Der
Deutsch-Sowjetische Wirtschaftsvertrag
offiziell
Kreditabkommen zwischen dem deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
uber
sowjetische
Rohstofflieferungen an das
Deutsche Reich
wurde am 19. August 1939 als Vorstufe zum
Molotow-Ribbentrop-Pakt
zwischen
Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow
und
Joachim von Ribbentrop
ausgehandelt.
Der Wirtschaftsvertrag wurde zweimal uberarbeitet, am 11. Februar 1940 und am 10. Januar 1941.
Seit 1939 verhandelten
Deutschland
und die
Sowjetunion
uber ein Handels- und Kreditabkommen, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Lander befordern sollte. Die Sowjetunion benotigte Maschinen und Waffen und konnte Deutschland dafur Nahrungsmittel und Rohstoffe liefern. Fur Stalin wurde das Deutsche Reich durch die wirtschaftliche Kooperation eingebunden und fur Deutschland wurde die Zusammenarbeit eine Bedrohung im Osten vermeiden und gleichzeitig die Wirkung einer potentiellen englischen Seeblockade verringern.
[1]
Nach langwierigen Verhandlungen, die von den multinationalen diplomatischen Bemuhungen, um eine Losung der Polenkrise gekennzeichnet waren, wurde am 19. August 1939 der Vertrag unter der offiziellen Bezeichnung
Kreditabkommen zwischen dem deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
als eine Vorbedingung fur den Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes abgeschlossen. Deutschland gestand darin sehr vorteilhafte Bedingungen zu, da der
Uberfall auf Polen
kurz bevorstand und Zeitdruck fur den Abschluss der Vertrage bestand. Der Vertrag war der erste Schritt zur Wiederbelebung der traditionell guten Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion.
[2]
Deutsche Importe aus der Sowjetunion in Prozent
Russisches Ol wird in deutsche Tankwagen umgefullt, Bahnhof
Przemy?l
im Februar 1940
Schwerer Kreuzer
Lutzow
, 1940 an die Sowjetunion ubergeben
Nach der gemeinsamen Besetzung Polens wurde am 28. September der
Deutsch-Sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag
geschlossen, der die Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen durch eine Steigerung der Lieferungen vorsah.
[3]
Wegen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes und der
Besetzung Ostpolens
durch die Sowjetunion waren die USA und das Vereinigte Konigreich wirtschaftlich zur Sowjetunion auf Distanz gegangen, so dass das deutsche Reich als Lieferant von Investitions- und Rustungsgutern einspringen sollte. Die deutsche Seite war an moglichst weitgehenden russischen Rohstofflieferungen (Getreide und Mineralol) sowie dem Transit von Nichteisenmetallen und
Kautschuk
aus Ostasien interessiert, um die britische Seeblockade zu lindern.
[4]
Die deutsche Seite war uberrascht, als die sowjetische Regierung in den anschließenden Wirtschaftsverhandlungen hauptsachlich militarisch nutzbare Guter im Wert von 1 bis 1,5 Milliarden RM kaufen wollte. Nach langeren Verhandlungen wurde am 11. Februar 1940 ein Vertrag im Wert von etwa 625 Mio. RM abgeschlossen.
[5]
An sowjetischen Lieferungen von Nahrungsmitteln und Rohstoffen waren innerhalb von 18 Monaten folgende Mengen vorgesehen:
- 1.000.000 t Weizen und Gemuse im Wert von 120 Millionen
Reichsmark
- 900.000 t Mineralol, im Wert von 115 Millionen Reichsmark
- 100.000 t Baumwolle, im Wert von 90 Millionen Reichsmark
- 500.000 t
Phosphat
- 100.000 t
Chrom
- 500.000 t Eisenerz
- 300.000 t Schrott
- 2400 kg
Platin
,
Manganerz
, Metalle usw.
Das Deutsche Reich verpflichtete sich, Waffen und industrielle Guter im selben Wert innerhalb von 27 Monaten zu liefern. Darunter den noch nicht fertiggestellten Schweren Kreuzer
Lutzow
, eine vollstandige Flak-Batterie, diverse Panzer und Flugzeuge sowie 300 Maschinen fur zivile und militarische Zwecke.
[6]
Daruber hinaus fungierte die Sowjetunion als Transitland fur wichtige Waren, vor allem aus Asien.
Der Vertrag wurde von beiden Seiten erfullt, bis zum
Uberfall auf die Sowjetunion
1941. Von der versprochenen einen Million Tonnen Getreide wurden jedoch letztlich nur 150.000 t geliefert. Bei Ol und Kohle sah das Bild ahnlich aus.
[7]
Im Oktober 1940 begannen Gesprache uber einen Anschlussvertrag, der dann am 10. Januar 1941 abgeschlossen werden konnte. Da sich aufgrund der deutschen Eroberungen im Westen die Nahrungsmittel- und Rohstoffversorgungssituation fur Deutschland besser darstellte, konnte ein fur das Reich sehr vorteilhafter Vertrag im Umfang von etwa 630 Mio. RM uber 18 Monate mit der Sowjetunion ausgehandelt werden. Deutschland wurde 2,5 Mio. Tonnen Getreide, 1 Mio. Tonnen Erdolerzeugnisse und große Mengen an wertvollen Metallen erhalten und dafur wieder industrielle Guter liefern.
[8]
Ab Marz/April 1941 begannen die britische und die amerikanische Regierung Druck auf die Sowjetunion wegen ihrer Lieferungen auszuuben. Nach einer scharfen Antwort der sowjetischen Regierung am 27. Marz 1941 auf die Vorwurfe von
Sumner Welles
wegen der intensiven Lieferungen und einer moglichen Weiterleitung amerikanischer Rohstoffe, leitete die amerikanische Regierung drastische Handelssanktionen ein. Am 6. Mai 1941 folgte ein Ausfuhrverbot fur alle Maschinen und Gerate die in der sowjetischen Rustung verwendet werden konnten. Am 18. April 1941 ubergab der britische Botschafter
Richard Stafford Cripps
ein Memorandum an
Andrei Januarjewitsch Wyschinski
in dem er ?unverhohlen“ mit einem deutsch-britischen Friedensschluss drohte, der Deutschland eine Kehrtwendung nach Osten erlauben wurde, und einer Einbeziehung der Sowjetunion in die okonomische
Blockade
. Dagegen versprach er Unterstutzung, falls sich Hitler die sowjetischen Rohstoffe durch Krieg erobern wolle. Laut Schwendemann war dies jedoch eigenmachtige Drohungen ohne Autorisierung von London. Dort ging man jedoch so weit die Plane fur die
Operation Pike
aus dem Fruhjahr 1940 zur Bombardierung der kaukasischen Erdolfelder zu reaktivieren.
[9]
Nach Ansicht einiger Historiker war damit fur Hitler im Prinzip der wirtschaftliche Weg frei fur einen Krieg, ohne die Auswirkungen einer erneuten
Seeblockade
furchten zu mussen, die im
Ersten Weltkrieg
zur deutschen Niederlage beitrug und 1919 die Zustimmung zum
Friedensvertrag von Versailles
erzwang.
Heinrich Schwendemann
vertritt die These das die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Hauptfaktor der deutsch-sowjetischen Beziehungen in der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes darstellte und eine Alternative zu
Hitlers Ostprogramm
darstellte. Diese Alternative sei von der deutschen Exportwirtschaft und der Diplomatie entwickelt und getragen worden. Jedoch habe Hitler alle getauscht.
[10]
Nach
Ludolf Herbst
betrieb Stalin hingegen mit den Lieferungen ein ≫Economic Appeasement≪ um Hitlers Aggression von der Sowjetunion in Richtung Mittelmeerraum abzulenken. Die Bedeutung fur die Waffenerfolge der Wehrmacht sei denkbar gering gewesen, fur den Polenfeldzug waren sie gar nicht wirksam und fur den Westfeldzug waren sie ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Großteil der Lieferungen fullte die deutschen Lager im Moment eines Uberflusses.
[11]
- Karl Heinz Blumenhagen:
Die deutsch-sowjetischen Handelsbeziehungen 1939 - 1941 : Ihre Bedeutung fur die jeweilige Kriegswirtschaft
. Kovac 1998,
ISBN 3-86064-571-4
.
- Heinrich Schwendemann
:
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941, Alternative zu Hitlers Ostprogramm?
.
Akademie Verlag
, Berlin 1993,
ISBN 3-05-002382-1
, (Dissertation).
- Manfred Zeidler
:
German-Soviet Economic Relations during the Hitler-Stalin Pact
. In:
From Peace to War
. Hrsg. Dick Sheldon, Berghahn 1997,
ISBN 978-157181-882-9
, S. 95?112.
- ↑
Lev Besymenski:
Die sowjetisch-deutschen Vertrage von 1939
. KU Eichstatt-Ingolstadt, Zeitschrift ?Forum“.
- ↑
Manfred Zeidler:
German-Soviet Economic Relations during the Hitler-Stalin Pact
. S. 98 f.
- ↑
Manfred Zeidler
:
German-Soviet Economic Relations during the Hitler-Stalin Pact
. S. 103.
- ↑
Heinrich Schwendemann
:
Stalins Fehlkalkul: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion 1939-1941
. In:
Gab es einen Stalin-Hitler-Pakt?
. Hrsg.: Christoph Koch, Peter Lang 2015,
ISBN 978-3-631-66422-3
, S. 297 f.
- ↑
Manfred Zeidler:
German-Soviet Economic Relations during the Hitler-Stalin Pact
. S. 103 ff.
- ↑
Manfred Zeidler:
German-Soviet Economic Relations during the Hitler-Stalin Pact
. S. 105.
- ↑
Gabriel Gorodetsky
:
Die große Tauschung. Hitler, Stalin und das Unternehmen ≫Barbarossa≪
. Berlin 1999, S. 48.
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Manfred Zeidler:
German-Soviet Economic Relations during the Hitler-Stalin Pact
. S. 108.
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Heinrich Schwendemann:
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941
. Berlin 1993, S. 327 f.
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Rolf-Dieter Muller
,
Gerd R. Ueberschar
:
Hitlers Krieg im Osten. Ein Forschungsbericht
. Darmstadt 2000, S. 33.
- ↑
Ludolf Herbst
:
Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945
. Frankfurt am Main 1996, S. 340 f. und 351.