Der Mord, der nie verjahrt
ist ein deutscher Spielfilm des Jahres 1968 aus dem
DEFA
-Studio fur Spielfilme von
Wolfgang Luderer
.
Der
Referendar
Lautenberg betritt im Jahr 1929 das
Schoffengericht
in
Berlin-Mitte
, um hier seine Ausbildung anzutreten. Der fur ihn zustandige
Staatsanwaltsrat
hat gerade die Anklagevertretung in einer Sache ubernommen, die nach seinen Worten, alles andere als schon ist. Er vertritt den
Reichsanwalt
Paul Jorns
als Nebenklager gegen den Herausgeber der Zeitschrift
Das Tage-Buch
, der hier wegen Beleidigung und ubler Nachrede angeklagt ist. In einem Artikel der Zeitschrift wurde die Eignung Jorns fur das Amt des Reichsanwalts angezweifelt, da er als damaliger
Kriegsgerichtsrat
in der
Garde-Kavallerie-Schutzen-Division
im Jahr 1919 bei der Aufklarung der Morde an
Rosa Luxemburg
und
Karl Liebknecht
die Morder begunstigt hat.
Ruckblickend zeigt der Film die Geschehnisse aus dem Jahr 1919. Im Berliner Hotel
Eden
am
Kurfurstendamm
befindet sich das Hauptquartier der Garde-Kavallerie-Schutzen-Division unter dem Kommando von Generalleutnant
Heinrich von Hofmann
. Am 15. Januar 1919 betritt der
Erste Generalstabsoffizier
Waldemar Pabst
dessen Zimmer, um ihm mitzuteilen, dass Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in
Berlin-Wilmersdorf
verhaftet wurden und sich auf dem Weg ins Hotel befinden. Hauptmann Pabst erhalt den Befehl, die Offiziere zu bestimmen, die als Transportfuhrer die Gefangenen in die Gefangnisse bringen sollen, wobei zu verhindern ist, dass diese dort lebend eintreffen. Kapitanleutnant
Horst von Pflugk-Harttung
und Leutnant
Rudolf Liepmann
fahren mit Karl Liebknecht, der durch den
Jager
Otto Runge bereits am Hotelausgang mit einem Gewehrkolben schwer verletzt wird, in den
Tiergarten
, wo Liebknecht angeblich auf der Flucht von Leutnant Liepmann erschossen wird. Oberleutnant
Kurt Vogel
ubernimmt den Transport von Rosa Luxemburg, die ebenfalls von Otto Runge mit dem Gewehrkolben zusammengeschlagen wird. Noch im Auto wird sie aus nachster Nahe erschossen und anschließend in den
Landwehrkanal
geworfen.
In der Gerichtsverhandlung gelingt es, durch die Aussagen von Zeugen, die Schuldhaftigkeit des Reichsanwalts Jorns an der Verhinderung der Aufklarung der Morde an den beiden Kommunisten nachzuweisen. Das beginnt mit der Vernehmung des ehemaligen Kriegsgerichtsrats der Garde-Kavallerie-Schutzen-Division Dr. Kurtzig, der zehn Jahre zuvor in seiner Funktion abgelost und durch Jorns ersetzt wird. Kurtzig sind mehrere Ungereimtheiten bei der Durcharbeitung des Falles aufgefallen, weshalb er gegen den Oberleutnant Vogel und Kapitanleutnant von Pflugk-Harttung Haftbefehle erlasst. Deshalb verliert er die Zustandigkeit fur diesen Fall und Jorns erste Amtshandlung ist die Freilassung der beiden Gefangenen zu veranlassen. Auch die Zeugen Wegmann und Ruch, die ebenfalls im Jahr 1919 vom
Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Berlin
als Beisitzer dem Kriegsgerichtsrat Jorns zugeordnet wurden bestatigen, wie sie bei der Aufklarung des Falles standig von Jorns nur behindert wurden.
Der Referendar Lautenberg bekommt immer mehr Zweifel an der fairen Durchfuhrung der Verhandlung. Dazu tragen auch die Gesprache zwischen Jorns und dem Staatsanwaltsrat bei, denen er zeitweise beiwohnen kann. So vernimmt er auch, auf welchen Wegen der Jager Otto Runge vor den Fangen der Justiz versteckt wird, um fur eventuelle Aussagen nicht zur Verfugung zu stehen. Auf Grund der Initiative Lautenbergs gelingt es aber trotzdem Otto Runge, der jetzt unter einem anderen Namen lebt, aufzufinden und ihn zu einer Zeugenaussage vor dem Gericht zu bewegen. Seine Aussage bestatigt die Vermutung, dass er den Befehl von hoherer Stelle erhalten hat, Liebknecht und Luxemburg mit dem Gewehr ernsthaft zu verletzen und dass es keine Volksmassen gab, die denen die Verletzungen zufugten. Er gibt zu, dass alle seine Angaben bei der Gerichtsverhandlung 1919 diesbezuglich falsch waren. Auch Leutnant Liepmann wird als Zeuge vernommen und bestatigt, dass er Karl Liebknecht auf Befehl erschossen hat.
Der Angeklagte Bornstein von der Zeitschrift
Das Tage-Buch
wird freigesprochen, da die in dem Artikel erwahnten Vorwurfe gegen den Reichsanwalt Jorns keine Beleidigung und uble Nachrede darstellen. Der Referendar Lautenberg wird aus dem Justizdienst entlassen.
Der Rechtsanwalt und Mitautor des Drehbuchs
Friedrich Karl Kaul
wird in dem Film als junger Referendar Lautenberg dargestellt und war in dem geschilderten Fall selbst zugegen.
Der Mord, der nie verjahrt
wurde unter dem Arbeitstitel
Der Fall Jorns
als
Schwarzweißfilm
in
Totalvision
von der Kunstlerischen Arbeitsgruppe ?Babelsberg“ gedreht und hatte seine feierliche Premiere am 11. Januar 1968 im
Berliner
Kino International
. Im
Deutschen Fernsehfunk
wurde der Film am 15. Januar 1969 im 1. Programm gesendet.
Im
Neuen Deutschland
[1]
schrieb Elvira Mollenschott am 13. Januar 1968:
?Die Wahrheit uber die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, wie Paul Levi sie im Verlauf des Prozesses enthullte, das Komplott Noskes und der Militars, ihr Zusammenspiel mit dem Rechtsverdreher Jorns, all das wird anschaulich und einpragsam in einer Fulle von Ruckblenden auf das Tatgeschehen gezeigt. Starker, als hatte man sich nur auf die Wiedergabe der Zeugenaussagen und Pladoyers in einem Prozeßstuck beschrankt, wird die Geschichte selbst lebendig, werden die Vorgange durchschaubar.“
In der
Neuen Zeit
[2]
außert sich H. U. am 14. Januar 1968:
?Die Faktizitat des Dargestellten ist die eine, ihre uberzeugende kunstlerische Umsetzung die andere Sache. Und hier hat der Film denn doch einige Schwachen. Einzelne Verstoße gegen die Logik der Filmdramaturgie und etliche ungeschickte szenische Arrangements sind nicht zu ubersehen; ja, sie bewirken sogar, daß Vorgange von unbezweifelbarer Authentizitat etwas unwahrscheinlich anzumuten beginnen. Dem eminent zeitgeschichtlichen Wert des Films steht nicht immer die entsprechende asthetische Qualitat zur Seite.“
In der
Berliner Zeitung
[3]
bemerkte Gunter Sobe am 16. Januar 1968:
?Im dramaturgischen Aufbau halt sich der Film, der in Totalvision gedreht wurde, recht genau an die bei den Fernseh-Pitaval-Serien erfolgreich geubten Praktiken. Ob das allerdings furs Kino soweit ubernommen werden sollte, daß man sogar die kommentierenden Schlußsatze hier auch anhangt, bleibt fraglich.“
Das
Lexikon des internationalen Films
schreibt, dass es sich um einen gut gespielten, geschichtlich und politisch informativen Film handelt, der seinen Stoff vor allem uber Dialoge transportiert.
[4]
In der
taz. Die Tageszeitung
schrieb Stefan Reinecke 2019
[5]
?Im dem Gerichtsdrama sind Schwarz und Weiß klar erkennbar: Aufrechte Arbeiter tragen Lederjacke, das Herz am rechten Fleck und lesen die Rote Fahne. Die Offiziere sind hinterhaltig und tragen Uniform und Kneifer. (...)
Jorns, Reichswehrgeneral Hoffmann, Pabst sind keine psychologisch durchgearbeiteten Figuren. Sie verkorpern die Reaktion, das Bundnis von Rechtsextremen, Reichswehr und Justiz (...)
Der Rechtsanwalt des Journalisten bleibt indes namen- und gefuhllos. (...)
Den Namen Levi in diesem Prozess zu verschweigen und ihn zur Nebenrolle zu verkleinern, ist zutiefst unehrlich.“
- ↑
Neues Deutschland
vom 13. Januar 1968, S. 10
- ↑
Neue Zeit
vom 14. Januar 1968, S. 5
- ↑
Berliner Zeitung
vom 16. Januar 1968, S. 7
- ↑
Der Mord, der nie verjahrt.
In:
Lexikon des internationalen Films
.
Filmdienst
,
abgerufen am 8. Januar 2019
.
- ↑
Rosa hat nicht in der DDR gewohnt
, in
taz
vom 7. Januar 2019, S. 24
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