Claus von Amsberg
(ab 1966
Claus van Amsberg
; voller Titel
Claus, Prins der Nederlanden, Jonkheer van Amsberg;
geboren als
Klaus-Georg Wilhelm Otto Friedrich Gerd von Amsberg;
*
6. September
1926
in
Hitzacker (Elbe)
; †
6. Oktober
2002
in
Amsterdam
) war
Prinzgemahl
der
niederlandischen
Konigin
Beatrix
.
Die Hochzeit des
deutschen
Diplomaten
mit der damaligen niederlandischen Kronprinzessin fand am 10. Marz 1966 statt. Zuvor wurde ihm am 16. Februar 1966 das niederlandische
Adelspradikat
Jonkheer
van Amsberg
zusammen mit dem Titel
Prinz der Niederlande
und der Anrede
Konigliche Hoheit
durch
Konigin Juliana
verliehen, erblich fur die zu erwartende Nachkommenschaft mit seiner damals noch Verlobten.
[1]
Nach anfanglichen Schwierigkeiten wurde
Prins Claus
zum beliebtesten Mitglied der
Konigsfamilie
.
Klaus von Amsberg wurde 1926 auf dem norddeutschen Landgut Dotzingen bei Hitzacker (Elbe) geboren. Er entstammte dem
mecklenburgischen
Adelsgeschlecht
Amsberg
. Sein Vater Klaus Felix Friedrich Leopold von Amsberg (1890?1953) war der alteste Sohn von Wilhelm von Amsberg (1856?1929) und dessen Gemahlin Elise von
Vieregge
(1866?1951). Der Vater arbeitete seit 1917 als Gutsverwalter auf dem Landgut, nachdem er ein missglucktes Abenteuer als Farmer in
Afrika
hinter sich hatte. Er heiratete Gosta Freiin von dem
Bussche
-Haddenhausen (1902?1996), die jungste Tochter des Gutsbesitzers von Dotzingen, Georg Freiherr von dem Bussche-Haddenhausen (1869?1923) und dessen Gemahlin Gabriele, geb. Freiin von dem Bussche-Ippenburg (1877?1973).
1928 wanderte der Vater mit seiner Familie nach
Tanganjika
(dem heutigen
Tansania
) aus, wo er Manager auf einer deutsch-englischen
Kaffee
- und
Sisalplantage
wurde. Claus von Amsberg verbrachte zehn Jahre seiner Kindheit in Tansania und hatte diese Jahre als besonders glucklich in Erinnerung. 1933 schickte seine Mutter ihn und seine jungeren Schwestern zu ihrer Familie nach
Bad Doberan
, wo er das
Gymnasium Friderico-Francisceum
besuchte. 1936 ging er zuruck nach Afrika und kam in ein deutsches Internat in Tanganjika, das in Verbindung mit der
Hitlerjugend
stand.
1938 zog seine Mutter mit ihm zuruck nach
Deutschland
, wo Claus von 1938 bis 1942 die
Baltenschule Misdroy
an der
Ostsee
besuchte. 1943 zog er zu seiner Großmutter in Bad Doberan, wo er seine schulische Laufbahn auf dem lokalen Gymnasium Friderico-Francisceum fortsetzte. Dort wurde er regulares Mitglied des
Jungvolks
und der Hitlerjugend. Als 16-Jahriger wurde er 1942 zum
Reichsarbeitsdienst
verpflichtet und auf dem Flughafen in der ostpreußischen Hauptstadt
Konigsberg
eingesetzt. Als Soldat der deutschen
Wehrmacht
kam er nach einer Zwischenstation in
Danemark
zur
90. Panzergrenadierdivision
nach
Italien
. Anfang Mai 1945 geriet er noch vor seinem ersten Einsatz in US-amerikanische
Kriegsgefangenschaft
, wurde interniert und fungierte als Dolmetscher und Fahrer.
Weihnachten 1945 kam er nach Deutschland zuruck und zog nach Hitzacker. Seine Eltern, die in Afrika festgehalten wurden, sah er erst 1947 wieder. Unterdessen holte Claus sein Abitur am
Johanneum Luneburg
nach. Bevor er sich an einer Universitat immatrikulieren konnte, musste er sich einer
Entnazifizierungskommission
stellen, die ihn von allen Bedenken freisprach. Weil er nicht
Maschinenbau
studieren konnte, schrieb er sich fur ein
Jura
-Studium in
Hamburg
ein, wo er mehrmals als
Werkstudent
arbeitete. 1952 schloss er sein Studium ab. 1953 starb sein Vater.
Nach einer Ausbildungszeit in den
USA
und einer mehrmonatigen Anstellung in der Kanzlei des Hamburger
Rechtsanwalts
Walter Lippmann
, wo er sich mit den Rechtsanspruchen deutscher Juden beschaftigte, schlug er eine neue Richtung ein: die
Diplomatie
. Am 1. April 1957 trat er als Beamter in den deutschen
auswartigen Dienst
ein. 1958 folgte seine Prufung als
Attache
.
Sein erster Auslandseinsatz als Diplomat war die Position des dritten Botschaftssekretars in der
Dominikanischen Republik
. Dort berichtete Claus von Amsberg uber das autoritare Regime des Landes und die damals wachsende Anzahl der Regimekritiker. Er wurde zum zweiten Botschaftssekretar befordert, begann aber auch, sich fur eine Stelle in Afrika zu interessieren. 1961 wurde er zweiter Botschaftssekretar und stellvertretender
Botschafter
in der Deutschen Botschaft an der
Elfenbeinkuste
. Hier suchte er die Bekanntschaft mit
Avi Primor
, spaterer Botschafter fur Israel in Deutschland, und erwarb als ?erster Deutscher“, der diesem begegnete, dessen Wertschatzung und lebenslange Freundschaft.
[2]
Am Silvesterabend 1962 lernte er die niederlandische Kronprinzessin Beatrix auf einem Fest der mit ihm befreundeten und entfernt verwandten Grafen von
Oeynhausen
-Sierstorpff in
Bad Driburg
kennen, die auch zur Verwandtschaft von Beatrix’ Vater
Bernhard zur Lippe-Biesterfeld
gehoren. Anderthalb Jahre spater folgten ein zweites und drittes Treffen in Verbindung mit der Hochzeit von Tatjana Prinzessin zu
Sayn-Wittgenstein
und
Moritz Prinz von Hessen
. 1963 kehrte Claus nach Deutschland zuruck, um beim
Auswartigen Amt
in
Bonn
im Bereich der Wirtschaftsbeziehungen mit Staaten des
Subsahara-Afrikas
zu arbeiten. Verschiedene Treffen 1964 und 1965 fuhrten zu einer Festigung der Bekanntschaft. Am 1. Mai 1965 entdeckte der Fotograf John de Rooy das Paar, wie sie ?innig umarmt“ im Garten des
Schlosschens Drakensteyn
spazieren gingen. Das Foto erschien am 6. Mai 1965 in der britischen Tageszeitung
Daily Express
und danach in der niederlandischen Presse. Nachdem Amsbergs Identitat herausgefunden worden war, musste sich das Paar schnell entscheiden: am 28. Juni wurde im Fernsehen ihre Verlobung bekannt gegeben.
Die Tatsache, dass Claus als Deutscher Mitglied der
Hitlerjugend
gewesen war und in der
Wehrmacht
gedient hatte, sorgte in Teilen der niederlandischen Bevolkerung zwanzig Jahre nach der
deutschen Besatzung
fur große Aufregung. Es kam zu einer Unterschriftenkampagne gegen die geplante Hochzeit.
Die
Zweite Kammer des Parlaments
debattierte lang und heftig daruber. Erst nachdem der bekannte Historiker
Loe de Jong
feststellte, dass Claus keinesfalls
Kriegsverbrechen
vorgeworfen werden konnten und in seiner
Biografie
keine Anzeichen von
Antisemitismus
entdeckt wurden, sicherten die Fraktionsvorsitzenden im Parlament dem Gesetzesvorschlag fur die Eheschließung eine Mehrheit zu.
Am 10. Dezember 1965 erhielt Claus einen niederlandischen Pass und am 16. Februar 1966 wurde sein Familienname offiziell in ?van Amsberg“ geandert. Die
niederlandische Staatsburgerschaft
war notwendig, weil ansonsten nach damaligem Recht die Kinder aus der Ehe keine Niederlander gewesen waren.
Am 10. Marz 1966 heirateten Claus und Beatrix in Amsterdam, und Claus erhielt den Titel eines Prinzen der Niederlande und Jonkheer van Amsberg. Die junge Anarchistenbewegung
Provo
storte den Hochzeitszug, indem
Peter Bronkhorst
eine
Rauchbombe
zundete.
[3]
Als Beatrix 1980 Konigin wurde und ihre Familie 1981 von Schloss Drakensteyn in
Baarn
nach
Den Haag
umzog, nahm der Druck auf die konigliche Familie zu und beeinflusste das Leben von Prinz Claus starker. Als Prinzgemahl bekam er zusatzliche zeremonielle Aufgaben ubertragen und schien stark darunter zu leiden, dass er keinen substanziellen Tatigkeiten nachgehen konnte.
Der oft als
trauriger Prinz
bezeichnete Prinzgemahl hatte sich seit der noch von Protesten begleiteten Hochzeit in den Niederlanden viel Anerkennung erworben. In Umfragen galt er als das sympathischste Mitglied des Konigshauses von
Oranien-Nassau
. Mit der warmherzigen Anteilnahme am Wohlergehen der Entwicklungslander, seiner offenen Sprache, den Rechtsstreitigkeiten uber nicht zutreffende Berichterstattung der
Boulevardpresse
und seinen spielerischen und humorvollen Aktionen wie dem Protest gegen die
Zwangsjacke
des Hofes
schlossen ihn viele Niederlander ins Herz. Einmal unterbrach er einen Vortrag, um die Krawatte abzunehmen und wegzuwerfen.
1996 richtete die niederlandische Regierung anlasslich seines dreißigjahrigen Jubilaums als Prinz der Niederlande den Prinz-Claus-Fonds ein, der mit dem
Prinz-Claus-Preis
Geld fur Kultur- und Entwicklungsprojekte in Landern der Dritten Welt bereitstellt.
1982 wurde der Prinz in das ?
Radboudziekenhuis“
in
Nijmegen
eingeliefert. Die Pressestelle der Regierung erlauterte dies wegen ?Beschwerden depressiver Natur“. Es dauerte einige Jahre, bis der Prinz seine Krankheit uberwunden hatte. In den Augen der niederlandischen Bevolkerung war Prinz Claus lange ein freundlicher, wenn auch trauriger und verletzbarer Ehemann neben Konigin Beatrix. Als in den 1990er Jahren die Berichterstattungen uber seine Krankheit zunahmen, verstarkte sich dieses Bild in der Offentlichkeit noch weiter. In seinen letzten Lebensjahren gelang es ihm, dieses Image etwas zurechtzurucken. 1991 kehrten seine
Depressionen
zuruck, und die
Parkinsonsche Krankheit
wurde bei ihm diagnostiziert. Deshalb, und auch wegen seiner Medikamente, wurde seine Motorik stark beeintrachtigt.
In seinen letzten Lebensjahren durchlebte Prinz Claus verschiedene Phasen von Krankheiten, die sich abwechselten mit Phasen der
Regeneration
und Aktivitat. 1998 wurde er wegen
Prostatakrebs
operiert und erfolgreich behandelt, die
Strahlentherapie
verursachte jedoch im Jahr 2000
Harnwegsprobleme
. 2001 musste ihm eine
Niere
entfernt werden, was zu Schwierigkeiten mit der anderen Niere fuhrte. Am 2. Februar 2002 konnte er trotzdem an der Hochzeit seines Sohnes Kronprinz
Willem-Alexander
mit
Maxima Zorreguieta
teilnehmen. Wegen Atemwegserkrankungen musste er in jenem Fruhjahr mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen. Am 8. Juni wurde sein erstes Enkelkind geboren: Grafin Eloise, die Tochter seines Sohnes Prinz
Constantijn
und dessen Ehefrau Prinzessin
Laurentien
. Am 9. August wurde eine Verengung seiner
Herzkranzgefaße
mittels
Ballonkatheter
behandelt. Er starb als eines der popularsten Mitglieder des niederlandischen Konigshauses am 6. Oktober 2002 im Alter von 76 Jahren in Amsterdam an den Folgen seiner Parkinson-Krankheit und einer
Lungenentzundung
.
Prinz Claus wurde am 15. Oktober 2002 in der koniglichen Grabstatte der
Nieuwe Kerk
zu
Delft
beigesetzt. Er hinterlasst das Bild eines stilvollen und besonders integeren Mannes. Die Trauerrede hielt der Dichter und ehemals katholische Priester
Huub Oosterhuis
.
Von Amsberg konnte zur Zeit seiner Eheschließung noch davon ausgehen, dass er als Prinzgemahl ? wie auch sein Schwiegervater, Prinz
Bernhard
? wichtige Aufgaben diplomatischer Art wahrnehmen wurde. Seit der
Lockheed-Affare
von 1976 allerdings wurde der Freiraum fur den Prinzgemahl stark beschnitten.
Prinz Claus engagierte sich zeitlebens fur Afrika. 1970 wurde er zum Vorsitzenden des nationalen Komitees fur Entwicklungsstrategie ernannt, einer Art
PR
-Organ der Entwicklungspolitik der niederlandischen Regierung. Eine Anzahl von Empfehlungen dieser Kommission, wie einer kleinen Beihilfe zum
Angola
-Ausschuss, der fur ein unabhangiges Angola und einen Kaffeeboykott kampfte, der organisiert wurde, um das Regime der damaligen
portugiesischen Kolonie
zu sturzen, schienen den Prinzen in eine politisch umstrittene und deshalb kompromittierende Lage zu bringen. Darum gab man ihm daraufhin Funktionen, die weniger sensibel waren: er wurde Prasident der
Stiftung
der niederlandischen Freiwilligen und politischer Berater des Ministers fur
Entwicklungszusammenarbeit
. Aber auch in diesen Funktionen fuhlte Prinz Claus sich sehr eingeschrankt. Er musste seine personliche Meinung fur sich behalten, erschien deswegen oftmals farblos und konnte in seiner Funktion nicht forsch zu Werke gehen. Doch durch sein diplomatisches Auftreten und seine vielen Vortrage uber das Thema Entwicklungszusammenarbeit konnte er einige seiner Ideen vermitteln. So veranderte sich durch seinen Einfluss der Grundsatz der Entwicklungshilfepolitik: anstelle von Reisen in die
Dritte Welt
, um dort zu helfen, entstand das Prinzip der
Hilfe zur Selbsthilfe
.
1984 wurde er Generalinspekteur fur Entwicklungszusammenarbeit, eine Tatigkeit, die mit vielen Reisen verbunden war. Außerdem wurde er Vorstandsmitglied der
niederlandischen Zentralbank
, des damals staatlichen Post- und Telekommunikationsunternehmens
PTT
und Vorsitzender der
Export
-Plattform fur Verkehr. Außerdem war der gut ausgebildete Prinz Vorsitzender der Stiftung fur Biowissenschaften und Gesellschaft. Dennoch blieb seine Durchsetzungsfahigkeit aufgrund der Zugehorigkeit zur koniglichen Familie eingeschrankt.
Siehe auch:
Prinz-Claus-Preis
- Claus
in:
Internationales Biographisches Archiv
04/2003 vom 13. Januar 2003, im
Munzinger-Archiv
(Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑
Genealogisches Handbuch des Adels
, Furstliche Hauser Band XV, Band 114 der Gesamtreihe, Limburg (Lahn) 1997, S. 73 f.
- ↑
Avi Primor: ≫...mit Ausnahme Deutschlands≪ Als Botschafter Israels in Bonn. Berlin 1997. online-Ausgabe:
[1]
2. Teil b/c
- ↑
Christoph Driessen
:
Geschichte der Niederlande. Von der Seemacht zum Trendland
. Pustet, Regensburg 2009, S. 255 (Abschnitt
Prinz Claus, Der Lieblingsdeutsche der Niederlander
).
- ↑
Aufstellung aller durch den Bundesprasidenten verliehenen Ehrenzeichen fur Verdienste um die Republik Osterreich ab 1952
(PDF; 6,9 MB)