Die unglaubliche und traurige Geschichte von der unschuldigen Erendira und ihrer herzlosen Großmutter

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Film
Titel Die unglaubliche und traurige Geschichte von der unschuldigen Erendira und ihrer herzlosen Großmutter
Originaltitel Erendira
Produktionsland Mexiko , Frankreich , Deutschland
Originalsprache Portugiesisch , Spanisch
Erscheinungsjahr 1983
Lange 103 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Ruy Guerra
Drehbuch Gabriel Garcia Marquez
Produktion Alain Queffelean
Musik Maurice Lecoeur
Kamera Denys Clerval ,
Roberto Rivera
Schnitt Kenout Peltier,
Jeanne Kef
Besetzung

Die unglaubliche und traurige Geschichte von der unschuldigen Erendira und ihrer herzlosen Großmutter , auch bekannt unter dem Kurztitel Erendira , ist eine 1982 entstandene Verfilmung der nahezu gleichnamigen Kurzgeschichte La increible y triste historia de la candida Erendira y de su abuela desalmada des kolumbianischen Schriftstellers und Literaturnobelpreistragers Gabriel Garcia Marquez , der auch das Drehbuch schrieb. Unter der Regie von Ruy Guerra ubernahmen Claudia Ohana (als Erendira) und Irene Papas (als ihre Großmutter) die beiden Titelrollen. Der Film wurde erstmals am 14. Mai 1983 im Rahmen der Filmfestspiele in Cannes gezeigt. Seine deutsche Erstauffuhrung erlebte er am 17. Februar 1984.

Handlung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Irgendwo im staubig-landlichen Nirgendwo in Mexiko. ?Erendira badete gerade die Großmutter, als der Wind des Unglucks zu wehen begann…“. Mit diesen Worten beginnt die Geschichte. Die 14-jahrige, lolitahaft-exotische Schonheit wird von ihrer Großmutter seit dem fruhen Tode ihrer Eltern hemmungslos ausgebeutet und in einer vom Verfall gezeichneten, gespenstischen Villa, durch die standig der heiße Wustenwind weht, wie eine Sklavin gehalten. Sie muss alle Hausarbeiten erledigen und schuftet, wie in Trance, den ganzen Tag bis zur Erschopfung. Wahrenddessen lebt die entruckte und skrupellose Großmutter in ihrer eigenen Welt. Sie stopft endlos Fruchte in sich hinein, redet vor sich hin und heult hemmungslos bei Schallplatten mit sentimentalen franzosischen Chansons, die auf einem uralten Grammophon abgespielt werden. Oder sie liegt, wie aufgebahrt, auf einem großen Lotterbett, halt endlose Selbstgesprache und gibt Erendira eine Anweisung nach der anderen. Eines Tages ist Erendira so erschopft von all der Arbeit, dass sie vergisst, vor dem Schlafengehen die flackernden Kerzen des Kandelabers zu loschen. Dabei fangt ein Vorhang Feuer, und das gesamte Haus brennt bis auf die Grundmauern nieder.

?Mein armes Kind, dein ganzes Leben wird nicht ausreichen, mir das alles zu bezahlen mit dem einzigen, was du besitzt.“ Diese bedrohlich klingenden Worte der Großmutter am nachsten Morgen gleichen einer schrecklichen Vorahnung von Erendiras Zukunft. Die Großmutter macht Erendira zur Hure. Ab sofort kann sie jeder haben, der bereit ist, fur Sex mit Erendira zu bezahlen ? egal ob Schmuggler oder Desperado, Tagelohner oder Soldat. Bald ist sie die bekannteste Prostituierte der Gegend. Die Manner begehren sie, und die Großmutter beginnt allmahlich in Reichtum zu schwelgen. Apathisch lasst Erendira alles uber sich ergehen. Als sie eines Abends nahezu eine ganze Kompanie von Soldaten beglucken muss, wird sie krank und leidet unter Schuttelfrost. Erendira bettelt und fleht: ?Großmutter, ich sterbe“. Doch die Alte bleibt hart und ist kalt wie Eis. ?Es sind nur noch zehn Soldaten, die draußen warten“.

Ein Hoffnungsschimmer kommt auf, als sich Erendira ein nahezu gleichaltriger Junge nahert, der mit seinem Vater auf der Durchreise an diesem unwirtlichen Ort halt macht. Der Junge, blond und von engelsgleicher Erscheinung, heißt Ulysses und strahlt auf Erendira eine magische Aura aus. Die beiden Heranwachsenden schlafen miteinander, und erstmals empfindet Erendira so etwas wie Zartlichkeit und menschliche Warme. Als eines Tages eine Gruppe Monche beider Frauen Weg kreuzt, verlangen die Gottesmanner von der Alten die Herausgabe ihrer Enkelin, um sie dem Laster zu ent- und in Ehrfurcht zu erziehen, bis sie heiratet.

Erendira geht mit den Monchen mit und muss als erstes ihre langen, schonen Haare lassen. Im Kloster wird sie rasch mit einem strengen, asketischen Lebenswandel konfrontiert, sagt aber dennoch erstmals: ?Ich bin glucklich“. Wahrenddessen setzt die geldgierige Großmutter alles daran, Erendira wieder aus den Fangen der Kirche zu entreißen. Fur 25 Pesos heuert die Alte einen ihr wildfremden, mexikanischen Bauernjungen an, der Erendira heiratet und damit den kirchlichen Gesetzen von Ehrbarkeit Genuge leistet. Bald landet das Madchen wieder im alten Trott.

Mit Erendira erhofft sich ihre Großmutter bald Kontakte nach ganz oben. Sie fuhrt das Madchen, mit einem knallroten Abendkleid und neuer Frisur aufgeruscht wie eine Edelnutte, dem einflussreichen Senator Sanchez zu. Bei dem angehenden Liebesspiel auf dem Bett fasst der sehr viel altere Mann ihr zwischen die Beine und erfuhlt unter dem Kleid ein Schloss. Ungeruhrt erklart Erendira, was ihre Großmutter ihr aufgetragen hat. ?Ich soll Ihnen sagen, dass Sie den Schlussel von einem Boten holen lassen konnen, wenn Sie wollen. Und dass Sie ihm einen Brief mitgeben sollen. Mit Ihrem Siegel. Einen handgeschriebenen Brief, damit uns in der ganzen Wuste niemand mehr zu belastigen wagt.“

Wenig spater sieht Erendira Ulysses wieder. Er hat drei Orangen mitgebracht, gefullt mit Diamanten, die er Erendira uberreicht. Er sagt ihr, dass er sie von ihrer Großmutter befreien will, noch in dieser Nacht. Erendira hat Angst; sie sagt, dass sie noch zehn Jahre fur ihre Großmutter arbeiten muss, um die Schulden zu begleichen. Wahrenddessen wird die Alte immer wohlhabender. Erendira kann tatsachlich mit Hilfe von Ulysses und dessen Vater aus ihren Fangen entfliehen. Doch die nimmt mit Hilfe von Soldaten die Verfolgung auf. Sie fangt den von Ulysses gesteuerten Laster ab, und ein Soldat schlagt hemmungslos auf Ulysses ein. Erendira ist jetzt wieder in den Fangen ihrer Großmutter. Dank einem Empfehlungsschreiben des Senators kann sich Erendira, ganz zur Freude ihrer Großmutter, vor Kunden kaum mehr retten ? die anderen Nutten im Ort bleiben arbeitslos und begeben sich aufgebracht zu Erendira. Sie tragen das zusammengekauerte Madchen, nackt auf einem Prunkbett liegend, vorbei an der zeternden Großmutter fort und laden sie mitsamt dem Lotterbette mitten auf der Dorfstraße wieder ab.

Am kommenden Tag ziehen Enkelin und Großmutter weiter. Die Alte malt das zukunftige Leben des Madchens in rosaroten Farben aus. Sie sagt, dass die Großen der Welt Erendira begehren und hofieren werden. Doch das Madchen denkt nur an Ulysses. Der macht sich erneut auf die Suche nach Erendira. Wahrenddessen stirbt ihr Mentor, der Senator, auf einer Autofahrt an Herzversagen. Sein letztes Wort lautet ?Erendira“. Eines Nachts spurt Ulysses sie auf, und beide schlafen augenblicklich miteinander, wahrend nebenan die Alte wieder einmal wie in Trance und aufrecht im Bett sitzend theatralisch zu deklamieren beginnt.

Erendira fragt ihn, ob er ihre Großmutter toten wurde. Ulysses fertigt daraufhin eine arsenvergiftete Torte an, die er der Großmutter zum Geburtstag reicht. Die Alte stopft sich mit beiden Handen den Mund und den Wanst voll und schlaft anschließend seelenruhig auf dem Bett ein. Am nachsten Morgen ist sie putzmunter, nur die Haare fallen ihr buschelweise aus. Nun versuchen Erendira und ihr junger Liebhaber sich der Großmutter mit Sprengstoff zu entledigen, als diese gerade Klavier spielt. Alles um sie wird zerstort, nur die Alte bleibt ? ein wenig zerrupft ? unversehrt. ?Jetzt sind deine Schulden wieder so groß wie an dem Tag, als du begonnen hast, sie bei mir abzuzahlen“, sagt sie Erendira ungeruhrt. Schließlich bringt Ulysses die Großmutter mit mehreren Messerstichen um. Grunes Blut besudelt sein Hemd. Erendira schaut auf ihre Handflache, lachelt nur leicht, schnappt sich das goldgefullte Wams ? den Lohn fur Erendiras Hurentatigkeit ? der toten Alten und rennt befreit davon. Ulysses bleibt verzweifelt zuruck und bricht weinend zusammen.

Epilog aus dem Off: ?Sie rannte gegen den Wind, sie rannte schneller als eine Antilope. Und kein Rufen dieser Welt konnte sie aufhalten. Und nie mehr hat man etwas von ihr gehort. Noch fand sich irgendwo auch nur die geringste Spur ihrer unglucklichen Geschichte.“

Produktionsnotizen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Regisseur des Films Ruy Guerra und seine 19-jahrige Hauptdarstellerin Claudia Ohana waren zum Zeitpunkt der Dreharbeiten miteinander verheiratet. Kurz nach der Urauffuhrung des Films wurde das Ehepaar Eltern einer Tochter.

Der Film wurde an mehreren landlichen (und uberaus staubigen) Schauplatzen in Mexiko ( San Luis Potosi , Veracruz , Zacatecas ) sowie im Studio von Mexiko-Stadt gedreht.

Der zur Drehzeit gerade erst 15 Jahre alte Munchner und nachmalige Theaterschauspieler Oliver Wehe war der einzige Deutsche in der Filmbesetzung. Wehe war kurz zuvor mit der Rolle des jungen Felix Krull in Bernhard Sinkels Fernsehfassung von Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull bekannt geworden.

An der Ausstattung des Films arbeitete ein weiterer Deutscher, Rainer Schaper , mit.

Von deutscher Seite waren Regina Ziegler und das ZDF an der Produktion beteiligt.

Der Film lief 1983 im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes um die Goldene Palme . Regisseur und Hauptdarstellerin Ohana waren anwesend.

Die FSK gab den Film ab 16 Jahren frei.

Kritik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die internationale Kritik zeigte sich trotz der Beteiligung des Autors der Vorlage, Garcia Marquez, am Film (Drehbuch) eher enttauscht vom Resultat.

Das große Personenlexikon des Films resumierte uber Erendira : ?Die symbolschwangere, satirische Geschichte eines kleinen Dummchens, das von seiner geldgierigen und herzlosen Großmutter zur Prostitution gefuhrt wird, geriet, trotz einer Drehbuchvorlage von Gabriel Garcia Marquez, zu einer enttauschenden Allegorie der allgegenwartigen Unterdruckungsmechanismen im gegenwartigen Lateinamerika.“ [1]

Der Movie & Video Guide urteilte: ?Ambitious and fluidly directed, but unmemorable“. [2]

Die Filmzeitschrift Cinema nennt die Geschichte ?eine Parabel auf die materielle Ausbeutung von Sexualitat und Leidenschaft.“ [3]

Das Lexikon des Internationalen Films schrieb uber Erendira : ?Allegorische Beschreibung von Ausbeutungs- und Unterdruckungsmethoden in Lateinamerika“, [4] und resumierte: ?Mit uppigem Dekor und optischem Einfallsreichtum gestaltet, ist Guerras Film wegen vieler surrealer Elemente nur schwer zu entschlusseln.“ [4]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Kay Weniger : Das große Personenlexikon des Films . Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostumbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 3: F ? H. Barry Fitzgerald ? Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3 , S. 431.
  2. Leonard Maltin : Movie & Video Guide. 1996 edition, S. 390.
  3. Cinema. Nr. 2 (Heft 69) vom Februar 1984, S. 93.
  4. a b Klaus Brune (Red.): Lexikon des Internationalen Films . Band 8, Reinbek bei Hamburg 1987, S. 3965.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]