Corrado Bohm an seinem 90. Geburtstag auf der ETAPS-Konferenz in Rom (2013)
Corrado Bohm
(*
17. Januar
1923
in
Mailand
; †
23. Oktober
2017
[1]
) war ein italienischer
theoretischer Informatiker
und Computerpionier. Er war Professor an der
Universitat La Sapienza
(Rom).
Bohm ging 1942 in die Schweiz, machte 1946 seinen Abschluss in Elektrotechnik an der
Ecole polytechnique federale de Lausanne
(damals EPUL) und wurde dann Forschungsassistent an der
ETH Zurich
, wo seine Hinwendung zur Informatik begann bei der Auswertung der
Zuse Z4
von
Konrad Zuse
, die an der ETH 1950 installiert wurde. Er wurde dort 1952 in Mathematik bei
Eduard Stiefel
(und
Paul Bernays
, der ihn mit
Turing-Maschinen
bekannt machte) promoviert
(Calculatrices digitales du dechiffrage de formules logico-mathematiques par la machine meme dans la conception du programme)
.
[2]
In ihr beschrieb er einen vollstandigen
Compiler
und noch dazu als Erster einen spater so genannten metazirkularen Compiler, also einen Compiler, der in seiner eigenen Sprache formuliert war.
[3]
Er entwickelte auch einen Computer fur symbolische Manipulation, beschrieben in einem italienischen Patent 1952.
1951 ging er wieder nach Italien, zunachst zu
Olivetti
, dann 1953 an das Istituto per le Applicazioni del Calcolo (IAC) des
Consiglio Nazionale delle Ricerche
in Rom (geleitet von
Mauro Picone
), wo damals der erste moderne italienische Computer in Zusammenarbeit mit der Firma
Ferranti
aus Manchester installiert wurde (FINAC), fur dessen Auswertung Bohm verantwortlich war. Danach war er fur die Programmierung von Analysis-Anwendungen am IAC zustandig.
In den 1960er Jahren begann er an der Universitat Rom zu lehren (und an der
Universitat Pisa
) und wandte sich theoretischer Informatik zu. Mit seinem Studenten Giuseppe Jacopini bewies er 1966
[4]
einen nach ihnen benannten Satz, der zu einem der Grundlagen der
Strukturierten Programmierung
wurde (auch nach
Edsger W. Dijkstra
unter dem Schlagwort Programmieren ohne
Goto
Befehl bekannt). Der Satz von Bohm-Jacopini besagt, dass
nur
durch abwechselndes Verwenden von (1) linearen Abfolgen von Befehlen (Sequenzen), (2)
Verzweigungen
und (3)
Schleifen
| Wiederholungen | Iterationen im
Programmablaufplan
dargestellte Algorithmen
jede berechenbare Funktion
beschrieben werden kann.
Ebenfalls in den 1960er Jahren begann er sich mit dem
Lambda-Kalkul
von
Alonzo Church
zu befassen und mit darauf basierenden
funktionalen Programmiersprachen
. 1968 bewies er den wichtigen Satz von Bohm;
[5]
dass zwei Ausdrucke des Lambda-Kalkuls mit syntaktisch verschiedener Normalform bezuglich
β-Konversion
und
η-Konversion
nicht identisch sein konnen. Auch die Methode des Beweises, die er verwandte
(Bohm out technique)
, war einflussreich. Mit Wolf Gross entwickelte er eine funktionale Programmiersprache, die auf dem Lambda-Kalkul von Church und der kombinatorischen Logik von
Haskell Brooks Curry
basierte (CUCH).
Mit
Dana Scott
,
Christopher Strachey
und anderen war er außerdem ab 1964 Mitglied der Working Group 2.2 der
IFIP
(Formal description of programming concepts).
1968 erhielt er eine volle Professur in Modena und dann an der
Universitat Turin
, wo er den Bereich Informatik aufbaute (anfangs aus einem einzigen Raum bestehend und eine IBM 360 nutzend, die auch den ubrigen Fakultaten diente) und eine Gruppe in theoretischer Informatik. Ab 1974 war er Professor in Rom, wo er im selben Jahr eine internationale Konferenz zum
Lambda-Kalkul
organisierte. Ab 1988 war er in der neu gegrundeten IFIP Working Group
Functional Programming
aktiv. Seine Forschung der letzten Jahrzehnte stellte das Normalisierungskonzept als Paradigma in der Programmierung heraus, insbesondere in funktionaler Programmierung.
Er war
Ehrendoktor
der
Universitat Mailand
(1994). 2001 erhielt er den
EATCS-Preis
. Bohm war ab 1990 Mitglied der
Academia Europaea
.
[6]
Er war Mitherausgeber von Theoretical Computer Science.
1950 heiratete er die Malerin Eva Romanin Jacur, mit der er zwei Sohne und eine Tochter bekam. Corrado Bohm starb im
Oktober 2017
im Alter von 94 Jahren.
- ↑
E morto Corrado Bohm.
In:
ilpost.it
, abgerufen am 25. Oktober 2017
- ↑
Mathematics Genealogy Project.
Publiziert als
Calculatrices digitales. Du dechiffrage des formules mathematiques par la machine meme dans la conception du programme
, Annali di Mat. pura e applicata, serie IV, Band 37, 1954, S. 1?51. Die Dissertation wurde 1951 eingereicht.
- ↑
Donald Knuth
: Pardo
The early development of programming languages.
In: Metropolis, Howlett,
Gian-Carlo Rota
(Hrsg.):
A history of computing in the 20th century
, Annals of the history of computing, 1980, S. 197?268.
- ↑
Bohm, Jacopini:
Flow Diagrams, Turing Machines and Languages with Only Two Formation Rules
, Communications of the ACM, Band 9, 1966, S. 366?371.
- ↑
Bohm:
Alcune proprieta delle forme normali nel calcolo
, INAC 696 (1968).
- ↑
Eintrag
auf der Internetseite der Academia Europaea