Der Konig vom goldenen Berg

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Farbtafel von Arthur Rackham , 1916

Der Konig vom goldenen Berg ist ein Marchen ( ATU 400, 518, 974 ). Es steht in den Kinder- und Hausmarchen der Bruder Grimm an Stelle 92 (KHM 92).

Ein Kaufmann verschreibt versehentlich seinen Sohn einem schwarzen Mannchen. Nach Ablauf der zwolfjahrigen Frist sind sie sich aber uneinig, und der Sohn muss in einem Boot den Fluss hinabfahren. Der Vater halt ihn fur tot. Der Sohn findet ein verwunschenes Schloss. Auf Bitten der Konigstochter, die in eine Schlange verwandelt ist, erlost er das Reich. Dazu lasst er sich in drei Nachten von schwarzen Mannern totprugeln ohne ein Wort zu sagen, und sie erweckt ihn wieder zum Leben. Er heiratet sie und wird Konig. Nach acht Jahren will er seine Familie wiedersehen. Sie mochte das nicht und nimmt ihm das Versprechen ab, sie nicht mit dem Wunschring, den sie ihm gibt, zu seinen Eltern zu wunschen. Er bricht das Versprechen aus Arger, als seine Eltern ihm seine Geschichte nicht glauben. Daruber ist sie so bose, dass sie ihn ohne den Ring allein am Fluss zurucklasst, um sich einen anderen Mann zu nehmen. Auf seinem Weg zuruck zum Schloss begegnet er drei Riesen, denen er einen magischen Mantel, Degen und Schuhe abnimmt. Damit nimmt er sich Frau und Herrschaft zuruck.

Grimms Anmerkung

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Illustration von George Cruikshank , 1876

Grimms Anmerkung notiert zur Herkunft: ?Nach der Erzahlung eines Soldaten.“ In einer Variante ?aus Zwehrn“ (von Dorothea Viehmann ) verschreibt ein Fischer seinen Sohn dem Teufel fur reichen Fischfang, um seine Schulden zu bezahlen. Der Sohn macht auf der Wiese einen Kreis um sich und halt die Bibel fest, bis der Teufel ablassen muss. Er erlost eine Prinzessin in einem Spukhaus, indem er auf Rat eines kopflosen Dieners Qualen von Gespenstern duldet, ohne sich zu furchten (vgl. KHM 4 ). Sie ballen ihn zur Kugel und kegeln damit, doch ein Geist heilt ihn mit Ol. Die dritte Nacht soll er gesotten werden, fallt neben den Kessel, und die Prinzessin ist erlost. Doch als er fort ist, verlobt sie sich mit einem Konigssohn. Er erbeutet unterwegs Siebenmeilenstiefel und Tarnmantel. Damit stellt er sich hinter sie und halt ihre Hand, als sie essen will. ?Wenn man den alten Schlussel wiedergefunden, bedurfe man des neuen nicht“ (vgl. KHM 67 ).

Grimms nennen noch viele Literaturstellen: Erfurter Sammlung ( Wilhelm Christoph Gunther , 1787) das Goldei . Sie verweisen bzgl. der Wundergaben auf ihre Anmerkung zu KHM 133 Die zertanzten Schuhe ; schwedisch bei Cavallius ?S. 182“; Prohle ?Kinderm. Nr. 22“; 1001 Nacht ?10, 302“; indisch bei Somadeva ?1, 19. 20 (vergl. Berlin. Jahrb. fur deutsche Sprache 2, 265)“; arabisch ?in der Fortsetzung der 1001 Nacht 563?624 (s. Val. Schmidts Fortunat S. 174?178)“; norwegisch bei Asbjornsen ?S. 53. 171“, ungarisch bei Mailath und Gaal Nr. 7. Sie heben ein tatarisches Marchen aus Relations of Ssidi Kur hervor: Der Sohn des Chans reist mit seinem Diener, er erbeutet eine Kappe, die einen vor Menschen, Gott und bosen Geistern verbirgt und Siebenmeilenstiefel. Sie vergleichen ausfuhrlich die Nibelungensage (siehe auch KHM 91 , 166 ). Zum Jephtha -Motiv des verschriebenen Kindes nennen sie KHM 55 Rumpelstilzchen , zu den drei Qualnachten zur Uberwindung der Gespenster ?altdan. Lieder S. 508“.

Illustration von Otto Ubbelohde , 1909
Illustration von Otto Ubbelohde , 1909

Die Handlung blieb von der ersten bis zur letzten Auflage gleich, bei Glattung einzelner sprachlicher Details. Ab der 2. Auflage wird der neugeborene Prinz nur als Knabe bezeichnet, entsprechend der allgemeinen Vermeidung solcher Fremdworter in Grimms Marchen. Erganzt wird, dass der Held die aufgebrachte Frau zu besanftigen versucht. Die 3. Auflage glattet einige etwas unklare Formulierungen: Der Kaufmann geht ?hinaus auf den Acker“ (statt ?dahinaus“), hat nicht ?gewußt was er versprache“ (statt ?ohne daß er es gewußt“). Es entfallt das Wortspiel, wonach der Wunsch vor die Stadt ?auch davor, aber nicht darin“ endet, der Held ist einfach ?dort, und wollte in die Stadt“. Die Konigin nimmt ?ihr Kind“ (statt ?ihren Prinzen“). Die zur Schlussszene schlecht passende Beschreibung, der Unsichtbare werde ?zur Fliege“, wird vermieden. Die Gaste sind ?zugegen“ (statt ?da“). Ab der 4. Auflage wollen die Gaste den Helden nicht nur fangen, sie schlagen auch auf ihn los. Nur in der 5. Auflage halt der eben versprochene Sohn sich an ?Beinen“ (statt ?Banken“). Die 6. Auflage schildert etwas lebendiger, das Wasser des Lebens ist in einer Flasche, die Listige nimmt den Ring, ehe sie den Fuß wegzieht. Der mit den Zauberdingen bewaffnete denkt an Frau und Kind (was wohl den Diebstahl entschuldigt). Zuletzt rollen die Kopfe, doch entfiel, dass ?alles gleich im Blut darnieder“ liegt. Die Gewaltdarstellung wird also gemildert. Es blieb die Zauberformel ?Kopf alle runter, nur meiner nicht“, in ihrer Drastik betont durch Senkung des Sprachniveaus (vgl. etwa KHM 126 ).

Schon die 1. Auflage enthielt Redewendungen wie ?sich etwas aus den Gedanken schlagen“, ?sich etwas zu Herzen nehmen“, ?er ließ Gott einen guten Mann sein“, ?kleine Menschen hatten einen klugen Sinn“, erst zur 6. Auflage muss Geld in ?Kisten und Kasten“ (vgl. KHM 31 , 181 ), ?er war wieder guter Dinge“ (vgl. KHM 20 , 36 , 54 , 60 , 101 , 177 ). [1]

Das Zaubermarchen ahnelt strukturell dem italienischen Gedicht Historia de Liombruno , Ende 15. Jahrhundert. [2]

Laut Christoph Schmitt zeigt militarisches Erzahlmilieu sich auch in Betonung der Qualnachte gegenuber der Geduldsprobe der Suchwanderung. Der Konig vom goldenen Berge ist seit H. Holmstroms Abhandlung von 1919 Leitfassung des 1. Subtyp zu AaTh 400, der außerhalb Europas keine Rolle spielt. [3]

Vgl. Des Teufels Pate in Ludwig Bechsteins Deutsches Marchenbuch von 1845; Die Rauberhohle im Walde , Die eisernen Stiefel , zum Jephtha-Motiv auch Das graue Mannchen in Johann Wilhelm Wolfs Deutsche Hausmarchen ; Ulrich Jahns Volksmarchen aus Pommern und Rugen Nr. 54 Die Maranen , Nr. 55 Die Konigin von Tiefenthal , Nr. 56 Die Konigin von Siebenburgen .

Illustration von Otto Ubbelohde , 1909

Es ist typisch fur ein Marchen, dass ein oft einfacher, aber ehrlicher und unerschrockener Mann auszieht und eine Konigstochter gewinnt, indem er eine Art Prufung besteht. Dabei rettet ihn das Gluck immer wieder, wenn er in Schwierigkeiten gerat. Eigene Fehler, das Verwenden des Wunschrings, den Diebstahl der Wundergaben, begeht er eher zufallig und unabsichtlich. Seine Eltern sind einfaltiger, und der Held muss seinem Vater Mut machen und mit dem Bosen streiten, dass er seinen Vater betrogen habe. Sie geben einem armen Schafer Obdach, aber glauben ihm seiner einfachen Kleidung wegen nicht. Die Frau ist offenbar eine Hexerin , worauf schon ihre Schlangengestalt hinweist (vgl. KHM 16 ). Sie besitzt magische Gegenstande wie das Wasser des Lebens und den Wunschring. Sie ahnt die Zukunft, als ihr Mann die Eltern besucht, und ist hinterlistig, als sie ihm zum Schein verzeiht, um sich dann zu rachen.

Der Eingangskonflikt ? das Kind kann noch nicht gehen, das Geld ist ?zu Grunde gegangen“ ? ist ahnlich geschildert wie spater in KHM 181 Die Nixe im Teich ( Jephtha -Motiv, vgl. KHM 3 , 12 , 31 , 55 , 88 , 108 , 181 ). Wie das Geld soll der Sohn im Wasser versinken, aber wird mit Wasser des Lebens geheilt. Die Verwunschte wartete zwolf Jahre, also seit dem Teufelspakt. Der reuige Vater ?schwieg still“ vor dem schwarzen Mannchen wie der Sohn bei den zwolf schwarzen Mannern. Der Vater eingangs nimmt sich den Verlust ?zu Herzen“, dem Sohn wird das Herz bewegt, als ihm der Vater schließlich einfallt, der erkennt ihn nicht, weil er arm ist. Auch die Riesen teilen ihres Vaters Erbe. Der Held ?gab kurze Worte“ und kopft die Eindringlinge (ATU 974 Heimkehr des Gatten ), wie die Teufel vorher ihn.

Hedwig von Beit deutet tiefenpsychologisch das schwarze Mannchen als Schatten des Unbewussten, das dem einseitig materiell orientierten Bewusstsein (Kaufmann) Energie entzieht. Das Kind, das mit einem Tier verwechselt wird, uberschreitet den Fluss als Grenze zwischen den Welten, auch veranschaulicht in dem umschlagenden Boot, unter dem es nicht ertrinkt. Stadt, Schloss und Schlange sind die Anima (weiblicher Wesenskern), deren Verwunschenheit offenbar dem Lebensalter des Helden entspricht. Sie will das Leben (Lebenswasser), doch wird sie gewaltsam ins Bewusstsein gezerrt, zeigt sie ihr boses Gesicht. Es bleibt nur eine leere, erdverbundene Hulle (Schuh, vgl. KHM 133 ). Die drei Qualnachte (s. a. KHM 93 , 113 , 121 ), die an antike Mysterienkulte oder Schamanenweihe erinnern, wiederholen sich in den drei Riesen, die der Held inzwischen uberlisten kann (vgl. KHM 93 , 193 , 197 ), doch der Konflikt zwischen einseitigen Akteuren ist nicht auflosbar. [4] Auch fur Edzard Storck lasst hier die Seele sich vom Geist der Rachsucht bestimmen, uber dem Heimweh nach dem irdischen Vater wird die Welt des geistigen Vaters vergessen. [5]

Walter Scherf sieht einen Ablosekonflikt: Dem Vater ist Geld wichtiger als der Sohn, er muss ihn aussetzen, der glaubt sich unabhangig, sucht spater aber doch die sinnlose Auseinandersetzung mit ihm. Misstrauisch und unversohnlich fahrt Grimms Erzahler fort. Scherf vergleicht Johann Wilhelm Wolfs Die eisernen Stiefel und Ulrich Jahns Die Maranen . [6] Bei allen europaischen Fassungen schimmere die Betonung einer anderen Welt durch. Vgl. Die Rauberhohle im Walde , Die eisernen Stiefel , zum Jephtha-Motiv auch Das graue Mannchen in Johann Wilhelm Wolfs Deutsche Hausmarchen , Ulrich Jahns Volksmarchen aus Pommern und Rugen Nr. 54 Die Maranen , Nr. 55 Die Konigin von Tiefenthal , Nr. 56 Die Konigin von Siebenburgen .

  • Jacob Grimm , Wilhelm Grimm : Kinder- und Hausmarchen. Vollstandige Ausgabe . Mit 184 Illustrationen zeitgenossischer Kunstler und einem Nachwort von Heinz Rolleke. 19. Auflage. Artemis & Winkler, Dusseldorf / Zurich 2002, ISBN 3-538-06943-3 , S.   464?470 .
  • Jacob Grimm , Wilhelm Grimm : Kinder- und Hausmarchen. Mit einem Anhang samtlicher, nicht in allen Auflagen veroffentlichter Marchen und Herkunftsnachweisen . Hrsg.: Henz Rolleke . 1. Auflage. Band   3 : Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort . Reclam, Stuttgart 1980, ISBN 3-15-003193-1 , S.   178?181, 482 .
  • Hans-Jorg Uther : Handbuch zu den ?Kinder- und Hausmarchen“ der Bruder Grimm. Entstehung, Wirkung, Interpretation . De Gruyter, Berlin / New York 2008, ISBN 978-3-11-019441-8 , S.   211?213 .
  • Walter Scherf: Das Marchenlexikon. Band 1. C. H. Beck, Munchen 1995, ISBN 3-406-39911-8 , S. 710?717.
  • Hedwig von Beit: Symbolik des Marchens. Bern, 1952. S. 387?402. (A. Francke AG, Verlag)

Einzelnachweise

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  1. Lothar Bluhm und Heinz Rolleke: ?Redensarten des Volks, auf die ich immer horche“. Marchen - Sprichwort - Redensart. Zur volkspoetischen Ausgestaltung der Kinder- und Hausmarchen durch die Bruder Grimm. Neue Ausgabe. S. Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig 1997, ISBN 3-7776-0733-9 , S. 109?110.
  2. Hans-Jorg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmarchen der Bruder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8 , S. 211?213.
  3. Christoph Schmitt: Mann auf der Suche nach der verlorenen Frau. In: Enzyklopadie des Marchens. Band 9. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1999, ISBN 3-11-015453-6 , S. 195?210.
  4. von Beit, Hedwig: Symbolik des Marchens. Bern, 1952. S. 387?402. (A. Francke AG, Verlag)
  5. Edzard Storck: Alte und neue Schopfung in den Marchen der Bruder Grimm. Turm Verlag, Bietigheim 1977, ISBN 3-7999-0177-9 , S. 189, 378.
  6. Walter Scherf: Das Marchenlexikon. Band 1. C. H. Beck, Munchen 1995, ISBN 3-406-39911-8 , S. 710?717.