in Aschaffenburg , wo er 1956 das Abitur ablegte. Anschließend studierte er von 1956 bis 1961 Rechtswissenschaft und Philosophie an den Universitaten Freiburg und Heidelberg . Er besuchte Lehrveranstaltungen bei Siegfried Reicke (Rechtsgeschichte), Hans Schneider (Offentliches Recht), Alfred Weber , Gotz Roth (Soziologie) und Dieter Henrich (Philosophie), Antanas Maceina (Philosophie) und Hans Reiner (Philosophie).

Das erste juristische Staatsexamen legte er ebenfalls 1961 in Heidelberg und 1965 das zweite juristische Staatsexamen in Bayern ab. Von 1965 bis 1966 war er fur die Deutsche Bank in Wurzburg und Frankfurt am Main sowie als Rechtsanwalt tatig. Bei Siegfried Reicke wurde er 1967 mit einer Arbeit uber die Entstehung exemter Bistumer im deutschen Reichsverband promoviert . Von 1967 bis 1971 war er wissenschaftlicher Assistent an der Juristischen Fakultat Heidelberg bei Gotz Landwehr . 1971 habilitierte er sich ebendort fur die Facher Deutsche Rechtsgeschichte, Burgerliches Recht und Kirchenrecht mit einer Untersuchung uber die Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt . [2] Von 1971 bis 1974 war Universitatsdozent, außerplanmaßiger Professor und hatte Lehrstuhlvertretungen in Hamburg, Regensburg und Munster sowie Lehrauftrage in Mannheim.

Im Jahr 1974 nahm Willoweit einen Ruf auf einen Lehrstuhl an der Freien Universitat Berlin an. Im Jahr 1979 wechselte er an die Universitat Tubingen. Dort war er 1980/81 Dekan der Juristischen Fakultat Tubingen. Von 1984 bis zu seiner Emeritierung 2004 war er schließlich Inhaber des Lehrstuhls fur Deutsche Rechtsgeschichte, Burgerliches Recht und Kirchenrecht an der Universitat Wurzburg . Dort war er 1991/92 Dekan der Juristischen Fakultat Wurzburg und 1991/96 Mitglied des Senats der Universitat Wurzburg.

1996/1997 war Willoweit Forschungsstipendiat am Historischen Kolleg in Munchen. Von 1996 bis 2002 war er Prasident des Johann Gottfried Herder-Forschungsrates . Von Januar 2006 bis Ende 2010 war er Prasident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der er seit 1988 als ordentliches Mitglied der Philosophisch-historischen Klasse angehorte. Von 2002 bis 2006 war er zudem Sekretar der Historischen Kommission . Dieses Amt legte er mit dem Amtsantritt als Prasident nieder, blieb dieser Einrichtung aber als stellvertretender Vorsitzender verbunden. Als 33. Prasident seit der Grundung der Munchener Akademie im Jahr 1759 trat er die Nachfolge des Chemikers Heinrich Noth an. Er war von 1979 bis 1997 Herausgeber der Zeitschrift fur Neuere Rechtsgeschichte . Willoweit war außerdem von 1981 bis 1985 Vorsitzender der Vereinigung fur Verfassungsgeschichte .

Willoweit heiratete 1961. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Willoweit starb am 24. April 2023 im Alter von 86 Jahren in Wurzburg und fand seine letzte Ruhestatte auf dem dortigen Hauptfriedhof .

Forschungsschwerpunkte

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Das Grab von Dietmar Willoweit auf dem Hauptfriedhof Wurzburg

Die wissenschaftlichen Schwerpunkte Willoweits waren unter anderem die mittelalterliche und neuzeitliche Verfassungsgeschichte, die altere Geschichte des Strafrechts, die Geschichte der Rechtswissenschaft, die Rechtsgeschichte der Juden im Mittelalter, deutsches Furstenrecht und Grundfragen der Rechtsphilosophie. In seinen Arbeiten behandelte er auch das Verhaltnis Deutschlands zu seinen ostlichen Nachbarn in alterer und neuerer Zeit. Willoweits 2019 in achter Auflage erschienene Deutsche Verfassungsgeschichte wurde unter anderem ins Japanische ubersetzt. Zu den Handbuchern der Deutschen Verwaltungsgeschichte und der Germania Judaica sowie zum Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte hat er wichtige Beitrage beigesteuert.

Von 1993 bis 1999 war er Sprecher des Schwerpunktprogramms der DFG ?Die Entstehung des offentlichen Strafrechts“. Die daraus resultierenden Untersuchungen zur Strafrechtsgeschichte wurden grundlegend. Darin konnte er zeigen, dass entgegen der lange Zeit verbreiteten Annahme ein ?staatliches“ Strafrecht und Strafverfahren nicht bereits seit dem 12. Jahrhundert existierten, sondern sich erst bis zum Ende der fruhen Neuzeit herausbildeten. Von 1994 bis 2000 war er Mitglied der DFG-Forschergruppe ?Das Bild des Krieges im Wandel vom spaten Mittelalter zur fruhen Neuzeit“.

Als Prasident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften war er Herausgeber und Mitautor eines 2009 veroffentlichten Bandes ( Denker, Forscher und Entdecker ) von Lebenslaufen 22 Gelehrter in der 250-jahrigen Geschichte der Akademie. [3] In seiner Habilitation widerlegte er endgultig die Vorstellung eines allumfassenden mittelalterlichen und fruhneuzeitlichen ?Staates“. Er zeigte auf, dass sich die offentliche Gewalt bis zum 18. Jahrhundert auf verschiedene einzelne Rechtstitel stutzte.

Ehrungen und Auszeichnungen

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Fur seine Forschungen wurden Willoweit zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen und Mitgliedschaften zugesprochen. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Außerdem war er Mitglied in der Kommission fur bayerische Landesgeschichte , der Preußischen Historischen Kommission und dem Alemannischen Institut . Ihm wurde fur seine Verdienste um die Erforschung und Vermittlung der deutschen Rechtsgeschichte der Bruder-Grimm-Preis der Philipps-Universitat Marburg (2002) verliehen. Fur seine Arbeit im Bereich der Rechtsgeschichte wurde ihm von der Universitat Munster 2012 der Ernst-Hellmut-Vits-Preis zugesprochen. Außerdem erhielt er die Verfassungsmedaille des Freistaats Bayern in Silber (2010) und den Bayerischen Verdienstorden (2011). Er wurde 2010 Ehrenmitglied der Historischen Kommission fur ost- und westpreußische Landesforschung . Die Juristische Fakultat der Universitat Tubingen verlieh ihm 2011 fur seine Forschungen auf dem Gebiet der modernen Staatsbildung die Ehrendoktorwurde . [4] Im Jahr 2013 wurde er Ehrensenator der Julius-Maximilians-Universitat Wurzburg.

Schriften (Auswahl)

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Aufsatzsammlungen

  • Staatsbildung und Jurisprudenz. Spatmittelalter und fruhe Neuzeit. Gesammelte Aufsatze 2003?2016 (= Wurzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 105). Ergon Verlag, Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-95650-551-5 .
  • Staatsbildung und Jurisprudenz. Spatmittelalter und fruhe Neuzeit. Gesammelte Aufsatze 1974?2002 (= Bibliotheca eruditorum. Bd. 32). 2 Bande. Keip, Stockstadt am Main 2009, ISBN 978-3-8357-0999-7 .

Monographien

  • Reich und Staat. Eine kleine deutsche Verfassungsgeschichte (= Beck'sche Reihe. Bd. 2776). Beck, Munchen 2013, ISBN 978-3-406-64615-7 .
  • Standesungleiche Ehen des regierenden hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsgeschichte. Rechtstatsachen und ihre rechtliche Beurteilung unter besonderer Berucksichtigung der Hauser Bayern und Pfalz (= Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. Jg. 2004, H. 5). Beck, Munchen 2004, ISBN 3-7696-1629-4 .
  • mit Heinz Teufel : Land am Kurischen Haff. Ellert und Richter, Hamburg 2000, ISBN 3-89234-929-0 .
  • Die offentlich-rechtlichen Gemeindenutzungsrechte in Bayern. Historische Genese und dogmatische Konsequenzen eines juristischen Interpretationsmodells (= Wurzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 1). Ergon, Wurzburg 1994, ISBN 3-928034-51-0 .
  • Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Teilung Deutschlands. Ein Studienbuch. Beck, Munchen 1990, ISBN 3-406-30948-8 (8., uberarbeitete und wiederum erweiterte Auflage. ebenda 2019, ISBN 978-3-406-72635-4 ).
  • Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt. Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit (= Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte. Bd. 11). Bohlau, Koln u. a. 1975, ISBN 3-412-20975-9 (Zugleich: Heidelberg, Universitat, Habilitations-Schrift, 1975).

Herausgeberschaften

  • mit Volker Friedrich Drecktrah : Rechtsprechung und Justizhoheit. Festschrift fur Gotz Landwehr zum 80. Geburtstag. Bohlau, Koln u. a. 2016, ISBN 978-3-412-50319-2 .
  • mit Lothar Gall : Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History. Exchange and Conflicts (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien. Bd. 82). Oldenbourg, Munchen 2011, ISBN 978-3-486-59707-3 ( Digitalisat ).
  • mit Janine Fehn: Johann Gottfried Herder: Staat, Nation, Humanitat. Ausgewahlte Texte. Konigshausen & Neumann, Wurzburg 2007, ISBN 978-3-8260-3439-8 .
  • mit Hans Lemberg : Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Historische Beziehungen und politische Herrschaftslegitimation (= Volker, Staaten und Kulturen in Ostmitteleuropa. Bd. 2). Oldenbourg, Munchen 2006, ISBN 3-486-57839-1 .
  • mit Ulrike Seif : Europaische Verfassungsgeschichte (= Rechtshistorische Texte ). Beck, Munchen 2003, ISBN 3-406-49825-6 .
  • Die Begrundung des Rechts als historisches Problem (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien. Bd. 45). Oldenbourg, Munchen 2000, ISBN 3-486-56482-X ( Digitalisat ).
  • Die Entstehung des offentlichen Strafrechts. Bestandsaufnahme eines europaischen Forschungsproblem. Bohlau, Koln u. a. 1999, ISBN 3-412-15496-2 .
  • Willoweit, Dietmar. In: Friedhelm Golucke : Verfasserlexikon zur Studenten- und Hochschulgeschichte. SH-Verlag, Koln 2004, ISBN 3-89498-130-X , S. 354.
  • Horst Fuhrmann : Dietmar Willoweit zum 70. Geburtstag. Ausschnitt aus der Begrußungsansprache bei der Geburtstagsfeier in der Siemens-Stiftung am 24. Juli 2006. In: Akademie aktuell , Jg. 2006, Heft 4, S. 38?39 ( online ).
  • Hasso Hofmann : Verfassungsgeschichte als Phanomenologie des Rechts. Vortrag gehalten am 24. Juli 2006 aus Anlass des 70. Geburtstags von Dietmar Willoweit. Vorgelegt in der Sitzung vom 10. November 2006 (= Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse. 2007, Heft 3). Munchen?2007 ( online ).
  • Steffen Schlinker : Dietmar Willoweit zum 80. Geburtstag. In: Juristenzeitung 71, 2016, S. 739?740.
  • Ulrike Mußig : Dietmar Willoweit zum 70. Geburtstag. In: Juristenzeitung 61, 2006, S. 719?720.
  • Jan Schroder : Laudatio. In: Verleihung der Ehrendoktorwurde an Professor Dr. Dietmar Willoweit. Festakt am 16. Dezember 2011 (= Veroffentlichungen der Juristischen Fakultat Tubingen. Bd. 4). Tubingen 2013, S. 17?23.
  • Die Herausgeber: Nachruf: Dietmar Willoweit (1936?2023) . In: Zeitschrift fur Neuere Rechtsgeschichte. 45, 2023, Heft 3?4, S. 173.
  1. Traueranzeige . In: Frankfurter Allgemeine Zeitung , 28. April 2023.
  2. Vgl. dazu die Besprechung von Martin Heckel in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fur Rechtsgeschichte , Kanonistische Abteilung 63, 1977, S. 422?427.
  3. Vgl. dazu die Besprechungen von Notker Hammerstein in: Historische Zeitschrift 291, 2010, S. 470; Manfred Hanisch in: sehepunkte 9, 2009, Nr. 9 [15. September 2009] ( online ).
  4. Verleihung der Ehrendoktorwurde an Professor Dr. Dietmar Willoweit. Festakt am 16. Dezember 2011. Tubingen 2013.
Vorganger Amt Nachfolger
Heinrich Noth Prasident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
2006 bis 2010
Karl-Heinz Hoffmann