Der Schuler Gerber

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Der Schuler Gerber ist ein Roman von Friedrich Torberg aus dem Jahre 1930, der die tragische Geschichte eines Schuler-Lehrer-Machtkampfes erzahlt.

Schuler wie Kurt Gerber ? intelligenter, rebellischer und ?reifer“ als ihre Klassenkameraden ? sind Professor Kupfer ein Dorn im Auge . So ist es wohl zu erklaren, dass dieser wahrend der Ferien, deren Sommerfrische er zufallig am gleichen Ort wie Kurt Gerber mit seinen Eltern verbringt, gegenuber Kurts Vater den Nebensatz fallen lasst, dass er dessen Sohn auch noch brechen werde, sollte er ihn in die Finger bekommen. Das Brechen des eigenen Willens ist ein zeittypisches, verbreitetes Ziel einer missbrauchlichen Erziehung sowie des Drills beim Militar.

Als Kurt Gerbers Vater erfahrt, dass Artur Kupfer der neue Klassenvorstand seines Sohnes wird, mochte er Kurt aufgrund dieser Drohung dazu uberreden, entweder die Schule zu wechseln oder Privatunterricht in den Handelsfachern zu nehmen und danach in seinem Geschaft zu arbeiten. Der Privatunterricht ist fur Kurt jedoch keine Option, da er ein Doktorat in Rechtswissenschaften oder Philosophie anstrebt, was ohne Reifeprufung nicht moglich ist. Außerdem ist er so selbstbewusst, dass er nicht glaubt, ein Lehrer konne ihn zerbrechen. Trotzdem verspricht er seinem Vater, sich gegenuber den vorhergegangenen Schuljahren zu andern und eifriger mitzulernen.

Ebenso glaubt er sich zu diesem Zeitpunkt Lisa Berwalds Liebe sicher. Er ist deshalb sehr enttauscht, als er am ersten Schultag erfahren muss, dass sie die Schule verlassen hat. Er kann sich seine Enttauschung jedoch nicht offen anmerken lassen, da die Mitschuler von der in seinen Augen besonderen Beziehung zu Lisa nichts wissen. Er furchtet, dass sie seine Gefuhle auf eine reine Schulerliebe herabsetzen wurden. Er glaubt, dass sich Lisa aus ebendiesem Grund vor anderen Leuten sehr distanziert zu ihm zeigt. Und auch wenn ihm oft Zweifel kommen, weil er z. B. drei bis vier Briefe schreibt, von ihr aber nur eine kurze Antwort erhalt, reicht oft ein Blick oder ein Wort ihrerseits, damit er sich ihrer Liebe wieder sicher wahnt.

Erstes Halbjahr

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Kurt Gerber ist ein intelligenter, aber nicht sehr strebsamer Schuler. Obwohl es immer wieder zu kleineren Konflikten mit den Lehrern kommt, haben diese nichts weiter gegen ihn, da sie ihn im Grunde fur geeignet halten. Aufgrund dieser Haltung seiner Lehrer hat er trotz seiner schwacheren Facher Mathematik und Darstellende Geometrie keine Schwierigkeiten, bis er in die 8. Klasse des Gymnasiums kommt, denn da bekommt er den so genannten Gott Kupfer als Klassenvorstand. Professor Kupfer ist ein strenger Lehrer und macht Kurt Gerber und den anderen Oktavanern das Leben schwer.

Die ersten Tage des Schuljahres verlaufen ohne grobe Vorkommnisse, bis eines Tages Lisa Berwald zu Besuch in die Schule kommt. Die Mitschuler konnen sie uberreden, zur darauffolgenden Physikstunde zu bleiben, und auch der Physikprofessor Hussak hat keine Einwande. Vor dem Pausenlauten bittet Lisa, das Klassenzimmer vorzeitig verlassen zu durfen.

Kurt Gerber folgt ihr kurz darauf unter einem Vorwand, was ihm im weiteren Verlauf noch große Probleme bringt. Bei dem Versuch, sie einzuholen, stolpert er uber die Treppe und verletzt sich am Bein, trotzdem kann er sie einholen und ein kurzes Gesprach mit ihr fuhren. Auf dem Weg zuruck in die Schule lauft er Professor Kupfer uber den Weg und belugt ihn uber den Grund seines Aufenthalts außerhalb der Schule. Als er zuruck in die Schule kommt, bittet ihn der Physikprofessor um ein kurzes Gesprach, in dessen Verlauf er Kurt Gerber ermahnt, nicht so unvorsichtig zu sein. Als er hort, dass Gerber Professor Kupfer uber den Weg gelaufen ist, meint er nur, dass dies sehr schlecht sei, und dass er Kurt Gerber empfehle, die Schule zu wechseln. Auch diese Ermahnung und Empfehlung haben jedoch keine Wirkung.

Aufgrund seines beim Sturz aufgeschlagenen Knies bekommt Kurt Gerber Fieber und kann nicht in die Schule kommen. Da er eine vor der 1. Zensurenkonferenz notwendige Mathematik-Schularbeit versaumen wurde, kommt er am darauffolgenden Tag doch in die Schule, gerade rechtzeitig zu Artur Kupfers Stunde. Diese Mathematik-Schularbeit wird jedoch zu einer personlichen Niederlage Kurt Gerbers, da ihn Gott Kupfer beim Schummeln erwischt ? so kann er keine Aufgabe losen.

Dass er in die Schule gekommen ist, hat jedoch zwei Auswirkungen ? erstens hat er einen fiebrigen Ruckfall und kann die Schule wegen hohen Fiebers einige weitere Tage nicht besuchen. Zweitens scheint sein Kommen als unentschuldigtes Zuspatkommen im blauen Brief nach der Notenkonferenz auf, in der auch Ermahnungen in anderen Fachern angemerkt sind. Da Kurts Vater Herzprobleme hat und er ihm den blauen Brief nicht zeigen mochte, um ihn nicht aufzuregen, falscht er die Unterschrift seines Vaters.

Er falscht die Unterschrift auch auf der Mitteilung an den Vater, die er aufgrund einer vierstundigen Karzerstrafe nach Hause bringen sollte. Diese vierstundige Karzerstrafe wurde aufgrund seines unerlaubten Entfernens aus der Schule und des Belugens von Professor Kupfer verhangt.

So kommen schließlich die Weihnachtsferien, die Kurt Gerber mit Lisa und deren Freundeskreis beim Skifahren verbringt. Es kommt dabei zu einer Annaherung der beiden in Form einer Knutscherei in einem stockdunklen Zug. Kurt macht sich nun noch mehr Hoffnung auf Lisa, obwohl sie fest mit Otto Engelhart liiert ist. In dieser Beziehung sind jedoch nicht immer beide treu. Was Lisa ihm nicht erzahlt, ist die Tatsache, dass sie wahrend dieses Skiurlaubs kurze Zeit nach dem Zug-Intermezzo endgultig beschlossen hatte, niemals eine Beziehung mit Kurt Gerber einzugehen.

Kurt Gerber muss diesen Urlaub abbrechen, als er einen Brief von seinem Vater erhalt, der ihn auffordert, nach Hause zu kommen. Kurts Vater hatte ein Gesprach mit einem von Kurts Lehrern, so dass er nun weiß, wie schlecht es um Kurt in der Schule steht. Er mochte, dass Kurt Nachhilfe -Unterricht nimmt, was Kurt jedoch ablehnt. Auf seine Anmerkung, dass die Schule nicht das Leben sei, erwidert ihm sein Vater, dass die Schule und das Leben sehr wohl viele Gemeinsamkeiten hatten.

Kurt sieht jedoch ein, dass er seine Zensuren verbessern muss. Daher tritt er einem Lernkreis mit den besten Mathematikschulern seiner Klasse bei. Tatsachlich zeigt dies Wirkung, und es geht aufwarts mit ihm in der Schule. Bald kommen ihm jedoch Zweifel, als er merkt, dass er immer mehr zu den Strebern gezahlt wird und zunehmend von seinem bisherigen Freundeskreis ausgeschlossen wird. Seine Zweifel werden starker, als der ausgezeichnete Schuler Benda verstirbt. Auf die Frage eines Lehrers, wer mit diesem befreundet gewesen sei, meldet sich niemand.

Zweites Halbjahr

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Der Knackpunkt kommt mit der Halbjahresnachricht, die trotz Gerbers Bemuhungen zum Schluss in den Fachern Mathematik und Darstellende Geometrie negativ ausfallt. Von da an geht es mit seiner Mitarbeit wieder abwarts und er verlasst den Lernkreis.

Er verfallt in das entgegengesetzte Extrem und umgibt sich eher mit den hoffnungslosen Mitschulern. Nun droht auch noch seine Freundschaft zu Weinberg, seinem bis dato besten Freund, in die Bruche zu gehen.

Auch gegenuber den Lehrern muss er immer wieder Niederlagen einstecken, wobei eine der schlimmsten eine misslungene Boykott -Aktion im Franzosisch-Unterricht wird, die von wenigen Mitschulern unterstutzt wird. Er muss sich nach der Stunde entschuldigen gehen, um die deshalb erfolgte Klassenbucheintragung wieder ruckgangig zu machen.

In weiterer Folge versinkt Kurt Gerber immer mehr in seiner Gedankenwelt und verliert mehr und mehr den Bezug zur Realitat. So kommt es, dass er seinen ersten Sieg gegenuber Gott Kupfer gar nicht bemerkt. Artur Kupfer hatte ihm gegenuber eine Karzerstrafe verhangt, wobei sich im Laufe der Ereignisse jedoch herausstellte, dass diese ohne ausreichende Berechtigung erfolgt war. Aus diesem Grund muss Kupfer diese Karzerstrafe zuruckziehen.

Verstarkt wird der Ruckzug aus der Realitat auch durch den psychischen Druck, dem Vater zu gefallen und in der Schule nicht negativ aufzufallen, um den Vater, der einen Herzanfall hatte, nicht weiter aufzuregen.

Ein weiterer Tiefpunkt folgt, als er bei einem Treffen mit Lisa die Sinnlosigkeit seines Unterfangens erkennt, mit ihr eine Beziehung zu beginnen. Somit hat er jeden Halt in der Realitat verloren.

Bald steht die Entscheidung an, welcher Schuler zur mundlichen Matura antreten darf. Die schließlich doch angenommenen Nachhilfestunden zeigen Wirkung und so wird Kurt Gerber zur mundlichen Matura zugelassen.

Im Zuge der ersten Tage ? jeden Tag werden vier Schuler gepruft ? versucht sich Kurt Gerber Mut zu machen, indem er sich mit einem Mitschuler vergleicht, von dem er sicher ist, dass er die Matura bestehen wurde. Als er am Tag seiner eigenen Matura erfahren muss, dass dieser Mitschuler nicht fur reif erklart wurde, ist er schockiert.

Die mundliche Matura beginnt mit Mathematik. Obwohl Kurt im Nachhinein erkennt, dass die Beispiele einfach zu losen gewesen waren, vermag er keines der beiden Beispiele auch nur ansatzweise zu losen. In Latein geht es etwas besser; nach einer guten Ubersetzung lasst er sich jedoch durch Zwischenfragen verwirren. So ist er in der darauffolgenden Pause nicht mehr sicher, ob diese Leistung genugend war.

Seine Mitschuler versuchen ihm in ebendieser Pause nochmals Mut zu machen und erzahlen ihm von einem Gesprach, das sie mitgehort hatten. Dabei hatte Professor Hussak versichert, dass er nicht zulassen werde, dass Gerber fur nicht reif erklart werde. Kurt hort dies nicht und schimpft sie gemeine Lugner. Beinahe eskaliert die Situation in eine Schlagerei.

Nach der Pause bekommt er das Gedicht Herbst von Nikolaus Lenau zur Analyse vorgelegt. Die auf ihn selbst hin interpretierbare Zeile dieses Gedichts ?mein Herz dem Tod entgegentraumt“ beschleunigt seinen psychischen Kollaps. Jedoch kann er das Fach Deutsch noch hinter sich bringen.

In Geographie und Geschichte wird Schuler Gerber von Professor Prochaska mehrmals darauf hingewiesen, dass er gerade eine Frage beantwortet, die nicht gestellt war. Kurt Gerber hat damit gerechnet, eine Frage aus dem Gebiet zu bekommen, auf das ihn der Geographielehrer besonders hingewiesen hatte. Aus diesem Grund hat er sich den Fragenzettel nicht angesehen. Die tatsachliche Frage kann er durchschnittlich gut beantworten.

In der darauf folgenden Pause vor der Bekanntgabe der Ergebnisse versinkt Kurt mehr und mehr in seiner irrealen Gedankenwelt. Und trotz seiner ursprunglichen Behauptung, dass das Leben nichts mit der Schule gemein habe, treibt er sich immer mehr in einen Strudel verworrener Gedanken, die das abgelaufene Schuljahr widerspiegeln.

In der Pause, bevor die Stunde beginnt, in der die Ergebnisse bekannt gegeben werden, verliert Kurt Gerber die Nerven, springt aus dem Fenster und stirbt. Etwas spater erfahrt der Leser, dass Kurt Gerber die Prufung bestanden hat.

Der Schuler Gerber hat absolviert ? so der Originaltitel des 1930 erstmals erschienenen Buches ? wurde vermutlich durch Torbergs personliche, teils negative Auseinandersetzung mit der Reifeprufung im damaligen Deutschen Gymnasium Smichov inspiriert. Torberg fiel 1927 durch die Matura und wurde erst beim zweiten Versuch 1928 fur ?reif“ erklart. Das tragische Ende des Kurt Gerber wurde moglicherweise von mehreren Zeitungsberichten uber Schulerselbstmorde im Januar und Februar 1929 inspiriert, die der Autor zu Beginn des Buches erwahnt.

Das Buch erschien 1930 im Wiener Paul-Zsolnay-Verlag , die Startauflage von 5000 Exemplaren war binnen 4 Wochen vergriffen; bis 1935 wurde das Buch uber 10000 mal verkauft. [1]

Der Prager Lehrer Arnold Schwefel, [2] laut Torberg das Vorbild fur den ?Gott Kupfer“, wandte sich an den Verlag und bat um ein kostenloses Widmungsexemplar . [1]

Im nationalsozialistischen Deutschland wurden mit Erlass des Preußischen Kultusministers Bernhard Rust vom 24. August 1933 (U II, C 6460) ?Dramen und Erzahlungen, in denen das Generationsproblem und seine Abart, das Lehrer-Schuler-Problem, in gehassiger und verzerrter Form behandelt werden“, darunter namentlich genannt der Schuler Gerber zu ?Verbotene[n] Schriften fur Schulerbuchereien“ erklart. [3]

Erzahlperspektive und Sprache

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Das Buch wird erzahlt aus der Sicht eines auktorialen Erzahlers , der immer wieder kurz auf spater im Buch passierende Geschehnisse vorgreift. Dadurch weiß der Leser sehr bald, wie Lisa Berwald tatsachlich zu Kurt Gerber steht oder auch aus welchen Beweggrunden Artur Kupfer handelt. Die Sprache ist leicht verstandlich, meist sachbezogen.

Der Roman wurde 1981 unter der Regie von Wolfgang Gluck unter dem Titel Der Schuler Gerber verfilmt. Den Schuler spielte Gabriel Barylli , den Lehrer Werner Kreindl . Der Drehort war das Akademische Gymnasium in Wien.

  • Der Schuler Gerber hat absolviert . Zsolnay, Wien, 1930

Einzelnachweise

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  1. a b Murray G. Hall , Herbert Ohrlinger: Der Paul Zsolnay Verlag 1924?1999. Dokumente und Zeugnisse . Zsolnay, Wien 1999, S. 36f.
  2. Arnold Schwefel bei Holocaust.cz
  3. Hans Jurgen Apel, Michael Klockler (Hrsg.): Die Volksschule im NS-Staat (=  Sammlungen der Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Bekanntmachungen zum Elementar- bzw. Volksschulwesen im 19./20. Jahrhundert . Band   14 ). Bohlau, Koln 2000, ISBN 3-412-04395-8 , S.   319 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche – Originaltitel: Die deutsche Volksschule im Großdeutschen Reich: Handbuch der Gesetze, Verordnungen und Richtlinien fur Erziehung und Unterricht in Volksschulen nebst einschlagigen Bestimmungen uber Hitler-Jugend und National-politische Erziehungsanstalten . Breslau 1940.).