Der dritte Polizist

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Der dritte Polizist (englischer Originaltitel: The Third Policeman ) ist der zweite Roman des irischen Schriftstellers Flann O’Brien (1911?1966). Er wurde 1939 bis 1940 verfasst, aber erst 1967, nach O’Briens Tod veroffentlicht. Der Roman gilt als Beispiel der Verwendung von Metafiktion und als fruhes Beispiel des postmodernen Romans . [1] Der dritte Polizist lasst sich als Kriminalroman und als Wissenschaftsparodie lesen.

Der Roman besteht aus zwolf Kapiteln und spielt im landlichen Irland. Der Ich-Erzahler bleibt ohne Namen. Er ist Anhanger des (fiktiven) Wissenschaftlers und Philosophen de Selby, dessen Theorien im Verlauf des Buches immer wieder behandelt werden, sowohl im Fließtext als auch in teilweise langen Fußnoten . Darin geht es zum Beispiel um die Theorie, dass Radfahrer und Fahrrader beim Radfahren Molekule austauschten und daher den Charakter des jeweils anderen annahmen, und um ?schwarzes Licht“, das etwa fur den Ubergang von Tag zu Nacht verantwortlich sei.

Der Ich-Erzahler hat als 16-jahriger Waise in einer Internatsschule ein Bein verloren. Er tragt nun ein Holzbein und kehrt in sein Elternhaus zuruck. Dabei trifft er auf John Divney, der in der Folge die Bewirtschaftung von Hof und Pub des Ich-Erzahlers ubernimmt, wahrend er selbst sich den Schriften de Selbys widmet. Mit 30 Jahren hat er ein Werkverzeichnis uber de Selby geschrieben, kann es jedoch aus Geldmangel nicht veroffentlichen. Divney weiß, dass der alte Dorfbewohner Mathers Geld bei sich tragt, worauf er (Divney) einen Raubmord an Mathers plant. Eines Nachts treffen der Ich-Erzahler und Divney Mathers auf der Straße, wo Divney ihn mit einer selbstgebauten Fahrradpumpe zu Boden schlagt. Der Ich-Erzahler erschlagt Mathers mit einem Spaten; Divney ist jedoch mit Mathers’ Geldkassette verschwunden und kehrt erst spater ohne sie zuruck. Der Ich-Erzahler bleibt nun kontinuierlich an Divneys Seite, auch im Bett.

Drei Jahre spater verrat Divney, dass die Kassette unter den Dielenbrettern in Mathers’ Haus liegt. Er beauftragt den Ich-Erzahler, sie zu holen; sie ist aber verschwunden. Stattdessen trifft er Mathers an. Auch die Seele des Ich-Erzahlers, fortan Joe genannt, ist im Raum und spricht fortan zum Ich-Erzahler. Mathers berichtet von einer nahegelegenen Polizeistation, wo Polizisten bei der Suche nach der Kassette helfen konnten. Dort lernt der Ich-Erzahler Sergeant Pluck und den Wachtmeister MacCruiskeen kennen. Sie sprechen weitgehend non sequitur und außern surreale Theorien uber Fahrrader. Sie berichten auch vom dritten Polizisten, Fox, der seit 25 Jahren verschwunden ist. Im Kellergeschoss befindet sich ein komplizierter Bau namens ?Ewigkeit“, in dem sich Messgerate befinden. Pluck weiß, dass der Ich-Erzahler den Mord begangen hat, verhaftet ihn aber nicht, da er namenlos sei und daher nicht gehangt werden konne. Zur Hinrichtung des Morders wird jedoch ein Galgen errichtet. Als die Polizisten sich um ungewohnlich hohe Messwerte im Keller kummern mussen, fluchtet der Ich-Erzahler auf einem Fahrrad und sieht Licht in Mathers’ Haus. Er trifft dort Fox, der jedoch Mathers’ Gesichtszuge tragt und in dem Haus eine geheime Polizeistation unterhalt. Es stellt sich heraus, dass Fox die Messwerte im Keller manipuliert hat und so anscheinend das Leben des Ich-Erzahlers gerettet hat. Fox hat die Kassette, die nunmehr eine allmachtig machende Substanz namens Omnium enthalt, zum Haus des Ich-Erzahlers bringen lassen. Als jener dort schließlich eintrifft, ist Divney 16 Jahre alter, wahrend der Ich-Erzahler nur um einige Tage gealtert ist. Divney berichtet, dass er damals statt der Kassette eine Bombe unter Mathers’ Dielenbretter gelegt habe, die den Ich-Erzahler umgebracht habe, und erleidet einen Herzinfarkt, die ihn offenbar totet; der Ich-Erzahler verlasst daraufhin das Haus und kommt zur Polizeistation. Unterwegs trifft er Divney, der ihn begleitet. In der Polizeistation trifft er erneut auf Pluck, der mit denselben Worten wie im vierten Kapitel beschrieben wird und ? am Schluss des Buches ? auch dieselbe Eingangsfrage stellt: ?Handelt es sich um ein Fahrrad?“

?Der dritte Polizist kehrt die Erzahlstruktur von O’Briens erstem Roman ?In Schwimmen Zwei Vogel‘ um. Stecken dort die Uberraschungen im collagenartigen Erzahlvorgang, so finden sie sich hier unter der Decke eines geordneten Erzahlvorgangs bei Sprachwitz, (irischem) Humor, Ironie, Parodie sowie in Satiren, Absurditaten und Surrealismen, mittels derer O’Brien die wissenschaftliche und intellektuelle Torheit des Menschen entlarvt.“

? Kindlers Neues Literaturlexikon [2]

“[The Third Policeman] will be rediscovered, and again, and again. There’s no killing a piece of mythic power like that.”

? [Der dritte Polizist] wird wiederentdeckt werden, wieder und wieder. Solch ein Stuck mythischer Kraft kann nicht sterben.“

? Hugh Kenner [3]

Editionsgeschichte

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O’Brien versuchte, den Roman wie seinen Vorgangerroman Auf Schwimmen-zwei-Vogel bei Longman’s zu publizieren. Das Manuskript wurde jedoch abgelehnt, da es ?zu ungewohnlich“ sei. [1] O’Brien lagerte es dann bis zu seinem Tod in einem Schrank, behauptete aber, dass er es vernichtet habe. [1] Er ubernahm Elemente des Romans, darunter die Figur de Selby, in seinem 1964 erschienenen Roman The Dalkey Archive (deutscher Titel: Aus Dalkeys Archiven ).

Die Erstausgabe erschien schließlich 1967 postum bei MacGibbon & Kee in London. Die erste deutschsprachige Ausgabe, ubersetzt von Harry Rowohlt , erschien 1975 unter dem Titel Der dritte Polizist im Suhrkamp Verlag . 1985 wurde das Buch als Lizenzausgabe derselben Ubersetzung in der DDR im Verlag Volk und Welt veroffentlicht.

Ausgaben (Auswahl)

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  • The Third Policeman. MacGibbon & Kee, London 1967.
  • Der dritte Polizist. Ubersetzt von Harry Rowohlt . Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-518-01446-3 .
  • Der dritte Polizist. Ubersetzt von Harry Rowohlt. Volk und Welt, Berlin 1985.
  • Der dritte Polizist. Ubersetzt von Harry Rowohlt und Helmut Mennicken. Kein & Aber, Zurich 2006, ISBN 3-0369-5166-0 .
  • Ralf Zimmermann: Das Verschwinden der Wirklichkeit. Uber Moglichkeiten und Grenzen der Kreativitat in Flann O’Briens ?At Swim-Two-Birds‘ und ?The Third Policeman‘. Lang, Frankfurt am Main 1999.
  • Keith Hopper: Flann O’Brien: A Portrait of the Artist as a Young Post-Modernist. Cork University Press, Cork 1995, ISBN 978-1859180426 .
  • Anthony Cronin : No Laughing Matter: The Life and Times of Flann O’Brien. Fromm, New York 1989, ISBN 978-0880641838 .

Einzelnachweise

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  1. a b c Harald Martenstein: Sarkastisch, katholisch, trinkfest. In: Der Tagesspiegel . 2. Oktober 2011.
  2. zitiert nach lesen.de , abgerufen am 18. Dezember 2012.
  3. Ted Gioia: Buchbesprechung . In: postmodernmystery.com . (englisch), abgerufen am 18. Dezember 2012
  4. Bericht bei dradio.de , abgerufen am 4. Januar 2013