Daniel Nettelbladt
, auch
Nettelblatt
(*
14. Januar
1719
in
Rostock
; †
4. September
1791
in
Halle (Saale)
) war ein deutscher
Jurist
. Er gehorte zu den bedeutendsten Rechtsgelehrten in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts. Nettelbladt war seit 1765
koniglich preußischer
Geheimrat
und ab 1775
Primarius
und
Prases
der juristischen Fakultat der
Universitat Halle
.
Initia historiae litterariae iuridicae universalis
, 1764
Die Familie Nettelbladt war bereits uber mehrere Generationen im
Stadtrat
von Rostock vertreten. Sein Vater Heinrich Nettelbladt (* 1664; † 1735) war ein wohlhabender Rostocker
Kaufmann
und
Senator
. Er heiratete 1714 in zweiter Ehe die Tochter des mecklenburgischen
Kammerrates
Dorcksen. Das Paar hatte die beiden Sohne Heinrich und Daniel.
Heinrich Nettelbladt
(1715?1761), Daniels alterer Bruder, starb 1761 als
Burgermeister
von Rostock.
Daniel Nettelbladt heiratete 1746 Wilhelmine Johanna Soden († 1787), die Tochter eines Regimentschirurgen. Das Paar hatte zwei Sohne und zwei Tochter. Beide Sohne starben bereits fruh. Die Tochter Christiane Wilhelmine heiratete den Kriegs- und Domanenrat und Ratsmeister Lichotius und ihre Schwester Auguste Henriette den Hauptmann von Deutecom. Auch die beiden Tochter starben noch vor ihren Eltern.
1733, mit 14 Jahren, wurde er als akademischer Burger an der
Universitat Rostock
immatrikuliert.
[1]
Er wahlte auf ausdrucklichen Wunsch seines Vaters
Theologie
als Fachstudium. Wahrend seines Studiums lernte er die philosophischen und juristischen Werke von
Christian Wolff
und
Johann Ulrich von Cramer
kennen, die ihn stark beeinflussten. 1735, nach dem Tod seines Vaters, wechselte er das Studienfach und studierte nun Rechtswissenschaften. Im Nachlass seines Vaters fand er einen Briefwechsel mit Wolff, der seinem Vater versprach, wahrend des Studiums seiner Sohne fur sie zu sorgen. Die Nettelbladts waren mit Wolff entfernt verschwagert.
1739 verließ Nettelbladt seine Heimatstadt und die Hochschule. Er ubernahm in
Schwerin
die wissenschaftliche Ausbildung von zwei mecklenburgischen Adligen.
Ostern 1740 ging er nach
Marburg
und traf dort zum ersten Mal personlich Christian Wolff und Johann Ulrich Cramer, die als Professoren an der
Marburger Universitat
lehrten. Zu beiden fand Nettelbladt ein tiefes personliches Verhaltnis. In Marburg horte er Vorlesungen von Cramer uber Rechtsgeschichte, Staats- und Lehnsrecht und bei Wolff philosophische und mathematische Vortrage. Er kam dabei mit der logisch-mathematischen Deduktionstechnik Wolffs zur Herleitung konkreter Regeln aus allgemeinen Lehrsatzen in Beruhrung. Diese sollte er spater im rechtswissenschaftlichen Bereich in eine Umkehranalyse fuhren, bei der einzelne
naturrechtliche
Rechtssatze aus der Masse der konkreten Regelungen in hochstmogliche Abstraktion gefuhrt wurden.
[2]
Methodisch wurde er damit erheblichen Einfluss auf die deutsche Privatrechtstheorie nehmen und den
Pandektismus
.
[3]
1741 ging er zu Wolff nach Halle, der 1740 eine Berufung an die Hallesche Universitat erhalten hatte. Dort wohnte er bei Wolff und konnte seine juristischen Studien fortsetzen. Am 17. Marz 1744 verteidigte Nettelbladt seine
Inauguraldissertation
unter dem Regierungskanzler
Justus Henning Bohmer
und wurde zum
Doktor beider Rechte
promoviert
.
Sofort begann Nettelbladt selbst Vorlesungen zu halten, die großen Zulauf fanden. Er verfasste erste wissenschaftliche Werke, so unter anderem 1745 ein ?Systema elementare universae Hurisprudentiae positivae Imperii Romani communis“ und ein ?Systema universae jurisprudentiae naturalis“. Durch seine Vortrage und wissenschaftlichen Arbeiten wurde Nettelbladt uberregional bekannt und erhielt zahlreiche Angebote, die er aber auf Wolffs Rat ablehnte. 1746 wurde Nettelbladt
Ordentlicher Professor
der Rechte an der Halleschen Universitat mit dem Titel eines
Hofrates
, allerdings ohne Gehalt. Ende des Jahres 1748 erhielt er einen Ruf als Professor nach
Kopenhagen
mit einem Jahresgehalt von 1000
Reichstalern
. Er reiste nach
Berlin
, um seine Entlassung aus preußischen Staatsdiensten zu erwirken, die aber vom Universitatsoberkuratorium verboten wurde. Nettelbladt erhielt aber daraufhin eine Besoldung von 500 Talern, die 1750 erhoht wurde. 1754 erlangte er die dritte, 1763 die zweite Stelle als Professor der Rechtswissenschaft der Halleschen Universitat und 1765 den
Charakter
eines koniglich preußischen Geheimen Rates. Am 21. Oktober 1775 trat er als Primarius und Prases an die Spitze der Hallenser Juristischen Fakultat und fuhrte zugleich den Titel eines Direktors der Hochschule und wurde auch kurze Zeit spater Senior der Universitat.
Wahrend des Semesters hielt Nettelbladt taglich funf bis sechs Vorlesungen, die nach einem genau entworfenen Plan das gesamte damalige Rechtsgebiet umfasste. Dazu gehorte Zivil-, Straf-, Prozess- und Kirchenrecht, offentliches Recht sowie Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte. Schon fruhzeitig machte sich bei ihm eine Gedachtnisschwache bemerkbar, die ihn zwang, sich auf jede einzelne Vorlesung vorzubereiten. Zu seinen Schulern gehorten unter anderem die spateren Verfasser des
Allgemeinen Landrechts fur die preußischen Staaten
(1794)
Carl Gottlieb Svarez
,
Johann Heinrich von Carmer
und
Ernst Ferdinand Klein
.
Nettelbladt fand den Weg in die
Freimaurerei
als Mitglied der von
Samuel von Brukenthal
gegrundeten
Loge
Zu den drei goldenen Schlusseln
in
Halle
. Am 13. August 1744 wurde er dort als Lehrling aufgenommen, am 2. September zum Gesellen befordert und am 20. Dezember zum Meister erhoben. Ab 12. Februar 1745 war er ?Redner“ der Loge; am 5. Marz 1745 wurde er zum ?Deputierten Meister“ (stellvertretenden Vorsitzenden) gewahlt. Spater war er Mitglied in der Hallenser Loge
Zu den drei Degen
.
[4]
Von ihm (und anderen) ist eine programmatische Rede zur Freimaurerei uberliefert.
[5]
Er starb mit 72 Jahren in Halle und wurde unter großer Anteilnahme der Universitat und Burgerschaft am 7. September 1791 auf dem Halleschen
Stadtgottesacker
bestattet. Sein Grab befindet sich im Gruftbogen 22.
- Systema elementare Jurisprudentiae naturalis
, 1749
- Historie der demonstrativischen Rechtsgelehrtheit, von ihrem Anfang bis auf das Jahr 1745
, 1754
- Initia historiae litterariae iuridicae universalis
. Johann Gottfried Renger, Halle 1764 (Latein,
beic.it
).
- Johann August Ritter von Eisenhart
:
Nettelblatt, Daniel
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 460?466.
- Hedda Hoffmann-Steudner:
Daniel Nettelbladt (1719?1791) als Zivilrechtler.
Lit, Berlin / Munster 2006;
ISBN 978-3-8258-8776-6
- Tilman Repgen
:
Nettelbladt, Daniel.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999,
ISBN 3-428-00200-8
, S. 85 f. (
Digitalisat
).
- Bernhard Weißenborn (Bearb.):
Rundes Chronik der Stadt Halle 1750?1835.
Gebauer-Schwetschke, Halle 1933; Seite 505?506.
- ↑
Eintrag
im
Rostocker Matrikelportal
- ↑
Paul Koschaker
:
Europa und das romische Recht
. 4. Auflage. Beck, Munchen 1966,
DNB
457278439
. S. 250 f.
- ↑
Franz Wieacker
:
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit unter besonderer Berucksichtigung der deutschen Entwicklung.
Vandenhoeck u. Ruprecht, Gottingen 2. Auflage 1967, S. 321.
- ↑
Friedrich August Eckstein
:
Geschichte der Freimaurer-Loge im Orient von Halle. Eine Festgabe zur Secularfeier der Loge zu den drei Degen
. Gebauersche Buchdruckerei, Halle 1844 (
Belegseiten im Digitalisat
)
- ↑
Daß der Entschluß ein Freymaurer zu werden vernunftig und weise seyn konne, ward in einer Rede erwiesen, welche im Jahre 1745 am Johannisfeste in der rechten und vollkommenen Versammlung zu den drey guldenen Schlusseln in Halle gehalten worden.
Halle 1745 (
Digitalisat
(
Memento
des
Originals
vom 14. April 2017 im
Internet Archive
)
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@2
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