Das
Großherzogliche Criminal-Collegium zu Butzow
war ein Untersuchungsgericht und Untersuchungsgefangnis des
Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin
in
Butzow
.
Die Errichtung eines Criminal-Collegiums in
Mecklenburg
geht bis auf die zweite Halfte des
18. Jahrhunderts
zuruck. Die politische und okonomische Situation im Mecklenburg der damaligen Zeit war gekennzeichnet durch Kriege, innere Unruhen, militarische Durchmarsche, Auseinandersetzungen zwischen den Standen und dem Landesfursten sowie durch verstarkte Ausbeutung der landlichen wie stadtischen mittleren und unteren Schichten, dieses fuhrte zu wachsenden Aufruhren, Sittenverfall und Verbrechertum. Ohne volle Zustimmung der Stande ließ der
Herzog Friedrich Franz
ein Criminal-Collegium bilden, dem man u. a. die Kompetenz fur Mord, Raub, Mordbrand, bewaffneten Einbruch, Bandendiebstahl und Pferdediebstahl zubilligte. Von der mecklenburgischen Regierung wurde der Butzower
Geheimrat
Claus Detlov
von Oertzen
am 11. Juli 1812 mit der Ausarbeitung eines Planes und eines Kostenvoranschlages uber die Einrichtung des
Butzower Schlosses
als Gebaude fur das Criminal-Collegium beauftragt. Am 12. Oktober 1812 wurde das Collegium durch von Oertzen ins Leben gerufen.
Erste Aufgabe des Collegiums war die Untersuchung der Bandenkriminalitat infolge der Kriegswirren durch die
Befreiungskriege
und die
Franzosenzeit
. Das Collegium bestand anfangs aus drei
Kriminalraten
, drei
Beisitzern
, einem
Aktuar
und einem
Registrator
. Auf Drangen der Stande erfolgte eine Erweiterung seiner Kompetenz am 3. November 1813. Die Untersuchungen wurden bis zur
Spruchreife
gefuhrt, das Urteil vom
Hof- und Landgericht
eingeholt und den Angeklagten vom Criminal-Collegium verkundet.
[1]
Bei der Umgestaltung des alten
Bischofsschlosses
von August 1812 bis Juni 1814 zum Untersuchungsgefangnis baute man 20 enge, halbdunkle Zellen. Spater vergroßerte man sie und belegte sie mit mehr Gefangenen. In zwei saalartigen Zimmern wurden Frauen untergebracht, darunter Beschuldigte der Brandstiftung, des Kindermordes, des Diebstahls, Zuhalterinnen, Kupplerinnen oder Giftmischerinnen.
Eine Verteidigungsschrift war innerhalb von 4?8 Wochen fertigzustellen. Oft jedoch vergingen Jahre von der Einleitung der Untersuchung bis hin zur Strafvollstreckung. So saß der Gefangene in seinem Gefangnis. Nur ganz selten gestattete man einem Gefangenen, sich an der frischen Luft unter Aufsicht zu bewegen. Beschaftigt wurden die Gefangenen auch nicht, nur den Frauen gestattete man, Flachs und Wolle zu spinnen. In der Mitte der 1830er Jahre wurde neben dem Schloss ein Gefangenenhaus gebaut und am 12. Mai 1835 ubergeben. Man legte neben dem Gebaude einen Freistundenhof fur den
Hofgang
der Gefangenen an. Im Jahre 1847 wurde an diesem Gebaude noch ein Flugel zu einer U-Form angebaut.
Dieser Gebaudekomplex wurde durch die Auflosung des Criminal-Collegium 1879 zu dem
Centralgefangnis
zu Butzow.
[1]
[2]
Am 30. September 1815 lag der Entwurf einer Criminal-Gerichts-Ordnung vor. Der Entwurf der Geschafts- und Gerichtsordnung wurde dem Criminal-Collegium am 27. September 1816 zur Stellungnahme zugeleitet und am 31. Januar 1817 rechtskraftig veroffentlicht.
[3]
Eine weitere Gerichtsordnung folgte am 12. Januar 1838. Nunmehr war das Collegium eine standige, feste Behorde und fur fast alle Verbrechen zustandig, aber die Stande hatten verhindert, dass der Großherzog allein die Beamten ernannte, dass das Collegium eine Spruchbehorde wurde und den Status eines Obergerichtes hatte. Zum Obergericht fur das Collegium wurde das Hof- und Landgericht, zur Spruchbehorde die Justizkanzleien in
Rostock
und in
Schwerin
sowie die Juristen- fakultat der
Universitat in Rostock
ernannt. Ab 1818 unterstand das Criminal-Collegium dem
Oberappellationsgericht
in
Parchim
(spater wechselte der Standort des Gerichtes nach Rostock)
. Nach einer Urteilssprechung wurden die Gefangenen bis zum Zuchthaus nach
Domitz
gebracht. Ab 1835 durch den Neubau der
Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen Landesstrafanstalt zu Butzow-Dreibergen
verblieben die Verurteilten dann in Butzow.
Nach jahrelangem behordlichen Streit uber die Befugnisse des Collegiums schrankte man mit der Kompetenzordnung vom 12. Januar 1838 dessen Untersuchungsbefugnis ein, wozu maßgeblich der hohe Kostenaufwand beigetragen hatte. So hatten sich die Unterhaltungskosten von 17.989
Talern
im Jahre 1827 auf 40.000 Taler im Jahr 1838 erhoht.
Bereits Ende des Jahres 1841 gab es Gesprache um die Auflosung des Criminal-Collegium in Butzow. 1871 trat in Mecklenburg das
Reichsstrafgesetzbuch
in Kraft.
Am 30. September 1879, im Zuge der Neuordnung der Justiz im Großherzogtum aufgrund der
Reichsjustizgesetze
, erfolgte die Auflosung des Criminal-Collegiums zu Butzow.
[1]
[4]
In Butzow entstand das
Amtsgericht Butzow
, dass dem
Landgericht Gustrow
und dem
Oberlandesgericht Rostock
nachgeordnet war.
- Helga Schock, Gerd Wiechmann:
1812?1906 chronologische Aufzeichnungen ; vom ?Criminal-Colegium“ 1812 uber die Erstbelegung der ?Großherzoglich Mecklenburg-Schwer. Landesstrafanstalt zu Dreibergen“
. Gansebrunnen-Verlag, Butzow 1999.
- Großherzog Friedrich Franz I. (Mecklenburg):
Criminal-Gerichts-Ordnung fur das Großherzogliche Criminal-Collegium zu Butzow
. Hofbuchdruckerei, Schwerin 1817 (
google.de
).
- ↑
a
b
c
Helga Schock, Gerd Wiechmann:
1812 - 1906 chronologische Aufzeichnungen ; vom "Criminal-Colegium" 1812 uber die Erstbelegung der "Großherzoglich Mecklenburg-Schwer. Landesstrafanstalt zu Dreibergen"
. Gansebrunnen-Verlag, Butzow, 1999.
- ↑
Großherzog Friedrich Franz II. (Mecklenburg)
:
Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinscher Staats-Kalender
. Hofbuchdruckerei Schwerin-Dr. F. W. Barensprung, 1880.
- ↑
Großherzog Friedrich Franz I. (Mecklenburg)
:
Criminal-Gerichts-Ordnung fur das Großherzogliche Criminal-Collegium zu Butzow
. Hofbuchdruckerei-Schwerin, 1817.
- ↑
Großherzog Friedrich Franz II. (Mecklenburg):
Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinscher Staats-Kalender
. Hofbuchdruckerei Schwerin-Dr. F. W. Barensprung, 1879.
53.847128
11.97661
Koordinaten:
53° 50′ 49,7″
N
,
11° 58′ 35,8″
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