Der zweite Atem
ist ein franzosischer Kriminalfilm des Regisseurs
Jean-Pierre Melville
aus dem Jahr
1966
.
Gustave Minda, genannt ?Gu“, kann nach acht Jahren Haft mit einem Kumpan aus dem Gefangnis ausbrechen. Gu ist ein beruchtigter Gangster, bekannt im Milieu des organisierten Verbrechens, wo er hohe Reputation wegen seiner Zuverlassigkeit genießt. In Paris findet er alte Freunde wieder: Die Nachtclub-Besitzerin Manouche und ihren Kellner Alban; er trifft auf die beiden gerade dann, als Jo Ricci, ein amoralischer Nachtclub-Besitzer und Geschaftemacher, sie mittels zweier Gauner bedrohen lasst. Gu uberwaltigt die Gauner und erschießt sie auf der Fahrt aus der Stadt. Nach diesem Doppelmord, dessen ?Handschrift“ auf Gu verweist, nimmt der erfahrene Kommissar Blot Gus Spur auf.
Manouche und Alban verstecken Gu zunachst am Stadtrand von Paris und helfen ihm bei seiner Flucht nach
Marseille
, von wo aus er versuchen will, sich nach Italien abzusetzen. Aber Gu will zunachst seine finanzielle Situation in Ordnung bringen. In Marseille trifft er seinen Freund Paul, Bruder von Jo Ricci und im Zigarettenschmuggel aktiv, der einen Uberfall auf einen von zwei Motorrad-Polizisten eskortierten
Platin
-Transport plant. Gu willigt ein, auch wenn er dafur einen der Polizisten ermorden muss. Der Uberfall gelingt wie geplant, doch Kommissar Blot stellt Gu, der mit Hilfe seiner Freundin Manouche unterzutauchen versucht, eine Falle, bei der er seinen Freund Paul zu verraten scheint. Diesen Ehrverlust will Gu nicht auf sich sitzen lassen; noch einmal flieht er ? nach einer absichtlichen Selbstverletzung wahrend eines Folter-Verhors ? aus dem Krankenhaus, um sich von diesem Makel reinzuwaschen. Er kidnappt Kommissar Fardiano, der ihn in Marseille verhaftet hatte, presst ihm ein schriftliches Eingestandnis seiner zweifelhaften Verhormethoden ab und ermordet auch diesen Polizeibeamten. Bei einer blutigen Auseinandersetzung mit seinen ehemaligen Komplizen in Marseille wird Gu schwer verwundet. Auf verlorenem Posten schießt er auf die eintreffende Polizei und wird beim erwiderten Feuer erschossen. Blot spielt das Gestandnis Fardianos der wartenden Presse zu.
Welche Art von Beziehung Gu und Manouche miteinander verbindet, bleibt unklar. Im Dialog wird Manouche sogar mehrere Male als Gus ?Schwester“ bezeichnet. Melville hat dazu gesagt: ?Die ?Schwestern‘, das sind im Milieu die Frauen. Wenn ich zugelassen habe, dass manche glauben konnen, Manouche sei Gus Schwester, dann wegen des Teils in mir, das an
Les enfants terribles
hangt ? oder eher noch an
Pierre, or The Ambiguities
meines großen Namensvetters.“
[1]
Adrian Danks betrachtet Jean-Pierre Melvilles neunten und bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreichsten Film in Frankreich als dessen Wendepunkt von den abstrakten, elementaren und ikonographisch prazisen und hypermaskulinen Gangstermilieu-Filmen wie
Drei Uhr nachts
(1955) oder
Der Teufel mit der weißen Weste
(1962) hin zu ausgedehnten, verfeinerten und philosophisch zuruckhaltenden Werken wie die folgenden
Der eiskalte Engel
(1967) und
Vier im roten Kreis
(1970). Es war auch Melvilles letzter Film, den er in schwarz-weiß drehte.
- Reclams Filmfuhrer:
Die Handlung erinnert an einen Dutzendfilm, aber Melvilles Regie gibt dem Film eine unverwechselbare Eigenart. Er erzahlt seine Geschichte kuhl und distanziert und verzichtet auf Affekte ebenso wie auf die bequeme Kategorisierung in ?Gut“ und ?Bose“. Das bestimmt auch den Antagonismus von Gu und Blot. Die Methoden der Polizei erscheinen hier, auf das reine Geschehen reduziert, kaum weniger fragwurdig als die der Ganoven; die Gegenspieler werden austauschbar.
- Lexikon des internationalen Films
:
Der klassische Gangsterfilm Melvilles in der Tradition des "film noir" bietet spannende Krimiunterhaltung und zeigt einen Gangster-Mikrokosmos, der an den eigenen Konventionen und Regeln zugrunde geht.
[2]
- Lexikon des internationalen Films, Reinbek, Rowohlt, 1991
- Dieter Krusche:
Reclams Filmfuhrer
, Stuttgart, Reclam, 1973
- ↑
Rui Nogueira:
Kino der Nacht - Gesprache mit Jean-Pierre Melville
. Alexander-Verlag, Berlin 2002.
ISBN 3-89581-075-4
.
- ↑
Der zweite Atem.
In:
Lexikon des internationalen Films
.
Filmdienst
,
abgerufen am 27. November 2017
.