Dieter Wisliceny
(*
13. Januar
1911
in
Regulowken
, Amtsbezirk
Borkenwalde
im
Landkreis Angerburg
,
Ostpreußen
; †
4. Mai
1948
in
Bratislava
) war ein deutscher
SS-Hauptsturmfuhrer
und von 1940 bis 1944 ?
Beauftragter fur judische Angelegenheiten
“ fur die
Slowakei
,
Ungarn
und
Griechenland
.
Dieter Wisliceny soll nach seiner Schulzeit ein begonnenes Theologiestudium abgebrochen haben und auch als Journalist tatig gewesen sein. Er trat 1931 der
NSDAP
(
Mitgliedsnummer
672.774) und
SA
bei.
[1]
Er wechselte 1934 von der SA zur
SS
(SS-Nr. 107.216) und wurde Angehoriger des
SD
.
[2]
Von 1934 bis 1937 war er in
Berlin
tatig, zunachst als Referent fur ?
Freimaurerfragen
“ im
SD-Hauptamt
und von April 1937 bis November 1937 leitete er dort das ?Judenreferat“ des SD. Anschließend arbeitete er bis 1940 in
Danzig
beim SD.
Auf einen Vorschlag
Adolf Eichmanns
, den er gut kannte, ging er im September 1940 als Vertreter des ?
Eichmannreferats
“ im
Reichssicherheitshauptamt
mit einer deutschen Delegation nach Bratislava, wo er als ?Spezialist und Berater in judischen Angelegenheiten“ fur die
slowakische Regierung
arbeitete.
[3]
Nach Angaben des Rabbiners
Chaim Michael Dov Weissmandl
verhandelte Wisliceny offenbar im Auftrag Eichmanns mit ihm und der Fursorgerin und Widerstandskampferin
Gisi Fleischmann
ab dem Fruhjahr 1942 uber den Stopp der Deportationen slowakischer Juden ins
KZ Auschwitz
. Nach Zahlung eines Teils des verlangten Geldes hatten die Deportationen aufgehort, seien aber im September 1942 wieder aufgenommen worden, als die zweite Rate des Losegelds nicht gezahlt worden sei. Wisliceny habe ab November 1942 uber einen Stopp aller Deportationen außerhalb des
Altreiches
,
Osterreichs
und des
Protektorats Bohmen und Mahren
verhandelt, aber die judischen Stellen hatten dem deutschen Angebot nicht geglaubt.
[4]
Am 6. Februar 1943 wurde Wisliceny gemeinsam mit
Alois Brunner
nach
Griechenland
versetzt, wo er das ?Sonderkommando fur Judenangelegenheiten“ in
Saloniki
leitete. Dabei wurden im Zeitraum vom 14. Marz bis zum 7. August 1943 in 19 Zugtransporten 43.850 Juden (95 Prozent der
judischen Bevolkerung von Saloniki
) und weitere aus dem Umland
deportiert
, die meisten davon in das
KZ Auschwitz-Birkenau
.
[5]
Im Herbst und Winter 1943 leitete Wisliceny ein ?Judenreferat“ beim
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD
in
Athen
, dem auch
Alfred Slawik
angehorte.
[6]
Am Tag der
deutschen Besetzung Ungarns
, dem 19. Marz 1944, traf Wisliceny in
Budapest
als Mitglied des ?
Eichmann-Kommandos
“ ein, das von April bis Oktober 1944 uber 400.000
ungarische Juden
ins KZ Auschwitz deportieren ließ, die dort großtenteils umgehend
vergast
wurden.
[7]
Am 12. Mai 1945 wurde Wisliceny in der Nahe des
Altausseer Sees
in Osterreich festgenommen. Wahrend der
Nurnberger Prozesse
war er ein wichtiger Zeuge der Anklage.
[8]
[9]
Seine Aussage, in der er Angaben zu seiner Person machte und sich im Wesentlichen zu den Judendeportationen außerte, wurde 1961 auch im
Eichmann-Prozess
in
Jerusalem
verwendet. Nach den Nurnberger Prozessen wurde Wisliceny an die
Tschechoslowakei
ausgeliefert, wo er angeklagt, schuldig gesprochen, am 27. Februar 1948
zum Tode verurteilt
und am 4. Mai 1948 in Bratislava
hingerichtet
wurde.
[10]
- Franciszek Piper
:
Die Zahl der Opfer von Auschwitz.
Verlag Staatliches Museum in O?wi?cim, O?wi?cim 1993,
ISBN 83-85047-17-4
.
- Hans Safrian
:
Eichmann und seine Gehilfen
. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1995,
ISBN 3-596-12076-4
.
- Israel Gutman
(Hrsg.):
Enzyklopadie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden
. Piper Verlag, Munchen/Zurich 1998, 3 Bande,
ISBN 3-492-22700-7
.
- Richard Overy
:
Interrogations: The Nazi Elite in Allied Hands 1945
Allen Lane, The Penguin Press, London 2001.
- Katarina Hradska:
Die erfolglosen Versuche zur Wiederaufnahme der Deportationen slowakischer Juden.
In:
Theresienstadter Studien und Dokumente
, Nr. 9, 2002.
- David Cesarani
:
Eichmann. His Life and Crimes.
William Heinemann, London 2004 (spater auch als Taschenbuch).
- Deutsche Ausgabe:
Adolf Eichmann. Burokrat und Massenmorder. Biografie.
Propylaen, Berlin 2004,
ISBN 3-549-07186-8
.
- ↑
Institut fur Zeitgeschichte
:
Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933?1945
, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2008,
ISBN 978-3-486-58480-6
, S. 669.
- ↑
RuS-Fragebogen des Dieter Wisliceny
bei www.deathcamps.org (RuS =
Rasse- und Siedlungshauptamt
der SS).
- ↑
Hans Safrian
:
Eichmann und seine Gehilfen
, Frankfurt am Main 1995, S. 209ff.
- ↑
Yehuda Bauer
:
?Onkel Saly“ ? Die Verhandlungen des Saly Mayer zur Rettung der Juden 1944/45
. In:
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte
, Jg. 25 (1977), S. 188?219, hier S. 188?189.
- ↑
Raul Hilberg
:
Die Vernichtung der europaischen Juden.
Band 2, Fischer Verlag 1982,
ISBN 3-596-24417-X
, S. 739 ff.
- ↑
Hans Safrian:
Eichmann und seine Gehilfen
, Frankfurt am Main 1995, S. 233ff., 270ff.
- ↑
Hans Safrian:
Eichmann und seine Gehilfen
, Frankfurt am Main 1995, S. 295ff.
- ↑
Wislicenys eidesstattliche Aussage vom 3. Januar 1946 bei den Nurnberger Prozessen.
(
Memento
vom 2. April 2013 im
Internet Archive
) (englisch). Document UK-81, Dokumentenarchiv S. D. Stein, University of the West of England, Bristol
- ↑
Der Nurnberger Prozeß, Hauptverhandlungen. Donnerstag, 3. Januar 1946, Nachmittagssitzung
(deutsch). Online bei
zeno.org
Volltextbibliothek.
- ↑
Randolph L. Braham
:
The Politics of Genocide: The Holocaust in Hungary
. Condensed ed., Wayne State UP, Detroit 2000, S. 263.
- ↑
"R. und S." heißt "Rasse und Siedlung..." Es handelte sich um Fragebogen des
Rasse- und Siedlungshauptamts
(RuSHA), die spater im British Document Center BDC Berlin unter dieser Signatur gelagert wurden. Sie tauchen deshalb oft in der Geschichtsschreibung auf. Hier mussten SS-Leute ihre Herkunft und bisherigen Aufenthalte darlegen.