Die hundert Tage

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Die hundert Tage ist ein Roman von Joseph Roth , der 1936 beim Allert de Lange Verlag in Amsterdam erschien.

Die letzten Tage Napoleons in Frankreich einschließlich der Schlacht bei Waterloo sind ein Desaster. Daneben wird die Lebensgeschichte der korsischen Wascherin Angelina Pietri aus Ajaccio erzahlt. Angelina bezahlt ihre gluhende Verehrung des Kaisers der Franzosen mit dem Leben. Roths Roman ist nicht zu verwechseln mit dem Drama Napoleon oder Die hundert Tage von Christian Dietrich Grabbe .

Zeit und Ort [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Roman spielt im Jahr 1815 und zwar von Marz bis Juli. Am 20. Marz 1815 kehrt Napoleon, mit blau-weiß-roter Fahne von Elba kommend, nach Paris zuruck. Am 15. Juli 1815 muss der Kaiser nach St. Helena in die Verbannung. Von Waterloo aus erreicht Napoleon uber Laon das Schloss Malmaison bei Paris. Der Weg des Gefangenen fuhrt danach von Paris uber Poitiers , Niort auf die Ile d’Aix . Dort begibt Napoleon sich an Bord des britischen Schiffes Bellerophon .

Erstes Buch. Die Heimkehr des großen Kaisers [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Napoleon, der seine ?Krone erobert und nicht geerbt“ hat, rustet von Paris aus zum Krieg gegen seine Feinde, die Preußen und die Englander . Dreihunderttausend neue Gewehre sollen hergestellt werden. Napoleon lasst die Kanonen donnern und nicht die Glocken lauten. Er hat keine Zeit und muss die alten, teilweise treulosen Gefolgsleute wieder einsetzen. Napoleon misstraut dem Jubel des Volkes. Als der Kaiser Truppen der Pariser Garnison inspiziert, spricht er kurz mit dem kleinen Tambour Antoine Pascal Pietri, einem Schuljungen, der im Heer des Kaisers dient. Pascals Mutter ist Angelina Pietri. Als seinen Vater nennt der Junge den Wachtmeister Sosthene Levadour.

Zweites Buch. Das Leben der Angelina Pietri [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach einem Sprung des Erzahlers zuruck in eine Zeit, in der Pascal noch nicht geboren worden war, wird seine Vorgeschichte zusammen mit der Lebensgeschichte seiner Mutter Angelina bis kurz vor Waterloo vorgetragen. Sie galt noch als ehrbares Fraulein, als sie nach des Tages Arbeit zum Kaiser gerufen wird. Vom zu hastig getrunkenen Wein wird Angelina schlafrig und am nachsten Morgen hat sie das Gefuhl, dass der Kaiser sie verschmaht. Ob Napoleon oder der Wachtmeister Levadour Pascals leiblicher Vater ist, bleibt offen. Letzterer kame eher in Frage, weil Levadour den Beischlaf mit der Wascherin wiederholt und mit Ausdauer vollzieht. Allerdings sieht Pascal lediglich seiner Mutter ahnlich. Und der Kaiser ist dafur bekannt, ?mit fluchtiger und schamloser Hast zu lieben“. Als Pascal sieben Jahre alt ist, ergreift ihn eine heftige Leidenschaft fur alles Militarische. Er wird Knaben-Tambour und somit Soldat der kaiserlichen Armee.

Der polnische Schuster Jan Wokurka aus Gora Lysa, ein freiwilliger Legionar Napoleons und nun ein Invalide mit Holzbein, liebt Angelina innig, tut alles fur sie und will die Korsin mit nach Polen nehmen. Angelina verlasst den Schuster. Pascal zieht mit des Kaisers Soldaten in den Krieg. Angelina, ganz allein, liebt nun nur noch den Kaiser.

Drittes Buch. Der Untergang [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Napoleon verliert seinen Krieg bei Waterloo. Nach der Schlacht irrt er ubers Schlachtfeld und entdeckt in der Dunkelheit Pascals Leiche. Der Kaiser lasst den kleinen Leichnam in Eile beerdigen und flieht mit den Resten des Heeres nach Paris. Es ist der 20. Juni 1815. Napoleon bringt Angelina die Nachricht vom Tod ihres einzigen Sohnes Pascal. Er will kein Kaiser mehr sein und vertraut dem Volk nicht, das ihn noch vereinzelt feiert. Er hatte nur seinem ?Stern“ geglaubt. Sein politisches Leben ist nun zu Ende. Die Preußen sind in Bourget . Als Divisionskommandeur mochte der Kaiser die Feinde aufhalten, sieht aber die Unmoglichkeit des Vorhabens ein. Minister, Generale und das Volk fallen von ihm ab. Napoleon begibt sich in Gefangenschaft.

Viertes Buch. Das Ende der kleinen Angelina [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Es gibt im Volke aber immer noch Gruppchen, die Napoleon weiter treu sind. Unter denen befinden sich Angelina und der Schuster Wokurka. In Paris gerat das Hauflein unter eine gewaltige Volksmenge, die ?Es lebe der Konig !“ skandiert. Angelina wird von der Meute umgebracht. Im Sterben versucht die Kaisertreue, am steinigen Seine -Ufer die Marseillaise zu singen, und meint, eine Marionette, dem Kaiser nachgebildet, dicht neben ihr liegen gelassen, sei der leibhafte Napoleon. Der aber ist auf dem Wege nach St. Helena. Wokurka humpelt zu der Toten und streichelt unablassig ihr Haar.

Selbstzeugnisse [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Joseph Roth schreibt an Rene Schickele : ?Das ist das erste und letzte Mal, daß ich etwas Historisches mache… Es ist unwurdig, festgelegte Ereignisse noch einmal formen zu wollen“. [1]
  • Der Autor erklarte seiner Franzosisch-Ubersetzerin Blanche Gidon das Schreibanliegen wie folgt: ?ein Gott wird wieder zu einem Menschen“. [2]

Rezeption [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Nach Walter A. Berendsohn ist der Text wegen fehlender Einheit misslungen. [3]
  • Im Neuen Vorwarts wurde der Roman verrissen, Leopold Fabrizius außerte sich hingegen anerkennend. [4]
  • Nach Nurnberger sei Joseph Roth mit den historischen Fakten ?in willkurlicher und unglaubwurdiger Weise umgegangen“. [1]
  • Kliche lobt Joseph Roth. Der Autor hole gleichsam den großen Kaiser vom Sockel, indem er keine große Geschichte, sondern zwei kleine erzahlt ? die des ?einsamen Mannes“ und die der Wascherin des Kaisers. Seiner Interpretation nach musste Angelina sterben, weil sie starr an ihrem Napoleon-Glauben festhielt. [5]
  • Steierwald bemerkt, ?in seiner Napoleon-Ballade“ erzahlt Joseph Roth die ?kontinuierliche Wendung [...] zum Tod“. [6]
  • Laut Steigerwald sind ?die Sterne [...] eines der Leitmotive“ Joseph Roths. [7] Als einpragsamer Beleg kann der deprimierende Romanschluss von Tode Angelinas gelten, der durch ein solches rothsches Bild etwas Trostliches bekommt: Die Seine tragt das Spiegelbild des Himmels mit sich fort. [8]
  • Zwar spreche Roth uber die Franzosen und ihren Kaiser, aber, so vermutet Sternburg, der Autor habe beim Schreiben auch an die Deutschen und Adolf Hitler gedacht. [9]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Quelle

  • Fritz Hackert (Hrsg.): Joseph Roth Werke 5. Romane und Erzahlungen 1930?1936 . S. 677 bis 848: Die hundert Tage. Roman. 1936. Mit einem Nachwort des Herausgebers. Frankfurt am Main 1994. 815 Seiten. ISBN 3-7632-2988-4 .

Sekundarliteratur

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b Nurnberger S. 117
  2. aus einem Brief Roths, zitiert bei Sternburg, S. 440, 10. Z.v.u.
  3. zitiert bei Sternburg, S. 444, 20. Z.v.o.
  4. Sternburg, S. 444, 22. Z.v.o.
  5. Kliche S. 161 ff.
  6. Steierwald S. 62 ff.
  7. Steierwald S. 48
  8. Hackert S. 848
  9. Sternburg, S. 443, 7. Z.v.u.