Conrad Fredrik von der Lippe (vor 1887).
Conrad Fredrik von der Lippe
(*
8. Oktober
1833
in
Kristiansand
; †
27. Dezember
[1]
[2]
1901
auf Klyva gard,
Os
(heute
Bjørnafjorden
)) war ein
norwegischer
Architekt des
Historismus
. Er entwarf in
Stavanger
und
Bergen
mehrere Gebaude in
Backsteingotik
sowie zahlreiche uber das ganze Land verstreute
Holzkirchen
im traditionellen Stil. In Nachschlagwerken ist er auch unter den Namen
Fredrik von der Lippe
[2]
,
Fredrik Conrad von der Lippe
[3]
,
Conrad Fritz von der Lippe
[2]
oder
Fredrik Lippe
[1]
verzeichnet.
Conrad Fredrik von der Lippe
[4]
war der Sohn des
Bischofs von Kristiansand
und
Parlamentsprasidenten
Jacob von der Lippe
und dessen Ehefrau Ingeborg Brun Erichsen (eine Enkelin von
Johan Nordahl Brun
). Von den acht Kindern aus dieser Ehe, die das Sauglingsalter uberlebten, war Conrad Fredik das siebente. Seine Geschwister hießen Gerhard (* 1823), Cathrine (* 1824), Ingeborg Lucie Marie (* 1825), Jacob (* 1828), Hans (* 1829), Antonette Ulrikke (* 1831), Johan Nordahl Brun (* 1838).
Signatur von Conrad Fredrik von der Lippe aus der von ihm veroffentlichten Genealogie seiner Familie.
Er verheiratete sich am 5. Juli 1859 in
Darmstadt
mit Johanne Louise Caroline Voigt (* 11. Februar 1837), Tochter eines
Hauptmanns
in der
Großherzoglich Hessischen
Armee und Enkelin eines Geheimen Regierungs-Kanzlers beim
Fursten von Isenburg
. Das Ehepaar hatte funf Nachkommen: Ingeborg (* 1860), Ludvig Voigt (* 1863), Johanna Marie Gerhardine (* 1866), Jacob (* 1870) und Jens Andreas Holmboe (* 1877). Die alteste Tochter wurde unter dem Namen
Ingeborg von der Lippe Konow
eine erfolgreiche Kinderbuchautorin und Ubersetzerin. Ludvig Voigt sturzte als Sechsjahriger aus einem Boot und
ertrank
.
Jacob (Jakob)
wurde Schauspieler und durch
Hanna Castberg
Vater von drei bekannten Sohnen, dem Theaterdirektor
Frits von der Lippe
, dem kommunistischen Politiker
Just Lippe
und dem Keramikkunstler
Jens von der Lippe
.
Conrad Fredriks Familie ist deutschen Ursprungs und stammt aus
Bremen
, von wo aus ein Jacob von der Lippe († 1702) nach Bergen eingewandert war. Das
von
im Namen ist keine Adelsbezeichnung, sondern verweist auf die
westfalische
Herkunft. Die burgerlich-kaufmannische Familie hat in 300 Jahren einige prominente Vertreter hervorgebracht. Conrad Fredrik hat selbst
genealogische
Dokumente gesammelt und 1883 als
Personalhistoriske Efterretninger om Familien von der Lippe
(
Berichte uber die personliche Geschichte der Familie von der Lippe
) veroffentlicht, ein Werk, das er dem Gedachtnis seines Vaters widmete und das wegen seines Detailreichtums und der Bedeutung der Familie auch von allgemein-historischem Interesse ist.
Wappen der norwegischen Familie von der Lippe, veroffentlicht in Conrad Fredrik von der Lippe:
Personalhistoriske Efterretninger
(1883).
Conrad Fredrik von der Lippe studierte 1851?1853 an der
Polytechnischen Schule Hannover
(ab 1879
Konigliche Technische Hochschule
) Naturgeschichte, Mineralogie, Chemie, Physik, Geometrisches Zeichnen und Mathematik. Anschließend setzte Lippe seine Studien in
Darmstadt
und
Berlin
fort.
[1]
[5]
1856 eroffnete er ein Architekturburo in seiner Heimatstadt Kristiansand, zog aber schon im Herbst 1857 nach
Stavanger
, um an der dortigen
offentlige tegneskole
(offentlichen Zeichenschule) zu unterrichten. Zehn Jahre lang, von 1860 bis 1870, war er
bygningsinspektør
(Bauinspektor) in Stavanger, dann dreißig Jahre lang, von 1870 bis 1900,
stadskonduktør
(stadtischer Bauleiter) in
Bergen
. In Bergen betrieb er sein privates Buro weiter, davon 1873?1881 unter dem Firmennamen
von der Lippe & Jess
mit dem Partner
Hans Heinrich Jess
(1847?1916), der mit dem
Hotel Hardanger
in
Odda
eine Ikone des
Schweizerstils
geschaffen hatte. Ab 1881 durfte Lippe, da stadtischer Bauleiter, im Gemeindegebiet Bergen keine privaten Architekturarbeiten ubernehmen.
[1]
St. Petri kirke, Stavanger (1866)
?Als erster ortsansassiger Architekt von Stavanger pragte Fredrik Lippe das Stadtbild uber einen Zeitraum von 13 Jahren entscheidend mit.“
[1]
Er entwarf
historisierend
im Stil der
Gotik
und der
Renaissance
. Die Fassade seines eigenen Hauses, Kongens gate 49 (1867), schmuckte er mit Portrats von
Kallikrates
,
Filippo Brunelleschi
,
Michelangelo
und
Karl Friedrich Schinkel
. Die 1866 errichtete
St. Petri kirke
(
Peterskirche
) wurde aus rotem
Backstein
und mit rundbogigen Fenstern erbaut. ?Ihr
Langhaus
ist mit einem englisch anmutenden offenen Dachstuhl gestaltet. Durch ein niedriges
Zwischenjoch
wirkt der Turm aus dem Langhaus freigestellt. Dem quadratischen Turm ist eine in Kupfer verkleidete
Glockenstube
aufgesetzt, gestaltet als
oktogonale
Laterne
, flankiert von vier kleinen Eckturmchen.“
[2]
Eine der letzten Arbeiten in Stavanger war die 1870 abgeschlossene Renovierung der
Stavanger Domkirke
.
[5]
Fur den
Bryggen
, das alte
Hanseviertel
in Bergen, entwarf Conrad Fredrik von der Lippe 1874?1877 den
Finnegards-Bazaren
(oder
Murtasken
) als Anbau vor dem
Finnegarden
(seit 1872
Hanseatisches Museum
), den gegenuber liegenden
Kjøttbazaren
(
Fleischmarkt
,
Unesco-Weltkulturerbe
) im Rundbogen-Stil nach Florentiner Art,
[2]
Finngarden 1a-b als Abschluss des Bryggen und das Eckhaus fur Martens in Richtung Almenningen.
[5]
Diese Gebaude sind ebenfalls aus rotem Backstein errichtet und ihr Stil erinnert an die norddeutsche Gotik des spaten Mittelalters.
[1]
Finnegards-Bazaren oder Murtasken (1876), neben dem Finnegarden am
Bryggen
in Bergen. Das Gebaude beherbergt das
Hansemuseum
.
In verschiedenen Landesteilen sind von Lippe entworfene Privathauser erhalten geblieben, wie die Villa Snøringsmoen in
Lillesand
(im Schweizerstil, um 1867) und
Ole Bulls
Villa Lysøen in
Lysøen
(maurisch inspiriert, 1872, erweitert 1905).
[2]
[5]
Die Architekturkritik hat sich auch fur Lippes zahlreiche Holzkirchen interessiert, die sich aber nicht wesentlich von den Entwurfen seiner zeitgenossischen Berufskollegen unterscheiden.
[1]
Mehrfach diente eine fertiggestellte Kirche als Modell fur spatere Konstruktionen. So war
Sund
ein Vorbild fur die Kirche von Varaldsøy.
[1]
Uber diese Kirche hat Lippe (als
Fredrik Lippe
und zusammen mit seinem Partner Hans Heinrich Jess) eine Monografie in deutscher Sprache veroffentlicht. Er hat auch vereinzelt Artikel in Zeitschriften veroffentlicht (
Morgenbladet
,
Bergens Tidende
,
Bergens Aftenblad
,
Illustreret Nyhedsblad
).
[1]
Abgesehen von seiner Mitgliedschaft in Berufsvereinigungen wie dem
Bergener Handwerksverein
, in dem er neun Jahre lang Vorsitzender war, engagierte sich Conrad Fredrik von Lippe auch kulturell. Er war im Vorstand des altesten Bergener Theaters
Den Nationale Scene
und des
Fortidsminneforeningen
, einem privaten Verein fur den Erhalt kulturhistorischer Denkmaler, dem der Fortbestand der norwegischen
Stabkirchen
zu verdanken ist.
[1]
Kjøttbazaren (
Fleischmarkt
),
Unesco-Weltkulturerbe
in Bergen (1874).
(Auswahl)
[1]
- Mitglied des Bergener Handwerks- und Industrievereins ab 1870, stellvertretender Vorsitzender 1875?76, Vorsitzender 1876?77, 1880?81, 1889?93.
- Mitglied des Vorstands des Theaters
Den Nationale Scene
(
Die nationale Buhne
) in Bergen ab 1876
- Mitglied des Norwegischen Ingenieur- und Architektenvereins ab 1880
- Vorstandsmitglied der Zweigstelle Bergen des Vereins
Foreningen til norske Fortidsminnesmerkers Bevaring
(
Norwegische Vereinigung fur Denkmalpflege
)
Ole Bulls
Villa Lysøen in
Lysøen
(1872).
Sundkirche (1877) in Klokkarvik, entworfen von Conrad Fredrik von der Lippe und Hans Heinrich Jess. Die Kirche brannte 1994 bis auf die Grundmauern nieder.
(Standort: Bauwerk, Jahr der Errichtung)
[2]
- Al
: Holzkirche, 1880 (1956 wieder aufgebaut von F. Konow-Lund).
- Avaldsnes
: Kirchturm, 1860 (abgerissen).
[1]
- Bergen
:
[1]
- Kjøttbasaren, Vetrelidsalmenningen, 1874.
- Finnegarden 1 A-B, 1876.
- Eckhaus fur Martens, Vetrelidsalmenningen, 1876.
- Birkenes
: Vegusdal Kirche, 1867.
- Fjell
: Holzkirche, 1874.
- Grimstad
: Sparebank, 1862.
- Hatlestrand: Kirche, 1885.
- Haugesund
: Schule, 1860.
- Høle (
Rogaland
): Pastorenhof, 1865 (abgerissen).
- Kausland: Kirche, 1881.
- Klokkarvik
: Sund Kirche, 1877.
- Leveld (
Al
): Holzkapelle, 1880.
- Lillesand
: Villa Snøringsmoen, fur den Kaufmann und Reeder Lars Hammer jr. und Frau Laura, 1870.
[1]
- Lysøen
: Villa Lysøen, fur Ole Bull (1872, zugeschrieben)
[1]
- Nedstrand (heute zu
Tysvær
): Holzkirche, 1868.
[1]
- Sømme (Haland): Pastorenhof, um 1870.
- Stavanger
:
- Kirkegata 15, 1857.
- Colonialforretningshus, 1857.
- Pflegeheim Alders Hvile, 1869.
- Gymnastiksaal Kongsgard skole, 1861.
- St. Petri, 1863?1869.
- Villa Hansen, 1863.
- Gefangnis, 1864 (abgerissen).
- Altes Rathaus, 1865 (abgerissen).
- Sparebank und Festsaal, 1865 (abgerissen).
- Kongsgata 49, 1867.
- Restaurierung der Stavanger domkirke, 1867?70.
- Restaurierung der Mauern des
Kloster Utstein
, 1866.
- Strand
: Holzkirche, 1874.
[5]
- Torpo: Holzkirche, 1880.
- Varaldsøy: Holzkirche, 1885.
Kirche von Torpo (1880).
(Auswahl)
[1]
- Den norske industri- og kunstutstillingen
(
Die Norwegische Industrie- und Kunstausstellung
), Kristiania, 1883
- (mit Hans Heinrich Jess:)
Høstutstillingen
(
Herbstausstellung
), 1886
(nur Monografien)
[1]
- Personalhistoriske Efterretninger om Familien von der Lippe med naermeste cognatiske descendenter. Samlede og bearbeidede von Conrad Fredrik von der Lippe.
Bergen I commission hos C. Floor. Griegs Bogtrykkeri 1883.
Digitalisat
- (als Fredrik Lippe, gemeinsam mit Hans Heinrich Jess:)
Die neue lutherische Kirche zu Sund in Norwegen.
Berlin 1883.
Kirche von
Strand
(1874).
- ↑
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
l
m
n
o
p
q
r
Axel Chr. Mykleby:
Fredrik Lippe.
in:
Norsk Kunstnerleksikon
, Band 2, Oslo 1983. Seite 781?782.
Digitalisat
- ↑
a
b
c
d
e
f
g
Henning Repetzky:
Lippe, Fredrik von der
in: Andreas Beyer, Benedicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.):
Allgemeines Kunstlerlexikon ? Internationale Kunstlerdatenbank ? Online.
K. G. Saur, Berlin, 2021.
- ↑
Fredrik Conrad von der Lippe
im
Historisk befolkningsregister
- ↑
Alle genealogischen Angaben in diesem Abschnitt stammen aus: Conrad Fredrik von der Lippe:
Personalhistoriske Efterretninger om Familien von der Lippe med naermeste cognatiske descendenter. Samlede og bearbeidede von Conrad Fredrik von der Lippe.
Bergen I commission hos C. Floor. Griegs Bogtrykkeri 1883. Ein
Digitalisat
ist zuganglich.
- ↑
a
b
c
d
e
Ola Storsletten:
Conrad Fredrik von der Lippe.
in:
Store norske leksikon
Digitalisat