Cividale del Friuli
(furlanisch
Cividat
, slowenisch
?edad
, deutsch
Ostrich
) ist eine traditionsreiche Stadt im nordost-
italienischen
Friaul
(Region
Friaul-Julisch Venetien
) mit 10.875 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2022).
In romischer Zeit hieß die Stadt
Forum Iulii
, aus dem spater
Friuli
, der Name fur die gesamte Region, hervorging. Als das
Langobardenreich
im Jahre 776 endgultig durch die Franken besiegt wurde, erhielt sie den Namen
Civitas Austriae
, was ?Stadt des Ostens“ bedeutet, da sie im ostlichen Teil des Frankenreiches lag. Daraus entwickelten sich der italienische Name Cividale und der deutsche Name Ostrich.
Cividale del Friuli liegt 17 km ostlich von
Udine
unweit der Grenze zu
Slowenien
beiderseits des Flusses
Natisone
. Zu erreichen ist Cividale uber die
Staatsstraße
SS 54 von Udine nach
Kobarid
(Slowenien) oder uber die Bahnlinie Udine?Cividale.
Statue des Stadtgrunders Julius Caesar vor dem Rathaus
Der von Konig
Ratchis
fur seinen Vater
Pemmo
gestiftete Altar, entstanden zwischen 737 und 744, Verehrung Jesu und seiner Mutter durch die
Heiligen drei Konige
, nebst geflugeltem Engel und einer weiteren Figur
Die Stadt war eine ursprunglich keltische Siedlung, die von
Gaius Iulius Caesar
zur Stadt erhoben wurde (lat.
Forum Iulii
, Marktplatz des Iulius). Im Zuge der Volkerwanderung hielt sich in der Stadt eine Bevolkerung, die kulturell und durch ihre dem
Ladinischen
verwandte
Furlanische Sprache
mit den Alpenromanen verbunden war. Kirchlich unterstand Cividale dem
Patriarchat von Aquileia
. Wahrend der Wirren der Volkerwanderungszeit hatte seine Bevolkerung besonders zu leiden, da die Stadt unmittelbar westlich der Sperrwerke der
Claustra Alpium Iuliarum
im
Birnbaumer Wald
lag, eines Gebirgspasses in den
Julischen Alpen
, der haufig von Barbarenvolkern als Einfallstor nach Italien benutzt wurde.
Die Stadt gehorte nach dem Untergang
Westroms
zunachst zum Reich
Odoakers
, dann zum
Ostgotenreich
Theoderichs
und zu
Byzanz
.
Im Herbst 568 wurde die Stadt, wohl kampflos,
[2]
von den
Langobarden
besetzt und zum Mittelpunkt des
Herzogtums Friaul
gemacht. Dessen erster Herzog wurde
Gisulf I.
Um das Jahr 610 wurde Cividale von den
Awaren
geplundert. Nachdem Herzog
Gisulf II.
in der Schlacht gefallen war, suchte seine Frau Romilda mit ihren Sohnen in ihren Mauern Zuflucht. Den Awaren gelang es in die Stadt einzudringen. Den Berichten des
Paulus Diaconus
zufolge soll Romilda selbst die Tore der Stadt geoffnet haben, da sie von der Schonheit des Barbarenherrschers geblendet war. Die mannlichen Stadtbewohner wurden angeblich alle getotet, die Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt. Nur den Kindern Gisulfs gelang die Flucht.
[3]
Unter den
Karolingern
wurde Cividale Teil der Mark Friaul, dann der
Markgrafschaft Verona
, gelangte dann unter die Landesherrschaft des Patriarchen von Aquileia, ehe es 1421 an
Venedig
fiel. Es folgte die Herrschaft der Habsburger (kurz von einem franzosischen Intermezzo unterbrochen) und 1866 die
Eingliederung in das Konigreich Italien
. Cividale del Friuli blieb beim
Erdbeben im Friaul 1976
nahezu unversehrt, obwohl es genau auf jener Linie der am meisten heimgesuchten Orte lag, die sich an den Sudhangen und im Vorland der Julisch-Karnischen Alpen hinzog.
[4]
Teufelsbrucke mit Dom im Hintergrund
Uber den Fluss Natisone fuhrt die Teufelsbrucke, das Wahrzeichen der Stadt. Ihren Namen hat die Brucke von der Entstehungssage. Danach baute der Teufel die Brucke uber den reißenden Fluss. Als Lohn sollte er die Seele des Ersten, der sie benutzt, erhalten. Nach der Fertigstellung jagten die Burger jedoch einen Hund uber die Brucke. Am Flussufer ist in den Stein ein Gewolbe eingehauen, das als keltisches
Hypogaum
, romischer Kerker oder auch langobardisches Gefangnis bekannt ist.
In der Altstadt ist vor allem die
Piazza del Duomo
sehenswert. Hier steht der
Palazzo Pretorio
oder auch
Palazzo dei Provveditori Veneti
, dessen Entwurf
Andrea Palladio
zugeschrieben wird und der zwischen 1565 und 1586 errichtet wurde. Seit 1990 ist dort das Archaologische Nationalmuseum,
Museo Archeologico Nazionale
untergebracht. Neben der reichhaltigen Sammlung langobardischer Fundstucke sind auch Teile der zum
UNESCO
-
Weltdokumentenerbe
gehorenden
Reichenauer Handschriften
aufbewahrt.
In der Nahe der
Piazza del Duomo
befindet sich der 1565 errichtete Stadtpalast.
Innenansicht des Doms gegen das Eingangsportal
Der dreischiffige
Dom
Santa Maria Assunta
(Maria Himmelfahrt) aus dem 14. Jahrhundert wurde nach einem Einsturz im Jahr 1502 vom Architekten
Pietro Lombardo
wieder aufgebaut. 1909 erhob Papst
Pius X.
den Dom zur
Basilica minor
. Der Dom beherbergt Werke von beachtlichem kunstlerischen und historischen Wert. Den Hochaltar schmuckt ein
Altaraufsatz des Patriarchen Pilgrim II.
(1195?1204). Die lateinische Inschrift wurde mit Hilfe einzelner
Buchstabenpunzen
hergestellt
[5]
? uber 200 Jahre vor Erfindung des
Buchdrucks
mit beweglichen Lettern durch
Gutenberg
.
[6]
[7]
An der Nordwand des linken Seitenschiffes hangt ein lebensgroßes Holzkruzifix aus dem 13. Jahrhundert.
An den Dom angeschlossen ist das
Museo Cristiano
, in dem sich u. a. ein
Langobarden
-Thron und das Callixtus-Taufbecken besichtigen lassen. Fast noch aufschlussreicher sind
Fresken
und in
Sgraffitotechnik
ausgefuhrte Darstellungen des langobardischen Lebens.
Der Gebaudekomplex des Klosters
Santa Maria
steht am Steilufer des Natisone im alten langobardischen Viertel
Valle
. Der
Oratorio di Santa Maria
aus dem 8. Jahrhundert war moglicherweise eine langobardische
Pfalzkapelle
. Er wird deshalb auch
Tempietto longobardo
genannt. Dieses
vorromanische
Bauwerk hat einen quadratischen Innenraum mit Kreuzgewolbe und ein tonnengewolbtes dreischiffiges
Presbyterium
mit mittelalterlichen, byzantinisch beeinflussten Stuckverzierungen und Fresken. Das Gewolbefresko des Chores zeigt
Christus in der
Mandorla
umgeben von Heiligen und eine Darstellung der
Anbetung der Konige
.
(Siehe auch:
Lombardische Praromanik
)
.
- Die Kirche
San Giovanni
in Valle geht auf die Palastkirche des Konigshofes der fruhen Langobardenzeit zuruck.
- Die Kirche der Heiligen Petrus und
Blasius
(Chiesa dei Santi Pietro e Biagio)
fallt durch ihre mit Fresken gestaltete Westfassade auf. Sie stammen von 1506?1508 und wurden 2013 restauriert. In einer Seitenkapelle zeigt ein Fresko den hl. Blasius auf einem Thron.
-
Die Kirche
San Giovanni in Valle
-
Altar der Kirche
San Giovanni in Valle
-
Die Kirche der Heiligen Petrus und Blasius
-
Teilansicht der Fassadenfresken
-
Fresko des hl. Blasius auf einem Thron
- Die
Chiesa di San Francesco
ist nicht mehr geweiht und wird fur Ausstellungen genutzt.
- Im Osten oberhalb der Altstadt, direkt an der slowenischen Grenze, befindet sich die Kirche
Madonna del Monte
.
Das Denkmal fur Adelaide Ristori auf dem Foro Giulio Cesare
- Paulus Diaconus
oder Paul Warnefried (725/730?797/799), langobardischer Geschichtsschreiber
- Paulinus II. von Aquileia
(zwischen 730 und 740 ? 802), Patriarch von Aquileia, Grammatiker und Theologe
- Richard Sbrulius
(um 1480 ? nach 1528), italienischer Humanist und Poet
- Camillo Graffico
(um 1565 ? 1615), Kupferstecher, Maler, Kunstschmied und Verleger
- Adelaide Ristori
(1822?1906), Schauspielerin
- Roberto Chiacig
(* 1974), Basketballspieler
- Lorenzo Crisetig
(* 1993), Fußballspieler
- Roberta Costantini, Fulvio Dell’Agnese, Micol Duca, Antonella Favaro, Monica Nicoli, Alessio Pasian:
Friuli-Venezia Giulia. I luoghi dell’arte
, S. 178?183; Bruno Fachin Editore, Triest
- Silvia Lusuardi Siena:
Cividale Longobarda. Materiali per una rilettura archeologica
, Milano 2005; I.S.U. Universita Cattolica ? Largo Gemelli, 1 ? Milano
- Andrea Beltrane, Erika Cappellaro, Claudio Cescutti, Daria Labano, Thai Sac Ma, Michele Stocco:
Duomo di Cividale del Friuli
, Soroptimist International d’Italia. Club di Cividale del Friuli; Copyright 1998 Parrocchia S. Maria Assunta-Cividale
- ↑
Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2022.
ISTAT.
Abgerufen am 14. Mai 2023
(Bevolkerungsstatistiken des
Istituto Nazionale di Statistica
, Stand 31. Dezember 2022).
- ↑
Neil Christie:
From Constantinople to Charlemagne. An Archeology of Italy, AD 300-800
, Aldershot 2006, S. 111.
- ↑
Walter Pohl
:
Die Awaren, Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567?822 n. Chr
, 2 Auflage, C. H. Beck, Munchen 2002, S. 239.
- ↑
Die Provinz Friaul nach den Erdbeben
,
Die Zeit
, Jahrgang 1976, Ausgabe 22.
- ↑
Herbert E. Brekle
:
Die typographische Herstellungstechnik der Inschriften auf dem silbernen Altaraufsatz im Dom von Cividale
, Regensburg 2011
- ↑
Angelo Lipinsky (1986): ?La pala argentea del Patriarca Pellegrino nella Collegiata di Cividale e le sue iscrizioni con caratteri mobili“, in:
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, Bd. 24, S. 75?80 (78?80)
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Koch, Walter
(1994): ?Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik (1985?1991)“,
Monumenta Germaniae Historica
: Hilfsmittel, Bd. 14, Munchen,
ISBN 978-3-88612-114-4
, S. 213