Gaius Messius Quintus Traianus Decius
(* ca.
190
oder
200
/
201
in Budalia bei
Sirmium
, heute Sremska Mitrovica, in der
romischen Provinz
Pannonia inferior
; † 1. Halfte Juni
251
bei
Abrittus
, heute
Rasgrad
in Bulgarien) war Kaiser des
Romischen Reichs
von 249 bis 251, der erste in einer langeren Reihe fahiger Manner aus den
illyrischen Provinzen
. Allerdings war Decius im Gegensatz zu den meisten spateren ?
illyrischen Kaisern
“ bereits der Aufstieg in den
Senat
gelungen; seine Familie zahlte offenbar zur
Reichsaristokratie
und er stammte damit anders als viele spatere Herrscher nicht aus einfachen Verhaltnissen.
Das Geburtsdatum von Decius ist, wie auch bei vielen anderen
Soldatenkaisern
des 3. Jahrhunderts, unbekannt. Meist wird 200 oder 201 als Geburtsjahr angegeben. Allerdings soll er laut
Johannes Malalas
zum Zeitpunkt seines Todes (251) etwa 60 Jahre alt gewesen sein, wonach ein Geburtsjahr um 190 anzunehmen ware. Decius’ Familie war wahrscheinlich im Laufe des 2. Jahrhunderts der Aufstieg in die
Nobilitat
gelungen.
232 hatte Decius unter Kaiser
Severus Alexander
mit dem
Konsulat
, wenngleich lediglich als
Suffektkonsul
, das hochste senatorische Amt bekleidet. Anschließend amtierte er als Statthalter in den Provinzen
Germania inferior
(Niedergermanien),
Moesia
(Mosien) und
Hispania citerior
(
Tarragonensien
). Wahrend des
Sechskaiserjahrs
238 scheint er loyal zu
Maximinus Thrax
gestanden, dessen Sturz jedoch unbeschadet uberstanden zu haben. Zu einem unbekannten Zeitpunkt war er uberdies in der besonders prestigetrachtigen Stellung eines
praefectus urbi
von Rom. Um 246 wurde Decius von Kaiser
Philippus Arabs
als
Dux
mit einem wichtigen Kommando an der
Donau
betraut. Nachdem er im Herbst 248 den Befehl erhalten hatte, eine Militarrevolte unter
Pacatianus
in
Moesia
und
Pannonia
niederzuschlagen, wurde er 249 (oder schon gegen Ende 248) von seinen Soldaten angeblich gedrangt, den Kaisertitel anzunehmen. Wahrscheinlich wurde Decius aus eigener Initiative zum
Usurpator
: Er wies zwar weiterhin ostentativ auf seine Loyalitat zu Philippus hin, marschierte jedoch zugleich entschlossen mit seinen Truppen, dadurch die
Donaugrenze
entbloßend, nach Italien. Als der Kaiser schließlich gegen Decius vorging, wurde er von jenem im Herbst 249 in der Nahe von
Verona
in einer ausgesprochen blutigen Schlacht geschlagen. Philippus fand den Tod und verfiel der
damnatio memoriae
. Nach seiner nunmehr offiziellen Ernennung zum Kaiser durch den Senat erhob Decius seine Frau
Herennia Cupressenia Etruscilla
zur
Augusta
(Kaiserin).
Wahrend seiner kurzen Regierungszeit war Decius vor allem mit wichtigen Militaroperationen gegen die
Goten
beschaftigt, die die Donaugrenze seit einiger Zeit bedrangten (siehe auch
Reichskrise des 3. Jahrhunderts
). Diese hatten nach dem Abzug der Truppen 249 die Donau uberquert und die Provinzen
Moesia
und
Thracia
(Thrakien) uberrannt. Genauere Einzelheiten sind unbekannt;
Jordanes
spricht von 70.000 Angreifern, doch ist dies wahrscheinlich viel zu hoch gegriffen. Doch selbst der Anteil, den Decius und sein Sohn
Herennius Etruscus
am folgenden Feldzug hatten, ist ungeklart, denn die Quellenlage zu Decius’ Regentschaft ist ? wie bei den meisten anderen
Soldatenkaisern
auch ? sehr schlecht.
Decius sammelte ein Heer und zog zusammen mit seinem Sohn und
Mitkaiser
Herennius personlich gegen die Feinde (sein jungerer Sohn
Hostilian
blieb in Rom). Die Goten wurden von Decius offenbar bei der Belagerung von
Nikopolis
an der Donau uberrascht. Bei seiner Annaherung uberquerten sie das Balkangebirge und griffen
Philippopolis
an. Decius folgte ihnen, aber eine schwere Niederlage bei
Beroe
, dem heutigen
Stara Sagora
, machte es ihm unmoglich, Philippopolis zu retten, das in die Hand der Goten fiel, die die Stadt mit verheerender Grausamkeit behandelten. Ihr Kommandeur
Priscus
erklarte sich selbst zum Kaiser unter gotischem Schutz. Ein neuer Pergamentfund (aus den sogenannten
Scythica Vindobonensia
und wohl aus dem Werk des
Dexippos
stammend) offenbart auch den Anfuhrer dieser Goten, einen gotischen Heerfuhrer namens
Ostrogotha
.
Die Belagerung von Philippopolis hatte Anzahl und Krafte der Goten aber dermaßen erschopft, dass sie anboten, ihre Beute und ihre Gefangenen unter der Bedingung freien Abzugs auszuliefern. Aber Decius war es endlich gelungen, sie einzukesseln, und nun hoffte er, ihren Ruckzug abzuschneiden und einen entscheidenden Sieg zu erringen. Er weigerte sich zu verhandeln. Das letzte Gefecht, in dem die Goten mit dem Mut der Verzweiflung kampften, fand auf dem sumpfigen Boden der Dobrudscha bei
Abrit(t)us
(
Schlacht von Abrittus
) oder
Forum Trebonii
statt.
Jordanes
(6. Jahrhundert) berichtet in seiner
Gotengeschichte
,
dass Decius’ Sohn Herennius schon zu Beginn der Schlacht von einem Pfeil getotet wurde, und der Kaiser daraufhin ausrief:
- ?Lasst uns niemanden betrauern; der Tod eines Soldaten ist kein großer Verlust fur den Staat.“ (Jordanes,
Getica
18,101)
Vermutlich ist diese Episode unhistorisch. Die romische Armee wurde jedenfalls in dieser Schlacht aufgrund taktischer Fehler vernichtet und Decius erschlagen. Nachdem die Nachricht vom Untergang der beiden Kaiser im Juni des Jahres 251 die Hauptstadt erreicht hatte, wurden Vater und Sohn auf Beschluss des Senates zunachst dennoch unter die Gotter erhoben (
Divus
), nachdem Decius’ jungerer Sohn Hostilian zum
Augustus
erhoben worden war. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass das Andenken an Decius bereits wenig spater, nach dem fruhen Tod Hostilians im November desselben Jahres (251), wie bei seinem Vorganger Philippus einer
damnatio memoriae
verfiel, vielleicht, weil man ihn fur die militarische Katastrophe verantwortlich machte.
Decius war militarisch anfangs erfolgreich und galt als ein fahiger und erfahrener Verwalter.
Entweder als Zugestandnis an den Senat oder vielleicht mit dem Hintergedanken, die offentliche Moral zu verbessern, bemuhte Decius sich angeblich, das Amt und die Autoritat des
Zensors
wiederzubeleben. Die Wahl wurde dem
Senat
uberlassen, der einstimmig
Valerian
, den spateren Kaiser, bestimmt haben soll. Aber Valerian, der genau wusste, welche Gefahren und Schwierigkeiten in dieser Zeit mit diesem Amt verbunden waren, lehnte die Verantwortung ab. Die Invasion der Goten und der Tod des Decius machten dem Versuch, der uberhaupt nur von der hochst unzuverlassigen
Historia Augusta
erwahnt wird, ein Ende.
Decius erließ Anfang des Jahres 250 ein allgemeines Opfergebot, das vielleicht die Wiederherstellung der ?Sitte der Vorfahren“ (des
mos maiorum
) und damit der
altromischen Religion
zum Ziel hatte, vielleicht auch als Loyalitatsbekundung fur den neuen Kaiser nach dem Ende des blutigen Burgerkrieges dienen sollte. Jeder Einwohner des
Imperium Romanum
musste vor einer Kommission erscheinen, um zu opfern. Uber das vollzogene Opfer wurde eine Bescheinigung
(libellus)
ausgestellt.
Wer sich weigerte, dem Kaiser und den romischen Gottern zu opfern, konnte als Staatsfeind verhaftet und gefoltert, zu Zwangsarbeit, Vermogensentzug, Verbannung oder zum Tode verurteilt werden. ?Mit etwas Geschick ließen sich [diese ≫libelli≪ aber auch] erschleichen, […] ohne selbst geopfert zu haben. Das waren dann in der Kirchensprache die sog. libellatici.“
[1]
Nur den Juden wurde aufgrund alter Privilegien erlaubt, stattdessen
fur
Kaiser und Reich zu beten.
Fur die
Christen
war ein solches Opfern allerdings problematisch, da sie nur den hochsten Gott verehren wollten. Dem Kaiser dienten sie loyal, viele als christliche Soldaten. Es kam bald zu einer allgemeinen und teils sehr blutigen
Christenverfolgung
, bei der auch der griechische Gelehrte
Origenes
gefoltert und der romische Bischof
Fabianus
hingerichtet wurden (um 250 soll auch
Minias von Florenz
getotet worden sein). Christen, die sich bereit zeigten, dem Kaiser zu opfern, wurden dagegen verschont. Die große Zahl dieser ?Gefallenen“
(lapsi)
fuhrte nach dem Ende der Verfolgung zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinden (siehe auch
Ketzertaufstreit
).
Uber die Verfolgung in Agypten sind wir durch einen Brief von Bischof
Dionysius von Alexandria
informiert, uber die Verfolgung in Karthago durch Schriften von Bischof
Cyprian
.
[2]
- Gustav Schoenaich:
Die Libelli und ihre Bedeutung fur die Christenverfolgung des Kaisers Decius.
Breslau 1910. (
Digitalisat
)
- Augustinus Bludau:
Die agyptischen Libelli und die Christenverfolgung des Kaisers Decius.
Herder, Freiburg i.Br. 1931.
- H. A. Pohlsander:
The Religious Policy of Decius.
In:
Aufstieg und Niedergang der romischen Welt
. Teil 2:
Principat
. Band 16:
Religion
. Teilband 3:
Heidentum: romische Religion, Allgemeines
. de Gruyter, Berlin/New York 1986, S. 1826?1842.
- Anthony R. Birley
:
Decius Reconsidered.
In: E. Frezouls, H. Jouffroy (Hrsg.):
Les empereurs illyriens. Actes du colloque de Strasbourg (11?13 octobre 1990) organise par le Centre de Recherche sur l’Europe centrale et sud-orientale.
Straßburg 1998, S. 57?78.
- J. B. Rives:
The Decree of Decius and the Religion of Empire.
In:
The Journal of Roman Studies
89, 1999, S. 135?154.
- Bruno Bleckmann:
Zu den Motiven der Christenverfolgung des Decius.
In:
Klaus-Peter Johne
u. a. (Hrsg.):
Deleto paene imperio Romano.
Stuttgart 2006, S. 57?71.
- Walter Eder
:
Decius.
In:
Manfred Clauss
(Hrsg.):
Die romischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian.
4., aktualisierte Auflage. Beck, Munchen 2010,
ISBN 978-3-406-60911-4
, S. 216?222.
- ↑
Alfred Heuß
:
Romische Geschichte.
Westermann Verlag, Braunschweig 1960, S. 421.
- ↑
Wolfram Kinzig
:
Christenverfolgung in der Antike.
C.H.Beck, Munchen 2019, S. 69?72.